Franz Liszt: Sinfonische Dichtung Nr. 10: Hamlet

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    Eugène Delacroix: Hamlet und Horatio auf dem Friedhof (1835)


    Liszts Sinfonische Dichtung Nr. 10 "Hamlet", S. 104, entstand im Jahre 1858 während seiner Zeit als Weimarer Hofkapellmeister, erfuhr ihre Uraufführung allerdings erst achtzehn Jahre später, am 2. Juli 1876. Das Werk ist der Fürstin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein gewidmet und basiert auf dem weltberühmten Drama von William Shakespeare. Diese Sinfonische Dichtung ist der einzige direkte Verweis auf Liszts große Bewunderung für den englischen Dichter. Liszts "Hamlet" ist vor allen Dingen eine psychologische Studie des Titelhelden; nur zwei kurze Referenzen gibt es hingegen auf Ophelia. Beide sollten "so leise wie möglich gespielt werden und klingen wie ein schattenhaftes Bild". Alan Walker sieht "Hamlet" neben "Les Préludes", "Prometheus" und "Orpheus" als Liszts bedeutendste Tondichtung an (The New Grove Dictionary of Music and Musicians).




    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Liszts Sinfonische Dichtung über den Dänenprinzen Hamlet war ursprünglich als Ouvertüre zum Drama von Shakespeare konzipiert worden. Der Komponist hatte 1856 in Weimar den Schauspieler Bogumil Dawison als Hamlet gesehen und war von dessen Darstellung fasziniert. Das Stück, angehört in der Interpretation durch Árpád Joó und den Sinfonikern aus Budapest, hat mich sofort gepackt. Es erschien mir einleuchtend, dass Liszt den Inhalt des Schauspiels in seinem orchestralen Vorspiel vorwegnimmt. Erst nachträglich habe ich mir angelesen, dass es dem Komponisten genau darum nicht ging, sondern eher um ein musikalisches Psychogramm des Hamlet. Dazu passt, dass Liszt - angeregt durch Dawisons Darstellung - in dem Prinzen „keinen verunsicherten Träumer“ sieht, der „von seiner Mission zermürbt wird“, sondern einen durchaus „intelligenten, unternehmungslustigen“ und auch von „politischen Ideen durchdrungenen“ Prinzen.


    Ebenfalls im Nachhinein stellte sich mir aber die Frage, ob der Komponist seine eigene Idee über den Hamlet getroffen hat. Ich kam damit nicht klar, denn mir erschien die musikalische Charakterisierung tatsächlich eher einen zerrissenen Menschen, einen verunsicherten Träumer darzustellen. Dass die Musik einen ‚intelligenten und unternehmungslustigen Prinzen‘ zeichnen soll, kam mir bei den Orchesterklängen nicht in den Sinn.


    Anders erging es mir mit der musikalischen Vorstellung der Ophelia, aber auch das erst nachträglich angelesen. Dieser kurze Teil, der durch seine zarte Instrumentation mit einer Solovioline auffällt, kam mir zunächst wie eine Art religiöses Zwischenspiel vor (ein Gedanke, den ich sofort wieder verworfen habe, weil Religion im ‚Hamlet‘ doch keine Rolle spielt); dass die Musik die Reinheit Ophelias wiederspiegeln soll, leuchtet mir ein.


    So wie Liszt sein sinfonisches Gedicht deutet, kann es dann auch nicht friedlich enden, denn es gibt ja für Hamlet keine Lösung. Beim Schluss mit einer nur ‚flüsternden‘ Pauke kam mir sofort der berühmte Satz ‚Der Rest ist Schweigen‘ in den Sinn. Das ist allerdings auch, im landläufigen Sinn, mein Fazit über dieses Orchesterstück: Einerseits von Faszination geprägt (trotz oder gerade wegen seiner in die Zukunft weisenden Harmonik), andererseits aber eben auch Ratlosigkeit über Liszts ‚Idée fixe‘ erzeugend und an einen Lehrer denkend, der mit Rotstift an den Heftrand schreibt ‚Gut ausgedrückt, aber Thema verfehlt‘…


    :(;(

    .


    MUSIKWANDERER

  • Nach längere Pause setze ich meine Hörsitzungen in Sachen Listz's "Sinfonische Dichtungen" mir der Nr 10 "Hamlet" fort.
    Aufmerksamen Lesern dürfte es nicht entgangen sein, daß ich mit "musikalischen Charakterbildern" so meine Schwierigkeiten habe. Aber das hindert mich nicht solche Werke als "absolute" Musik zu hören und (nicht immer) Gefallen daran zu finden.
    Im konkreten Fall war es in der Tat ein Genuss die Raffiniert ausgeklügelte Komposition zu hören. Vor allem die Instrumentation bei Liszt faszinier mich stets aufs neue. Ich verstehe nur schwer, warum ich diese Werke jahrelang unterschätzt und negiert habe.
    Der düstere Beginn ist schon eine Sache für sich: Oft ist es ja so, daß düstere Musik (zumindest mich) depressiv macht oder eben Tristesse vermittelt oder erzeugt. Nicht so bei diesem Werk, Der düstere Beginn hat eher etwas unheimliches, bedrohliches, aber zugleich Neugier erweckendes an sich, das mich fasziniert hat. Der liebliche Mittelteil soll Ophelia darstellen - meinetwegen. Daß das Stück wieder düster endet ist logisch und bedarf keiner weiteren Erläuterung.
    Alles in allem äusserst plakativ (was keine Abwertung darstellen soll) und publikumswirksam, Die Aufnahme unter Masur ist - wie auch alle anderen der Serie - ein Hammer, und hat mir Masur sehr nahe gebracht. Ich besitze noch die Aufnahme unter Haitink, die soweit ich mich erinnern kann, ebenfalls sehr gut ist, aber ich habe mich entschlossen für die kommenden Hörsitzungen der Sinfonischen Dichtungen von Listzt weiterhin die Masur-Aufnahmen heranzuziehen....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !