Doch kein Nachfolger Wyatt Earps - Zum Tode von James King

  • Traurig aber wahr – James King ist ein halbes Jahr nach seinem 80ten Geburtstag in seiner amerikanischen Heimat verstorben.
    Meine insgesamt 38 Abende mit „Jimmy“, wie ihn eigentlich alle nannten, gehören zu den immer wieder gern hervorgekramten Erinnerungen meines „Operndaseins“. Dabei war King weder ein besonders raffinierter Phrasierer noch ein überragender Schauspieler. Es war wohl das Timbre, das neben der grundsoliden Technik und der unbedingten Ehrlichkeit seines Singens (die kein „Durchschummeln“ zuließ) eine Faszination auslöste, die sich letztlich schwer erklären lässt.


    Geboren wurde James King in Dodge City, wo sein Vater – wie der legendäre Revolverheld – Sheriff war. Nach Musik- und Gesangsstudium (als Bariton) u.a. bei Martial Singher arbeitete King diverse Jahre als Musikdozent, schulte dann auf Tenor um und trat sein erstes festes Engagement – nach ein paar Auftritten in den USA – 1961 an der Deutschen Oper Berlin an, immerhin schon 36 Jahre alt. Danach ging es dann schnell, die Salzburger Festspiele holten ihn als Achill in Glucks „Iphigenie in Aulis“ unter Böhm, was wohl das Engagement nach Bayreuth eingebracht haben dürfte, wo 1965 mit einem sensationellen Siegmund der endgültige Durchbruch kam. Seitdem war King 20 Jahre lang erste Adresse für Kaiser oder Bacchus, Lohengrin, Parsifal, Stolzing und immer wieder Siegmund. Das bei den meisten Kollegen fast automatische Wechseln auf Tristan und Siegfried hat er allerdings nie gemacht, auch wenn er beim Tristan wohl immer wieder überlegt hat. Doch in Interviews wies er häufig genug darauf hin, er sei „Mittelstreckenläufer, kein Marathon“.
    Die Zuspitzung auf diese relativ wenigen Partien, zu denen sich in der Häufigkeit noch der Florestan gesellte, machten mitunter vergessen, daß das gesungene Repertoire doch erheblich breiter war. Am Anfang in Berlin sang er sogar Rodolfo, Don Carlos (der als TV-Übertragung verewigt ist) oder Don José und Max, die er auch später beibehielt. Zu letzterem gibt es eine wundervolle Anekdote aus seiner Berliner Zeit. er soll - noch etwas auf Kriegsfuß mit der deutschen Sprache - einmal anstelle eines "Vierzehnenders" "vierzehn Enten" geschossen haben.
    In der Spätphase kam auch die ein oder andere Charakterpartie hinzu, der Captain Vere in Brittens „Billy Budd“ etwa oder der Ägisth. Nach Beendigung der Karriere ist King dann zu seinem ursprünglichen Metier des Unterrichtens zurückgekehrt, noch vor 5 Jahren war er als Gesangsprofessor an der Universität in Bloomington/Indiana tätig.
    Meine erste persönliche Begegnung war 1970 ein Manrico am Covent Garden neben der Leonora von Leontyne Price, eine Rolle, mit der ihn heute wohl kaum jemand verbindet. Danach folgten häufig genug „die üblichen Verdächtigen“, aber auch der Paul in der „Toten Stadt“ (auch dies aus Berlin im TV gelaufen) und sogar Pfitzners Palestrina, den er zum ersten Mal in der Hamburger Premiere 1979 sang.
    Seinen Hamburger Abschied nahm er als fast 70jähriger Ägisth im Januar 1995. Singen gehört aber habe ich ihn noch einmal vor 5 Jahren, als er aus Anlass seines 75sten Geburtstags (und des Erscheinens seiner Autobiographie) für einen Abend in die Hamburger Opera stabile kam; 2 Schubert-Lieder, Händels „Where ever you walk“, ein französisches Lied und die „Winterstürme“ – mit eingeschränkten Mitteln, sicher, aber immer noch unverkennbar James King.

  • Ich kenne James King leider nur von Bernsteins "Lied von der Erde" mit Fischer-Dieskau und den Wienern und aus Soltis Walküre.


    Grüsse
    Walter

  • Hallo zusammen!


    Ich bin sehr traurig über den Tod von James King, weil mit ihm auch ein Teil meiner Jugenderinnerungen verbunden ist, er war mein erster Florestan, Lohengrin, Siegmund, Bacchus und in diesen Rollen hinterließ er einen prägenden Eindruck für mein ganzes weiteres Leben, ich hoffe, er sitzt im Himmel auf Wolke 7 und singt dort bis in alle Ewigkeit.

  • Liebe Erni,


    Du hast alles zusammengefaßt, darf ich noch den Stoltzing (ich schreibe ihn sicher falsch), den Daphne-Apollo, den Kaiser im Frosch ergänzen.
    Für einen konzertanten Tristan mit ihm hatten wir schon Karten, leider hat die Norman abgesagt.


    Andererseits: Er wäre mit 79 Jahren auch nicht mehr gewachsen.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Klaus Geitel schreibt in seinem Nachruf von heute in der "Berliner Morgenpost":
    Er war ein Liebling des Opernpublikums der Welt!
    Ein Aristikrat der Bühne"
    Ja das war James King!
    Jimmy wie ihn alle nannten kam nach Berlin an die Deutsche Oper, geholt von Prof Egon Seefehlner der damals Direktor in Berlin war!
    Habe ihn sehr, sehr oft in Berlin, Wien, München und bei den Salzburger Festspielen gehört!
    1962 in "Iphigenie in Aulis" in der Felsenreitschule mit Inge Borkh, Christa Ludwig, Walter Berry. Dirigent Karl Böhm Regie Günter Rennert!
    Unvergessen auch das Konzert im Musikverein zu Wien zum Gedenken an George London, wo er mit Leonie Rysanek-Gausmann den ersten Akt von "Walküre" sang! ;(Unvergeßlich!!!

    mucaxel

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  • Hartmuts Nachruf möchte ich gerne durch ein paar persönliche Bemerkungen ergänzen.

    Der Name James King fiel mir spätestens 1962 bei den Salzburger Festspielen auf, und ich denke, daß seine Mitwirkung in der von Karl Böhm dirigierten "Iphigenie in Aulis" für ihn von schicksalshafter Bedeutung war, wurde King doch daraufhin einer, wenn nicht der, von Böhm favorisierten Tenöre : Apollo, Siegmund, Florestan, Kaiser. Was hat er nicht alles unter Böhm gesungen?!


    Ich hörte King zum ersten Mal live 1964 an der Deutschen Oper Berlin als Richard in einem (damals noch) deutsch gesungenen "Maskenball" - eine Stimme, die mir auffiel, obwohl wie damals in Hamburg mit Ernst Kozub einen auch nicht so schlechten Tenor hatten. Was mir vor allem auffiel und was ich in späteren Jahren bei King in Frage stellte, war die Sicherheit in der Höhe, war der Höhenstrahl. Ich weiß, das klingt paradox : ein Sänger, der in Strauss-Partien brilliert, und dann kein Höhenstrahl? Ich habe aber nicht gesagt, daß King keine Höhe hatte, sondern ich hatte immer das Gefühl, daß sie irgendwie gequetscht klang - vielleicht ein Überbleibsel seiner Anfänge als Bariton?


    Nie vergessen werde ich seinen Siegmund in Bayreuth als Partner von Leonie Rysanek. Auch wenn nach der Pause Nilsson und Adam sangen, konnten sie den Eindruck, den Rysanek und King im 1. Aufzug hinterlassen hatten, nicht vergessen machen. Bei beiden schien der Aufschrei des Publikums, wenn der Vorhang fiel, von Wagner mitkomponiert. Allein schon wegen seines Siegmunds ist (für mich) James King in die Operngeschichte eingegangen.


    Wie ich schon bei meinem Beitrag über Kurt Moll betonte, gehörte auch King zu den Sängern, die sich ihrer Grenzen durchaus bewußt waren; seine Entscheidung, dem Tristan aus dem Wege zu gehen, ist sicherlich karriereverlängernd gewesen.


    Ich denke gerne an James King zurück!


    Sune

  • Zitat

    Original von sune_manninen

    Ich weiß, das klingt paradox : ein Sänger, der in Strauss-Partien brilliert, und dann kein Höhenstrahl? Ich habe aber nicht gesagt, daß King keine Höhe hatte, sondern ich hatte immer das Gefühl, daß sie irgendwie gequetscht klang - vielleicht ein Überbleibsel seiner Anfänge als Bariton?



    In "Große Stimmen" von J- Malte-Fischer liest sich folgendes:


    King verband einen dunkel getönten männlichen Stimmklang mit einer immer sicheren Höhe....


    Wobei ich sagen muß, dass er mir z.B. als Florestan unter Böhm in der Höhe auch zu forciert bzw. mühevoll klingt. Das ist aber nun auch sicher nicht seine beste Einspielung, viele andere kenne ich aber leider nicht. Der Siegmund unter Solti ist aber sicher eine Ausnahmeaufnahme dieser Rolle in der Nachkriegszeit, das passt einfach.


    Gruß
    Sascha

  • Zitat

    Original von Antracis
    Der Siegmund unter Solti ist aber sicher eine Ausnahmeaufnahme dieser Rolle in der Nachkriegszeit, das passt einfach.


    Kein Widerspruch! Ich würde darüber hinaus behaupten, daß der Siegmund nicht nur auf Schallplatten, ob unter Solti im Studio oder unter Böhm live, sondern auch auf der Bühne Kings absolut beste Partie war, bei der alles stimmte. Nicht nur die vokale Beherrschung dieser (neben Parsifal) für einen Tenor recht tief liegenden Partie, sondern auch die Textbehandlung, die ich als reinste Poesie empfand.


    Auf Mike Richters Homepage http://www.mrichter.com/opera/welcome.htm
    gibt es derzeit zu hören, wie James King mit noch 75 Jahren (!!!) den Schluß des 1. Aufzugs der "Walküre" sang.


    Schöne Grüße aus Finnland


    Sune

  • Ich habe ihn oft als Lohengrin und als Paul erlebt, auch einen, leider schlecht besuchten, dafür erstklassigen Liederabend konnte ich hören und war jedesmal von Stimme und Ausstrahlung fasziniert. Mit ihm ist ein "echter" Heldentenor gestorben.


    Gruß Guido

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Hallo Heldenbariton,
    ich bin der Meinung ,daß King eher ein jugendlicher Held war,(das soll
    natürlich nicht abwertend gemeint sein).King's hauptsächliches
    Repertoire waren die italienischen u.französischen Opern,außerdem:
    Florestan,Max,Bacchus und ähnliches.In Ermangelung echter Helden=
    tenöre wurden in den 70er Jahren einige Tenöre zum Heldentenor
    ernannt ( J.Thomas,R.Kollo.S.Jerusalem u.a )von diesen waren
    natürlich J.King Und J.Thomas noch die überzeugensten;aber immer
    noch die "Vertreter" des Heldentenors.Das ist meine persönliche
    Meinung.


    Grüße von Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,


    es ist ja auch nicht einfach, einen "echten" Heldentor zu finden, da das fachabhängig ist; jedoch sang King auch Partien, die zum Heldentenorfach gehören...
    Ein fantastischer Sänger mit Durchhaltevermögen, was z. B. einem Jerusalem völlig abgeht (Tristan, Stolzing, wie ich in Bayreuth hören konnte).


    Gruß Guido :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Heldenbariton,


    Du hast ja vollkommen recht,das Durchhaltevermögen ist natürlich bei J.King in hohem Maße vorhanden nur, für mich gibt es da noch die "schweren" Heldentenöre, die es in den 50er Jahren reichlich gab.
    (R. Vinay, H. Beirer, L. Suthaus, H. Hopf, E. Kozub, J. Vickers und viele andere, allesamt auch Otellos). Wohin seid ihr entschwunden?


    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Als Siegmund und Don Carlos (auf Deutsch) gefiel er mir am besten, als Apollo noch gerade so und als erster Geharnischter war er zweifellos überbesetzt.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    es ist ja auch nicht einfach, einen "echten" Heldentor zu finden, da das fachabhängig ist; jedoch sang King auch Partien, die zum Heldentenorfach gehören...


    Da hier lange nicht mehr geschrieben wurde, möchte ich noch ergänzen: Ich besitze eine LP mit dem Titel "Wunschkonzert, James King singt volkstümliche Lieder und Arien". Er versuchte sich hier, wie einige andere Tenor-Kollegen auch, im Bariton-Fach. Er singt auf der Platte u. A. die Arie des Stadinger aus "Der Waffenschmied", die Arie des Zaren aus "Zar und Zimmermann" und das Lied des Werner aus dem "Trompeter von Säckingen". Und nicht schlechter als Andere auch!

    W.S.

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  • Heute soll von seinem Geburtstag die Rede sein, denn er ist schon der zweite Sänger heute, der am 22. Mai geboren wurde. Zu seinem Ehrentag habe ich diese Aufnahme mitgebracht, die ich nach wie vor für eine Referenz der Fidelio-Aufnahmen halte, auch wegen James King:



    James King wäre heute 90 Jahre alt geworden


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es gibt beim Hamburger Archiv für Gesangskunst eine Gesamtaufnahme von Verdis "Don Carlos" in deutscher Sprache. Es ist ein Mitschnitt einer Aufführung aus dem Bayerischen Nationaltheater München vom 15. Dezember 1965. Mit welcher jugendlichen Stimmkraft, Temperament und auch etwas Unbekümmertheit die damals jungen Sänger Jimmy King (Carlos) und Thommy Tipton (Posa) sangen das ist schlichtweg grandios. Das große Duett Carlos/Posa wird dadurch zu einem wahren Stimmfest. Der erfahrene Sängerdirigent Heinrich Bender führt seine beiden Rennpferde am erstaunlich langen Zügel und lässt sie gewähren. Bravo! Interessant ist die Aufnahme auch dadurch, dass es die einzige Gesamtaufnahmen von Gottlob Frick als Philipp ist. Überwältigend der Monolog und das Bassduell mit Kurt Böhme als Großinquisitor. Auch die Frauenpartien sind mit Claire Watson (Elisabeth) und Dagmar Naaf (Eboli) ausgezeichnet besetzt. Wo findet man heute noch eine solche Repertoirevorstellung? Selige Zeit des Ensembletheaters. In dieser Aufnahme ist Jimmy King in Bestform zu erleben.


    Herzlichst
    Operus



    Hamburger Archiv für Gesangskunst, Verdi "Don Carlos" München 1965, 30320

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