Dass dies ein herausragender Opernabend war, den man bleibend im Gedächtnis behält, lag an den ausführenden Musikern. Axel Kober bot eine musikalische Leistung der Extraklasse. Sein Auftritt jedes Mal nach der Pause wurde deshalb zu Recht mit enthusiastischem Extraapplaus bedacht. Das Orchester war perfekt ausbalanciert mit warmen, seidig klingenden Streichern, exzellenten Holz- und Blechbläsern. Die Partitur wurde sorgfältigst ausgelotet in ihrem ganzen dynamischen Spektrum von den leisesten, verhaltenen bis kräftigsten Tönen. Und das Sängerensemble war ebenfalls überragend. Bogdan Baciu als Gunther vermochte es, der Rolle Kraft zu geben und Hans-Peter König sang einen exzellenten Hagen. Beide bekamen vom offenbar doch sachkundigen Publikum auch besonderen Applaus. Brünnhilde ist eine zentrale Figur und Linda Watson verkörperte sie mit bedingungslosem sängerischen und schauspielerischen Einsatz. Auch Michael Weinius bot eine beeindruckende Partie, auch wenn es die Meinung gab, dass er nicht die typische strahlende Stimme eines Siegfried hätte. Ich habe sie nicht vermisst, denn dieser Siegfried ist kein strahlender Sieges-Held, sondern auch nur ein Versager in seiner Rolle einer Erlöser-Figur, der er sich zu keiner Zeit gewachsen zeigt. Beide Sängerleistungen waren überragend wie auch die der Nornen und erstaunlich stimmkräftigen Rheintöchter. Bei welcher Aufführung bekommt man ein Sängerensemble auf durchgehend so exquisitem Niveau geboten? Auch der Chor war ganz ausgezeichnet. Entsprechend wurden Sänger, Orchester und Dirigent gefeiert vom Publikum. Als dann allerdings der Regisseur Dietrich W. Hilsdorf auf der Bühne erschien, gab es ein kräftiges „Buuuh“-Konzert.
Ich fand diesmal die Wahl des Bühnenbildes und die damit verbundene Regieidee – Hilsdorf wechselt die Spielorte nicht – die Handlung auf einem abgewrackten Kahn „MS-Wodan“ spielen zu lassen, gelungen. Die Stärke von Hilsdorfs Regie ist eindeutig die Personenführung, die ihre Qualitäten hat. Nur was dieser Inszenierung fehlt, ist eine tragende Idee des Ganzen. Da gibt es viele teilweise durchaus witzige Einfälle, wie den Chor der Soldaten als Düsseldorfer Karnevalsverein auftreten zu lassen, der Wotans Götterwelt, die schon längst sämtliche Macht und Bedeutung in Richtung eines Operettentheaters eingebüßt hat, verlacht. Oder andere Ideen wie die Fahnen des deutschen Kaiserreichs und der DDR mit Siegfried gleich mit beerdigen zu lassen. Solcherlei bleibt aber isoliert und folgt nicht als eine irgendwie schlüssige Konsequenz aus dem übrigen Geschehen. Letztlich erwarte ich von einem Regisseur am Ende gerade von Wagners „Ring“, der nun einmal eine nicht unbedeutende, schwergewichtige philosophische Aussage hat, dass er zu diesem so vieldeutig ausdeutbaren Schluss etwas Eigenes zu sagen hat, woran man eventuell Anstoß nehmen und worüber nachdenken kann. Hilsdorfs „Konzept“ scheint es aber zu sein, Wagner zu entmythologisieren in dem Sinne, dass die „Idee“ vom Himmel der Philosophenweisheit auf den Boden der Erde geholt wird durch die Reduktion auf das ganz Gewöhnliche und Alltägliche, eine im Grunde austauschbare weil allzeitlich verfügbare – banale – Alltagswahrheit. Das wird unterstrichen durch die eingeblendeten Spruchbänder, die dem Zuschauer das offenbar suggerieren sollen: Alles wiederholt sich nur in allbekannter Weise, was danach gespielt wird, ist nur Theater. Angesichts von Siegfried Tod appelliert die Regie an den Zuschauer mit gleich einem Haufen von Spruchband-„Ratschlägen“, ein sich multiplizierendes fabula docet, was eher auf die Ratlosigkeit der Regie hinweist, ein: „Was soll dieser Wagner uns heute eigentlich noch bedeuten – eigentlich wissen wir es nicht mehr so Recht!“ Das ist eindeutig zu wenig, um dieses Regiekonzept im Ganzen als ein Geglücktes zu betrachten.
Schöne Grüße
Holger