Persönlich vernachlässigte Pianisten - Eine "Beichte" Vol 3 (2018)

  • Das ist der dritte Thread zu diesem Thema, die beiden ersten Folgen stammen von 2005 und 2011 und waren jeweils einie Jahre am Laufen.
    Hier der Text des Einführungsbeitrags von 2005:



    Prinzipiell ist es also das Gleiche wie damals, allerdings mit teilweise neuen Mitgliedern und neuen Pianisten.
    Ebenso wird der eine oder andere seine Sammlung ergänzt und bislang nicht darin enthaltene Pianisten hinzugefügt haben


    Mitspieler aus der Vergangenheit brauchen lediglich aus den letzen Beitrag den sie gepostet haben, die Liste mit COPY und PASTE hier einfügen und zeitgemäß anpassen.
    Damit das leichter fällt, habe ich die beiden ersten Folgen dieser Threadserie hier verlinkt.
    Es empfiehlt sich den Text zwischenzeitlich in ein Textberarbeitugsprogramm zu übertrage, dort ungestört abzuarbeiten und dann hier einzufügen - idealerweise mit einem kurzen (oder - bei Bedarf: längeren) Kommentar.


    Persönlich vernachlässigte Pianisten - Eine "Beichte" Vol 1 (2005-2010)
    Persönlich vernachlässigte Pianisten - Eine "Beichte" Vol 2 (2011)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf den Pianisten Martin Stadtfeld (geb. 1980) wurde ich durch die Fernsehübertragung des ECHO KLASSIK aufmerksam, ich glaube, es war im Jahr 2005 oder 2006.


    Er war damals einer der Preisträger, und er trug im Rahmen der Sendung natürlich ein kurzes Stück vor, welches, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls beeindruckte mich der sympathische junge Mann mit seinem klaren, unaufdringlichen Spiel.


    Einige Zeit später besuchte ich wieder einmal, wie schon oft, das Restaurant HEIDSMÜHLE in Manderscheid/Eifel, dessen Inhaber, wie mir seit Jahren bekannt war, den Namen Stadtfeld trug. Im Eingangsbereich waren ein paar CDs von Martin Stadtfeld ausgestellt, und auf Befragen erfuhr ich, dass der Restaurantbesitzer ein naher Verwandter des Künstlers ist. Wir kamen ins Gespräch, und da ich bis dato noch keine Einspielung mit dem jungen Künstler hatte, nahm ich von dort die CD mit den kurz zuvor erschienenen Schubert-Sonaten mit (gegen Bezahlung natürlich :) ):


    Selbstverständlich spielt Stadtfeld die Sonaten technisch einwandfrei, aber trotzdem blieb bei mir eine gewisse Enttäuschung nicht aus. Seine Vortragsweise war mir ein wenig leicht, um nicht zu sagen "oberflächlich", kurzum, mir fehlte die Tiefe eines Rubinstein, Svjatoslav Richter, Rudolf Serkin oder Wilhelm Kempff.
    Das mag ein wenig ungerecht sein, denn der junge Mann konnte ja (er war zum Zeitpunkt der Einspielung noch nicht 30 Jahre alt) gar nicht die Reife und Tiefe der von mir präferierten Künstler besitzen. Das hat aber dazu geführt, dass ich mir keine weiteren Aufnahmen mit Stadtfeld gekauft habe. Die Kritiken, die ich über ihn gelesen habe, reichen von "großartig" bis "zu schlicht", umfassen also eine große Bandbreite. Mir fehlt auch die riesige Farbpalette, die beispielsweise Artur Rubinstein in seiner Einspielung der Sonate D. 960 von 1965 zur Verfügung hat (das ist meine Lieblingsversion des Werks, obwohl Rubinstein leider die Exposition im Kopfsatz weglässt).
    Irre ich mich, oder ist es in den letzten Jahren etwas ruhig um Martin Stadtfeld geworden? Ich habe das Lokal in Manderscheid, das übrigens berühmt ist für seine Forellenzucht, leider seit 2009 nicht mehr aufgesucht, vielleicht hätte ich da mehr erfahren können.



    Besonders gelobt wurde ja seinerzeit seine Debüt-CD mit dem "Wohltemperierten Klavier" von Bach. Die Aufnahme kenne ich aber nicht. Bis heute ist die Schubert-CD die einzige Aufnahme Stadtfelds in meiner Sammlung.


    Von den neueren Aufnahmen hat mich mit Abstand am meisten die von Radu Lupu überzeugt, der auch die wichtige Wiederholung im 1. Satz spielt.

    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).


  • Da fällt mir als erstes Ivo Pogorelich (geb. 1958) ein.


    Natürlich kannte ich den Namen seit vielen Jahren, aber bis auf ein Hineinhören in die Aufnahme des 1. Klavierkonzerts von Tschaikowski unter Abbado könnte ich mich bis kürzlich an keine direkte Beschäftigung entsinnen.


    Gestern dann hörte ich Pogorelichs Studioeinspielung der h-Moll-Sonate von Liszt (DG, 1990) und war sogleich sehr angetan. Um 1990 herum scheint auch seine große Glanzzeit gewesen sein.


    Die letzten Jahren wurde es ruhig um ihn, doch schaut man auf seine Website, dann tritt er nach wie vor sehr häufig live auf.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II.,


    natürlich ist mir Ivo Pogorelich vom Namen her ein Begriff, aber er gehört bei mir nicht zu den "vernachlässigten", sondern schlicht zu den ignorierten Pianisten.


    Ich habe ihn einmal, vor vielen Jahren, bei einem Fernsehauftritt erlebt, und mir war sein arrogantes Wesen auf Anhieb derart zuwider, dass ich um seine sämtlichen Aufnahmen einen Bogen gemacht habe, so sehr er auch, zumindest zeitweise, im Rampenlicht stand.


    Niemand hat treffender das Auftreten dieses Künstlers beschrieben als der frühere SPIEGEL-Musikredakteur Klaus Umbach: " ….. Pogorelich tritt erst einmal in Erscheinung. Schritt für Schritt, Andante von Weltschmerz, tragen seine Füße, die meist in spitzen Seidenschuhen stecken und diese in fein und akkurat bemessenem Abstand vorwärtsbewegen, den großen, lässig aufgerichteten Körper mit gravitätischem Phlegma aufs Podium. Die Arme schwingen und schaukeln dazu in müder Eleganz. Der schlaksige Schnösel traumwandelt zu seinem Klavier wie Jesus über den See Genesareth. Selten, daß der schöne Yuppie sein Publikum eines Blickes - womöglich gar eines freundlichen - würdigt. Er sieht genauso blasiert drein, wie eines seiner dreisten Statements klingt: 'Nicht ich liebe die Musik, die Musik muß mich lieben!'"

    Ein Künstler, der bereits ganz im Anfang seiner Karriere so berühmte Vorgänger und Kollegen wie Alfred Brendel und Mauricio Pollini als "nicht hervorragend" abkanzelt und öffentlich verkündet, "Svjatoslav Richter und Emil Gilels produzieren keine echte Kunst und hinterlassen nichts", der kann bei mir keinen Blumentopf gewinnen, auch wenn ihn die "Süddeutsche Zeitung" seinerzeit zum "Heiland des Klaviers" gekürt hat.


    Es ist übrigens aktenkundig, daß Claudio Abbado die von Dir genannte Aufnahme des Tschaikowsky-Konzerts von 1985 erst nach langer Bedenkzeit zur Veröffentlichung freigab. Das Ergebnis ist bekannt: die Platte wurde, dank geschickter PR, zu einem Bestseller, aber das Urteil der Kritiker war ziemlich einhellig: "Hinrichtung" nannte sie der Berliner Tagesspiegel, "ungezogen selbstherrlich" sah die Wiener Presse den Pianisten "über alle inneren Schönheiten" hinwegfegen, und recht anzüglich stellte die Münchner Abendzeitung fest, "wie man brillant diese Musik vergewaltigt", während die Frankfurter Rundschau meinte "er bolzt die Noten in die Tasten, die Platte taugt nur als diskographischer Joke!"


    Seine weitere Entwicklung habe ich nur am Rande verfolgt; ich konnte und kann mich nicht für ihn erwärmen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hier meine persönliche Liste von 2011 und der Einleitungstext von damals


    Zitat

    Scheinbar muß ich diesen Thread selbst einweihen, meine Liste hat sich geringfügig verändert - Anlass hier weiterzumachen war eigentlich der neue Threa über Nelson Freire , von dem ich in der Tat keine einzige Aufnahm besitze. Das liegt aber nicht in erster Linie am Pianisten, sondern natürlich auch am von ihm bevorzugten Repertoire.


    Ich stelle mir den Verlauf des Threads diesmal etwas anders vor als beim ersten Mal:


    Vorerst - Etwa bis Ende September veröffentlicht jeder Mitspieler seine aktuelle "Beichtliste"
    Ab diesem Zeitpunkt Soll dann jeder, der hier mitgespielt hat ZWEI Aufnahmen nominieren, welche
    von einem Pianisten aufgenommen wurden den ein anderes Mitglied auf seine List gesetzt hat.
    Dadurch soll Interesse geweckt werden - und wenn jedes Mitglied am Ende des Projekts nur EINEN Pianisten von der persönlichen "Fehlliste" streichen kann - dann würde ich das als Erfolg verbuchen...


    Pierre-Laurent Aimard
    Tzimon Barto
    BorisBerezovsky
    György Cziffra
    Rudolf Firkusny
    Malcolm Frager
    Nelson Freire
    Bruno Leonardo Gelber
    Helene Grimaud
    Adam Haraskiewicz
    Julius Katchen
    Amir Katz
    Evgeny Kissin
    Lang Lang (nicht vorgesehen)
    Alexander Lonquich
    Oleg Maisenberg
    Ivan Moravec
    Alfred Perl
    Dezsö Ranki
    Peter Rösel
    Ragna Schirmer
    Grigory Sokolow
    Yevgeny Sudbin
    Alexandre Tharaud
    Jean Ive Thibaudet
    Anatol Ugorski
    Arcadi Volodos
    Lilya Zilberstein


    Die Liste zeigt die Problematik diese Threads auf.
    Die violett eingezeichneten Pianisten befinden sich inzwischen (irgendwo) in der Sa,,lung, wobei ich zumeist nicht weiss, mit welcher Aufnahme


    Generell sind es eiegentlich nur wenige , die hier dazukamen.
    Zum einen liegt das am "Festkleben" meiner Lieblinge, zum anderen daran, daß zahlreiche neue Pianisten auf den Markt gedrängt sind, von denen ich vereinzelt Aufnahmen erworben habe.


    Ebenfalls ist zu sehen (Nemorino hat das Beispiel unbewuisst gebracht). daß es zahlreiche - doch einigermaßen bekannte - Pianisten gibt, die NICHT in meiner Sammlung sind - und die zudem noch auf dieser Liste überhaupt nicht aufscheinen.


    Dazu gehört beispielsweise auch Martin Stadtfeld. Ich habe gegen Senkrechtstarter prinzipiell eine Abneigung . und dann habe ich -ohne Absicht - auf ihn vergessen.


    Um 2004 und 2005 wurde sehr viel über ihn hier geschrieben.
    Er wurde bewundert und gebasht etc und das ging sogar soweit, daß ein Mitglied "Heinz" das Forum verließ, weil man negativ über seinen Lieblingsnachwuchspianistren geschrieben hatte
    Im Internen Moderatorenbereich schrieb ich dazu am Dienstag, 21. Juni 2005, 18:23 verärgert


    Zitat

    ...u uns zu bekommen, weil das Forum eben nicht einschläft. Werfe ich ihn raus (ich hab euren Konflikt noch nicht gelesen) schreibt er für mein Feinde und belebt dort die Foren. Heinz hat gestern oder vorgestern das Forum verlassen - wegen dem xxxxx Stadtfeld. Ich denke ernstlich drüber nach die Angelegenheit Taminoforum aufzugeben - sie wird mir allmählich zu mühsam. Alfred mach daß- Alfred mach jenes Was macht das Thread Directory ? - Könnte man nicht noch das und das machen ? Hilfe da hat mich einer ......


    Aber über Stadtfeld können wir im Spezialthread schreiben. Er existiert erst seit 2013 - und es ist (bis jetzt noch ?) ziemlich still dort
    Aktive Pianisten unserer Tage: Martin STADTFELD


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Besonders gelobt wurde ja seinerzeit seine Debüt-CD mit dem "Wohltemperierten Klavier" von Bach.


    Da muß ich mich korrigieren:


    Es waren die "Goldberg-Variationen", die 2004 als Debüt-Album von Martin Stadtfeld erschienen, das "Wohltemperierte Klavier" folgte erst später.


    Die CD löste damals einen wahren Stadtfeld-Hype aus, der natürlich von der Plattenindustrie kräftig angeheizt wurde. So stellte SONY (vormals CBS) Stadtfeld in einem Werbeprospekt als "neuen Gould" vor. Welch ein Unsinn! Außer daß beide Pianisten sind, haben sie nun wirklich nichts gemeinsam, weder als Persönlichkeit noch in künstlerischen Belangen. Stadtfeld ist als Person viel zu "brav", um mit Gould verglichen zu werden, und künstlerisch trennen die beiden Welten (Goulds "Verballhornung" der Mozart-Sonaten wäre ganz sicher von einem Stadtfeld undenkbar). Aber die Industrie braucht nun mal Umsatz, und da ist (fast) jedes Mittel recht.


    So ähnlich wurde auch einmal Anna Moffo als legitime Callas-Nachfolgerin gehandelt, was sich als totaler Reinfall erwies, wie auch jüngere Vergleichsversuche zwischen Callas und Netrebko :D
    Irgendein Mythos muß her, um die Verkaufszahlen anzukurbeln. Das mag zwar wirtschaftlich Sinn machen, aber der potentielle Käufer wird an der Nase herumgeführt.


    Schönen Abend
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).