HASSE, Johann Adolf: ARTASERSE

  • Johann Adolf Hasse (1699-1782):


    ARTASERSE
    Oper in drei Akten - Libretto von Pietro Metastasio


    Uraufführung am 11. Februar 1730 im Teatro San Giovanni Crisostomo, Venedig



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG:


    Artaserse, persicher Prinz, später König, Freund von Arbace, Liebhaber der Semira (Tenor)
    Mandane, Schwester von Artaserse, Geliebte des Arbace (Sopran)
    Artabano, Befehlshaber der königlichen Garde, Vater von Arbace und Semira (Sopran)
    Arbace, Freund von Artaserse, Liebhaber der Mandane (Sopran)
    Semira, Schwester von Arbace, Geliebte des Artaserse (Alt)
    Megabise, Armeegeneral und Vertrauter des Artabano (Sopran)


    Ort und Zeit der Handlung: Susa, Hauptstadt Persiens, 465 v. Chr.



    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT


    Arbace, Sohn des Präfekten der königlichen Garde, wurde von Serse verbannt, weil ihm dessen Liebe zu seiner Tochter Mandane wegen des Standesunterschiedes missfiel. Der Abschied des Liebespaares in nächtlicher Dunkelheit fällt herzzerreißend aus. Nachdem Mandane in Trübsal schnell abgegangen ist, tritt Arbaces Vater Artabano mit einem blutigen Schwert auf die Szene und gesteht, dass er Serse ermordet hat. Er verlangt von seinem Sohn, dass er die Mordwaffe verschwinden lässt und ansonsten sein Wissen um die Tat für immer in sein Innerstes verschließt. Arbace ist entsetzt, gehorcht aber seinem Vater ohne ein Widerwort.


    Prinz Artaserse hat seinen toten Vater gefunden und bittet Artabano um Hilfe bei der Suche nach dem Mörder. Der Präfekt lenkt geistesgegenwärtig den Verdacht auf Serses Erstgeborenen, Dario, dessen Thronambitionen allgemein bekannt sind. Artaserse möchte aber vor dem Volk und der Welt nicht als Brudermörder dastehen, zumal es nur um eine Vermutung geht, lehnt also den Mord an seinem Bruder ab. Artabano akzeptiert des Prinzen Argument nicht, da für ihn Darios Täterschaft außer Frage steht und von Armeegeneral Megabise vollumfänglich unterstützt wird. Er rät Artaserse sogar zu jener Härte, die der Ermordete immer in seinem Leben praktiziert habe. Der Befehl an die Krieger ist also eindeutig: Dario suchen und töten! Artaserse schweigt.


    Megabise erzählt Semira von dem Königsmord. Sie macht sich Sorgen um ihren geliebten Artaserse, ist aber gleichzeitig verwundert über die Teilnahmslosigkeit von Megabise. Der kontert, dass es ihm egal ist, wenn sich die Mitglieder der Königsfamilie umbringen und wer sich dann auf den Thron schwingt. Er gibt Semira aber den Rat, sich einen anderen Liebhaber zu suchen, weil Artaserse, wenn er denn König ist, sie wegen des Standesunterschiedes nicht heiraten kann. Semira aber durchschaut Megabises Argumentation, denn sie weiß, dass er in sie verliebt ist, folglich eigene Gründe für seinen Ratschlag hat, und weist daher seinen Rat entschieden zurück. Sie bittet die Götter um Schutz für Artaserse.


    Der Prinz trifft sich mit seiner Schwester Mandane und sichert ihr zu, Dario vor Artabano zu retten. Der aber kommt mit der Nachricht, Dario sei gefasst und getötet worden. Falls Artabano sich in Sicherheit gewähnt haben sollte, macht Semira ihm einen Strich durch die Rechnung mit der Nachricht, dass Dario nicht der Mörder gewesen sein kann, weil die Wachen einen Mann mit blutverschmiertem Schwert in der Hand gefasst haben. Artabane weiß nun, dass Arbace erwischt wurde, nimmt sich aber vor, aus der Situation das Beste zu machen. Artaserse bittet alle Anwesenden, ihm beizustehen, wobei er gleichzeitig Arbaces Verbannung aufhebt, weil ihm der Freund aus gemeinsamen Jugendzeiten fehlt.


    Der aber wird gerade als der mögliche Mörder des Königs hereingeführt und sogar von seinem Vater übel beschimpft - ein überzeugendes Schauspiel - während Arbace seine Unschuld beteuert, ansonsten aber nichts sagen will. Artabano spielt seine Rolle weiter: Er verlangt von Artaserse ein objektives Urteil, ohne Rücksicht auf alte Freundschaften, doch der Prinz ist unschlüssig - er will sich kein Urteil abringen lassen und geht, um nachzudenken, davon. Arbace klagt seinen Vater wegen fehlender Unter-stützung an, doch der sagt sich ungerührt von ihm los; Schwester Semira will Beweise seiner Unschuld. Selbst Arbaces große Liebe Mandane glaubt an seine Schuld, denn es ist allgemein bekannt, dass er den König wegen dessen Standesdünkeln hasste. Als Arbace allein auf der Szene ist, lässt er in einer den Akt beschließenden Arie seiner Verzweiflung freien Lauf.



    ZWEITER AKT


    Weil Artabano seinen Sohn auf Bitten von Artaserse nach den Hintergründen für den Mord befragen soll, wird Arbace aus dem Kerker geholt. Der Prinz lässt beide allein, weil er hofft, dass der Sohn seinem Vater mehr sagt, als ihm, dem Richter. Artabano will jedoch mit Arbace über dessen Teilnahme an dem schon vorbereiteten Aufstand gegen das Herrscherhaus reden, was der aber rundweg ablehnt und sich stattdessen von der Wache in den Kerker zurückbringen lässt.


    Artabano erklärt dem zum Verschwörerkreis gehörenden Megabise, dass Arbace nicht mitmachen will, und beide beschließen, ihn vorerst seinem Schicksal zu überlassen. Zunächst ist es wichtiger, Artaserse zu beseitigen und der Armeegeneral versichert Artabano unbedingte Treue, für die der Präfekt ihm die Hand seiner Tochter Semira verspricht. Als die zufällig daherkommt und Artabano ihr den General als ihren Bräutigam vorstellt, fällt Semira aus allen Wolken. Sie fängt sich aber schnell und verlangt, mit Megabise allein auf der Szene, von ihm einen Liebesbeweis: Er soll freiwillig auf die Ehe verzichten, weil sie ihn nicht lieben kann. Das ist Megabise aber sowas von egal - solange sie nur sein Besitz ist!


    Nach seinem Abgang treffen Semira und Mandane aufeinander, und Semira muss feststellen, dass die Liebe der Königstochter zu Arbace bereits erkaltet ist, denn sie kündigt zu Semiras Entsetzen an, auf der anstehenden Versammlung der Reichssatrapen für den Tod des Königsmörders zu stimmen. Und diese Zusammenkunft hat kaum begonnen, da treten Mandane und Semira mit völlig unterschiedlichen Auffassungen auf: Während Semira um Gnade für ihren Bruder Arbace bittet, verlangt Mandane seinen Tod. Artaserse aber ist unschlüssig, bringt es nicht über sich, den Jugendfreund zu verurteilen und überlässt den Richterspruch Artabano, weil er hofft, dass der Vater seinem Sohn gnädig sein werde. Die Enttäuschung und das Erstaunen aller Anwesenden ist groß, als Artabano über Arbace den Stab bricht und ihn zum Tode verurteilt, weil es nicht reicht, seine Unschuld zu beteuern, sondern Entlastendes gehört auch auf den Tisch. Arbace akzeptiert das Urteil, bittet aber darum, sich mit Mandane versöhnen zu können. Die müsste zufrieden sein, zeigt sich aber plötzlich über den Richterspruch entsetzt, muss sich jedoc von Artabano belehren lassen, dass er doch ihrem lautstark geäußerten Willen entsprochen habe. Semira ist verständlicherweise über ihren Vater enttäuscht (obwohl sie später zugeben muss, dass er sich an das Gesetz gehalten hat); aber Artaserse hätte, über dem Gesetz stehend, Arbace retten können.
    Artabano beschließt, beiseite gesprochen, seinen Sohn zu retten…



    DRITTER AKT


    Artaserse ist entschlossen, Arbace freizulassen, weil er nicht von seiner Schuld überzeugt ist: Warum sollte er den König umbringen, ihn aber am Leben lassen? Er begibt sich durch einen Geheimgang in den Kerker und lässt den Gefangenen mit seinen besten Wünschen für eine friedliche Zukunft fliehen, kehrt dann auf dem gleichen Weg wieder in den Palast zurück.


    Artabano und Megabise kommen mit Verschwörern um Arbace zu befreien, finden die Zelle aber leer vor. Artabano befürchtet, dass sein Sohn schon hingerichtet wurde und ist verzweifelt, weil er doch alles für dessen große Zukunft als Herrscher angezettelt hat. Megabise ist Artabanos trübe Stimmung nicht geheuer, er drängt auf Eile und erklärt, bereits das Gift für den heiligen Kelch bereit zu halten und will, wenn der Komplize nicht weiter mitmachen will oder kann, auch alleine gegen Artaserse vorgehen.


    Semira hat sich in den Palast begeben und greift Prinzessin Mandane an: Ihr Bruder habe Arbace töten lassen und das muss sie doch zufrieden stellen. Als Schwester des Getöteten aber wird sie ihr keine ruhige Minute mehr gönnen, wird sie ständig mit ihrem Hass verfolgen! Mandane aber ist emotional am Ende: Einerseits wollte sie Arbaces Tod, andererseits ist ihr die Endgültigkeit des Urteils nun auch nicht recht. Ohne auf Semiras Anklagen einzugehen, geht sie davon und überlässt der betrübten Semira die Szene. Alleine geblieben bereut sie ihren wortreichen Angriff auf Mandane und resümiert für sich, dass sie ihren Schmerz nicht lindern konnte, Mandanes Leid allerdings vergrößert habe.


    Arbace, wir wissen es, ist nicht tot; er taucht im Palast auf, um sich vor seiner Flucht mit Mandane zu versöhnen. Er trifft sie, niedergeschlagen und an Suizid denkend, in ihrem Gemach an. Das Gespräch verläuft hektisch und beweist, dass sie noch immer an seine Schuld glaubt und sich deshalb auch seinen Tod wünscht. Er gibt ihr daraufhin sein Schwert und fordert sie auf, Rache an ihm zu nehmen. Doch das will sie auch nicht, will hingegen, dass er öffentlich hingerichtet wird. Als Arbace äußert, wieder in den Kerker gehen zu wollen, hält sie ihn zurück: Sie gibt nicht zu, ihn immer noch zu lieben, will aber jetzt plötzlich doch nicht mehr seinen Tod. Verstehe noch einer dieses Hü und Hott…


    Artaserse soll zum König gekrönt werden und Artabano reicht ihm die (vergiftete) heilige Schale zum Eidesschwur. Gerade, als Artaserse sie zum Trinken ansetzt, unterbricht Semira den uralten Ritus mit der Nachricht von einem Aufstand. Artaserse vermutet sofort Arbace hinter der Rebellion, doch die jetzt aufgeregt hereinstürzende Mandane berichtet, dass Arbace den Aufstand niedergeschlagen und den Anführer Megabise getötet habe. Artaserse ist über diese Neuigkeit erfreut, weiß nun, dass er sich in seinem Jugendfreund nicht getäuscht hat. Als Arbace in den Saal kommt und sich vor Artaserse zu Boden wirft, zeigt der sich befriedigt und bittet vor allen Anwesenden um weitere Erklärungen, die Arbace jedoch (mit Rücksicht auf seinen Vater) nicht abgeben will, wohl aber den Schwur, dass er unschuldig sei. Das, so Artaserse, soll er nach altem persischen Brauch mit dem Trank aus dem heiligen Kelch bekräftigen, weil damit die Götter Zeugen angerufen werden. Dazu ist Arbace natürlich bereit, als er den Kelch ansetzt, hält ihn sein Vater Artabano jedoch davon ab und gibt die Verantwortung für alle Intrigen zu. Artaserse zieht wütend sein Schwert, Artabano zu seiner Verteidigung auch seines, doch kommt es durch Arbaces Eingreifen zu keinem Duell: Er bittet um Gnade für seinen Vater, will sogar für ihn in den Tod gehen. Diese Haltung rührt Artaserse und er lässt dem gewesenen Gardepräfekten sein Leben, schickt ihn aber in die Verbannung. Dann verkündet er, dass Semira als neue Königin mit ihm den Thron besteigen wird und Arbace, wenn es noch immer gewollt ist, Mandane ehelichen kann.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Das Opern-Libretto Artaserse von Pietro Metastasio ist mit mehr als 90 Vertonungen das populärste aus seiner Feder, vielleicht sogar das am häufigsten vertonte der Operngeschichte. Erstmals kam es am 4. Februar 1730 in der Vertonung von Leonardo Vinci (siehe auch die entsprechende Inhaltsangabe im Tamino-Opernführer) im Teatro delle Dame in Rom auf die Bühne und nur wenige Tage später, am 11. Februar, im venezianischen Teatro San Giovanni Crisostomo in der Vertonung von Johann Adolf Hasse heraus. Die Titelpartie wurde damals von Farinelli kreiert, die Mandane sang Francesca Cuzzoni (die aus der Biographie Händels bestens bekannt ist). Noch im gleichen Jahr gab es mehrere Aufführungen in verschiedenen italienischen Städten und am 29. Oktober 1734 wurde Hasses Oper im King’s Theatre am Haymarket (dem Konkurrenzunternehmen zu Händels ‚Opera oft he Nobility‘) als ein Pasticcio mit Musik von Ariosti, Porpora und Riccardo Broschi, dem Bruder Farinellis, gegeben. Das Grazer Theater am Tummelplatz hat die Oper im April 1738 in deutscher Sprache (Textfassung von Pircker) aufgeführt. 1738 zeigte man Hasses Werk in Madrid und 1740 in Laibach, dem heutigen Ljubljana. Für eine Aufführung am 9. September 1740 im Hoftheater Dresden hat Hasse seine Oper einer gründlichen Revision unterzogen, und anlässlich einer Produktion (Januar 1760) im Teatro San Carlo in Neapel sogar fast vollständig neu vertont. Diese Version wurde am 3. August 1760 im Königlich-Polnischen Opern-haus Warschau aufgeführt.



    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2018
    unter Hinzuziehung des (digitalisierten) Librettos sowie Wikipedia-Einträgen

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    MUSIKWANDERER

    Einmal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Die Tamino-Werbepartner Amazon und jpc bieten Hasses Oper in der nachfolgenden Aufnahme sowohl als Audio-CD als auch im DVD-Format an:



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    MUSIKWANDERER

  • Hallo musikwanderer,

    Zitat

    Die Titelpartie wurde damals von Farinelli kreiert

    hier muss ich dich leider berichtigen, Farinelli sang den Arbace, wie schon von dir gesagt sang die Cuzzoni die Mandane und der zweiundfünfzigjährige Altkastrat Nicolini den intriganten Artabano.
    Bei der Uraufführung wurden alle sechs Hauptrollen von Sopran und Altstimmen gesungen, von zwei Sängerinnen und vier Kastraten!
    Bei der Wiederaufnahme im Jahre 1734 am selben Theater sangen die beiden Kastraten, damals die besten Sänger ihrer Zeit,
    Gaetano Majorano, detto Caffariello (Caffarello) den Artasere und Carlo Broschi, detto Farinello (Farinelli) den Arbace. Beide waren Schüler von Nicola Porpora.


    Die oben erwähnte CD Einspielung, ist sehr gut gelungen, den intriganten Artabano singt die wunderbar Altistin Sonia Prina, die ich schon sehr oft Live gehört habe, der Counter Franco Fagioli den Arbace mit viel Gusto für die Partie, Maria Grazia Schiavo die Mandane manchesmal etwas unstet, den Artasere der Tenor Anicio Zorzi Giustiniani, warum man einen Tenor genommen hat ist mir ein Rätsel, aber er singt tadellos, Rosa Bove die Semira und als Megabise der Counter Antonio Giovannini, für mich die Überraschung der Aufnahme :hail: mit wunderbaren Spitzentönen ebenso wie sein Legato!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)