Die Geburt des Oratoriums - Giacomo Carissimi

  • Ciacomo Carissimi wurde 1605 in Marino bei Rom geboren.
    1674 starb er ebenfalls in Rom.
    Er gilt als der erste große Oratorienkomponist der Musikgeschichte.


    Seine berufliche Laufbahn begann er als Kantor, Organist und Kapellmeister an diversen römischen Kirchen.
    1629 wurde er Maestro di capella an dem jesuitischen "Collegio Germanico Ungarico" was einen bedeutenden Karrieresprung bedeutete, diesen Posten behielt er auch bis zu seinem Tod.



    Ciacomo Carissimi


    In dieser Zeit unterrichtete er viele Musiker und Komponisten, so z.B. Marc Antoine Charpentier, Christoph Bernhard und Johann Kaspar Kerll.


    Vor allem seine neue Behandlung der Rezitative, der Duette und der Arie machten ihn berühmt. Gewissermaßen ist die weltliche Kantate eine seiner Schöpfungen.



    Christina umgeben von Gelehrten und berühmten Zeitgenossen
    (Ölgemälde von Michel Dumesnil)


    Nach ihrem Bekenntnis zum katholischen Glauben, verließ Christina von Schweden ihre Heimat und reiste nach Rom. Dort wurde sie zu einem der wichtigsten Mäzene - und Carissimi wurde ihr "Maestro della musica da camera"


    Mit seinen größeren Werken wie das bekannte "Jephte" etablierte er ein neues Gengre - das Oratorium.


    glücklicherweise gibt es einige sehr hervorragende Aufnahmen,
    zwei günstige stelle ich hier mal als Einstieg vor:




    Rom 1650 - Vanitas vanitatum
    Tragicomedia


    Diese Programm stellt gewissermaßen Carissimi und seine Zeitgenossen vor, Luigi Rossi, Domenico und Virgilo Mazzochi, Marco Marazzoli, Stefano Landi und zwei anonyme Werke.
    Ein wunderbares Programm um diese faszinierende Epoche römischer Musik kennenzulernen.



    Jephte - Jonas
    Consortium Carissimi


    Eine fabelhafte Einspielung dieser beiden Oratorien. Jephte gilt ja als Hauptwerk des Komponisten. Für einen kleinen Preis bekommt man wirklich etwas geboten.
    Von Jephte gibt es ja noch zahlreiche Einspielungen.
    Dann will ich mal hoffen, dass es noch weitere Taminos gibt die Carissimi lieben ...


    :hello:

  • Liebe Taminos und Paminas,


    eine hervorragende Einspielung von JEPHTE, JONA und JUDICUM EXTREMUM hat John Eliot Gardiner mit His Majesties Sagbutts & Cornetts, dem Monteverdi Choir und Mitgliedern der English Baroque Soloists aufgenommen.


    Leider ist die CD bei Amazon nicht mit einem Bild versehen, es ist eine Aufnahme, die 1990 bei Erato erschien.


    Die Oratorien wurden für Gottesdienste in der Passionszeit komponiert, im Leben der Kirche ist das eine Bußzeit. Dem Jona-Oratorium (die Jona-Erzählung wird im NT und und in der Liturgie der Passions- und Osterzeit zugeordnet) merkt man diesen liturgischen Sitz im Leben deutlich an.


    Im Mittelpunkt des Werkes steht der sogenannte Jona-Psalm, das Gebet, das in Jona, Kapitel zwei, dem Propheten im Fischbauch in den Mund gelegt wurde und Ausdruck eines Menschen ist, der "ganz unten" ist. Der Text wird im Oratorium etwas frei nachgedichtet. Die drei Abschnitte des Jona-Psalms enden jeweils mit der Bitte um Gottes Barmherzigkeit und Vergebung ("miserere")


    Auch das Ende des Oratoriums weicht von der biblischen Erzählung ab und zeigt so, dass der Bußgedanke ganz im Vordergrund steht. Während Jona 4 fast humoristisch davon erzählt, wie Jona von Gott eine Lektion der Barmherzigkeit erteilt bekommt, endet das Oratorium schon mit dem 3. Kapitel des Jona-Buches, als die Bewohner von Ninive sich Gott zuwenden.


    Musikalisch und auch theologisch eine interessante Interpretation!


    Von den Gestaden der Nordsee grüßt Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Der Lullist und Andrew haben bereits einige interessante Aufnahmen und Ausführungen zum Oratorium Jephte erwähnt.
    Wir möchten gerne einige ergänzende Erläuterungen zur „Historia di Jephte“ weitergeben.
    Das Werk dürfte um 1645 entstanden sein. Eine genaue Datierung würde uns mehr über die Tätigkeiten des Komponisten vor der Gründung der Confraternita wissen lassen, aber leider wurde zeit seines Lebens kein einziges Oratorium gedruckt, und beinahe alle Autographen sind verloren. Doch bereits 1650 publizierte der berühmte Musiktheoretiker Athanasius Kircher in seinem berühmten Traktad „Musurgia universalis“ einen längeren Ausschnitt aus dem Schlusschor der Komposition. Carissimi muss also auch schon vor 1650 im SS Crocifisso aufgetreten sein. Im 17. und 18. Jahrhundert war das Werk in einer Vielzahl von Kopien vor allem in Frankreich, aber auch in England und Deutschland verbreitet und erfreute sich hoher Wertschätzung.
    Der Text des Oratoriums ist dem alttestamentlichen Buch der Richter entnommen und schildert die tragische Folge von Jephtas Gelübde, bei einem Siege über die feindlichen Ammoniter das erste Lebewesen, das ihm bei seiner Heimkehr begegnen wird, Gott zum Opfer dazubringen. Sein Siegeswunsch erfüllt sich, doch trifft er las erstes auf seine ihm freudestrahlend entgegeneilende Tochter, die dann auch,, nach einer ausgedehnten Klagezeit, ihr Leben lassen muss. Diese Geschichte wurde in der christlichen Kirche schon früh als alttestamentliche Präfiguration vom Opfertod Jesu am Kreuz interpretiert, und es ist daher anzunehmen, dass das Werk während der Karwoche als eine Art Passionsmusik aufgeführt wurde. Derartige lateinische Werke konnten in Rom nur zur Fastenzeit aufgeführt werden, sie mussten wenigstens ein Fastenthema behandeln. Dazu gehört die Gehorsamkeit des Oratoriums Jephte.
    Einzigartig an Carissimis Oratorium ist der jähe Umschwung in der Mitte des Werks von der kriegerischen, freudig bewegten Eingangsstimmung („Et clangebant tubae“) zu plötzlichem Schmerz, der sich immer lauter äussert („Heu mihi! Filia mea“) und schliesslich in tiefe Trauer mündet („Plorate colles, dolete montes“). Carissimi weiss in seiner Vertonung die Bandbreite menschlicher Gefühle auf unnachahmliche Weise dazustellen.
    Besonderen Reiz hat seine Art, scharfe Dissonanzen und kühne harmonische Wendungen in seine für die Zeit leicht altertümliche Tonsprache zu integrieren.
    In fast allen Oratorien Carissimis werden Instrumente vorgeschrieben. Das ist eher merkwürdig, denn unabhängige instrumentale Stimmen kommen in der römischen Kirchenmusik nicht häufig vor. Darum ist es um so verwunderlicher, dass in einem verhältnismässig grossen Oratorium wie Jephte kein Instrumente vorgeschrieben sind. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dies eher ein Problem der Überlieferung ist, als dass es etwas mit der Aufführungspraxis in Rom zur Zeit Carissimis zu tun hat.


    Neben den bereist erwähnten Einspielungen der Jephte möchten wir gerne noch auf folgende zwei Aufnahmen verweisen;


    Cantus Cölln unter Konrad Junghänel 1995 bei der deutschen harmonia mundi erschienen



    sowie der belgischen Produktion mit dem Instrumental- und Vocal Ensemble Currende unter Erik Van Nevel



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Zitat

    Einzigartig an Carissimis Oratorium ist der jähe Umschwung in der Mitte des Werks von der kriegerischen, freudig bewegten Eingangsstimmung („Et clangebant tubae“) zu plötzlichem Schmerz, der sich immer lauter äussert („Heu mihi! Filia mea“) und schliesslich in tiefe Trauer mündet („Plorate colles, dolete montes“). Carissimi weiss in seiner Vertonung die Bandbreite menschlicher Gefühle auf unnachahmliche Weise dazustellen.
    Besonderen Reiz hat seine Art, scharfe Dissonanzen und kühne harmonische Wendungen in seine für die Zeit leicht altertümliche Tonsprache zu integrieren.


    Jephte ist eines meiner Lieblingswerke dieser Zeit, dessen Großartigkeit mich immer wieder von neuem hinreißt.


    Dabei kann ich mich aber dem Zitat von Romeo&Julia nicht anschließen. Dass der Umschwung so einzigartig ist, kann ich jetzt zwar nicht widerlegen, dazu müßte ich verschiedene Werke daraufhin anhören, was mir einfällt ist die Überbringung der Todesnachricht Euridices an Orfeo bei Monteverdi, die freilich ganz anders gelöst ist, im allgemeinen ist es aber in barocker Vokalmusik sehr sehr üblich, dass erst frohlockt und am Ende gejammert wird.


    Der Schlusschor von Jephte ist dabei freilich das allergenialste, ein Höhepunkt barocker Vokalmusik!


    In diesem Chor gibt es dann auch die bei Carissimi sehr sparsam eingesetzten kühneren harmonischen Wendungen, die eben dadurch eine Eindringlichkeit erreichen, wie selten sonst. Aber was soll heißen: "in seine für die Zeit leicht altertümliche Tonsprache"? Ich kenne in den 1640ern nichts moderneres! Das Erreichen einer so großen Klarheit der Abläufe und der Harmonik ist das Moderne, in das Carissimi die altertümlichen harmonischen Kühnheiten einbaut, nicht andersrum!

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Hallo Kurzstueckmeister


    Zu Deinem Einwand der Einzigartigkeit möchten wir gerne noch Frau Marie-Agnes Dittrich zitieren, die folgendes zum Oratorium "Jephte" im Metzler Komponisten Lexikon erwähnt hat;
    Metrisch gebundene Texte mit Reimen ähneln Arien – etwa der Jubelgesang von Jephtes Tochter, die ihren siegreichen Vater begrüsst. Die erzählenden Rezitative orientieren sich an der gesprochenen Rede: wenn der Text aber dramatischer wird, ändert sich auch ihre Diktion. Ein ausserordentlich eindrucksvolles Beispiel, wiederum aus „Jephte“, ist nach dem Siegesüberschwang der erschütternde Stimmungsumschwung: als der Protagonist in dem ersten Wesen, das ihm begegnet und das er Gott zu opfern versprochen hat, sein einziges Kind erkennt. Hier kommt es zu Dissonanzen zwischen Melodie und Begleitung, ungewöhnlichen Sprüngen, Pausen und anderen rhetorischen Figuren, also besonders affektreichen Wendungen, die Schule machten: der Schütz-Schüler Christoph Bernhard, der zeitweise bei Carissimi studierte, und der grosse jesuitische Gelehrte Athanasius Kircher beriefen sich in ihren Schriften über die musikalische Rhetorik ausdrücklich auf Carissimi.
    Frau Dittrich hat hier etwa das formuliert, was wir, als Amateure (Liebhaber), versucht haben mit dem etwas zu absoluten Wort einzigartig zu umschreiben. Wir wollten einzigartig nicht im wörtlichen Sinne verstanden wissen, sondern vielmehr sollte das Grossartige oder Unbeschreibliche ausgedrückt werden.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

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