Warum dürfen Märchen nicht mehr Märchen sein?

  • Leider kam ich aus Zeitmangel erst jetzt dazu, mir die Aufzeichnung der Inszenierung von Rimski-Korsakows „Schneeflöckchen anzusehen. Ich habe sie schon deshalb vollständig angeschaut, weil ich die hübsche Musik bisher nur in Teilen kannte. Insgesamt muss ich sagen, dass vom Gesang her für mich nur Aida Garifullina als Schneeflöckchen und Yuriy Mynenko als Lel herausragend waren, wobei ich gleichzeitig die Darstellungsweise durch Aida Garifullina loben muss, die die Empfindungen des naiven, von der Liebe nichts wissenden Schneeflöckchens mit ihrer Gestik gut auszudrücken wusste.
    Ansonsten war es zwar eine farbenfrohe Inszenierung, und soviel ich nach den von mir gelesenen Inhaltsangaben (leider kenne ich das Libretto nicht) feststellen konnte, hielt sich der Regisseur auch weitgehend an die vorgegebene Handlung. Leider fehlte mir jeglicher Charme des russischen Märchens.
    Das Vorspiel auf dem roten Hügel fand in einem hohen Saal statt, wo der „Waldgeist“, eine Art Wanderbursche in grüner Jacke (die wohl den Charakter eines „Geistes“ suggerieren sollte), zur Tür rein schaut und das Kommen des Frühlings verkündet. Ein älterer Herr in weißem Mantel (soll König Frost darstellen) verabschiedet sich von Schneeflöckchen (ebenfalls in weißem Pelzmantel). Dann kommt eine Matrone, die garnicht wie eine Fee wirkt mit einer Schar Kinder, die im Gesicht Schnäbel tragen herein, mit denen sie (als Tanzlehrerin?) einen Tanz einstudiert. Nach einer Auseinandersetzung zwischen der Lehrerin und dem Herrn verabschiedet sich dieser, die Saalwände werden weggeschoben und ein aufwendiger Wald erscheint, der nunmehr den Rest der Oper beherrscht.
    Auf einer Lichtung haust eine Schar Hippies in Blockhütten und ….Wohnwagen (!). Schneeflöckchen kommt zu einem Ehepaar in einen Wohnwagen.
    Lel ist nicht der einfache Hirte, den ein Blumenstrauß von Schneeflöckchen erschreckt, sondern ein selbstverliebter Hagestolz, der nicht aus Verwirrung sondern aus Arroganz ihr diesen Strauß vor die Füße schmettert. Misgir in schwarzen Klamotten wird überzogen brutal dargestellt. Zwar ist er seiner Braut gegenüber tatsächlich brutal, als er sich ohne Umstände sofort in Schneeflöckchen verliebt, aber mit ihr geht er bis zum Schluss ebenfalls sehr brutal um, so dass man ihm die Liebe nicht abnimmt.
    Der „Zarenpalast“ (2. Akt) besteht gleichfalls aus der derselben Waldlichtung. Ein Mann in einer militärischen Tarnjacke dirigiert den Hippie-Chor. Dann öffnet sich der Kreis und eine komische Erscheinung, die eher wie ein seltsamer Guru aussieht, sitzt vor einer Staffelei. Es stellt sich heraus, dass das der „Zar“ sein soll.
    Für den heiligen Hain (3. Akt) und und das Tal Jarilos (4. Akt) hatte man dann die Bäume etwas verschoben, so dass wenigstens der Eindruck entstand, an einen anderen Spielort zu sein. Am Schluss habe ich nicht verstanden, was sich der Regisseur dabei gedacht hat, dass Schneeflöckchen nicht ihren Geliebten Misgir, zu dem die „Fee“ ihre Liebe erweckt hatte, sondern in ihren letzten Minuten den hochnäsigen Lel liebkost. Misgir nimmt sich dann wohl auch nicht aus Trauer über den Tod Schneeflöckchens, sondern aus verletztem Stolz das Leben.
    Auch der Text, den ich leider nur aus den Untertiteln entnehmen konnte, passte an manchen Stellen nicht zu dem, was auf der Bühne dargestellt wurde.
    Alles in allem – abgesehen von dem wunderbaren Spiel Aida Garifullinas - eher eine langweilige und enttäuschende Inszenierung

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • :no: :no:


    Nur zwei Informationsfragen:


    Die erste:


    In welchem Opernhaus wurde das Video gezeigt?


    Die zweite:


    Wenn ich morgen über die heutige Münsteraner Aufführung von "Hänsel und Gretel" berichte, muss ich dann extra vermerken, dass der Opernabend nicht vor dem heimischen Sofa am Fernseher stattgefunden hat?


    Für Aufklärung wäre ich dankbar!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich habe leider nur den Schluss gesehen, sodass ich über die Inszenierung gar nicht urteilen kann. Es war in der Pariser Oper aufgezeichnet. Die musikalische Seite sowohl vom Orchester wie von den Solisten (besonders den weiblichen) fand ich hervorragend. Auf arte (Mediathek) kann man das Stück sich ansehen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Lieber Gerhard,


    ich habe mir die Oper aufgezeichnet und war schon schockiert, als ich den Namen Tscherniakow las. Ist nicht mein Lieblingsregisseur.


    Habe mir die Oper im Schnelldurchlauf angesehen, aber ich verzichte auf eine komplette Begutachtung. Es ist schön bunt, vielleicht sind auch die Sänger gut. Aber eines ist es auf keinen Fall: ein "wunderbares, aber grausames russisches Märchen". Grausam mag sein, aber das im Videotext angekündigte "wunderbare" Märchen ist es nicht, da geht mir jedes Gefühl für "wunderbar" und "Märchen" ab.


    Mit Wehmut denke ich an herrliche Aufführungen im Opernhaus Perm, wo ich neben 3 Balletten (Schwanensee, Giselle und Dornröschen) und 4 Opern (Traviata, Troubadour, Othello, Butterfly) auch eine traumhafte Aufführung des "Märchens vom Zaren Saltan" sah. Jetzt hat Tscherniakow seine Hände auch in Petersburg und Moskau im Spiel, und sicher gibt es im russischen Publikum zweigeteilte Meinungen. Die einen sehen den Westen und damit Tscherniakows Inszenierungsstil als modern und zukunftsweisend an, die anderen sehen sich mehr als wir Deutschen der Tradition verpflichtet. Vor 30 Jahren, meiner Rußlandzeit, wäre ein Tscherniakow und ein Currentzis (der in Perm einen szenisch heftig umstrittenen Giovanni dirigierte, der aber musikalisch höchstes Lob bekam, u.a. von Ioan Holender) chancenlos gewesen. So ändern sich auch in Rußland die Zeiten. Jetzt können sich die Stuttgarter auf ihn freuen und ein Teil der Permer aufatmen. Vielleicht kauft er sich da auch mal einen schwarzen Anzug.


    Näher auf die Pariser Snegurotschka werde ich nicht eingehen. Du weißt, daß ich ähnlich denke wie Du. Die Aufzeichnung ist auch schon wieder runter von der Festplatte.


    Zu Deinem Threadtitel. Das trifft ja auch schon auf deutsche Märchen zu. Es gibt doch schon Stimmen, die Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen u.a. Märchen als nicht geeignet für Kinder einstufen. Ich bin damit groß geworden, und geschadet hat es mir nicht, meinen Sinn für Tradition und Überliefertes hat es im Gegenteil gestärkt, deutsche Märchen von meiner Mutter erzählt bekommen und später im Buch verschlungen zu haben. Natürlich sind diese Märchen mit dem Verbrennen der Hexe und dem bösen Wolf grausam. Aber dann müßte man den Kindern verbieten, Nachrichten zu sehen, überhaupt Fernsehen mit Krimis und Morden ohne Ende oder im Internet zu surfen Die da gezeigten Grausamkeiten sind real und keine überlieferten alten Geschichten aus der deutschen Kultur. Wir leben in einer sehr, sehr verworrenen Welt, in der unsere Ansichten sicher keine Zukunft haben. Mit uns stirbt die Romantik. Bis mal wieder Besinnung einkehrt. Wir werdens nicht mehr erleben.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber LaRoche,


    danke für deine Zustimmung. Wie schon gesagt, ich habe die ganze Aufzeichnung deswegen angeschaut, weil ich die Musik bisher nur in Teilen kannte, sonst hätte ich auch den Schnelldurchlauf gewählt bzw. nach einiger Zeit ausgeschaltet. Es war also nicht vollständig nutzlos vertane Zeit. Es ist nun mal so, dass die meisten Regisseure glauben, ihren Tribut an den Zeitgeist leisten zu müssen. Selbst auf ein paar Nackedeis, wie sie heute anscheinend auch in Märchenopern gehören, konnte der Regisseur im Heiligen Hain nicht verzichten. Sei's drum, bei mir bekannten Opern werde ich jedenfalls - wie du - rechtzeitig den Abschaltknopf bedienen. Leider gibt es diesen nicht, wenn man sich noch in ein Opernhaus wagt. Doch da gibt es - um seinen Geldbeutel zu schonen und nicht verbittert nach Hause gehen zu müssen - aber heute wenigstens Informationsmöglichkeiten, wie Trailer, Kritiken, aus denen man die Richtung erkennen kann und die Namen der Regisseure, von denen man kaum Gutes erwarten kann sowie das Tamino-Klassikforum.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Eine zugegeben banale Antwort: Bei den meisten ist in dieser hochtechnisierten, digitalisierten Welt die romantische Art verkümmert und das Kindheits-Ich verschüttet. ( Wissenschaftliche Begründung dazu in der "Tranaktionsanalyse" in den Forschungsergebnissen von Eric Berne und Thomas Harris, populärer Bestseller:"Ich bin o.k - Du bist o.k.) Ein Indiz für die entromantisierte Welt ist auch die Negierung ja Ausrottung der Spieloper. Welcher Regisseur wagt sich z. B. an eine Märchenoper wie "Undine" , trotz ihrer herrlichen Melodien? Falls es doch gewagt wird prophezeihe ich, dass das Märchen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in zeitgenössischer Auslegung zum Drama oder einer vom Film beeinflussten Show umfunktioniert wird. Wie es geht bewies der Altmeister Otto Schenk mit einer fasziniererenden, märchenhaften durchaus modernen Neu- Inszenierung von Janaceks "Schlauem Füchslein" in der Wiener Staatsoper. :jubel: :jubel: :jubel:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • sowie das Tamino-Klassikforum.

    nur beschränkt, lieber Gerhard. Die Selbstdarstellung und das oberlehrerhafte Auftreten einiger User nehmen mir die Lust an jeder Diskussion.


    Trotzdem herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wie es geht bewies der Altmeister Otto Schenk mit einer fasziniererenden, märchenhaften durchaus modernen Neu- Inszenierung von Janaceks "Schlauem Füchslein" in der Wiener Staatsoper.

    Lieber "Operus",


    nun kann man aber nicht ernsthaft Lortzings "Undine" mit Janaceks "Schlauem Füchslein" vergleichen. Letzteres ist ein echter Geniestreich, ersteres Lortzings ganz ureigene und sehr zeitgebundene Variante eines Stoffes, der in vielen Versionen überliefert ist, auch musikalisch in deutlich überzeugenderen Versionen. Dazu zähle ich nicht nur Dvoraks "Rusalka" - die sowieso, denn die ist das Haupt-Problem für Lortzings "Undine", weil einfach ungleich besser, eigentlich gar nicht zu vergleichen - sondern auch die "Undine" des heute vorrrangig als Dichter bekannten Komponisten E.T.A. Hoffmann, die sich der Romantischen Vorlage weit seriöser und tiefgründiger nähert und weit mehr von ihrem romantischen charakter vermittelt als es Lortzing konnte und wollte. Die Spielopern waren sein Metier, und er machte aus dem romantischen Stoff eine Spieloper. Genau das übherzeugt heute kaum noch jemanden. Daher sollte man sich hüten, Lortzing ausgerechnet mit seiner "Undine" wiederbeleben und rehabilitieren zu wollen, weil man ihm damit keinen Gefallen tut. Sowohl "Zar und Zimmermann" als auch "Der Wildschütz" sind wahre Geniestreiche dagegen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber "Operus",


    nun kann man aber nicht ernsthaft Lortzings "Undine" mit Janaceks "Schlauem Füchslein" vergleichen. Letzteres ist ein echter Geniestreich, ersteres Lortzings ganz ureigene und sehr zeitgebundene Variante eines Stoffes, der in vielen Versionen überliefert ist, auch musikalisch in deutlich überzeugenderen Versionen. Dazu zähle ich nicht nur Dvoraks "Rusalka" - die sowieso, denn die ist das Haupt-Problem für Lortzings "Undine", weil einfach ungleich besser, eigentlich gar nicht zu vergleichen - sondern auch die "Undine" des heute vorrrangig als Dichter bekannten Komponisten E.T.A. Hoffmann, die sich der Romantischen Vorlage weit seriöser und tiefgründiger nähert und weit mehr von ihrem romantischen charakter vermittelt als es Lortzing konnte und wollte. Die Spielopern waren sein Metier, und er machte aus dem romantischen Stoff eine Spieloper. Genau das übherzeugt heute kaum noch jemanden. Daher sollte man sich hüten, Lortzing ausgerechnet mit seiner "Undine" wiederbeleben und rehabilitieren zu wollen, weil man ihm damit keinen Gefallen tut. Sowohl "Zar und Zimmermann" als auch "Der Wildschütz" sind wahre Geniestreiche dagegen.


    Lieber Stimmenliebhaber,
    ich stimme mit Dir in allen Punkten und Deinen Beurteilungen überein. Selbstverständlich sind andere Spielopern, von denen Du einige aufführst, muskalisch und vielleicht auch textlich subtanzieller. Bewußt wählte ich mit "Undine" eine Oper, die besonders stark mit dem Bann der Nichtbeachtung belegt ist. "Zar und Zimmermann" und "Wildschütz" sind eine andere Klasse. Für mich sollte die "Undine" allerdings allein wegen der herrlichen Schwanengesangs nicht ganz vergessen werden. Es kann die Frage gestellt werden, ob das Märchenhafte und um das geht es ja in diesem Thread geht nicht auch schlicht-einfach sein kann. Ist eine gewisse kindliche Naivität bei Märchenstoffen nicht geradezu bedingt? Für den interessierten Leser habe ich den Hinweis auf die Transaktionsanalyse gegeben. Bei diesem recht fundierten Persönlichkeitmodell geht es unter anderem darum, das oft verschüttete Kindheits-Ich wieder zu entdecken, zu pflegen und als schöpferisches Potential zu nutzen. Dafür sind Tagträume, Phantasiereisen und vor allem Märchen wichtige Quellen.
    Lieber Stimmenliebhaber, auch Du solltest mit der unbelasteten Neugier des Kindes an Wunder glauben, nach den Sternen greifen und Engel für Dich wirken lassen. Kannst Du das?
    Könnt Ihr liebe Freunde dies? Wenn nicht erweitert Eure Grenzen, sprengt Eure Ketten, die Euren kreativen Höhenflug nur bremsen.
    Herzlichst
    Operus



    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Stimmenliebhaber, auch Du solltest mit der unbelasteten Neugier des Kindes an Wunder glauben, nach den Sternen greifen und Engel für Dich wirken lassen. Kannst Du das?
    Könnt Ihr liebe Freunde dies? Wenn nicht erweitert Eure Grenzen, sprengt Eure Ketten, die Euren kreativen Höhenflug nur bremsen.
    Herzlichst

    Um den Lakaien aus "Ariadne auf Naxos" zu zitieren: "Das ist die Sprache der Leidenschaft, verbunden mit einem unrichtigen Objekt." Mit letzterem meine ich Lortzings "Undine".

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Dürfen darf jeder alles ;)


    Für mich kann ich nur sagen, dass mich Märchen per se nicht sonderlich interessieren. Ich käme heute nicht auf die Idee, noch einmal ein Grimmsches Märchen zu lesen, und ich würde mir auch keine Oper anhören, die nicht mehr wäre als eine für Kinder (oder kindliche Erwachsene) gedachte Umsetzung eines Märchenstoffes. Zum Glück trifft das auf die meisten mir bekannten "Märchen-Opern" nicht zu, weil es da um viel mehr geht. Inwieweit das auch für Rimski-Korsakows „Schneeflöckchen" gilt, kann ich nicht sagen, weil ich diese Oper nicht kenne. Auf jeden Fall möchte ich dann auch eine Inszenierung sehen, die die Tiefen eines solchen Werkes freilegt, statt an der märchenhaften Oberfläche zu bleiben.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zitat

    Ich käme heute nicht auf die Idee, noch einmal ein Grimmsches Märchen zu lesen


    ich schon. Denn Mächen waren ja EIGENTLICH NICHT für Kinder gemacht. Sie waren in gewisser Hinsicht versteckt belehrend und moralisierend, Bei Interesse eröffe ich einen Thread darüber im Literaturbereich, Denn Märchen SIND Literatur, sie sich ein Spiegel unserer Kultur und unserer Geschichte. Wir lernen viel über Aberglauben, über Vorurteile, über Gepflogenheiten bis hin ins Mittelalter.
    Viele Wörter und Redewendungen sagen unendelich viel über das einstige Wertesystem aus, über Hexenglauben über Naivität, die es heute in dieser Form nicht mehr gibt, sie wurden durch andere - oft gefährliche - ersetzt, wie etwa, daß jeder mit Bitcoins reich werden könne. Oder aber dass man ausgerechnet als Erbe eines Milliardärs ausgewählt wurde, von einer Bank, die nicht will das das viele der Staat schluckt, denn der Millonär hatte keine Erben. Das alles mutet an wie völliger Nonsens, den niemand glauben will - wie ein Märchen. Offensichtlich gibt es genügend Leute die auf sowas reinfallen. Ich schütze mich degegen mit einem Glücksamulett, daß ich mir Jährlich zusenden lasse. Das gute Sück enthält einen Stein, der zu meinem Horoskop passt und der extra für mich geweiht und mit einem schützenden Zauber versehen wird, bevor er via Versandhandel an mich geschickt wird. Das kann selbstverständlich durch diverses Zubehör noch verstärkt werden, aber der Zauber wirkt so stark, daß ich das nur prophylaktisch erwerbe. ebenso wie das Zauberbuch, mit dessen Sprüchen ich meine Feinde unschädlich mache.


    Seliig sind jene, die an Märchen glauben, verhärmt und unglücklich die Zweifler. Auch ich war zuerst skeptisch, als ich aber dann den dritten Rolls Royce in die Garage stellen konnte - da war ich überzeugt.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Zitat von la Roche: nur beschränkt, lieber Gerhard.

    Lieber LaRoche,


    auch aus den Kritiken, die diejenigen schreiben, die das Regisseurstheater verherrlichen, kann der Leser (und ich glaube, dass die Mitglieder und auch die Besucher dieses Forums klar sehende Menschen sind) die richtigen Schlüsse für sich ziehen. Warum lässt du dir die Lust nehmen, hier deine Ansichten darzulegen? Lass sie doch reden, du musst es ja - wie ich auch - nicht lesen bzw. ernst nehmen.

    Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: Seliig sind jene, die an Märchen glauben, verhärmt und unglücklich die Zweifler.

    Genauso denke ich auch. Wie armselig müssen diejenigen sein, die sich nicht noch ein wenig von ihrer Kindheit bewahrt haben. Sie können mir in Grunde nur leidtun.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich möchte nun doch auch meinen Senf dazugeben:
    Irgendwo im Herzen sind wir alle doch Kinder geblieben, erfreuen uns an Dingen, die real nicht möglich sind, staunen gerne und sind doch so gerne erwachsen.
    Und doch bemitleide ich diejenigen, die immer nur erwachsen sind.

  • Wertvolle Erkenntnis, dass die von mir in die Märchen- Diskussion gebrachte Beachtung, Pflege und Nutzung des Kindheits-Ichs in einigen Beiträgen zustimmend unterstützt wird. Nur so einfach ist der Umgang mit den kindlichen Potentialen nicht. Die ganze Erziehung zielt darauf ab, das Kind zu einer vernünftigen, rationalen, den Herausforderungen der Umwelt und des Lebens gewachsenen Persönlichkeit zu erziehen. Diese durchaus gut gemeinten und notwendigen Erziehungsbemühungen, werden durch das Schulsystem mit Benotungen (und dem Notendruck der Beziehungspersonen), Empfehlungen für weiterführende Ausbildung und Bildungsgänge systematisch verstärkt. Abgebaut und verschüttet wird dabei das Kinheits-Ich weil es vom Eltern/Autoritäts Ich und dem Erwachsenen-Ich stark dominiert wird. Ich kann es nicht besser ausdrücken als mit den Begriffen der Ich-Zustände
    Gestattet sei ein nahezu heiterer Hinweis: Genau deshalb traktieren uns arme Männer, weil uns auch das Ideal der Stärke für das männliche Geschlecht eingeimpft wurde, zumindest die Feministinnen als Gefühlskrüppel - und das mit Erfolg. Was kann man im Alltag tun, um diese Defizite einigemaßen zu kompensieren: Die Zusammenhänge erkennen, Reaktionen hinterfragen und alles verstärken, was gefühlmäßige Reaktionen fördert, spielen, Auszeiten nehmen, bewußt genießen, Heiterkeit und Fröhlichkeit pflegen - Eine ständige Quelle der Heiterkeit für alle Taminos sind Erichs köstliche Beiträge im Thread "Allen Taminos zur Freude und Erheiterung", -, auch mal blödeln, Lockerheit und Freisein von Zwängen fördern, alles tun was einem Wohlbehagen schafft, auch mal die Sau rauslassen, eine "Gefühlstagesbilanz" machen, sich mit Entspannungs- und Meditationstechniken beschäftigen, Tagträumen, Phantasiereisen und Märchen Märchen sein lassen, staunen und an Wunder glauben.
    In vorigen Beiträgen wies ich bereits auf die "Transaktions-Analyse" hin. Sie liefert mit dem Modell der Ich-Zustände ein erkennbares, rasch anwendbares System, um zu erkennen aus welchen Persönlichkeitsschichten man selbst und der andere reagiert. Ein Standardwerk ist der Bestseller von Thomas Harris "Ich bin ok. - Du bist ok. Mit dem leicht zu lesenden und gut umsetzbaren Inhalten des Buches kommt man sich selber und den anderen auf die Schliche und bekommt Erkenntnisse zur Persönlichkeitsentwicklung.
    Wer nach dem Lesen meiner Ausführungen jetzt denkt, sagt oder mir hier im Forum vorwirft: Was für ein Blödsinn, Spinnerei, weltfremd, Gefühlsduselei, feiert Operus schon Silvester und hat bereis jetzt einen in der Krone usw, der hat den Beweis, dass seine Kontrollorgane Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich sein Kindheits-Ich sofort wieder unterdrückt haben. Der unbewußte Mechanismus ist automatisch wieder abgelaufen.
    Trotz der letzten leicht provozierenden Ausführungen: Selbstverständlich freue ich mich auf Diskussionen mit Euch. Mein Kindheits-Ich erwartet unbescheidener Weise nur Lob. :jubel: :jubel: :jubel: - also streichelt mich und befriedigt es. Jetzt aber genug - vielleicht ist es gelungen, doch ein paar ernstzunehmende Denkanstöße zu geben. Das wäre märchenhaft.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zitat

    Zitat von Operus: Wertvolle Erkenntnis, dass die von mir in die Märchen- Diskussion gebrachte Beachtung, Pflege und Nutzung des Kindheits-Ichs in einigen Beiträgen zustimmend unterstützt wird.

    Lieber Hans,


    du hast das Glück, das die Bewahrung und Pflege des (wie du es ausdrückst) Kindheits-Ichs mit sich bringt, aber auch die Gefahren, die diesem durch Elternhaus und Schule drohen, treffend beschrieben. Ich habe - auch bei meinen Nachhilfeschülern - erlebt, wie diese vom Elternhaus auf rein rationales Denken und mustergültiges Erwachsensein getrimmt wurden.
    Ich habe das große Glück gehabt auch bei der strengen Erziehung in meinem Ersatzelternhaus durchaus Kind bleiben zu dürfen und konnte mir einen großen Teil davon bewahren. Ich erlebe auch heute noch jene Tagträume und Phantasiereisen, die du benennst und würde mich wesentlich ärmer fühlen, wenn das nicht so wäre. Bei uns wird auch häufig einmal gehänselt und "geblödelt", es wird viel gelacht, und das hat nicht nur unsere Ehe trotz mancher Fährnisse des Lebens inzwischen 58 Jahre aufrecht erhalten und gibt immer wieder neuen Lebensmut.
    Sind die Leute, die alles haben können, nur rational denken und - wie wir es ausdrücken - "zum Lachen in den Keller gehen müssen" denn glücklicher als wir?
    Haben uns die Märchen geschadet? Ganz im Gegenteil! Wenn ich in unsere immer brutaler und rücksichtsloser werdende Umwelt schaue sind diese Mitmenschen doch oft Leute, denen man die Kindheit genommen oder später ausgetrieben hat.
    Ich lese und sehe auch heute noch gerne einmal ein Märchen, sei es älteren Datums, sei es modern. Und von einem Regisseur, der eine Märchenoper inszeniert, erwarte ich soviel Phantasie, dass der Märchencharakter des Stücks erhalten bleibt. Sonst sollte er es bleiben lassen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Gerade jetzt werden im Fernsehen Massen an Märchenfilmen gebracht, teils die alten Verfilmungen der DEFA, teils neue im heutigen Stil, immer wieder auch tschechische und russische Filme. Ich muß gestehen, einige davon angesehen zu haben. Es muß ja nicht immer " Drei Haselnüsse für Aschenbrödel " sein, das hat man dann schnell über. Die große Häufung auf allen Sendern ist auch nicht von Vorteil, ein wenig Verteilung übers Jahr würde ich schon begrüßen.


    Nicht aus Langeweile, sondern weil ich viele Märchen einfach schön finde habe ich den Fernseher angemacht. So brachte man am 24.12. auf dem ZDF einen Film "Rübezahls Schatz", den ich noch gar nicht kannte. Er war "märchenhaft", herrliche Farben, tolle Ausstattung, und das Böse hat gegen das Gute verloren. Ohne Tod oder Backofen, einfach so. Solche Filme sind eine Bereicherung nicht nur für Kinder, sie sprechen auch die Erwachsenene an, die sich ihr kindliches Gemüt bewahrt haben und wieder bei Möglichkeit hervorholen. Mir hat es gute Laune gebracht.


    Ich kann daher Menschen nicht verstehen, die Märchen generell als Kinderquatsch abqualifizieren. In manchen Märchen steckt mehr Sinn und Lebensweisheit als in vielen der heutigen Spielfilme. Und spannend können sie auch sein, wie z.B. die vielen Verfilmungen von "Die Schöne und das Biest".


    Deshalb, lieber Hans, bin ich voll bei Dir mit dem "Kindheits-Ich". Wer sich nicht ein bißchen Kindheits-Ich bewahrt hat, war nie richtig erwachsen. Und wird gar nicht verstehen (wollen?), worüber wir hier reden.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Deshalb, lieber Hans, bin ich voll bei Dir mit dem "Kindheits-Ich". Wer sich nicht ein bißchen Kindheits-Ich bewahrt hat, war nie richtig erwachsen. Und wird gar nicht verstehen (wollen?), worüber wir hier reden.

    Lieber La Roche,


    Es ist zu wünschen, dass der erste Teil Deiner zitierten Zeile für viele unserer Zeitgenossen wahr wird und ich befürchte wie Du, dass es tatsächlich viele gibt, die uns nicht hören können, unsere Sprache nicht verstehen und nicht offen für unsere Botschaft sind.
    Herzlichst
    Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!