Immer wieder liest man von nachlassenden manuellen Fähigkeiten von Pianisten im Alter. Das mag zwar sicher in gewisser Weise stimmen, man sollte es aber nicht überbewerten. Es wird ja auch berichtet, daß sich einige berühmte Pianisten erst im Alter wirklich emotionell entfalteten, andere wieder blieben durch die Jahre hindurch gleichermaßen zuverlässig. So mancher Pianist, den wir aus den frühen Tagen der Stereophonie als "altersweisen Interpreten " kennen- und schätzen lernten, war in seiner Jugend ein richtiger "Haudrauf" oder - eleganter formuliert - ein feuriger Wirbelwind. Die Beurteilung ist natürlich kaum neutral zu bewältigen. Was der eine als abgeklärte Deutung gedämpfter Herbstfarben beschreibt, sieht ein anderer als "Zeichen pianistischen Niedergangs"
Ich habe das vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich kann mich erinnern, daß ein Pianist meiner Generation für kurze Zeit Mitglied meines damaligen weiteren Bekanntenkreises (als wir beide etwa Mitte 20 waren) sich nicht sehr positiv über Kollegen geäussert hat, die bis ins fortgeschrittene Alter Schallplattenaufnahmen machten. Das waren keine persönlichen Angriffe, sondern eine allgemeine Ansicht - unerbittlich aber fundiert.
Und er konnte manuelle Unzulänglichkeiten natürlich hören, ebenso wie er alle Kunstkniffe kannte, sie zu kaschieren oder - im wahrsten Sinne des Wortes - zu überspielen.
mfg aus Wien
Alfred