Le Tribut de Zamora (Gounod) - München, Prinzregententheater, 28.01.2018

  • Im Rahmen der Sonntagskonzerte des Münchner Rundfunkorchesters haben wir gestern eine grandiose konzertante Aufführung dieses selten gespielten Werkes von Charles Gounod hören können. Es war eine Kooperation zwischen dem Bayerischen Rundfunk und dem Palazzetto Bru Zane - Centre de musique romantique francaise.


    Le Tribut de Zamora war die letzte Oper Gounods und erfreute sich bei ihrer Uraufführung 1881 im Pariser Palais Garnier großer Zustimmung des Publikums. Der Erfolg war jedoch nicht von Dauer: nach zwei Jahren und 47 Aufführungen verschwand die Oper wieder von den Spielplänen. Eine Reprise von 3 Aufführungen erfolgte 1885, danach fiel das vieraktige Werke jedoch endgültig dem Vergessen anheim. Als Grand-Opéra enthält das Werk neben den lyrischen Solonummern große Tableaus und Balletteinlagen. Kastagnetten, Schellentambourin u.ä. Instrumente zaubern viel Lokalkolorit auf die Bühne, es gibt einen spanischen und einen griechischen Tanz; lediglich die arabischen (sarazenischen) Elemente fehlen in der farbenreich instrumentierten Musik fast völlig.
    Eine genaue Inhaltsangabe der Oper findet sich im Tamino Opernführer, dankenswerterweise und vorausschauend schon geschrieben von Gerhard Wischniewski (Inhalt)



    Dargeboten wurde die Oper vom Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Stabführung des französischen Dirigenten Hervé Niquet (s. Foto), der einigen vom Ensemble Le Concert spirituel bekann sein dürfte. Hatte man sich nach ein paar Minuten an den sehr ungewöhnlichen, expressiven Dirigierstil von Niquet gewöhnt, konnte man sich gefangen nehmen lassen von einer spannungsgeladenen und auf den Punkt musizierten Aufführung. Zu jeder Zeit hatte Niquet die Fäden des nicht kleinen Orchesterapparates (neben den Pauken gab es u.a. weitere fünf Schlagzeuger und einen großen Blechbläserapparat), des Chores und der Solisten fest in der Hand.


    Das Paar der jungen Liebenden wurde sehr treffend von Judith van Wanroij, Sopran (Xaima) und Edgaras Montvidas, Tenor (Manoël) gesungen. Van Wanroij hat einen sehr schön timbrierten Sopran, dem stellenweise ein wenig vokale Durchschlagskraft fehlt, um allzeit über das Orchester hörbar zu bleiben. Die lyischen Duette mit Manoël oder später ihrer Mutter wurden wunderschön phrasiert; die Stimmen verschmolzen zauberhaft. Montvidas fühlte sich inder Rolle des jungen, stürmischen und kampfbereiten Liebhabers vokal hörbar wohl. Ohne zu forcieren gerieten die Attacken in der Auseinandersetzung mit seinem Gegner Ben-Said, die patriotischen Aufrufe Noble Espagne!! Quoi! Nous dormons!... Debout, enfant de l'Ibérie , voller Schmelz die Szenen mit seiner Geliebten (Ô blanc bouquet de l'épousée oder Manoël! Sans moi tu veux mourir).


    Manoëls Gegenspieler Ben-Said wurde von Tassis Christoyannis, Bariton, gesungen. Im ersten Teil der Aufführung (1. und 2. Akt) wirkte er stimmlich noch etwas unbeteiligt. Umso imponierender das Auftrumpfen der Stimme im 3. und 4. Akt: die Romanze Je m'enforce en vain de te plaire mit der er Xaima von seiner Liebe zu überzeugen versucht oder im Duett Lui! Manoël, encore! Moi qui n'ai qu'à lever le bras pour l'écraser wurden sehr detailreich und mit wohltönendem Bariton gestaltet. Dieses wohltönende Timbre war in meinen Ohren auch sein kleines Manko, da die Stimme die Boshaftigkeit seiner Rolle nicht 100%ig transportieren konnte.
    Über ein kerniges Timbre und den besonderen stimmlichen Biss verfügte dagegen Boris Pinkhasovich, Bariton, in der Rolle des Hadjar, Bruder Ben-Saids. Kraftvoll ertönte seine Stimme in seinen Solonummern, dominierte aber auch die Szenen, an denen er beteiligt war. (Es wäre interessant zu hören, wie es klänge, wenn beide Baritonisten ihre Rolle tauschen würden...).


    Zentrale Figur in der Oper ist Hermosa, großartig gesungen von Jennifer Holloway, Sopran. Mit voller dramatischer Stimme (man hört ihre Mezzo-Vergangenheit durch eine satte Grundierung der Stimme) sang sie diese zwiespältige Rolle, die zwischen liebender Mutter und Wahnsinniger pendelt. Momente großer emotionaler Eindringlichkeit entstehen, wenn sie vom Wahn befallen durch ihre Arie Que me dis-tu? Qu'il faut encore te suivre irrlichtert, im 3. Akt, wenn sie in Xaima ihre verlorene Tochter wiedererkennt und sich beider Frauen Stimmen im Duett vereinen De sa mort qui donc parle ici... oder im Finale der Oper, wenn sie Ben-Said tötet Tu ne passeras pas.


    Drei weitere junge Sänger trugen in kleineren Rollen zum Erfolg des Abends bei:
    Iglésia/Ein junger Sklave - Juliette Mars, Mezzosopran
    Der Alkalde/Der Kadi - Artavazd Sargsyan, Tenor
    Der König/Ein arabischer Soldat - Jérôme Boutillier, Bariton


    Szenenapplaus bei dieser unbekannten Oper sowie lang anhaltender Schlußapplaus incl. kräftigem Fußgetrampel waren beredter Ausdruck der Begeisterung des Publikums.
    Das Konzert kann noch diese Woche nachgehört werden unter folgendem Link. Ein CD-Mitschnitt wird in naher Zukunft von Palazzetto Bru Zane veröffentlicht werden.

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Lieber Orsini,


    vielen Dank für deine Schilderung der konzertanten Aufführung von "Le Tribut de Zamora" und für die Verknüpfung, unter der wir uns diese anhören können. Der zweite Absatz (von Le Tribut... bis ...völlig) würde sehr gut auch als Zusatz in das Thema im Opernführer passen. Vielleicht kannst du ihn kopieren und dort ebenfalls einsetzen. Ich stelle mir den Opernführer eigentlich so vor, dass man hier nur die Inhaltsangabe und erläuternde Angaben zum Werk selbst (Art der Musik, Entstehung, Aufnahme des Werks und Werksgeschichte, Hinweise zur Diskographie usw.) geben sollte, wozu alle interessierten Mitglieder beitragen können, die etwas über diese Dinge erfahren.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard,


    Danke für den Hinweis... das mache ich doch glatt :-)



    viele Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz