"Was bestimmt ist, in den Seelen der Christen eine heilige und heilsame Trauer zu bewirken geht in Unterhaltung über!"
so kritisierte ein pariser Priester die "Lecons de Ténèbres" die um 1700 in Mode kamen.
Er fragt sich weiter ob diese Klagegesänge des hl. Jeremiah, welche während der Karwoche eigentlich im gregorianischen Modus rezitiert werden sollten, nun von bekannten Opernsängern in einem sehr verweltlichten "Air de Cour - Stil" dargeboten werden sollten.
Ende des 17. Jahrhunderts waren diese Gesänge vor allem in Frankreich so beliebt wie nie zuvor. Sie hatten ihre Blütezeit wärend der Herrschaft Louis XIV - genauer gesagt im letzten Drittel seiner Regentschaft.
Diese Aufführungen waren zu mondänen Ereignissen geworden.
Viele der damaligen Komponisten haben sich von den Texten inspirieren lassen und dabei ein ganz eigenes Gengre geschaffen, angelehnt an die frz. Gesangstradition, welche "zugleich den Ohren schmeicheln und das Herz rühren sollte."
Oftmals wird die Stimmung dieser Kompositionen mit den Gemälden von George de la Tour verglichen und in der Tat vermag kaum ein anderer Künstler diese Stimmung zu visuell zu vermitteln:
Der Text, traditionsgemäß auf dem Propheten Jeremias zugeschrieben, ist dem Buch der Klagelieder aus dem Alten Testament entnommen.
Sein hebräischer Name ist Echa - nach dem ersten Wort des Kapitels:
"Wie sitzt die Stadt nun einsam..."
Die Verse der ersten vier Kapitel beginnen jeweils mit einem anderen Buchstaben des hebräischen Alphabets, im dritten Kapitel sogar jede Verszeile.
Es handelt sich um eine sehr kunstvolle Form, Acrostichon genannt.
Die Klagelieder sind Elegien über die Zerstörung des Tempels 586 v. Chr. mit all seinen Folgerungen in einer eindrucksvollen Evokation als Strafe der Sünder Israel.
Diese Klagelieder sind seit dem 8. Jahrhundert auch Teil der römisch-katholischen Liturgie - sie werden wärend der "Matutinen" des sacrum triduum (die letzten drei Tage der Karwoche) gesungen.
Madame de Maintenon und Louis XIV
Zu Zeiten Louis XIV wurden diese Gesänge schon am Vorabend des angegeben Tages aufgeführt in Form einer Nachtwache.
Bei jeder Nachtwache werden drei Psalmen, gefolgt von drei Antiphonen und drei Lesungen, gefolgt von Respensorien gesungen.
Die Klagelieder kommen am Ende der ersten Nachtwache zum Vortrag. Zum Ende des Gottesdienstes werden, als Symbol des von seinen Jüngern verlassenen Jesus, nach und nach alle Kerzen gelöscht.
Die Gemeinde sitzt also zum Schluß in vollkommender Finsternis und lauscht der magischen Kraft dieser Gesänge welche mit den beschörenden Worten schließt: "Jerusalem, bekenne Dich zum Herrn."
Diese Kompositionen vermitteln eine "reinigende Trauer" die besonders zum Tragen kommt wenn man diese Zeremonie nachempfindet.
ein Konzert in unserer Zeit in der königlichen Kapelle von Versailles
Die Bestzung ist eher intim, nur ein bis zwei Sänger (meist Alt oder Sopran) Cembalo, Orgel, Gambe und Theorbe - nicht mehr.
Aufnahmen gibt es glücklicherweise viele, hier die wichtigsten:
Lecons de Ténèbres: Charpentier - Brossard - Clérambault
Gérard Lesne
Il seminare musicale 5 CD's
Lesne ist ein hervorragender Countertenor, der mit dieser sehr günstigen Box (19.99) ein muss ist.
Ich habe die Box selbst noch nicht, die Lecons de Ténèbres von Charpentier besitze ich in der 3 CD Einspielung von Rene Jacobs.
Da aber hier viele seine Stimme nicht mögen und die CD's auch nicht mehr zu bekommen sind erübrigt sich eine Vorstellung.
Delalande - Lecons de Ténèbres
Isabelle Desrochers (Soprano)
Mauricio Burgalia (Théorbe)
Nima Ben David (Viole de Gambe)
Pierre Trocellier (Cembalo und Orgel)
Die Lecons von Delalande sind wesentlich dramatischer als die von Charpentier, die Interpretation ist wunderbar, zwischen den 3 Klagegesängen wurden noch intime Musikstücke von Zeitgenossen zwischengeschoben:
Marin Marais: Le Tombeau de M. de Lully / Le Tombeau de M. de Sainte Colombe
Robert de Visée: Tombeau des Mesdemoiselles de Visée
Louis Couperin: Tombeau de M. Blancrocher
Couperin - Lecons de Ténèbres
Les Arts Florissants
Couperins Lecons sind wohl die mit Recht bekanntesten, obwohl er sich schon sehr weit von der Kirchenmusik als solche entfernt hat, denn seine Klagegesänge sind an Dramatik und Innigkeit kaum zu überbieten.