Robert Schumann: Die Ouvertüren

  • Insgesamt komponierte Robert Schumann nicht weniger als sechs Ouvertüren. Sie repräsentieren ein bedeutendes Element in seinem Œuvre und decken die späten Jahre seines Schaffens ab (1847–1853). Dies ist auch eine schwere Hypothek. Die Rezeption meinte es nicht immer gut mit ihnen, stellte man Schumanns Spätwerk doch lange Zeit (und teilweise noch heute) unter das Verdikt, es handle sich um von seiner Krankheit überschattete, mittelmäßige Werke. Einzig die Manfred-Ouvertüre und jene zu seiner einzigen Oper Genoveva scheinen ab und an im Konzertbetrieb auf. Bereits anhand dieser beiden Beispiele zeigt sich die Vielfältigkeit von Schumanns Ouvertüren. Nur eine einzige ist eine waschechte Opernouvertüre (eben Genoveva), eine andere leitet ein großes Chorwerk ein (Szenen aus Goethes Faust). Zwei weitere waren zumindest zeitweise als Opernouvertüren geplant, zu denen es aber nicht kam (Die Braut von Messina und Hermann und Dorothea). Manfred war stark inspiriert von Lord Byrons Gedicht. Einzig Julius Caesar, nach Shakespeare, war interessanterweise nicht dazu gedacht, einem Theaterstück vorangestellt zu werden und kann somit als vollwertige Konzertouvertüre gelten.


    Hier noch einmal eine Auflistung sämtlicher Ouvertüren von Schumann:


    - Ouvertüre zu Genoveva op. 81 (1847–48)
    - Ouvertüre Manfred op. 115, WoO 129 (1848–1849)
    - Ouvertüre zu Schillers Die Braut von Messina op. 100 (1850–1851)
    - Ouvertüre zu Goethes Hermann und Dorothea op. 136 (1851)
    - Ouvertüre zu Shakespeares Julius Caesar op. 128 (1851)
    - Ouvertüre zu Szenen aus Goethes Faust WoO 3 (1853)


    Im weitesten Sinne könnte man auch die Ouvertüre aus Ouvertüre, Scherzo und Finale op. 52 (1841) dazurechnen.


    Eine großartige Gesamteinspielung legte kürzlich Heinz Holliger mit dem WDR Sinfonieorchester Köln vor:



    (op. 52)


    Es fällt mir schwer, einen Favoriten unter diesen Ouvertüren zu benennen. Vermutlich ist Manfred tatsächlich die überzeugendste (sie hat auch als bislang einzige einen eigenen Thread). Allerdings finde ich alle sehr hörenswert. Besonders einfallsreich das Marseillaise-Zitat in Hermann und Dorothea, eine insgesamt nicht ganz so dramatisch angelegte Ouvertüre. Sehr packend kommen Genoveva, Julius Caesar und Die Braut von Messina herüber.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Holliger-Aufnahmen der Schumann-Ouvertüren finde ich sehr gut, aber es gibt da mit Riccardo Muti zwei Ouvertüren, die ich für unübertroffen halte:


    - Die Braut von Messina op. 100


    - Hermann und Dorothea op. 136


    Philharmonia Orchestra,


    Riccardo Muti, Ltg.


    (EMI, 1977/78)


  • Danke für die Ergänzung. Es war mir aus dem Stegreif gar nicht bewusst, dass Muti diese doch ziemlich unbekannten Ouvertüren eingespielt hat (und sie sogar den bekannteren vorzog). Ich kann seine Auswahl allerdings verstehen, da das wirklich Werke sind, die eine größere Bekanntheit verdienten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also, ich kann echt nur sagen, daß mich die "Braut von Messina" mit Muti von Anfang an vom Hocker gerissen hat. Diese Wucht und Dramatik, die er hier aus dem Philharmonia Orchestra herausholt, sind einmalig. Auch die Sinfonien Nr. 1 bis 3 sind mir in dieser Aufnahme eigentlich am liebsten. Die Vierte ist irgendwie nicht ganz so gut, aber das macht nichts. Hier kann man den jungen Muti wirklich in seiner ganzen Kraft erleben.

  • Einige von Schumanns Ouvertüren, besonders Manfred und Julius Caesar, scheinen stark von Beethoven inspiriert worden zu sein. Gerade Egmont und Coriolan kommen mir in den Sinn. Schumanns Werke stellen gewissermaßen das Bindeglied zwischen Beethovens Ouvertüren und Brahms' Tragischer Ouvertüre dar.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Josef,


    im Rahmen der Aktionen, dass ich von geschätzten Komponisten immer alle Orchesterwerke komplett haben will, hatte ich mir irgendwann mal die abgebildete NAXOS_CD mit allen Schumann-Overtüren zugelegt.
    Hier ist auch noch Ouvertüre, Scherzo und Finale, op.52 mit enthalten ... das ist ja im 1.Satz auch noch eine Ouvertüre.


    Diese Wildner-Aufnahmen mit dem Polish National SO sind soweit ganz OK und reichen zum Kennenlernen der Ouvertüren.
    Doch wenn ich die Manfred-Ouvertüre (mein Favorit der Schumann-Ouvertüren) und vergleiche diese mit den Hochdramatischen mit Bernstein (SONY), Szell (SONY) oder Levine (DG), oder die Julius Cäsar-Ouvertüre mit Solti / CSO (Decca), dann liegen doch himmelweite Qualitätsunterschiede dazwischen, was eine herausragende Int angeht. Bei Wildner fehlt es deutlich an Dramatik.


    Genau so mit Ouvertüre, Scherzo und Finale, op.52 (bei Wildner nur in einem Track; trotz der 3 Sätze !). Höre Dir mal die altbekannte Karajan-Aufnahme (DG) oder auch die Solti-Aufnahme (in seiner Schumann-Sinfonien-GA enthalten) an, welch ein Unterschied sich hier zugunsten den fabelhaften Schumann-Dirigenten Karajan und Solti zu Wildner offenbart.



    NAXOS, 1992, DDD



    Da jetzt mit Holliger offenbar herausragende Aufnahmen der unbekannteren Ouvertüren vorliegen, würde ich mir diese Ouvertüren_GA ggf auch anschaffen, wenn der Preis stimmen würde / oder sagen wir, was sie mir wert wären ... so bleibe ich erst mal bei meinen vorhandenen Aufnahmen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Zu Schumann fand Otto Klemperer diskographisch erst spät. Seine sämtlichen Einspielungen dieses Komponisten bei EMI datieren auf die Jahre 1960 bis 1969. Abgesehen von der 4. Symphonie stand Schumann in Klemperer-Konzerten offenbar auch selten auf dem Programm. Es gibt indes eine sehr beeindruckende späte Live-Aufnahme der 2. Symphonie von 1968, die bei Testament erschienen ist und die vorherige Studioeinspielung m. E. übertrifft. Bis auf die Vierte sind alle Einspielungen mit dem seit 1964 so bezeichneten New Philharmonia Orchestra entstanden.


    Hinsichtlich der Ouvertüren liegen zumindest drei unter Klemperers Dirigat vor: Manfred, 1965 zusammen mit der 1. Symphonie eingespielt; Genoveva, 1968 zusammen mit der 2. Symphonie aufgenommen; sowie Faust, 1969 zusammen mit der 3. Symphonie eingespielt. Anhand der Spielzeiten lässt sich bereits Klemperers Verlangsamung in seinen späten Jahren erkennen: Ist dies bei Manfred mit 12:30 noch nicht so auffällig (Holliger benötigt 13:08), fallen Genoveva mit 9:52 und Faust mit 9:38 doch aus dem Rahmen (bei Holliger sind es 8:22 und 7:56). Damit ist natürlich über die Qualität der Aufnahmen noch nichts gesagt, denn diese ist schon auf hohem Niveau. Sie wurden 1999 bzw. 2011 (Faust) remastered.


    EMI/Warner Japan hat übrigens die ursprünglichen LP-Zusammenstellungen mit Originalcovers einzeln in angeblich tadellosem Remastering auf den Markt gebracht:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões