RARITÄTEN: Opern, die wir auf der Bühne vermissen

  • Das ist das Pendant zu Carusos Thread RARITÄTEN: Selten gespielte Opern wiederaufgeführt!. Hier geht es um Werke, die längere Zeit eben nicht mehr aufgeführt wurden, die wir aber gerne einmal auf der Bühne sehen würden. Das Leben ist kein Wunschkonzert, wie es so schön heißt, aber vielleicht schaut doch der eine oder andere Intendant oder Operndirektor hier hinein und nimmt eine Anregung auf. Und vielleicht ergeben sich hier ja auch Hinweise darauf, dass ein schmerzlich vermisstes Werk eben doch in nächster Zeit aufgeführt wird. Operabase ist zwar eine gute Informationsquelle, aber auch nicht lückenlos, wie ich schon einige Male festgestellt habe.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Sehr gerne würde ich einmal ein Werk von Méhul auf der Bühne erleben, dessen Tod sich 2017 zum zweihundertsten Mal jährte. Leider wurde dieses Ereigniss von kaum einem Opernhaus aufgegriffen, Operabase verzeichnet 2017 gerade mal eine Aufführung der Oper "Le jeune sage et le vieux fou" in Reims, ansonsten seit 2016 Fehlanzeige und auch in Zukunft nichts in Aussicht. Liegt es an der mangelnden Qualität seiner Werke? Nach dem, was ich bisher gehört habe, kann das nicht der Grund sein, denn er hat inspirierte, wunderbare Musik geschrieben. Seine Oper "Joseph (et ses frères)" hatten wir exemplarisch für die französische Revolutionsoper auch in unseren Opernkanon aufgenommen. Dass dieser Komponist nur einmal vorgeschlagen wurde, zeigt dann auch, wie unbekannt er in unseren Landen ist. Das galt, ich gebe es zu, bis vor kurzem auch für mich.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Da gäbe es zahlreiche Kandidaten. Ich greife nur mal folgende heraus:


    Auber: Gustave III
    Boieldieu: La dame blanche
    Grétry: Le Magnifique

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da gäbe es zahlreiche Kandidaten.


    Ja, leider!



    Auber: Gustave III


    Auber gehört zwar nicht zu meinen allerliebsten Opern-Komponisten, aber einiges würde ich auch gerne von ihm auf der Bühne erleben, so zum Beispiel seine große Oper "La muette de Portici".



    Grétry: Le Magnifique


    Grétry gehört hier sicher auch hinein, von seinen zahlreichen Opern wird kaum etwas gespielt. Vor zwei Tagen lief "Richard Coeur-de-lion" in Reims, aber man kann leider nicht überall hinfahren. :(

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ein sehr interessanter Thread. Dabei ist das Wort "selten" ja nicht definiert, sondern wird sicher sehr subjektiv empfunden. Eines stimmt allerdings - viele in den 50-er Jahren ab und zu einmal gespielte Opern sind (abgesehen von den großen Opernhäusern) kaum noch zu erleben. Noch mehr trifft das meiner Meinung nach auf Operetten zu.


    Ich gestatte mir, einige Opern zu nennen, die ich persönlich gerne einmal (eine mir persönlich zusagende Inszenierung vorausgesetzt, Amfortas kann jetzt sagen "Oper xy... nach den Vorstellungen von La Roche) wieder sehen würde. Dabei würde auch die für mich schönste Inszenierung mir keinen Nutzen bringen, wenn sie räumlich nicht in mein Einzugsgebiet paßt. Ich nenne hier nur Opern, die ich schon einmal gesehen habe (z.T nur im TV oder YT), Noch nie gesehene Opern (z.B. Das schöne Mädchen von Perth oder Euryanthe) zähle ich hier nicht auf.


    - Alessandro Stradella
    - Daphne (live mal in Dresden gesehen, und auf DVD mit Botha)
    - Ernani (kenne ich nur von DVD)
    - Evangelimann (kenne ich nur vom Film (mit Schock??))
    - Fedora (nur von DVD mit Domingo)
    - Der ferne Klang (tolle Aufführung in Gera Ende der 80-er gesehen)
    - La Gioconda (nur von DVD mit Domingo)
    - Luise Miller (2 tolle Inszenierungen in den 90-ern in Dessau gesehen, inszeniert von Felsenstein)
    - Lakme
    - Louise (kenne ich nur von DVD)
    - Mefistofele (kenn ich nur von DVD mit Ramey, vor Jahren in Erfurt habe ich verpaßt, könnte heulen. Eine tolle Oper!!!)
    - Perlenfischer (auch nur von DVD)
    - Puritaner (nur konzertant erlebt mit Gruberova und Gavanelli in Dresden, das beste von Bellini!)
    - Tiefland (in den 60-ern in Gera, damals hat es mir nicht gefallen. Durch eine DVD mit Schock u.a. hat sich das geändert)


    Auch Attila, Simone Boccanegra, Sizilianische Vesper und div. Spielopern von Lortzing wie Waffenschmied, Undine, Wildschütz wären mir willkommen.


    Sicher fände ich noch vieles, wenn ich mein Gedächtnis durchkämme.


    Manches habe ich auch gesehen und verspüre nicht den Wunsch nach erneutem Besuch, z.B. Fra Diavolo, Stumme von Portici, Hexe von Passau u.a.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es gibt viele Komponisten, die teilweise in der Wagner-Nachfolge komponiert haben, deren Werke bedauerlicherweise heute ein Schattendasein auf allen Bühnen führen müssen.
    Als erstes möchte ich Hans Pfitzner anführen: Wie gerne würde ich abgesehen von seinem "Palestrina" wieder einmal seine "Rose vom Liebesgarten", bzw. den "armen Heinrich" live erleben.
    Ein anderes Beispiel ist Wilhelm Kienzl. "Der Evangelimann" wurde von La Roche schon genannt. Ich wäre auch am einst populären "Kuhreigen" sehr interessiert, von dem man nur die Schlussszene des 1. Aktes ("Zu Strassburg auf der Schanz") noch einigermassen kennt. Dann auch Humperdinck, abgesehen von HuG.


  • Lieber La Roche,


    einige Wünsche von dieser Liste sind relativ leicht erfüllbar. Schrekers "Der ferne Klang" beispielsweise lief immer mal wieder an der Berliner Staatsoper, habe ich dort selbst zweimal im Abstand von einigen Jahren gesehen. Und Bizets "Perlenfischer" laufen nun wirklich regelmäßig an allen möglichen Orten, zum Beispiel im April wiederum an der Berliner Staatsoper. Gleiches gilt für "I Puritani" (dieses Jahr in Stuttgart), "Mefistofele" (in München), "La Gioconda" (2018 an der Deutschen Oper Berlin) und "Daphne" (2017 in Hamburg und Berlin, wenn die von Strauss gemeint war), die anderen habe ich nicht nachgeschaut. Klar ist das nicht unbedingt direkt vor der Haustür, sind aber alles auch keine Weltreisen. Ich meinte hier mit Raritäten eher solche Opern, die gar nicht gespielt werden.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido,


    Mir ist nur ein Umkreis von max. 100 km um meinen Heimatort angenehm. Wegen eines Opernbesuches zu übernachten, da ist mir meine Rente zu schade, ich will am gleichen Abend zurückfahren.


    Und es kommt ein weiteres Problem hinzu. Wenn sich die idiotische deutsch Politik fortsetzt und z.B. Leipzig oder Dresden oder Chemnitz ein Einfahrtsverbot für Dieselautos mit Euro 4 erlassen, ist der Besuch der dortigen Opernhäuser und auch des Gewandhauses für mich gestorben. Ich fahre einen Mercedes B-Klasse Diesel mit Euro 4, und ich habe nicht vor, mir ein neues Auto zu kaufen. Dazu ist meine Rente nicht ausreichend.


    Und ich würde ja auch nie eine mir nicht zusagende Inszenierung ansehen. Ich habe meine Eigenarten und leide sicher an Alterssturheit. Umlernen kann und will ich nicht.


    Trotzdem ein sehr interessanter Thread.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Hallo,
    was ich schmerzlich vermisse, sind vor allem die russischen Werke. Rimskij-Korssakov hat 13 Opern geschrieben, von denen viele sehr gut sind, aber auf deutschen Bühnen einfach fehlen: Sadko, Schneeflöckchen, Goldener Hahn, Zarenbraut (war in Berlin, habe ich verpaßt). Auch Glinka wird wenig gespielt (zum Glück gab es Sussanin in Frankfurt und Ruslan in Bielefeld). Auch Tschaikowskij hat weit mehr geschrieben als Eugen Onegin, Pique Dame und die herrliche n Ballette.
    Dazu noch was anderes: Wie wäre es denn mal mit Webers "Abu Hassan"?
    Schöne Grüße
    wega

  • In 2016 habe ich mich für den Tamino-Opernführer mit den Klavierauszügen ausführlich mit der "Odyssee" von August Bungert beschäftigt. Ich lasse mal den Hintergedanken des Komponisten, nämlich Wagners "Ring" übertreffen zu wollen, außen vor, kann aber nicht umhin zu wünschen, das Bühnenspektakel dieser vier Opern gerne mal sehen zu können. Unterstützt wurde der Wunsch (und wird er immer noch) durch den Blick in jene Klavierauszüge, da gibt es nämlich Stellen, die durchaus mit Gänsehautstellen bezeichnet werden können. Um es gleich vorweg zu sagen: Nein, ich beherrsche nicht das Klavierspiel, aber ich habe damals die Möglichkeit gehabt, mir von einem Organisten (auf dem heimischen Klavier) einige ausgesuchte Stellen vorspielen zu lassen und war begeistert. Aber: Es gibt, jeder weiß das, viele Wünsche, die nie erfüllt werden. Und das ist so einer...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Rimskys Opern waren allerdings, anders als z.B. Lortzings oder Flotows, nie etabliertes Standardrepertoire in Deutschland. (Vermutlich nirgendwo außerhalb Russlands/SU und dort werden sie auch immer noch oft gespielt.) Meinem Eindruck nach sind im wesentlichen drei Gebiete in den letzten Jahrzehnten (teils schon vorher) stark reduziert worden: die deutsche und französische Spieloper, die Grand Opera und der Verismus jenseits der absoluten Dauerbrenner. Ob die Nachwagnerianer wie Siegfried Wagner oder Pfitzner je so richtig im Repertoire angekommen waren, weiß ich nicht genau. Dagegen habe ich bei den Spätromantikern/Frühmodernen wie Schreker und Zemlinsky den Eindruck, dass die heute weit mehr vorkommen als vor 30 oder gar 50 Jahren.


    Ein bißchen reisen kann man wohl kaum vermeiden. Oder warten. Ich bin überhaupt kein großer Opernliebhaber, gehe nicht oft hin und kann mir auch nicht leisten, der Opern wegen irgendwohin zu reisen, aber ich habe in den letzten knapp 20 Jahren etliche eher seltene Opern auf der Bühne gesehen, weil sie gegeben wurde, wo ich eben eh gewesen bin. Z.B. Attila, Orlando Paladino, Die weiße Dame, Der Barbier von Bagdad, Eine florentinische Tragödie, Der Zwerg.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Dagegen habe ich bei den Spätromantikern/Frühmodernen wie Schreker und Zemlinsky den Eindruck, dass die heute weit mehr vorkommen als vor 30 oder gar 50 Jahren.

    Das gilt für die Grande Opéra und besonders Meyerbeer ebenso.

    Meinem Eindruck nach sind im wesentlichen drei Gebiete in den letzten Jahrzehnten (teils schon vorher) stark reduziert worden: die deutsche und französische Spieloper, die Grand Opera und der Verismus jenseits der absoluten Dauerbrenner.

    Im Falle der Gande Opéra (Meyerbeer, aber auch Halévys "Jüdin", Rossinis "Tell" und mitunter auch Aubers "Stumme von Portici") trügt dieser Eindruck - dieses Repertoire gab es in den letzten jahren weit häufiger als in den Jahrzehnten davor.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es kommt darauf an, was man als Vergleichszeitpunkt oder Zeitraum nimmt. Für die älteren hier wohl eher die 1950er bis 70er Jahre. Der "Abstieg" der Grande opéra lag natürlich deutlich davor, wohl schon in der ersten Hälfte des 20. Jhds. Merkt man u.a. auch daran, dass es nur wenige Plattenaufnahmen dieser Stücke aus den 50er/60ern gibt. (Das meinte ich mit "teils schon davor", das war ziemlich ungenau. Als ich den Zauberberg gelesen habe, waren das in "Fülle des Wohllauts" die Stücke, von denen ich noch nie gehört hatte.) Insofern gibt es heute sicher mehr davon als vor 30 Jahren, aber kaum mehr als vor 100 Jahren.
    Der "Abstieg" der dt. und frz. Spieloper (sowie vieler Operetten außer der "Fledermaus") fand dagegen wohl hauptsächlich in den letzten 40-50 Jahren statt.

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  • Träum-Weiter-Potter-Wunschliste:


    Emmanuel Nunes (1941 - 2012): Das Märchen (nach Goethe)
    http://www.youtube.com/watch?v=_BKAgfsLllo
    http://www.youtube.com/watch?v=xVMnKS8gHM0

    Arnold Schönberg (1874 - 1951): Von heute auf morgen

    http://www.youtube.com/watch?v=ySZJHLDSps4
    http://www.schoenberg.at/index…f-morgenl-op-32-1928-1929


    vermutlich letzte szenische Realisationen im Teatro La Fenice unter ML Inbals (Datum ?) und 2012 in Lyon unter ML Bernhard Kontarskys


    Paul Dessau (1894 - 1979): Leonce und Lena


    Luigi Dalllapiccola (1904 – 1975): Ulisse
    http://www.youtube.com/watch?v…c&list=PLAA52D3079239F9AF
    http://www.youtube.com/watch?v…A&list=PLAA52D3079239F9AF
    http://www.youtube.com/watch?v…E&list=PLAA52D3079239F9AF
    http://www.youtube.com/watch?v…0&list=PLAA52D3079239F9AF
    http://www.youtube.com/watch?v…o&list=PLAA52D3079239F9AF


    Libretto:
    http://www.dicoseunpo.it/D_files/Ulisse.pdf


    Roman Habenstock-Ramati (1919 - 1994): Amerika
    http://www.youtube.com/watch?v=8V0EbIoAjdI


    Roger Sessions (1896 - 1985) Montezuma
    http://www.youtube.com/watch?v=gYpFEU28aQA


    Ernst Krenek (1900 – 1991): Sardakai


    Hans Pfitzner: Das Herz
    Vermutlich zuletzt in Würzburg 2006


    Hans Pfitzner: Christelflein (mit Dialogen)

    vermutlich letzte Aufführungen: 2004 konzertant unter Flor, 2000 szenisch (?) in Freiberg


    Hans Zender (geb. 1936): Don Quijote

  • Der "Abstieg" der dt. und frz. Spieloper (sowie vieler Operetten außer der "Fledermaus") fand dagegen wohl hauptsächlich in den letzten 40-50 Jahren statt.

    Für die deutsche und französische Spieloper stimmt das, für die Operette stimmt das so nicht, die ist an kleinen und mittleren Häusern tatsächlich besser besucht als die meisten Opern.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ein Schatz schönster Melodien, Arien, Duette und Ensembles sind [/size]gerad[size=12]ezu verschwenderisch in den deutschen Spielopern verhanden. Das wird allein dadurch bewiesen, dass diese musikalischen und sängerischen Paradestücke in den Programmen von Opernkonzerten besonders gerne aufgeführt werden. Wie sollten z. B. die Bassisten das Publikum in volkstümlichen Konzerten begeistern, wenn sie keine 5000 Taler hätten, nicht vom "Büblein klein an der Mutterbrust" oder ihrer Zeit "als sie noch ein Jüngling mit lockigem Haar" waren" oder "Wie klug und weise sie sind" erzählen könnten. Diese Liste der musikalischen "Reisser", die auch aus Wunschkonzerten nicht wegzudenken sind, ließe sich fortsetzen und auf andere Stimmfächer übertragen. Nun kommt das Kuriosum: auf den Spielplänen der Opernhäuser werden diese Werke, die so eingängige, beliebte Stücke enthalten, leider viel zu wenig gespielt. Wie ist dieses Kuriosum zu erklären? - Von Sängerinnen und Sängern gern gesungen, vom Publikum geliebt und dennoch von der Bühne verbannt. Ist es die Internationalisierung der Oper oder ein Bannstrahl moderner Regisseure, die mit gemütvollem Stoff nicht umgehen können, dass diese wertvollen Klassiker der Opernliteratur in der Versenkung verschwinden? Gibt es eine Chance, diese Schätze wieder zu heben, die musikalischen Perlen wieder glänzen zu lassen? Was kann getan werden, um die Spieloper zu retten?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Für die deutsche und französische Spieloper stimmt das, für die Operette stimmt das so nicht, die ist an kleinen und mittleren Häusern tatsächlich besser besucht als die meisten Opern.

    Obwohl es hier um Oper geht, muß ich zur Operette etwas sagen. Nicht jedes kleine Haus bringt noch Operetten (Gera hat dieses Jahr keine Operettenpremiere), wohl aus Scham, keine "große Kunst" zu bieten und bei Kritikern durchzufallen. Dabei bringen gerade Operetten besonders beim älteren Publikum volle Häuser. Aber wenn.... dann immer die ganz alten Kamellen.


    Ich würde gerne mal sehen "Die Rose von Stambul", "Die Landstreicher", "Friederike". "Giuditta", "Balkanliebe", "Indigo", "Wo die Lerche singt", "Der Obersteiger", "Die schöne Galathee", "Paganini", "Gasparone" usw. Ich könnte noch Dutzende anführen. Dabei sind die o.g. Operetten von musikalischer Schönheit und wurden bis in die 60-er gespielt. In unseren heutigen, turbulenten Zeiten wächst auch die Sehnsucht nach "heiler Welt", und wenn es auch nur vorgegaukelt wird. Die Realität erlebt man täglich, in der Stadt, in der Presse, im Fernsehen usw. Das ist ja einer der Gründe, warum z.B. "Das Traumschiff" oder "Rosamunde Pilcher" so hohe Einschaltquoten haben (vom Unfug der privaten Sender rede ich gar nicht erst).


    Ich bitte um Verzeihung wegen des Abschweifens vom Thema.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Ulli,


    das ist kein Abschweifen vom Thema. Du bist mitten drin in der Problematik, die ich (in Beitrag 16) ebenfalls für die Spieloper aufgezeigt habe. Zugkräftigste Werke aus dem leichteren Genre werden nicht oder nicht genügend oft aufgeführt. Warum? Haben die Intendanten, Regisseure, Dramaturgen und sonstige Spielplangestalter Angst, in ihrem Renomee angekratzt und nicht ernst genommen zu werden, wenn sie leichte Muse servieren. Selbstverständlich kann man in Spielopern und Operetten nicht mit Erfolg Schreckensszenarien,höchste Dramatik und militante Symbole auf auf die Bühne bringen. Wie das ausgeht wurde in Dresden bewiesen, wo - wenn ich richtig informiert bin - in der Operette "Gräfin Mariza" auf der Bühne mit Leichen getanzt wurde. Gerd Uecker, der damalige und in der Regel sehr erfolgreich die Semper-Oper steuernde Intendant, musste nach heftigen Publikumsprotesten diese Inszenierung vom Spielplan nehmen. Eine alte Bühnenweisheit lautet: "Das Leichte gut zu bringen ist oft das Schwerste". Es ist also eine Herausforderung heute z. B. ein "Schwarzwaldmädel" werksgerecht zu inszenieren und authentisch zu besetzen. Dabei sind sind diese heiteren, beschwingten Werke genau die Genussäquivalenz zu den anspruchsvollen, herausfordernden Opern -gewissermaßen die Gustostückerln nach schwerer verdaulicher Kost. Ausserdem sind gut gemachte leichte Opern- und Operettenabende Publikumsmagneten. Wir machen beim Heilbronner Sinfonie Orchester jährlich Open-Air-Konzerte im romantischen Deutschhof. Den großen Ansturm auf Karten gibt es immer dann, wenn wir unserem Publikum "Dunkelrote Rosen" schenken, also Spieloper und Operette ankündigen. " Der Köder muss dem Fisch schmecken nicht dem Angler". Das heißt, das Musiktheater kann nur dann breitere Publikumsschichten gewinnen und dem ewigen Vorwurf des Elitären entgehen, wenn Angebote gemacht werden, die alle Publikumsinteressen, Wünsche und Sehnsüchte befriedigen. "O seelig, o seelig, ein Kind noch zu sein"!!!
    Herzlikchst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Hans,


    leider, leider muß ich Dir rechtgeben. Viele Intendanten haben Angst, ihren Spielplan wenigstens teilweise am Publikumswillen zu orientieren, obwohl sie ihren Auftrag nach der Vermittlung von Kunst auf der Bühne nicht verletzen würden, wenn Operette auf dem Spielplan stünde. Im Gegenteil, man würde die Auslastung vieler Häuser erhöhen. Wie in Heilbronn werden im wunderschönen Geraer Konzertsaal wenigstens noch Operettenkonzerte geboten (in der Regel 1 Abend /Spielzeit, der dann zum Glück mehrfach auftaucht).


    Aber auch ich würde gerne mal wieder eine Operette auf der Bühne sehen, in opulenter (mancher hier im Forum würde es Kitsch nennen) Ausstattung, und mit guten Sängern. Aber da fängt es schon an. Bis in die 70-er Jahre hatte men speziell ausgebidete Operettensänger, vom Tenor über den Buffo bis zur Soubrette, denn außer entsprechendem Stimmmaterial war auch tanzen und sprechen gefragt. Daran fehlt es heute. Wer kann und will heute noch tanzen, singen, sprechen und möglichst noch im Frack eine gute Figur machen? Dazu kommt, daß nicht jeder Parzifal auch als Herzog von Orbino stimmlich paßt.


    Und ich möchte auch nicht zum 10. male die Fledermaus oder die lustige Witwe sehen. Es gibt so herrliche Operetten! Wenn sie dann ne lustige Witwe machen (wie in Gera vor Jahren), dann lassen sie den Danilo in Tagesklamotten auf einem alten Chevrolet tanzen. Den Leuten hat es trotzdem gefallen, weil sie gar nicht mehr wissen, wie eine lustige Witwe zu Zeiten Heesters ausgesehen hat. Ich will ja gar keinen Abklatsch alter Inszenierungen, aber wenn Danilo ins Maxim gehen will, dann hat er nicht auszusehen, als würde er sich neue Unterhosen kaufen wollen. Wir sind eben hoffnungslos veraltet und müssen uns gefallen lassen, daß "Kitsch" eben nicht mehr auf die Bühne gehört. Aber träumen wird man wenigstens noch dürfen!!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • In 2016 habe ich mich für den Tamino-Opernführer mit den Klavierauszügen ausführlich mit der "Odyssee" von August Bungert beschäftigt. Ich lasse mal den Hintergedanken des Komponisten, nämlich Wagners "Ring" übertreffen zu wollen, außen vor, kann aber nicht umhin zu wünschen, das Bühnenspektakel dieser vier Opern gerne mal sehen zu können. Unterstützt wurde der Wunsch (und wird er immer noch) durch den Blick in jene Klavierauszüge, da gibt es nämlich Stellen, die durchaus mit Gänsehautstellen bezeichnet werden können. Um es gleich vorweg zu sagen: Nein, ich beherrsche nicht das Klavierspiel, aber ich habe damals die Möglichkeit gehabt, mir von einem Organisten (auf dem heimischen Klavier) einige ausgesuchte Stellen vorspielen zu lassen und war begeistert. Aber: Es gibt, jeder weiß das, viele Wünsche, die nie erfüllt werden. Und das ist so einer...


    :hello:


    Diesen Vorschlag möchte ich ganz aus- und nachdrücklich unterstützen. Vermutlich wird der Appell ungehört bleiben, weil man lieber hundertsten "Ring" einspielt, aber einen Versuch ist es ja wert.


    An der Stelle auch nochmal der Verweis auf den bereits bestehenden Thread dazu: August Bungert — Der Mann, der Richard Wagner übertreffen wollte


    Leider scheint sich seither nichts in Sachen Bungert getan zu haben. :( Wäre doch etwas für Naxos oder cpo!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Viele Intendanten haben Angst, ihren Spielplan wenigstens teilweise am Publikumswillen zu orientieren, obwohl sie ihren Auftrag nach der Vermittlung von Kunst auf der Bühne nicht verletzen würden, wenn Operette auf dem Spielplan stünde. Im Gegenteil, man würde die Auslastung vieler Häuser erhöhen.
    Aber auch ich würde gerne mal wieder eine Operette auf der Bühne sehen, in opulenter (mancher hier im Forum würde es Kitsch nennen) Ausstattung, und mit guten Sängern.

    Hallo, lieber La Roche
    In Liberec /Reichenberg läuft seit fünf Jahren "Die Fledermaus". Und zwar genau so, wie Du es Dir wünschst - in opulenter Ausstattung und mit guten Sängern.
    Was die Auslastung betrifft - das Haus ist immer sehr, sehr gut besucht. Ich habe diese Aufführung mehrmals dort gesehen und kann das insgesamt bestätigen.
    Und am 18. Mai ist die Premiere von "Eine Nacht in Venedig". Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Das Leben ist kein Wunschkonzert, wie es so schön heißt, aber vielleicht schaut doch der eine oder andere Intendant oder Operndirektor hier hinein und nimmt eine Anregung auf. U


    Ja, wünschen kann man sich natürlich mal was.
    Am meisten würde ich mir wünschen, dass mal Ferenc Erkels "Bánk bán" oder "Hunyadi László" eine Chance auf einer Bühne in einem deutschsprachigen Land bekommen.
    In Bertaridos Opern-Kanon habe ich dafür gekämpft, dass zumindest eine seiner Opern einen Platz in dem Kanon bekommt.
    Dabei ist mir aufgefallen, dass selbst passionierte Opernbesucher und sogar echte Opernoficionados die Werke von Ferenc Erkel überhaupt nicht kennen. Dabei gäbe es Gesamtaufnahmen auf CD und DVD und sogar bei Youtube kann man zwischen verschiedenen Aufführungen wählen. Aber hier herrscht ein merkwürdiges Desinteresse gegenüber dem ungarischen Nationalkomponisten. Viele sind nicht einmal bereit, eigene Höreindrücke von diesen Opern zu gewinnen.


    Vielleicht wäre eine Aufführung einer seiner beiden bedeutendsten Opern an einem mittelgroßen Haus für sie ein Ohrenöffner?


    2016 und 2017 gab es in Ungarn von Erkels "Bánk bán" 40 Aufführungen in 2 Städten. In dem gleichen Zeitraum wurde seine Oper "Hunyadi László" 14 mal aufgeführt! Muss man denn unbedingt nach Budapest oder Szeged fahren, um diese herrliche Musik zu hören???? Oder soll man auf Konserve angewiesen sein? Kann die denn etwas von der Lebendigkeit der Musik transportieren? Ich bezweifle das, liste aber mal auf, welche Aufnahmen es vom "Bánk bán" ich immerhin in meiner Sammlung habe!








    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!


  • Lieber Caruso41, eine liebevolle Bitte, verlinke doch die Bilder zum Anbieter, dann hat auch Alfred etwas davon ;) .
    Und es geht auch kleiner wie du siehst, und es ist für die Augen besser! :D


    Mit besonders lieben Grüßen
    Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ja, wünschen kann man sich natürlich mal was.
    Am meisten würde ich mir wünschen, dass mal Ferenc Erkels "Bánk bán" oder "Hunyadi László" eine Chance auf einer Bühne in einem deutschsprachigen Land bekommen.
    In Bertaridos Opern-Kanon habe ich dafür gekämpft, dass zumindest eine seiner Opern einen Platz in dem Kanon bekommt.
    Dabei ist mir aufgefallen, dass selbst passionierte Opernbesucher und sogar echte Opernoficionados die Werke von Ferenc Erkel überhaupt nicht kennen. Dabei gäbe es Gesamtaufnahmen auf CD und DVD und sogar bei Youtube kann man zwischen verschiedenen Aufführungen wählen. Aber hier herrscht ein merkwürdiges Desinteresse gegenüber dem ungarischen Nationalkomponisten. Viele sind nicht einmal bereit, eigene Höreindrücke von diesen Opern zu gewinnen.


    Lieber Caruso, was Erkel anbelangt, muss Du mich nicht überzeugen. Seine Musik ist schier überwältigend. Er kann Situationen sehr stark in Musik umsetzen. Wie ein Maler. Die Aufnahmen, die Du kurz vorstellst, kenne ich auch. Idiomatisch sind sie bestimmt beispielhaft. Ich wünschte mir allerdings auch mal eine Darbietung außerhalb Ungarns. Die Sprache ist auch ein Problem. Wer soll das lernen? Und verstehen? Hinzu kommt, dass sich Ungarn derzeit sehr isoliert, was dem Kulturaustausch nicht dienlich sein dürfte. Bei Erkel fühle ich mich immer ein wenig an die großen vaterländischen Opern aus Tschechien erinnert. Die kommen auch nicht von dort raus. "Bánk bán" - um dieses Beispiel zu nennen - ist inhaltlich für uns schwer verdaulich. Wenigstens aber eine konzertante Aufführung könnte es sein. Ich höre Musik live lieber als von der Konserve.


    Berlin, wo ich lebe, hatte sich ja gleich nach dem Fall der Mauer als Schnittpunkt zwischen Ost und West angeboten und große Pläne geschmiedet. Daraus ist nichts geworden, wie das in Berlin nun mal so ist. Kaum osteuropäische Opern oder entsprechende Werke im Konzert. Dafür ein Wagner nach dem anderen. Und an der Deutschen Oper schon wieder eine unterirdische "Carmen". Das kommt davon, wenn man immer die selben Stücke macht. Ich habe mir unter dem Eindruck Deines Beitrages mal die Aufführungsstatistiken der Staatsoper angesehenen, noch viel weiter zurückreichend als in Stimmenliebhabers Dokumentation. Da findet sich in der Vergangenheit eine Vielfalt, die es heute nicht mehr gibt. Eigentlich sollte es umgekehrt sein. Im Opernalltag ist Europa (noch) nicht angekommen. :(

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Caruso, was Erkel anbelangt, muss Du mich nicht überzeugen. Seine Musik ist schier überwältigend. Er kann Situationen sehr stark in Musik umsetzen. Wie ein Maler......


    Lieber Rheingold,


    wie recht Du hast!!!


    Ich bin fest überzeigt: Würde man einem Intendanten mal die Szene am Ufer der Theis mit Melinda und dem Bauern aus "Bánk bán" vorspielen ohne zu sagen von wem das ist und worum es geht, müsste der schon taub sein, wenn er nicht sofort überlegen würde, ob und wie man das Stück aufführen sollte.
    An ungarischen Dirigenten und ungarischen Sängern, die das Werk angemessen aufführen und das Publikum in ihren Bann ziehen könnten, ist ja wahrlich kein Mangel!


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!