Franz Schubert: Die Ouvertüren

  • Anders als seine Symphonien und Lieder fristen die Ouvertüren von Franz Schubert heute mit wenigen Ausnahmen ein Schattendasein. Man sollte es kaum für möglich halten, aber er schrieb insgesamt nicht weniger als 18 (!) davon. Darunter sind Ouvertüren zu Singspielen, Schauspielen und Opern, Konzertouvertüren und sog. Ouvertüren "im italienischen Stile", brach im Wien der 1820er Jahre doch ein "Rossini-Fieber" aus. Der Grund hierfür war, dass 1821 die Wiener Hofoper und das Theater an der Wien für sieben Jahre an den damals bedeutendsten italienischen Impresario der Opernhäuser von Neapel und Mailand, Domenico Barbaja, verpachtet wurden.


    Schuberts Karriere als Opernkomponist begann durchaus erfolgversprechend, versiegte jedoch in den frühen 1820er Jahren. Er selbst hörte zu Lebzeiten lediglich Aufführungen der "Zwillingsbrüder", der "Alfonso"-Ouvertüre, der Schauspielmusiken und eventuell noch des "Hydraulicus". "Alfonso und Estrella" und "Fierabras" waren nach seiner eigenen Auffassung seine besten Opern.


    Im Folgenden die Ouvertüren im Einzelnen:


    - Ouvertüre D-Dur, D 12 (1811)
    - Ouvertüre zu "Der Teufel als Hydraulicus", D 4 (1811/12)
    - Ouvertüre zu "Der Spiegelritter", D 11 (1811/12)
    - Ouvertüre D-Dur, D 26 (1812)
    - Ouvertüre zu "Des Teufels Lustschloss", D 84 (1814)
    - Ouvertüre zu "Der vierjährige Posten", D 190 (1815)
    - Ouvertüre zu "Claudine von Villa Bella", D 239 (1815)
    - Ouvertüre zu "Die Freunde von Salamanka", D 326 (1815)
    - Ouvertüre B-Dur, D 470 (1816)
    - Ouvertüre D-Dur, D 556 (1817)
    - Ouvertüre im italienischen Stile D-Dur, D 590 (1817)
    - Ouvertüre im italienischen Stile C-Dur, D 591 (1817)
    - Ouvertüre zu "Die Zwillingsbrüder", D 647 (1819)
    - Ouvertüre zu "Rosamunde" (aus "Die Zauberharfe), D 644 (1820)
    - Ouvertüre e-Moll, D 648 (1819)
    - Ouvertüre zu "Rosamunde" (aus "Alfonso und Estrella"), D 732 (1821)
    - Ouvertüre zu "Die Verschworenen" ("Der häusliche Krieg"), D 787 (1823)
    - Ouvertüre zu "Fierabras", D 796 (1823)



    Es gibt bis dato nur eine wirklich vollständige Gesamteinspielung aller Ouvertüren durch die Prague Sinfonia unter Christian Benda (Naxos, 2006).


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    Eine nahezu vollständige Einspielung (es fehlt lediglich die Ouvertüre zu "Die Verschworenen") legte bereits Jahrzehnte zuvor Paul Angerer mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart vor (FSM, 1982).



    Eine weitere als Gesamtaufnahme geplante Einspielung der Haydn Sinfonietta Wien unter Manfred Huss wurde nach Vol. 1 abgebrochen (Koch Schwann, 1997), aber zumindest von BIS neu aufgelegt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich kenne eine ganze Reihe von Schubert Ouvertüren, aber nicht alle. Die CD unter Huss, besitze ich, daß es eine Gesamtaufnahme werden sollte, habe ich ebensowenig gewusst, wie die Ursache des Rossini-Booms zur Zeit Schuberts
    Eigenartigerweise habe ich die Ouvertüre im italienischen Stil weder als besonders italienisch empfunden, noch Rossini- Nahe.
    Ich habe soeben in die Aufnahme unter Christian Bend hineingehört, und finde sie Ausgezeichnet - wie vieles andere unter Benda auch.
    Schuberts Opern sind IMO unterbewertet, sie haben der ganz typischen Schubert-Klang und Inhalt hin - Inhalt her - die Musik ist bezaubernd.
    Im Zusammenhang mit den Schubert Ouvertüren fällt mir ein "Erlebenis" ein.
    Es war einer der ersten Tage von "Radio Stephansdom" dem Klassiksender der Erziözese Wien.
    Es wurden nur Klassiksschnippsel und kurze Stücke gespielt. Ich musste schmunzeln als ich die Ansage hörte:
    "Als nächstes hören Sie die Ouvertüre zu 'Des Teufels Lustschloss' von Franz Schubert....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein sehr schönes Thema, lieber Joseph! Ich höre die Ouvertüren von Schubert sehr gern und nehme sie meist als eigenständige Stücke wahr, so sie denn Opern oder auch Schauspielen vorangestellt sind. Diese Erfahrung mache ich auch mit meinem Favorit - der Ouvertüre zu "Fierrabras"*. Mich fasziniert deren Nähe zu Webers "Freischütz". Ich weiß es nicht, aber es kann zeitlich durchaus sein, dass Schubert diese Oper in der von Weber abgelehnten Wiener Erstaufführung gesehen hat.



    https://www.youtube.com/watch?v=KfEiVESIPrQ


    Abbado kommt das Verdienst zu, "Fierrabras" nach Wien geholt zu haben. Wobei er nicht der erste gewesen ist, der sich diesem Werk zuwandte. Er ist aber den namhafteste Dirigent. Leider sucht man in den Diskographien seiner berühmten Kollegen meist vergebens nach Einspielungen von Ouvertüren. Das ist sehr schade. Oder irre ich mich?


    Die Schwäche der Opern Schuberts sind nach meinem Eindruck nicht die Musik sondern die Sujets und die dramaturgische Ausführung. Sie haben keinen rechten Zusammenhalt und zerfallen oft in ihre Einzelteile.


    * Wie wird der Name verbindlich geschrieben? Ich kenne nur die Variante mit zwei "r".

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • * Wie wird der Name verbindlich geschrieben? Ich kenne nur die Variante mit zwei "r".


    Das fiel mir vorhin gar nicht auf. Danke für den Hinweis. Wikipedia hat die Erklärung:


    "Kupelwieser und Schubert schreiben in ihren handschriftlichen Quellen stets die romanistisch falsche Namensvariante Fierrabras. Die Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe hingegen verwendet die philologisch korrekte (fier-à-bras) – und daher gleichermaßen sinnvolle – Namensform Fierabras."


    Ich sah gerade, dass auch bei den Einspielungen der Ouvertüre von Huss und Angerer die Variante mit einem "r" gewählt wurde. Bei Gesamtaufnahmen der Oper scheint die andere zu überwiegen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nachdem ich nun die beiden CDs des RSO Stuttgart unter Paul Angerer vorliegen habe und mir etliche der Ouvertüren auch vergleichend angehört habe, würde ich zu folgendem Fazit kommen:


    Die Opernouvertüren sind insgesamt noch gelungener als die reinen Konzertouvertüren. Von diesen ragen besonders die beiden "im italienischen Stile" sowie die späte in e-Moll heraus. Unter den Opernouvertüren sind mir als besonders fesselnd in Erinnerung geblieben: "Der Spiegelritter", "Des Teufels Lustschloss" und "Fierabras". Vor allem letzterer steht der berühmten "Rosamunde" aus der "Zauberharfe" m. E. nicht nach. Aber auch die genannten ganz frühen Opernouvertüren sind von erstaunlich hoher Qualität.


    Mir gefällt Angerers großsymphonischer Ansatz ausgezeichnet. Er nimmt sich zudem auch die Zeit, die Musik wirken zu lassen. Gut 10 Minuten für den "Fierabras" sind geradezu ideal. Klangtechnisch gibt es nichts auszusetzen, auch die Pauken sind präsent.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões