Grandiose Elektra am Staatstheater Braunschweig 01.06.2018

  • Liebe Taminos,

    am vergangenen Freitag besuchte ich die letzte Vorstellung der Elektra am Staatstheater Braunschweig. Leider schaffte ich erst die letzte Aufführung zu besuchen, was ich enorm bedauer. Insgesamt habe ich einen fantastischen Opernabend erlebt, der sowohl szenisch, gesanglich, als auch orchestral komplett überzeugte.

    Für die Produktion wurde mal wieder die Drehbühne des Theater genutzt, die die meisten Regiesseure nicht wirklich sinnvoll einzusetzen vermögen. Anders bei Adriana Alteras. Sie setzt die Handlung der Elektra zum einen auf einen von hohen Mauern begrenzten Platz - im Hintergrund ist ein riesiger Kleiderhaufen, Assoziationen mit den Haufen der letzten Eigentümer jüdischer KZ-Gefangener setzen ein...manchmal fallen neue Kleidungsstücke herab. Sicher ein Hinweis auf den mordenden Königshof. Ein weiteres Bild zeigt das Zimmer Chrysothemis. Ein Bett ist zu sehen, genauso wie zahlreiche Brautkleider, stets bereit der Palastgefangenschaft zu entfliehen und den Traum eines Frauenlebens zu führen. Das dritte Bild zeigt das Schlafzimmer Klytämnestras inmitten des Kleiderberges - auch ein starkes Symbol. Alteras führt die Personen hervorragend, es war keine Sekunde Langeweile zu spüren - die Figuren werden durch ihr Handeln und agieren vollständig charakterisiert. Elektra wird als verbohrte, verzweifelte, sich sehnende aber auch nicht zu stoppende, männlich, vermummte Frau dargestellt, was durch ihr stetes Umherwandeln und ihre starken, manchmal fast animalischen Gesten verstärkt wird. Klytämnestra hingegen ist nicht als alte Frau dargestellt - vielmehr als Dame in den besten Jahren. Orest tritt als Kriegsreporter auf. Starke Symbole und viel Bewegung prägen die Bühne, oft auch direkt auf die Musik inszeniert. Das letzte Bild nach der Ermordung Aegisths und Klytämnestra wird durch das Drehen der Bühne ins blutbesudelte Schlafzimmer zu einem sehr intensiven Erlebnis!

    Musikalisch war die Aufführung ein Hochgenuss! Maida Hundelings Elektra war grandios. Der Hass gegenüber der Mutter, ihr ganzer Rachewahn wurde hochdramatisch mit ihrem ungemein klangvollen Sopran dargeboten und auch ausgesungen - die Spitzentöne füllten das ganze Haus! Umso erstaunlicher, wie lyrisch, lieblich und sanft diese Stimme in der Orest-Szene geführt wurde. Eine große Leistung, zurecht umjubelt. Edna Prochniks Klytämnestra musste da nicht zurückstecken - sie war mein persönliches Highlight. Ihr tiefer, warmer und sehr tragfähiger Mezzosopran füllte die Rolle in ihren ganzen Hoffnungen und der Verzweiflungen aus - ihr Spiel als auch Gesang waren ungemein expressiv, oft auch gekonnt effektvoll als Sprachgesang umgesetzt. Textverständlichkeit und Diktion waren hervorragend. Ebenfalls bestens disponiert erwies sich Karen Leiber als Chrysothemis. In ihrer großen Szene blühte sie geradezu auf, ihr starker Sopran schwankte zwischen expressiver Verzweiflung und lieblichem Wunschdenken. Ihre Orest-Rufe am Schluss nahmen Welten ein! Etwas blass im Vergleich blieb Franz Hawlata als Einspringer für den Orest. Relativ lustlos, schönstimmig aber ohne wirklich großen Ausdruck, konnte mich seine Darbietung nicht wirklich packen. Die Rollen der Mädge, des Aegisth und des Pflegers waren mit Ensemblemitgliedern weiterhin auch hervorragend besetzt.

    Eine große Rolle zum Gelingen des Abend trug auch das Staatsorchester unter Leitung von Christopher Lichtenstein, bei. Er übernahm das Dirigat von GMD Srba Dinic und leitete das Orchester sicher durch den Abend. Besser habe ich das Orchester schon lange nicht mehr gehört. Die gespielte, von Strauss autorisierte reduzierte Fassung, erlaubte auch durch das Dirigat eine gute Durchhörbarkeit. Das Orchester war ungemein präzise, die Klangbalance hervorragend, ständig jedoch auf Hochspannung, und doch größtenteils sängerfreundlich - da wurde vom - von mir bisher sehr kritisch gesehenen - neuen GMD Dinic große Vorarbeit geleistet. Der Blechbläserteppich jagte nicht nur einmal einen Schauer über mich. Es war großartig und die Kommunikation zwischen Bühne und Orchestergraben funktionierte auch einwandfrei.

    Insgesamt kann ich von einem fantastischen Opernabend berichten, der vom Publikum auch frenetisch gefeiert wurde! Ich bedauer es sehr, dass es bereits die letzte Aufführung war...

    LG
    Christian

  • Dank für diesen ausführlichen Bericht aus Hannover. Die Elektra muß man auf der Bühne sehen!
    Ich bin erstaunt, daß es so viele Taminos zum Saisonausklang nochmal in die Oper treibt, obwohl es schon so warm ist.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Christian,
    Dein enthusiastischer Bericht über diese Elektra hat mich auf die Idee gebracht, Dich zu fragen, ob Du nicht Maida Hundeling mal in dem Thread über NEUE STIMMEN vorstellen willst.
    Ich habe sie in Lübeck als Senta gehört und Ende März in Braunschweig in der von Dir beschriebenen Produktion. In beiden Aufführungen hat sie mit ihrer mächtigen Stimme viel Eindruck gemacht. Ich bin sicher, dass sie auf dem Sprung zu einer vielversprechenden Karriere ist.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Dank für diesen ausführlichen Bericht aus Hannover. Die Elektra muß man auf der Bühne sehen!
    Ich bin erstaunt, daß es so viele Taminos zum Saisonausklang nochmal in die Oper treibt, obwohl es schon so warm ist.



    Aus Hannover??? Vorsicht, böse Falle! X(

  • Bei der Hitze darf ein Berliner schon einmal Braunschweig und Hannover verwechseln! :D


    (Maida Hundeling hatte ich übrigens schon vor 9 Jahren als Chrysothemis in Dessau.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Bei der Hitze darf ein Berliner schon einmal Braunschweig und Hannover verwechseln


    Sag das um Himmels willen keinem Braunschweiger, wenn dir deine Gesundheit lieb ist! :D

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Bei der Hitze darf ein Berliner schon einmal Braunschweig und Hannover verwechseln! :D


    Braunschweig und Hannover - wie kann man das nur verwechseln?
    Ich bitte um Nachsicht.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Braunschweig und Hannover - wie kann man das nur verwechseln?
    Ich bitte um Nachsicht.


    Ja, wie kann man nur!
    In Hannover spricht man nicht von Braunschweig. Man nennt das einfach Messeparkplatz Ost.
    Dabei ist Braunschweig die jahrhundertelang wesentlich bedeutendere Stadt gewesen. Deshalb schaut man hier auf Hannover, den Parvenue, mit Geringschätzung.

    ;) - ;) - ;)


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