Eine Geschichte, die meines Erachtens gut als Auftakt zu Silvester und zum Jahrswechsel passt:
" Der bekannnte Schriftsteller und Kunstmaler Roland Dorgelès bediente sich für ein scherzhaftes Experiment eines Esels; er band einen in Ultramarin-Farben getauchten Pinsel an das Ende von Lolos Schwanz. Der Esel wedelte bei guter Fütterung mit Rüben, Lauch, Spinat und anderen Leckereien "abstrakte Kunst" auf eine gespannte Leinwand. Roland Dorgelès gab dem Bild den Namen "Sonnenuntergang an der Adria" . Es fehlte ein Name für den Künstler. Man einigte sich auf "Boronali" und ergänzte, dass dieser Italiener ein Avantgardist sei.
Die Vernissage fand im "Salon des Indépendants" statt und Boronalis Kunstwerk wurde in den Zeitungen als gelungen gewürdigt. Am nächsten Tag machten Dorgelès und der Chefredakteur von "Le Matin" den Skandal publik. Mit dem Erfolg, dass dies zu einem unerwarteten Andrang von Besuchern führte, die unbedingt Lolos Gemälde sehen wollten. Die spektakuläre Posse hatte zwar eine enorme Resonanz hervorgerufen, aber die wichtigere Botschaft von Dorgelés wurde nicht erkannt. Ganz im Gegenteil. Das "Gemälde" des Esels Lolo wurde für 400 Francs verkauft. Diese Summe war damals ein Vermögen."
Es stellen sich für mich nun folgende Fragen: Gibt es Parallelen von der Geschichte des Esels Lolo mit der heutigen Situation der Oper? Stellen sich die Fragen, die die Geschichte von Lolo aufwirft bei aktuellen Inszenierungen? Könnte Lolo sogar für unsere Diskussionen über das Regietheater hier im Tamino Klassik Forum Anregungen beim Denken über den Tellerrand hinaus geben?
Herzlichst
Operus
P.S. Die Geschichte von Lolo dem Esel ist dem gerade neu erschienenen Buch "Singen" von Bernd Weikl entnommen. Das 135 Seiten starke im Leipziger Universitätsverlag herausgegebene lesenwerte Büchlein umfasst Themen wie: Geburt der Oper, Singen als Therapie, die Freiheit der Kunst und der Weg in die Zukunft, der unaufhaltsame Weg in die Postmoderne, der Paradigmenwechsel , der Sieg der Algorithmen, die Oper 2100. Alles aus der Sicht des Weltklassebaritons, des Regisseurs und des unermüdlichen, ledienschaftlichen Kämpfers für die Werte der Oper. Als Beleg werden ausführlich wissenschaftliche Studien und Belege zitiert. Ein echter Weikl! Für jeden, der in der aktuellen Diskussion mitreden möchte, eine Fundgrube für eine qualifizierte Argummentation.