Igor Shukov (1936-2018)


  • Zu lesen war im Thread über Verstorbene aus dem Kulturleben - ich entdeckte es mehr oder weniger zufällig:

    Damit sich nicht auch das Tamino-Forum schämen muss, eröffne ich diesen Thread posthum zu seinen Ehren - Shukov hat es wahrlich verdient!


    Traurig, nachdem ich den Nachruf von Thomas las, habe ich mir die abgebildete letzte Aufnahme von ihm gleich bestellt. Er spielt die Visions fugitives zwar nicht so spektakulär wie Gilels oder Richter, aber die lyrischen Qualitäten seines Spiels sind einfach bestechend. Dazu trägt auch die Aufnahmetechnik bei - der Flügel ist sehr breit abgebildet, so dass sich der Klavierklang zu einer großen Klanglandschaft auffächert. So klar, so sauber durchleuchtet ohne Pomp kann man auch Tschaikowsky-Sonate hören, die sicher nicht zu den stärksten Kompositionen des russischen Meisters zählt. Prokofieffs kurze flüchtige Visionen spielt er kristallklar und subtil die Klangfacetten aushorchend. Die Sternstunde ist aber für mich die Berg-Sonate - allein deswegen schon lohnt sich die Anschaffung der CD. Durchsichtig gespielt wie eine "Kammersymphonie" kann man auch die kleinste musikalische Entwicklung bis ins Detail verfolgen. Ein würdiger Abschluss eines Künstlerlebens um diesen bemerkenswerten Pianisten in Erinnerung zu behalten - nicht nur mit seinem vielgelobten Scriabin! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Thomas hat mir meinen Link in Erinnerung gerufen, der als Vorstellungsthread keine Vorstellung enthält. Eigentlich peinlich! Aber die Informationen im Netz sind auch mehr als spärlich über ihn. Der Wikipedia-Artikel enthält kaum mehr Auskünfte als dass er Schüler von Emil Gilels und Heinrich Neuhaus war. Wenn ich etwas finde, werde ich es aber noch einstellen!


    Zu würdigen wäre auch der Dirigent Igor Shukov, der 1993 das Neue Moskauer Kammerorchester gründete und leitete.


    Allgemein geschätzt wurde seine Gesamtaufnahme aller Klaviersonaten Alexander Scriabins. In meiner Studentenzeit, bevor ich 1986 meinen ersten CD-Spieler kaufte und mich von meiner damals sehr überschaubaren Plattensammlung trennte, gehörte zu meinem Bestand an LPs Shukovs Gesamtaufnahme, eine LP-Box, die auch noch eine Single mit einer Auswahl von Scriabins Welte-Mignon-Aufnahmen enthielt. Diese Melodya-Aufnahme von 1971 habe ich mir inzwischen auch wieder auf CD besorgt - sie ist leider derzeit schon wieder vergriffen:


    81iq0ZedgKL._SL1255_.jpg


    Shukov hat die Scriabin-Sonaten aber 1999 noch ein zweites Mal aufgenommen. In ihrer sehr lyrischen Art sind sie der Aufnahme von Anatol Ugorski ähnlich, finde ich. Ich besitze die Box allerdings nicht und kenne sie nur von den Hörschnipseln:



    Was mich jedenfalls sehr lockt ist seine frühe Aufnahme von Beethovens op. 110 und Medtners op. 22 sowie dem Klavierquintett:



    Hier gibt es noch eine Aufnahme von ihm mit dem wunderschönen Scriabin Cis-moll-Konzert und dem Saint-Saens-Konzert Nr. 2:



    Als Pianist und Dirigent:



    Im Fernsehen wohl in den 90igern war einmal ein Videomitschnitt mit der 8. Klaviersonate von Prokofieff zu sehen und zu hören. Das ist genau das Repertoire, das ihm besonders liegt. Ich habe immer wieder vergeblich versucht, das bei Youtube zu finden. Sehr bedauerlich!


    Bemerkenswert, dass er sogar als Chorleiter tätig war:



    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich habe entdeckt, dass ich diese Aufnahmen zwar nicht auf der CD, aber als Dateien auf der Festplatte habe:


    71P0fMQyN-L._SL1229_.jpg


    Die Scriabin Preludes op. 11 habe ich gerade gehört - wunderbar lyrisch gespielt mit sehr viel Sinn für die Linienführung dieser spätromantisch komplexen Melodik. Sehr lyrisch intim, aber auch mit der nötigen Vehemenz starker Kontraste. Eine exemplarische Aufnahme!


    Liebe Grüße

    Holger

  • Dank youtube sind einige interessante und längst vergriffenen Aufnahmen dieses ungewöhnlichen Pianisten wieder verfügbar, darunter eine faszinierende Einspielung der C-Dur Fantasie (Stretta!) und ein Konzertmitschnitt von Chopins Sonate op. 58, die ich Ende der 80er Jahre auch einmal live von Shukov gehört habe - im dritten Satz meiselt er das Thema heraus wie sonst kaum ein Pianist. Ich bin immer wieder erstaunt, wie so ein schmächtiger Mensch solch einen voluminösen Klang entfalten kann: