Goethe und Beethoven

  • Hallo,


    vor ein paar Tagen habe ich in der Wikipedia Goethes Meinung von Beethoven gelesen:


    „Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie dadurch freilich weder für sich noch für andere genußreicher macht.“


    Ich musste unwillkürlich an Wagner denken. Die musikalischen Explosionen.


    Ich mag die Beethovenschen und die Wagnerschen Ausbrüche.


    Aber, was ich von beiden Komponisten lieber mag, sind die zarten Momente. Beethovens Violinkonzert, der zweite Akt des Tristans.


    Wie seht ihr das?


    Viele Grüße,
    Oliver

  • Zitat

    „Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie dadurch freilich weder für sich noch für andere genußreicher macht.“


    Auch Haydn hat Beethoven so gesehen und es ihm sogar persönlich gesagt, nachdem er vorsorglich gefragt hatte, ob Beethoven eine ehrlich Meinung überhaupt hören wolle - was dieser bejahte.


    Aber man wird Beethoven damit vermutlich nicht gerecht, er hatte durchaus Humor und vertrug sich mit manchen Leuten sogar recht gut und konnte auch sehr freundlich sein.


    Im Falle Wagner muß ich passen . ist nicht mein Revier


    Im Falle Beethovens sind mir ehrlich gesagt am liebsten die "bombastischen" Momente, notabene, da Beethoven die seltene Kunst beherrscht, auch bei höchster Dynamik nicht zu vergessen, daß es sich hier um MUSIK handelt.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nun ging es Goethe aber hier gerade nicht (auch wenn es da sicher Parallelen gibt) primär um musikalische Ungebändigtheit, sondern eben den geschmeidigen, dem Geheimen Rat vertrauten und selbstverständlichen Umgang mit sozialen Gegebenheiten, der Beethoven (vermutlich mit der Ertaubung zunehmend) abging.


    Was Wagner angeht, empfinde ich ähnlich: zart kann er gut, wenns laut wird, wirds nicht immer gut. (Ausnahmen gibts natürlich - Walkürenritt z.B.)
    Der Einzug in die neue Götterburg am Ende des Rheingoldes z.B. ist für mich nicht wirklich eine Großtat der Instrumentierungskunst - und da liegt mir Beethoven schon mehr, wenn er wie in den Tuttistellen der Eroica richtig Alarm macht, ohne daß die Spannung abnimmt.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht.
    (G.Mahler, 4. Symphonie)

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  • Was Wagner angeht, empfinde ich ähnlich: zart kann er gut, wenns laut wird, wirds nicht immer gut. (Ausnahmen gibts natürlich - Walkürenritt z.B.)
    Der Einzug in die neue Götterburg am Ende des Rheingoldes z.B. ist für mich nicht wirklich eine Großtat der Instrumentierungskunst.

    Ich finde, es ist immer eine gute Strategie, erst einmal davon auszugehen, dass der Autor das, was jedem Rezipienten auf den ersten Blick auffällt, auch gemerkt hat. Bei Wagner, der doch wohl an vielen anderen Stellen unter Beweis gestellt hat, dass er das Orchester überaus virtuos zu handhaben wusste, wäre also davon auszugehen, dass er auch wusste, dass dieser »Rheingold«-Schluss nicht im eigentlichen Sinne »schön« oder »rund«, sondern eher gewalttätig und überbombastisch klingt. Und wenn man das annimmt, ist es nicht mehr weit bis zu der Überlegung, ob er damit vielleicht eine Absicht verfolgt haben könnte. Und wenn man sich die Frage stellt und zum Zwecke ihrer Beantwortung das Stück ein wenig zur Kenntnis nimmt, ist es auch gar nicht mehr so weit bis zu dem Punzt, wo man einsieht, dass diese Passage genau so primitiv klingen muss, wie sie klingt, weil sie nämlich den primitiven Triumph der Götter zeigen soll.


    Übrigens macht man das im Leben auch nicht anders: Wenn ein Mensch plötzlich irgendetwas tut, was man von ihm erwartet hat, bleibt man auch nicht bei dieser Feststellung stehen, sondern fragt genauer nach, wie es dazu kommt, dass er so unerwartet handelt. Also: Wenn ein Komponist, der für seine virtuose Instrumentationskunst bekannt ist, plötzlich so platt und dröhnen komponiert wie im »Rheingold«-Schluss oder im »Walkürenritt«, dessen Instrumentation aus sehr ähnlichen Gründen nicht weniger peinlich wirkt, sollte man sich fragen, warum er das tut, und nicht einfach davon ausgehen, dass man ihm einen guten Rat hätte geben können. – Das ist natürlich nicht ausgeschlossen, aber man ehe man das als gesichert annimmt...

  • Ich sehe gerade, da fehlt am Anfang des zweiten Absatzes ein nicht ganz unwichtiges Wort. Es muss natürlich heißen: »…was man nicht von ihm erwartet hat.«

  • Der Einzug in die neue Götterburg am Ende des Rheingoldes z.B. ist für mich nicht wirklich eine Großtat der Instrumentierungskunst

    Naja, immerhin handelt es sich nicht um den Wohnungswechsel des Bürgers x von a nach b, sondern um den Einzug der Göttergilde in ihr neues, teuer erkauftes, großzügig entworfenes Heim!! Da darf ein wenig Pomp wohl schon sein!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Da darf ein wenig Pomp wohl schon sein!


    Und zwar ein hohler Pomp, denn wie wir alle wissen, ist der Einzug der Götter nach Walhall nicht nur der Anfang vom Ende, was Loge ja sogar ausspricht, sondern er ist Resultat von Geschehnissen, die die moralische Verkommenheit der Göttersippe offenbaren. Daher gebe ich imhotep völlig recht: das es so klingt, wie es klingt, ist sicher nicht Wagners Unvermögen zuzuschreiben. Dass der als Meister der Instrumentationskunst allseits bewunderte Wagner hier schlechte Arbeit geleistet hätte, halte ich für eine abwegige Annahme.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich nehme mir die Freiheit, in diesem Fall davon auszugehen, daß ihm schon ein mächtiger Sound vorgeschwebt hat, und daß ihm z.B. nicht klar war, wie sich die gerade neuentwickelten Wagnertuben im lauten Tutti auswirken, nämlich extrem matschig. warum sollte der Einzug der Götter in ihr sozusagen erschlichenes neues Heim nicht gerade oberflächlich glanzvoll und majestätisch klingen? "Pomp", meintwegen "hohl", mag ja sein. aber Matsch? Zuviel tiefe Mitten sind vielleicht dröge, aber nicht "hohl".

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  • Dass der als Meister der Instrumentationskunst allseits bewunderte Wagner hier schlechte Arbeit geleistet hätte, halte ich für eine abwegige Annahme.


    Das sehe ich auch so, lieber Bertarido. Es soll klingen wie es klingt. Du hast das knapp und - wie ich auch finde - sehr richtig zusammengefasst. Bei Wagner ist nichts zufällig. Das "Rheingold"-Finale halte ich sowohl hinsichtlich der musikalischen Erfindung als auch in Bezug auf die Instrumentation für einen Geniestreich. Es ist eine Untergangsmusik und muss nur richtig gespielt werden - mit dem großen Nibelungenorchester. Dann offenbart sich die rasante Struktur, die Doppelbödigkeit. Wir hören es oft zu dürr und zu klein. In einem Stadtheater mit höchstens sechzig Musikern kann es nicht gelingen. Auch die wenigsten Einspielungen bringen nicht rüber, wie ich es mir vorstelle.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es soll klingen wie es klingt.

    Da bin ich ganz bei euch. Und das gilt übrigens auch für Beethovens vielgeschmähten Schluss-Satz seiner "Neunten" und besonders schmerzhafte Passage wie "MUSS ein lieber Vater wohnen".


    Auch die wenigsten Einspielungen bringen nicht rüber, wie ich es mir vorstelle.

    Da hast du ja echt Glück! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • "Pomp", meintwegen "hohl", mag ja sein. aber Matsch? Zuviel tiefe Mitten sind vielleicht dröge, aber nicht "hohl".


    Mir ist leider nicht klar, was das Wort »Matsch« in Bezug auf die Instrumentation bedeutet. Sollte es sich um einen Fachbegriff handeln, kenne ich ihn nicht, wenn es sich um einen subjektiv erfundenen Ausdruck handeltn, bedarf er der Erklärung. Ich weise aber schon mal darauf hin, dass es einer besonderen Erklärung bedarf, wie etwas gleichzeitig »Matsch« (also allzu nass) und »dröge« (also trocken) sein kann.


    Interessant wäre auch, wie sich bestimmen lässt, wieviel tiefe Mitten gut und ab wann sie zu viel sind.


    (Ganz nebenbei: Ich halte den Gedanken, dass ausgerechnet Wagner, der zahllose bis dahin nicht gehörte Instrumentationseffekte mit vollkommener Sicherheit erfunden hat, nicht gewusst haben soll, wie die von ihm erfundenen Tuben wirken, und es darüber hinaus nur an dieser Stelle vergessen haben sollte, für einigermaßen grotesk. Und das zu belegen, wird es ein wenig mehr brauchen, als ein paar geschmäcklerische und diffuse Adjektive.)

  • Wir hören es oft zu dürr und zu klein.

    das mag sein.

    Es ist eine Untergangsmusik und muss nur richtig gespielt werden

    Ehrlich? ich dachte immer, es wäre eine Walhalla-Einzugsmusik. "Untergangsmusik" würde ich den Kommentar der Rheintöchter nennen.

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  • Und das gilt übrigens auch für Beethovens vielgeschmähten Schluss-Satz seiner "Neunten" und besonders schmerzhafte Passage wie "MUSS ein lieber Vater wohnen".

    da kann ich nur zustimmen. Aber: wieso schmerzhaft? dieses betonte "MUSS", durch die hohe Lage bis in den Bass etwas gewollt klingende Es-Dur, das dann in die fragende Wiederholung auf A7b5 übergeht, ist das schmerzhaft?


    Ich empfinde es als eher zärtliche Verabschiedung des Bildes vom "göttlichen Vater", der in die lichten Höhen entschwebt...
    Eine Stelle, die bestimmt nicht Goethes Skepsis wg. etwaig unhöflicher Deutlichkeit gefunden hätte.

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  • Ich meine die aggressiv gesungene Stelle, bevor diese bei der Textwiederhoung "himmlisch verklärt" wiederholt wird (was immer noch schwer genug zu singen ist).

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • sollte man sich fragen, warum er das tut, und nicht einfach davon ausgehen, dass man ihm einen guten Rat hätte geben können. – Das ist natürlich nicht ausgeschlossen, aber man ehe man das als gesichert annimmt...

    geschenkt. ich gehe nicht von irgendetwas "einfach aus". Aber ich traue mich auch nicht erst, einen Gedanken bzw eine Wahrnehmung zur Diskussion zu stellen, wenn ich etwas als "gesichert" annehme. Den großen Teil der kulturellen Freuden, die wir hier teilen, machen Dinge und Artefakte und damit zusammenhängende Gedanken aus, zu denen das Wort "gesichert" meinem Gefühl nach nicht recht passen will.

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  • Ich meine die aggressiv gesungene Stelle, bevor diese bei der Textwiederhoung "himmlisch verklärt" wiederholt wird (was immer noch schwer genug zu singen ist).

    das Es-Dur also...
    okay, von der Wirkung her mit den Posaunen, dem schwach vertretenen B, also eigentlich deutlich vernehmbar nur einer Terz Es-G, ist es ein bißchen grob - da würde ich einer dramaturgisch sinnvollen "Gewolltheit" zustimmen.

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  • ich dachte immer, es wäre eine Walhalla-Einzugsmusik. "Untergangsmusik" würde ich den Kommentar der Rheintöchter nennen.


    Abgesehen davon, dass man sich unter »Untergangsmusik« doch wohl etwas anderes vorstellen würde als diese überaus zarte Passage, ist natürlich richtig, dass die Rheintöchter eben das aussprechen, was auch Loge sagt: »Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen.« Und eben darauf reagiert die pompöse Einzugsmusik in ihrer harmonischen und melodischen Dürftigkeit und der platten Brutalität der Instrumentation. Man sieht leicht: Wagner hat sich schon was dabei gefacht, wenn er so etwas schrieb. Ich würde vorschlagen, ehe wir aussagen, dass er nicht hat realisieren können, was er realisieren wollte, zunächst einmal starke Belege für diese Aussage zu finden. Woraus ergibt sich denn, dass ihm nicht genau der Klang vorgeschwebt hat, den er erzielt hat?
    (Ganz im Ernst: Wenn die Passage nicht so geklungen hätte, wie er gewollt hat, was hätte ihn gehindert, sie mit ein paar Retuschen dahin zu bringen, wo er sie ursprünglich wollte? Das ist doch ein anderer Fall als die zu lange Schluss-Szene des »Siegfried«, deren Defekt nicht behoben werden kann, ohne dass die Szene ganz neu angelegt wird, was zur Folge ahben würde, dass auch noch ganz andere Passagen der Tetralogie verändert werden müssten. So viel wäre hier nicht zu tun, um den Klang zu verändern. Sollen wir also annehmen, dass Wagner nicht gemerkt hat, dass er sich hier vertan hat, weil Du es ihm nicht sagen konntest?)

  • Ich würde vorschlagen, ehe wir aussagen, dass er nicht hat realisieren können, was er realisieren wollte, zunächst einmal starke Belege für diese Aussage zu finden. Woraus ergibt sich denn, dass ihm nicht genau der Klang vorgeschwebt hat, den er erzielt hat?

    Natürlich, er hätte es ja auch jederzeit ändern können. Dann ist es wohl Geschmackssache. oder ich habe einfach noch nicht die vom Stimmenliebhaber angemahnte "gute" Aufnahme gehört.


    Ob es allerdings Goethes Ästhetik entsprochen hätte? (um mal das Threadthema anzusteuern)
    Aber das hat ja manches andere geniale auch nicht.

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  • Ich hätte so etwas angemahnt?

    Bitte vielmals um Entschuldigung, es war Rheingold1876:

    Wir hören es oft zu dürr und zu klein. In einem Stadtheater mit höchstens sechzig Musikern kann es nicht gelingen.

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  • Dann ist es wohl Geschmackssache.


    Geschmackssachen sind freilich Sachen, über die man nicht diskutieren kann. Allerdings geht es hier um anderes. Wenn mir jemand erklärt, dass ihm der »Rheingold«-Schluss nicht gefällt, werde ich nicht lange diskutieren, es sei denn, er bittet mich um Auskunft, warum ich da anderer Meinung bin. Wenn aber jemadn erklärt, dass der »Rheingold«-Schluss falsch komponiert sei, weil er nicht so klingt, wie es ihm gefallen würde, sieht die Sache anders aus.


    Dann geht es um ein grundlegendes hermeneutisches Prinzip, ohne das Verstehen schlicht unmöglich ist. Ich muss nämlich in jeder Kommunikation davon ausgehen, dass der Partner das gesagt hat, was er beabsichtigt hat, weil er in der Lage ist, seine Absicht umzusetzen. Dass das nicht der Fall ist, also ein Fehler vorliegt, kann ich erst dann annehmen, wenn klar ist, dass es keine Möglichkeit gibt, das, was er geäußert hat, sinnvoll zu deuten. Wenn dieses Prinzip nicht angewandt wird, ist jedes Verständnis unmöglich, weil ich dann bei jedem Wort, das einer äußert, annehmen kann, dass er eigentlich ein anderes gemeint hat, das meinem Geschmack eher entsprechen würde


    In diesem Falle: Die Aussage »Der Rheingold-Schluss gefällt mir nicht« ist völlig in Ordnung, aber als Aussage über die Komposition irrelevant, weil es sich nur um eine Aussage über den Sprechenden handelt. Die Aussage »der Rheingold-Schluss klingt nicht gut« ist sinnvoll, auch wenn es darüber verschiedene Meinungen geben kann. Die Aussage »der Rheingold-Schluss ist schlecht instrumentiert, weil Wagner es nicht konnte«, ist nicht zulässig, bis nicht klar nachgewiesen ist, dass die Annahme, dass Wagner sehr wohl gewusst hat, was er tat und das, was er beabsichtigt hatte, realisiert hat, zu keinem sinnvollen Ergebnis führen kann. Das gilt um so mehr, als als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, dass Wagner einer der ganz großen Meister der Instrumentation war, der vermutlich keinen naseweisen Hinweis benötigt hat, wie man das besser machen kann. Nun gibt es aber genug Möglichkeiten, die angeblichen klanglichen Mängel dieser Passage –die übrigens, ganz nebenbei sei es bemerkt unmittelbar auf die der Erscheinung des Regenbogens folgt, die die überdeutlich zeigt, wie ungeheuer gut Wagner zu instrumentieren scheint, worauf die Schlusspassage übrigens unmittelbar antwortet, indem das brutale Blechgedonner auf dem gerade in berückender Zartheit vorgestellten Motiv des Regenbogens basiert, der also musikalisch quasi niedergestampft wird – die angeblichen klanglichen Mängel dieser Passage als beabsichtigt und aussagekräftig zu verstehen, womit sie keine Mängel mehr sind.


    Um nicht missverstanden zu werden: Es geht nicht um die Forderung nach der bedingungslosen Verehrung des angeblich unfehlbaren Meisters, schon gar nicht um ein Plädoyer für die Chimäre »Werktreue«, sondern lediglich um das, was ich einleitend sagte: ein grundlegendes hermeneutisches Prinzip, ohne das Verstehen schlicht unmöglich ist. Wenn sich bei Anwendung dieses Prinzips zeigen lässt, dass eine Interpretation der Stelle, die sie nicht als misslungen ansieht, nicht möglich ist, ist die Aussage, dass sie misslungen sei, natürlich möglich und vollkommen berechtigt. Nur genügt dazu nicht der Vortrag von matschigen Begriffen à la »matschig«.

  • Nun gibt es aber genug Möglichkeiten, die angeblichen klanglichen Mängel dieser Passage –die übrigens, ganz nebenbei sei es bemerkt unmittelbar auf die der Erscheinung des Regenbogens folgt, die die überdeutlich zeigt, wie ungeheuer gut Wagner zu instrumentieren scheint, worauf die Schlusspassage übrigens unmittelbar antwortet, indem das brutale Blechgedonner auf dem gerade in berückender Zartheit vorgestellten Motiv des Regenbogens basiert, der also musikalisch quasi niedergestampft wird – die angeblichen klanglichen Mängel dieser Passage als beabsichtigt und aussagekräftig zu verstehen, womit sie keine Mängel mehr sind.

    ich lese das und denke, ich höre nochmal genauer hin, Deine Hinweise sind ja dramaturgisch schon schlüssig und leuchten mir ein.
    Kann sein, daß ich dann immer noch der Meinung bin, daß auch ein solch falscher Triumph irgendwie praller klingen dürfte, kann sein, daß ich überzeugt bin.

    Wenn mir jemand erklärt, dass ihm der »Rheingold«-Schluss nicht gefällt, werde ich nicht lange diskutieren, es sei denn, er bittet mich um Auskunft, warum ich da anderer Meinung bin.

    Die Auskunft hast Du ja hinreichend gegeben, auch ohne Bitte. Dank dafür!

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