Samuel Barber: Violinkonzert op.14 - Der zu virtuose 3.Satz???

  • Hallo Taminos und Taminas!


    Beim Hören des Violinkonzertes dachte ich mir, mach ich doch mal nen Thread zu diesem Violinkonzert auf und tue etwas für die 'modernere' Musik hier im Forum.


    Zunächst einmal ein kleiner Threadverweis im Forum:


    Nicht nur "Adagio for Strings" - Samuel Barber


    Den hatte ich zwar eben gerade ausgekramt, war aber eigentlich nicht geplant...



    Nun gut. Das Violinkonzert von Barber.
    Als ich es das erste Mal gehört hatte, wollte ich sofort wissen von wem dieses Konzert ist.
    Die Radioansage sagte es sei Barbers - dem war natürlich auch so - und da ich die CD nun schon zu Hause hatte und nur noch auf den Weihnachtsmann warten musste, konnte ich mich schon freuen!



    Die offizielle Uraufführung fand im Februar 1941 unter Ormandy mit dem Philadelphia Orchestra und Albert Spalding statt. Ormandy selbst lernte es bei einer Aufführung unter Fritz Reiner mit dem Symphonieorchester des Curtis Institute und Herbert Baumel kennen.
    Bevor es aber dazu kam, musste der letzte und dritte Satz des Konzertes auf seine Virtuosität geprüft werden…



    Wir schreiben das Jahr 1939, der junge Samuel Barber ist frische 29 Jahre alt und der Industriemagnat Samuel Fels bestellt extra für seinen Adoptivsohn Briselli ein Violinkonzert bei ihm. Barber nahm den Auftrag, nachdem er vor gerade einmal fünf Jahren sein Studium abgeschlossen hatte, an. Mit einem Vorschuss seines Honorars fuhr er in die Schweiz um dort in aller Ruhe zu komponieren.
    Als Barber Briselli dann die ersten beiden Sätze vorlegte, beschwerte sich dieser, dass er sich das Stück ganz anders vorgestellt hätte – ein virtuoses Feuerwerk sollte es sein, um sein Können unter Beweis zu stellen.
    Nach diesen zwei ruhigen Sätzen legte ihm Barber den Höhepunkt vor, welcher die aufgebaute Spannung des Konzertes nun auf die Spitze trieb. Der dritte Satz. Briselli jedoch wies auch diesen zurück – nun war dieser unspielbar.
    Sein Adoptivvater verlangte nun den gezahlten Vorschuss zurück. Barber jedoch hatte mit diesem seinen Schweizaufenthalt finanziert und konnte somit kein Geld vorweisen.
    Zum Glück endet die Geschichte hier nicht, denn Ralph Berkowitz nahm sich des Vorwurfs an und wollte endlich die Frage der Spielbarkeit des Konzertes klären. Der junge Geigenstudent Herbert Baumel, ein hervorragender vom Blattspieler, fiel ins Visier des damaligen Pianisten (wie der Student war er am Curtis Institute) und bekam ein paar Stunden Zeit um sich das Finale anzuschauen. Anschließend ging es für ihn in den Unterrichtsraum, wo es nun galt diesen Satz vorzuspielen. Beim Eintreten in den Raum erblickte er Samuel Barber, Gian Carlo Menotti, Mary Louise Curtis Bok sowie ein Freund Mrs.Bok. Ohne große Mühe stellte der junge Herbert Baumel unter Beweis, dass das Finale sehr wohl spielbar ist.
    Nachdem nun die Spielbarkeit demonstriert wurde, legte man fest, dass Barber sein Honorar behalten dürfe und Briselli auf alle Exklusivrechte verzichtete.


    Später behauptete Briselli, dass seine Einwände musikalischer und nicht technischer Natur gewesen sein…



    Übrigens studierten auch Barber und Briselli am Curtis Institute.



    Nun, das zur Entstehung und Vorgeschichte dieses Werkes.
    Kommen wir zu unseren subjektiven Eindrücken und Empfehlungen zu diesem Werk.
    Ihr seid dran :hello:



    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo allerseits,


    entweder sind unserer 'Modernen' nicht für dieses Werk zu begeistern, sie kennen es gar nicht oder sie haben den Thread übersehen :D


    Nun gut. Dann stelle ich mal kurz meine Aufnahme vor, die mir eigentlich vollkommen genügt. Zumal mich bisher auch niemand vom Gegenteil überzeugt hat.



    Was ich über Hilary Hahn denke, was ich von ihr halte und wie ich ihr Geigenspiel empfinde, wissen ja eigentlich alle.
    Und auch mit diesem Werk enttäuscht sie mich nicht.
    Ich bin mir aber sehr sicher, dass dies nicht alle so sehen werden...so bitte ich euch, nennt mir Alternativen :hello:


    Was Barber mit seinem Dritten Satz erreichen wollte, dass die langsam aufgebaute Spannung im Dritten Satz ihren Höhepunkt erreicht, wird IMO besonders dadurch erreicht, dass der Letzte Satz kurz und schmerzlos ist. In gut 3,30min ist alles vorbei. Da gibt es kein drumherum Geschwafel...
    Das das Andante, der Zweite Satz, als berdrückend beschrieben wird, kann ich unterstreichen. Nicht schleppend bedrückend, aber irgendwie spannend bedrückend.



    Ja, Hahn legt eine hörenswerte Interpretation vor!
    Was soll ich dazu noch sagen...ein, wieder einmal, gefühlvoller und sanfter Geigenton. Ich denke das passt sehr gut zu diesem Werk, welches mit dieser zarten Hand angegangen werden muss.



    Nun aber flott und nennt mir eure Einspielungen :yes:
    Ich will euch ja nicht drängeln, aber interessieren tut es mich schon...



    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Maik,


    Gil Shaham gefällt mir im Barber-Konzert besser als Hahn, weil IMO markanter und ausdrucksstärker. Auch die Orchesterbegleitung unter Previn finde ich hier sehr gelungen. Ist aber wie immer Geschmackssache. Und: Ja klar, das ist ein tolles Violinkonzert, nicht nur der 3. Satz.



    Gruß, Cosima

  • Hallo Barber-Freunde,


    das Violinkonzert op.14 von Barber schätze ich auch sehr. Eine wirklich schlechte Aufnahme ist mir bisher noch nicht in den CD-Player geraten.


    Doch ist für mich die CBS-Aufnahme von Isaac Stern/Bernstein immer noch die ansprchenste und spieltechnisch perfekteste. Ich halte diese Aufnahme für die Autentischste, da Barber die beiden Interpreten Stern und Bernstein persönlich kannte und mit ihnen über Interpretationsfragen diskutieren konnte.

    Violinkonzert op. 14
    +Adagio for Strings
    +Schuman:To thee old Cause;In Praise of Shahn

    Stern, Gomberg, New York PO, Bernstein
    Aufnahmen CBS 1964 - 1971

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • hallo,


    ich schliesse mich Cosimas statement absolut an. neben shaham und hahn kenne/habe ich das konzert auch mit i. perlman. auch hier wuerde ich shaham den vorzug geben.


    gruss, siamak

    Siamak

  • Hallo,


    das Barber-Konzert finde auch ich klasse. Genauer kenne ich nur die Aufnahmen mit Hilary Hahn und Gil Shaham, wobei ich die mit Hilary Hahn lieber mag. Für mich singt ihr Ton mehr und es gibt mehr Bewegungs- und Nuancenwechsel. Herrlich dabei auch ihre absolut klare und reine Intonation.
    Aber - mal wieder - eine Geschmacksfrage.


    Grüße,
    Daniel

  • Hallo, auch ich habe das Konzert von Shaham und Hahn. Letztlich schließe ich mich Cosimas Beurteilung an, (auch wenns schwerfällt, nicht Hillarys Version an die erste Stelle zu setzen :) ) Aber im Ernst: Ich finde Shahams Interpretation kraftvoller und prägnanter, Hahns Klang dafür wiederum wärmer.
    Der Vorteil, sich die Cd von Shaham zu kaufen besteht aber auch darin, dass das Korngoldkonzert dabei ist sowie die wunderbaren Stücke "Much adoo about nothing" von Korngold, hier als Version für Klavier und Violine, die ich phantastisch finde.
    Die Bernstein/Stern-Aufnahme macht mich jetzt richtig neugierig, daher eine Frage, die natürlich nicht fehlen darf: Wie stehts mit der Klangqualität?
    Gruß

    Günter

  • Hallo,


    Ja, Korngold ist schon ein Argument. Finde das übrigens von Shaham sehr kraftvoll gespielt. Obwohl Heifetz ist hier natürlich auch eine Topadresse. Was wiederum für die Heifetz-CD sprechen würde, ist das Rozsa-Konzert, das noch drauf ist.. ;)


    Aber man sollte auch bedenken: das Meyer-Konzert auf der CD von Hilary Hahn ist auch wieder sehr lohnenswert!


    Soweit meine "Was ist noch drauf"-Gedanken. :D :yes:


    Grüße,
    Daniel

  • Lieber Maik,

    Zitat

    entweder sind unserer 'Modernen' nicht für dieses Werk zu begeistern, sie kennen es gar nicht oder sie haben den Thread übersehen


    Was hat Barbers Violin-Konzert mit moderner Musik zu tun? :stumm:


    Nein, nein, ist eh schöne Musik... Am liebsten ist sie mir mit Bernstein, klingt nicht gar so kitschig, sondern geradezu frisch.


    Und hier drei weitere "moderne" Violin-Konzerte, die auch den Bruch-Fan nicht erschrecken werden:
    1) William Walton (am besten mit Menuhin)
    2) Gian-Carlo Menotti (unter Hickox, die Chandos-Aufnahme bietet die beste Kombination mit anderen Werken Menottis)
    3) Hans Werner Henze: Il Vitalino raddoppiato (ja, wirklich, geschrieben für die Salzburger Festspiele, vielleicht deshalb zu zahm und publikumsfreundlich - momentan aber leider nicht auf CD erhältlich)

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Was hat Barbers Violin-Konzert mit moderner Musik zu tun? :stumm:


    Hallo,


    Gegenfrage: Warum sollte es nichts damit zu tun haben? Weil es romantische Tonsprache transportiert? Modern heißt nicht Altes abwerfen sondern für sich verarbeiten, und das hat Barber beeindruckend gemacht (Oder auch der in einem anderen Thread erwähnte Poulenc).


    Grüße,
    Daniel :hello:

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  • Hallo allerseits,


    ich finde es schön dass sicher dieser Thread so entwickelt hat!


    Die gewünschten Anregungen habe ich bekommen. Die Aufnahme mit Shaham landet auf dem Merkzettel!
    Grund dafür zum einen eure Begeisterung, aber besonders eben auch darum, weil ihr (fast) alle mit Hahn vergleichen konntet.


    Ich möchte hiermit Daniel meine volle Zustimmung geben. Die Hahn CD lohnt sich auf alle Fälle. Einerseits wegen Barber, andererseits wegen Meyer!



    Nun zu dir lieber Edwin.
    Ich habe nicht gesagt, dass Barbers Violinkonzert moderne Musik ist, in dem Sinne wie sie Schönberg & Co fabriziert haben.
    Jedoch wurde sogar in einem anderen Thread angeprangert, was 'wir' teilweise für modern halten (an Komponisten).
    In diese dort genannte Schablone passt Barber und sein Violinkonzert perfekt hinein. (Weiß leider nicht mehr wo das hier war...) Barber wurde 1910 geboren und sein Violinkonzert 1941 komponiert.
    Das waren sozusagen die dortigen Vorgaben (nach meinem Gedächtnis...).


    Zudem kann ich auch Daniel hier nur unterstreichen...



    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo maik,


    angeregt durch Deinen Thread habe ich mir auch zwei weitere Aufnahmen des Barber-Violinlonzertes:
    1.) Elmar Olivera / St.Louis SO / Leonard Slatkin EMI 1989 DDD
    Dies ist eine in Amerika hochgepriesene Aufnahme, die ich aber wegen der anderen Barber-Werke in der 2CD-EMI-Box habe.

    Essays for Orchestra Nr. 1-3
    +Overture "The School for Scandal" op. 5;
    Adagio for Strings op. 11;Medea's Dance of
    Vengeance op. 23a;Violinkonzert op. 14;
    Cellosonate op. 6;Canzone für Flöte & Klavier
    op. 38a;Excursions op. 20;Nocturne;Summer
    Music op. 31;Souvenirs op. 28
    Oliveira, Margalit, Le Clair, Drucker, Myers,
    St. Louis SO, Slatkin


    2.) Weitaus besser ist Slatkins-RCA-Aufnahme von 1996 mit der Geigerin
    Kyoko Takezawa / St.Louis SO / Leonard SlatkinRCA 1996 DDD
    Die Orchesterbegleitung ist hier viel fabiger, ausdrucksstärker und klanglich durchsuchiger als 7Jahre zuvor. Die gleichen positiven Wote gelten auch für die unbekannte Solistin.


    :hello:Sicher sind Deine Hinweise auf Sham und Hahn auch sehr interessant.
    Aber die sind mir noch nicht über den weg gelaufen, zumal ich mit meinen Aufnahmen sehr zufrieden bin.


    Da kann ist E.Baumgartner zustimmen:

    Zitat

    Am liebsten ist sie mir mit Bernstein, klingt nicht gar so kitschig, sondern geradezu frisch.


    Er sollte aber auch erwähnen das Isaac Stern der Solist ist, wenn auch Bernstein einen großen Anteil an der TOP-Qualität der autentischen Aufnahme hat.


    Leider hat der letzte vitrtuose Satz des VC keinen direkten Bezug zu den ersten beiden Sätzen und wirkt angehängt. Das liegt vielleicht auch am Kompositionsort: 1.+2.Satz Schweiz und 3.Satz at home.
    Interessant ist aber noch, das die 110Takte des 3.Satzes ohne Pause für den Solisten gespielt werden - in etwa 3:45 !
    Man betrachte mal ein anders VC aus dieser Zeit - das Bartok-VC Nr.2. Da ist nichts dem Zufall überlassen und eine Brücke zu jedem Satz ist vorhanden.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Das Barber - Violinkonzert scheint in den letzten 12Jahren weiter keinen zu interssieren ??? Jedenfalls sind seitdem keine Beiträge mehr zu diesem fabelhaften VC erfolgt.
    Das soll sich ändern, denn für eine Neuzugänge bei Tamino, wird es sicher eine willkommene Neuentdeckung werden.


    :angel: Ich halte es für eines der schönsten und hörenswertesten Violinkonzerte des 20.Jhd.


    Inzwischen sind bei mir neben den Aufnahmen im Vorbeitrag mit Oliveira/Slatkin (EMI) und Takezawa/Slatkin (RCA), sowie meinem ewigen Favoriten Stern/Bernstein (SONY) = Beitrag 4 noch zwei Weitere dazu gekommen: -
    - die Hahn/Wolff-Aufnahme (SONY, 2000), die maik in Beitrag 2 erwähnte und die eine sehr klangschöne Aufnahme liefern mit atemberaubenden 3.Satz ((Auch vom AD Empfehlung an Friese !))
    - Perlman/Ozawa (EMI, 1995), diese Aufnahme ist sehr gut und kommt in jeder Beziehnung an meinen Favoriten Stern/Bernstein heran, die ich einfach sowohl solistisch, wie orchestral als die Perfekteste empfinde.



    SONY, 2000, DDD



    EMI, 1995, DDD



    Die ersten beiden Sätze sind sehr gefühlvoll. Der 2.Satz Andante ist von tiefer Empfindung gekennzeichnet und einfach eine wunderbare Musik. Man könnte vermuten, dass sich dort die Sehnsucht Barbers an seine Heimat USA wiederspiegelt, denn den 3. Satz Presto molto perpetuo, den er nach seiner Rückkehr schrieb ist der krasse Gegensatz und an virtuosem Zugriff kaum zu überbieten.


    *** Der Auftraggeber Samuel Fels hatte das Konzert 1939 für seine Adoptivtochter Iso Biselli bestellt. Dieses "sogenannte" Wunderkind fand die ersten beiden Sätze zu einschmeichelnd lyrisch und zu wenig virtuos. Barber versicherte, dass ein entsprechender Schlusssatz folgen würde ... diesen fand Biselli wiederum unspielbar.
    Also folgte die UA am 7.Februar 1941 mit dem Geiger Albert Spalding / Philadelpihia Orchestra / Eugene Ormandy !
    * Mit fällt gerade auf, dass maik in beitrag 1 bei dieser Story von Stiefsohn schreibt ... in meinem Perlman - Textheft wird von dem Wunderkind Stieftochter berichtet ...


    Wer den 3.fetzigen Satz unter 4Minuten hin bekommt, ist schon ein verdammt guter Geiger:
    - die Reihenfolge habe ich mal in meiner persönlichen Gunst der Aufnahmen gesetzt -


    ;) Es sind aber letztendlich alle gut und hörenswert !
    Stern = 3:54
    Perlman = 3:50
    Hahn = 3:25
    Takezawa = 3:42
    Oliveira = 3:45



    :hello: Wie schätzt ihr, die es bereits kennen, das Barber-VC ein ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang