Kipras Petrauskas - Tenor aus Litauen

  • Ich habe in einen anderen Thread ein paar Zeilen zu dem berühmtesten Litauischen Tenor aus Anlass seines Geburtstages geschrieben.
    Auf diese kurze Bemerkung hat es - obwohl das in dem Geburts- und Todestag-Thread unüblich ist - Reaktionen gegeben. Auf die einzugehen, schien mir eher in einem Thread zu dem Tenor passend. Da es den aber bisher nicht gibt, eröffne ich ihn jetzt einfach. Schließlich ist er einer der ganz Großen Gesangskünstler.


    Kipras Petrauskas




    Ich zitiere zunächst die Beiträge aus dem Thread "Erinnerungen an verstorbene und Geburtstags-Glückwünsche an lebende Musiker "




    Zitat

    von Nemorino
    …… eine zu Herzen gehende Geschichte, die mich tief berührt hat!


    Zitat

    Von Rheingold1876


    Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass auch seine Frau Elena Žalinkevičaite-Petrauskienė, die Schauspielerin und Dichterin gewesen ist, in die Ehrung einbezogen wurde. Bei dem Kind handelte es sich um Dana Pomeranz, eine Tochter des Geigers Daniel Pomeranz, der vor dem Krieg in Litauen sehr bekannt und geschätzt war. Sie kehrte später wohlbehalten zu ihren Eltern zurück und wurde nach dem Beispiel ihres Vaters Geigerin. Was mich an Carusos Eintrag, der mich auch sehr berührt hat, nachdenklich stimmt, ist die Hinwies, dass Petrauskas zur Sicherheit des Mädchens und seiner Familie, zu der noch eigene Kinder gehörten, nach Österreich und Deutschland gegangen sei. Ausgerechnet nach Hitler-Deutschland und ins angeschlossene Österreich? Vielleicht lässt sich das noch erklären. Es grüßt Rheingold (Rüdiger)

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Rheingold,


    eine Antwort auf Deine Frage habe ich leider nicht. Ich besitze zwar 3 LPs, denen auch sehr ausführliche Informationen zur Biografie, seinem Repertoire und seiner Bedeutung beiliegen. Leider wird die Zeit des Krieges auf diesen Melodia-LPs einfach ausgespart. Dass er 1936 in Kaunas den Grishka Kuterma in "Kitezh" gesungen hat wird noch erwähnt. Dann geht es mit der Fortsetzung der Karriere in der Nachkriegszeit weiter.


    Erwähnt wird allerdings, dass er in der 20er und 30er Jahren viel in Deutschland gesungen hat und dass seine Aufnahmen in Deutschland bei den Labels Parlophone und Columbia erschienen.
    Das könnte die Vermutung nahe legen, dass Petrauskas bestehende Kontakte für so tragfähig gehalten hat, dass er sich traute nach Hitler-Deutschland zu ziehen. Aber das ist eine ungesicherte Vermutung


    Übrigens fand ich bei meiner Suche nach Informationen jetzt eine Bemerkung des großen englischen Musikkritikers John Steane über Kipras Petrauskas. In einer Untersuchung zur Pique Dame von Tschaikowski lässt er auch die Interpreten des Herrmann Revue passieren und schreibt:

    Zitat

    Best of all, perpaps ist the Lithuanian, Kipras Petrauskas ….. There is the power as well as the beauty of voice (his finest achievements was reckoned to be his Otello), and the great marvel is the way in which the purest bel canto method also form the basis for such an expressive interpretation. An elegiac, vulnerable kind of intensity, a skilful and sparing use of portamento, a delicate feeling for the shading of phrases and a sure grasp of structure: These too are features of what are indeed classic Performances.



    https://www.youtube.com/watch?v=TVHMKIPkxF0



    https://www.youtube.com/watch?v=9H7DHmCTpqo

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  • Auf der Homepage der Gedenkstätte "Yad Vashem" ist zu lesen:


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  • Lieber Caruso41,


    ich muß gestehen, daß mir der Name dieses Sängers bis heute früh völlig unbekannt war! Ich bin aber ziemlich sicher, daß ich damit - auch hier im Forum - nicht allein bin, denn selbst der deutsche "Stimmenpapst" (noch ein Papst!) Jürgen Kesting erwähnt ihn in seiner dreibändigen Enzyklopädie DIE GROßEN SÄNGER" mit keinem Wort. Ebenso wenig gibt es einen Eintrag bei Jens Male Fischer, in seinem umfangreichen Buch "Große Stimmen". Das muss aber beileibe nicht heißen, daß er nicht ein erstklassiger Tenor gewesen ist. In vielen lexikalischen Angaben fehlen leider häufig Künstler, die aus irgendwelchen Gründen nach dem Krieg ganz einfach in Vergessenheit gerieten, oder zumindest im deutschen Kulturraum nicht mehr auftauchten und dadurch keine Rolle mehr spielten.


    Als ich heute früh Deine Geschichte über den Sänger las, hat sie mich spontan berührt und zu meinem Eintrag veranlasst. Es gibt eben leider viel zu wenige solcher Beispiele von Zivilcourage, besser gesagt, von todesmutiger Hilfsbereitschaft.


    Deshalb finde ich es gut, daß Du den Künstler hier in Erinnerung gerufen hast. Danke.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino!


    Als die dreibändige Ausgabe von Kestings „Die großen Sänger“ erschienen ist, war ich einerseits total begeistert andererseits sah ich sehr kritisch, dass relativ wenige der Großen aus den Ländern Osteuropas und Mittelosteuropas darin vorgestellt wurden. Deswegen habe ich ihm damals einen sehr langen Brief geschrieben. Er sah meine Kritik total ein, kannte viele der Namen nicht, hatte allerdings auch keine Aufnahmen von den Sängern, deren Namen er aus der Literatur kannte, und wusste kaum, wie er daran kommen könnte. Das war zu der Zeit des West-Ost-Konfliktes auch wirklich ein Problem. Im Westen bekam man die Aufnahmen nicht. Im Osten allerdings bekam man meistens auch kaum, was man konkret suchte.
    Da habe ich ihm viele meiner LPs auf Cassette überspielt. So ganz vergeblich war das nicht: in der vierbändigen Auflage werden viele Sänger „aus dem Osten“ behandelt. Auch Kipras Petrauskas.


    Übrigens bin ich seitdem mit Jürgen Kesting gut befreundet.


    Beste Grüße
    Caruso41

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  • Ich muß gestehen, daß mir der Name dieses Sängers bis heute früh völlig unbekannt war! .....
    Deshalb finde ich es gut, daß Du den Künstler hier in Erinnerung gerufen hast.


    Lieber Nemorino,


    sicher hast Du Dir inzwischen einige der Videos von Petrauskas angehört. Ich wäre neugierig, wie sie Dir gefallen haben.
    Bei Youtube gibt es reichlich weitere, dann muss man den Namen nur in kyrillischer Schrift eingeben.


    CDs scheinen gegenwärtig nicht im Handel.
    Man kann sie aber "gebraucht" bekommen.
    Besonders lohnt das Album mit zwei CDs:



    Diese CD enthält etliche weitere Aufnahmen:



    Interessant vielleicht noch:




    Melodia scheint seine Edition mit fünf LPs bisher nicht auf CD veröffentlicht zu haben!
    Immerhin gibt es eine DVD, die ich aber nicht kenne:



    Die Memoiren sind - soweit ich in Erfahrung bringen konnte - nur aus Litauisch und Russisch veröffentlicht!


    Beste Grüße


    Caruso41

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  • sicher hast Du Dir inzwischen einige der Videos von Petrauskas angehört. Ich wäre neugierig, wie sie Dir gefallen haben.


    Lieber Caruso41,


    ich komme erst jetzt zu einer Antwort, sorry. Zum Musikhören bin ich seit Tagen nicht gekommen, deshalb kann ich noch kein Urteil abgeben. Es ist aber nicht vergessen!


    Habe z.Zt. privat einiges um die Ohren.


    Bis bald,


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • …..ich komme erst jetzt zu einer Antwort, sorry. Zum Musikhören bin ich seit Tagen nicht gekommen, deshalb kann ich noch kein Urteil abgeben. Es ist aber nicht vergessen!


    Habe z.Zt. privat einiges um die Ohren.
    Bis bald,


    Keine Eile, lieber Nemorino, so lange war ja Kipras Petrauskas überhaupt kein Thema hier im Forum. Da müssen jetzt nicht Beiträge zu seinen Aufnahmen so prompt kommen, wie zu Operninszenierungen, die niemand gesehen hat!
    Höre Dir die Aufnahmen ganz in Ruhe an!


    Liebe Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass auch seine Frau Elena Žalinkevičaite-Petrauskienė, die Schauspielerin und Dichterin gewesen ist, in die Ehrung einbezogen wurde. Bei dem Kind handelte es sich um Dana Pomeranz, eine Tochter des Geigers Daniel Pomeranz, der vor dem Krieg in Litauen sehr bekannt und geschätzt war.....


    Lieber Rheingold,


    aus Deinen Ergänzungen zu meinem Beitrag im Geburtstags-Thread hatte ich herauszuhören geglaubt, dass Du an Kipras Petrauskas interessiert seist und noch mehr beitragen könntest. Leider hast Du Dich bisher zurückgehalten. Vielleicht aber hast Du auch nicht bemerkt, dass ich einen Thread für ihn gestartet habe?
    Deshalb frage ich mal ganz direkt an, ob Du nicht über diesen Künstler, seine Stimme und seine erlesene Gesangskunst etwas beitragen willst. Mich zumindest würde das sehr interessieren!


    Eigentlich hatte ich nämlich vor, nacheinander große Gesangskünstler aus Ost- und Mittelosteuropa in eigenen Threads vorzustellen. Wenn es aber kein Interesse daran gibt und keine Reaktion darauf, dann lasse ich es lieber. Das macht nämlich viel Arbeit, da auf deutsch kaum etwas über diese Sänger zu finden ist und auch auf englisch oder französisch nur sehr wenig!


    Aufmunternde Grüße
    Caruso41

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  • Lieber Caruso, die beiden weiter oben als Musikbeispiele eingestellten Szenen mit Kipras Petrauskas aus "Pique Dame" finde ich besonders bewegend und typisch. Als der Sänger geboren wurde, lebte der Komponist ja noch. Er ist also historisch ziemlich nahe bei Tschaikowski. In jungen Jahren fremdelte ich immer mit seinen Opern, weil ich sie zunächst durch moderne Aufnahme kennenlernte. Als ich erstmal Petrauskas hörte, war mir klar: So muss das gesungen werden! In sich gehend, melancholisch, depressiv, grübelnd. Und auf keinen Fall robust und nur schön. Tschaikowskis Männergestalten sind ja bekanntlich keine Holzfäller. Deshalb ist dieser Sänger in meiner Wahrnehmung vor allem ein großartiger Gestalter und weniger ein stimmlicher Akrobat, wenngleich ich keine nennenswerten diesbezüglichen Schwierigkeiten höre. Die Palette seines Ausdrucks ist unglaublich breit anleget. Wie er das Tempo ändert, mit leichtem stimmlichen Bibbern Errgungszustände aufbaut. Das ist schon zu Herzen gehend. Für mich ist und bleibt der Ausdruck bei Sängern das allerwichtigste. Wer nichts mitteilen kann, der erreicht mich nicht. Petrauskas erreicht mich immer.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Lieber Rheingold!

    Es freut mich, dass Du jetzt doch noch Deine Eindrücke von den Aufnahmen des Tenors Kipras Petrauskas beschrieben hast. Ich habe das mit großem Interesse gelesen.

    Als ich erstmal Petrauskas hörte, war mir klar: So muss das gesungen werden! In sich gehend, melancholisch, depressiv, grübelnd. Und auf keinen Fall robust und nur schön. Tschaikowskis Männergestalten sind ja bekanntlich keine Holzfäller. Deshalb ist dieser Sänger in meiner Wahrnehmung vor allem ein großartiger Gestalter und weniger ein stimmlicher Akrobat, wenngleich ich keine nennenswerten diesbezüglichen Schwierigkeiten höre.

    Das ist - glaube ich - das Geheimnis der Kunst von Kipras Petrauskas, dass ihm die perfekte Beherrschung seiner stimmlichen Mittel (er ist ja noch in der Belcanto-Tradition geschult) die Freiheit gibt, den Figuren ein fein differenziertes Profil zu geben und ihre Gefühle ganz sublim nachzuzeichnen. Wenn man im Vergleich die Tschaikowski Männergestalten von Vladimir Atlantov, Gegam Grigorian oder Vladimir Galouzine hört, kommen die eben aus einer ganz anderen Welt!


    Dass aber nicht nur Tschaikowskis Männergestalten von ihm so treffend gezeichnet werden, mag die luzide Aufnahme der Ballade des Riccardo aus Verdis 'Ballo' belegen. Für mich eine der gelungensten Interpretationen!




    Beste Grüße

    Caruso41


    Zitat

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