Sie ist ein Auftragswerk für die Konsekration der Basilika in Esztergom (deutsch: Gran), der ehemaligen Hauptstadt Ungarns. Der Prachtbau war von Anfang an als „die“ repräsentative Kathedralkirche des römisch-katholischen Erzbistums Esztergom-Budapest (mit dem „Primas von Ungarn“ an der Spitze der kirchlichen Hierarchie) gedacht - und das war damals Kardinal János Krstitel Scitovszký de Nagy-Ker.
Kirche und Staat hatten für die Einweihung der Basilika, die der Gottesmutter und dem heiligen Adalbert von Prag geweiht war, eine Festmesse vorgesehen und schließlich Franz Liszt über einen Mittelsmann des Kardinals mit der Komposition der Festmesse beauftragt. Das hat, wie ich las, von Anfang an zu Intrigen geführt. Es kam in der Folge zu einem zwar im Ton stets höflich gehaltenen, dennoch Erregung auf Seiten Liszts dokumentierten Briefwechsel mit dem Kardinalprimas. Dadurch konnte letztlich die Aufführung der Messe am Tag der Kirchenweihe, dem 27. Juli 1856, nicht stattfinden und musste auf den 31. August 1856 verschoben werden. Die Uraufführung der Messe leitete Liszt selber und zwar in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I (der gleichzeitig auch Apostolischer König von Ungarn war). Später verlieh der Kaiser dem Komponisten den „Orden der Eisernen Krone“ und erhob ihn damit in den erblichen Ritter- und Adelsstand.
Die äußere Form der Messe entspricht der üblichen Aufteilung in Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei, die den vier Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass), dem vierstimmigen Chor und dem Orchester anvertraut sind. Die Instrumentation fällt dabei insofern aus dem Rahmen, als dass Liszt eine üppige Bläser- und Schlagzeugbesetzung (einschließlich Tamtam) vorsieht.
In einer zeitgenössischen Rezension wurde die rhetorische Frage gestellt, welchem Genre diese Messe zuzurechnen sei, der Geistlichen Musik oder doch eher der Staatsmusik? Meine Quelle verschweigt die Antwort des Rezensenten (falls er eine hatte), für mich hat Liszt eine auch liturgisch einzusetzende Messe komponiert. Und er selber sah sich jedenfalls als „compositeur religieux et catholique“ und schrieb, dass seine Missa solemnis „von reinem musikalischen Wasser (nicht im Sinne des üblichen verwässerten Kirchenstils, wohl aber dem Diamant-Wasser vergleichlich) und tiefbeseeltem katholischen Wein“ sei.
Kompositorisch hat Liszt seine Zeitgenossen vielleicht überrascht, denn er weicht von allen bekannten Vorbildern ab, weil er seinen eigenen Schaffensgrundsatz, den er exemplarisch in den Sinfonischen Dichtungen festgelegt hat, auch in dieser Missa solemnis anwendet, dass nämlich ein Thema das musikalische Geschehen zusammenhält. Hinzu kommt sein Bestreben, den liturgischen Text anschaulich auszudeuten.
Folgende Aufnahmen der Graner Messe habe ich beim Werbepartner Amazon gefunden (erwartet hatte ich allerdings mehr), wobei die Hungaroton-Einspielung unter János Ferenczik jene in der oben gezeigten Box ist: