Voi che sapete - Eine Arie und ihre Interpreten

  • Cherubino ist meine Lieblingsfigur aus Mozarts Figaro, und um seine zweite Arie No. 12, "Voi che sapete", soll es hier gehen.


    Was mir an dieser Arie an sich gefällt ist, dass sie durch ihre (vermeintliche) Schlichtheit, was Melodie und Koloraturen angehen, irgendwie liebenswürdig und "echt" erscheint, nicht geschnörkelt oder gekünstelt.


    Zwei Beispiele für so eine Koloratur:




    Ich habe keine Vorstellung von einem perfekten Cherubino, denn das Wort "perfekt" würde bedeuten, dass es nur EINE richtige Interpretationsweise gibt, neben der alle anderen verblassen. Dennoch habe ich ein paar Vorstellungen davon, wie er für mich persönlich besonders schön klingt. Er sollte eine junge, helle Stimme haben, allerdings nicht "mädchenhaft" und dünn, sondern mit einer ganz, ganz leichten dunkleren Färbung, eine "burschikose Färbung", wenn man so möchte. "Voi che sapete" hat zum Teil recht tiefe Töne, und die sollten ebenfalls noch schön klingen, immer noch jugendlich.
    Vibrato sollte nach meinem Geschmack nur dezent und an passenden Stellen eingesetzt werden. Leopold Mozart empfiehlt den Nachwuchsgeigern in seiner Violinschule, das Vibrato als Verzierung am Schluss einer langen Note einzusetzen, und meint weiter, wenn man es zu oft verwendet, klingt es, als ob man Fieber habe. Und der Violinist Joseph Joachim, der das Brahms-Violinkonzert uraufführte, sagte 1904, dass "wenn ein Solist ständig mit Vibrato spiele, zeige er, dass er sein Instrument nicht beherrsche: ´Vibrato ist ein Ersatz für echtes Gefühl.´"
    Zwar geht es hier um die Violine, aber beim Gesang sehe ich das im Prinzip gleich. Zum Vergleich: mein Lieblingshänsel setzt das Vibrato ebenfalls sparsam, dann aber umso wirkungsvoller ein, und das Resultat ist einfach herrlich!


    Und natürlich sollte die Interpretation des Textes auch ausdrucksstark sein; WELCHER Ausdruck das ist, davon lasse ich mich aber gerne überraschen.



    Leider habe ich diese Arie so gut wie nie wirklich überzeugend gehört. Das liegt sicher auch an meiner Erwartungshaltung und meiner Vorstellung, wie diese Figur klingen sollte. Es gibt aber solche Sängerinnen und solche Stimmen, es ist also keine unrealistische Erwartung!


    Generell habe ich auch den Eindruck, dass aufsteigende Gesanglinien wie diese



    zu häufig als unnötig starkes crescendo genommen werden, nach dem Motto "Die höchste Note muss am lautesten klingen", und auch sonst werden hohe Töne gerne „dramatisch“ dem Zuhörer entgegengeschleudert, als wäre das die einzige mögliche Ausdrucksform dieser Figur.


    Ich möchte also in diesem Thread unterschiedliche Versionen besprechen, und bin natürlich auch gespannt auf andere Meinungen! (Zur Musik und dem jeweiligen Dirigat werde ich allerdings - aus hinlänglich bekannten Gründen - nichts sagen; es geht hier auch nur um den Gesang!)




    Ich fange an mit:


    Joyce DiDonato




    Diese Interpretation gefällt mir schon mal nicht. Die Stimme klingt mir zu schwerfällig, und irgendwie gepresst. Die Koloraturen klingen unspektakulär, der Ausdruck geht mir ebenfalls ab; die ganze Arie klingt irgendwie gleich, egal was gesungen wird. Auch das Italienisch klingt nicht sehr überzeugend für mich, und auch das ist für mich ein wichtiger Punkt! Nein, das ist kein junger Bursche für mich.





    LG,
    Hosenrolle1

  • Cecilia Bartoli



    Eine Italienerin, was schon mal gut ist, und auch etwas mehr Ausdruck als bei DiDonato - aber ansonsten mag ich auch diese Version nicht. Das ist kein Junge, sondern eine reife Frau, die da singt. Die Stimme finde ich schwer erträglich, sie hat etwas Knödeliges, gepresstes, angestrengtes, das ich besonders bei lauteren Passagen höre. Die auf- und absteigende Melodie bei "donne vedete"



    klingt leider alles andere als betörend.



    Über diese Stelle schreibt Born in seinem "Mozarts Musiksprache" auch etwas Interessantes:




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich weiß, es ist ein Spagat, der fast nicht machbar ist. einerseits soll die Arie mit Schmelz gesungen werden - andrerseits verlangst Du das "Burschikose"
    Ubd es singt eben eine Frau kein ephebenhafter Junge. Wobei das ephebenhafte noch dazu hineinprojiziert wird - das steht nirgends im Libretto
    Dazu kommt, daß der junge scheu und schüchtern sein soll. Solche Jungs gibt es aber heutzutage kaum - In wenn es sie doch gibt, dann tendenierten sie eher zu Figaro als zu Gräfin... Es ist die Quadratur des Kreises - aber näherungsweise dann letztlich doch zu erreichen.
    Und auch die Maske und gesamte Ausstattung spielen hier eine Rolle. Der Eindruck den diese Rolle beim Zuschauer hinterlässt ist sehr von der Sängerin abhängig - nicht nur stimmlich.
    Marina Comparato kommt in dieser wunderbar ausgestatteten Inszenierung zumindest meinem Ideal recht nahe...



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Marina Comparato kommt in dieser wunderbar ausgestatteten Inszenierung zumindest meinem Ideal recht nahe..


    Sehr gut finde ich, dass sie Italienerin ist, das ist für mich schon mal ein Pluspunkt. Das heißt nicht, dass nicht-italienische Muttersprachler die Partie "schlecht" oder gar nicht singen können, nur bei manchen merkt man sehr stark, dass die Aussprache ziemlich deutsch klingt. Das ist hier nicht der Fall.


    Mir gefällt auch ihr Schauspiel, ihr Cherubino ist kein herumwuselnder und hüpfender Page, sondern etwas ernsthafter, dabei aber nicht allzu selbstbewusst. Es gibt scheue Blicke und unsichere Gesten und Mimiken.


    Was den Ausdruck angeht, so gefällt mir hier auch, dass sich der Vortrag verändert, mal wird leise gesungen, dann wieder lauter, usw. Nur stimmlich ist sie für mich doch zu erwachsen, die Stimme klingt mir zu kräftig, und das Vibrato ist mir ein bisschen zu stark. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, ich sehe diese Version auch gerne :)


    Um generell keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: natürlich erwarte ich weder von einer Hänsel-, noch von einer Cherubino-Sängerin, dass sie möglichst realistisch wie ein echter Junge klingt. Im Gegenteil, natürlich höre ich gerne die weibliche Stimme hier, dass das eine Sängerin ist. Das "burschikose" in der Stimme war auf das Timbre bezogen. Es soll halt nicht ZU weiblich klingen, es soll nicht wie Susanna oder gar die Gräfin klingen, nicht nach Primadonna, die einen auf kleiner Junge macht.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Christine Schäfer




    Die erste Hälfte der Arie gefällt mir besser. Die Stimme trifft zwar nicht meinen Geschmack (auch hier für mich persönlich zu erwachsen), aber der Vortrag ist wesentlich gefühlvoller. Eine erwähnenswerte Stelle ist für mich diese hier:



    Die Stimme klingt da für mich richtig schön und beweglich, Schäfer "verschmiert" das Legato nicht, dazu kommt dass das Tempo hier kurz etwas langsamer genommen wird, was die Intensität dieser Stelle noch steigert.


    In der zweiten Hälfte scheint mir der Vortrag, die Interpretation dann aber zu eintönig zu sein, es gibt immer einen Wechsel zwischen leisen und lauten Stellen, und es wird mehr forciert, das Vibrato hält sich dafür weitgehend in Grenzen.
    Insgesamt aber eine für mich dennoch hörenswerte Version, aber trotzdem kein idealer Cherubino für mich.




    LG,
    Hosenrolle1

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  • Was nützt der schönste Vortrag. wenn die Ausstattung so daneben ist, wie hier , im vorangegangene Beitrag.
    Ich akzeptiere gerne, von einigen als Banause gesehen zu werde - aber ehrlich gesagt, wenn ein Clip aus einer offensichtlichen Regietheateraufführung - oder -Aufzeeichnung stammt - dann negiere ich ihn. Meine Abneigung ist so groß, daß eine gerechte Beurteilung der Stimme gar nicht möglich wäre.
    Bei der Darstellung einer Rolle ist IMMER der Geamteindruck von Bedeutung - ausgenommen natürlich auf reinen Audioaufnahmen - die allerdings in gewisser Weise erbarmunslos sind, weil hier sowohl der optische Eindruck der Ausstattung, als such die Mimik und Gebärdensprche des Interpreten unterschlagen werden.
    Auch wenn die Stimme mal nicht perfekt oder vom Timbre her nicht ideal sind, so kann eine raffinierte Ausstattung und Maske einige Mankos cachieren.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier sehen und hören wir Rinat Shaham in einer 6 oder 7 Jahre alten Aufführung des Royal Opera House Covent Garden.
    Die langen Haare der Sängerin hat man offensichtlich nicht kürzen wollen, so hat man Cherubino in ein Kostüm des ausgehenden 18. Jahrhunderts gesteckt, elegante Kleidung und Haartracht wie man sie zu Zeiten der französischen Revolution trug.


    Stimmlich ist hier - so meine ich- die ideale Balance gefunden.



    mfg aus Wien

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was nützt der schönste Vortrag. wenn die Ausstattung so daneben ist, wie hier , im vorangegangene Beitrag.


    So hat jeder ein Problem für sich: du mit den Aufführungen, ich mit dem modernen Orchester. :D


    Da es hier ja nicht um Inszenierungen oder HIP gehen soll, sondern nur um den Gesang, mach es einfach so wie ich: blende das, was dich stört, aus und konzentriere dich auf die Stimme und den Ausdruck ;)





    LG,
    Hosenrolle1

  • Elina Garanca



    Leider auch nicht mein Fall. Garanca singt sehr sauber, besonders die Koloraturen kommen klar heraus, und das Vibrato ist auch nicht zu stark.
    Jedoch ist mir das Timbre für diese Figur, für diese Melodie zu tief, und auch das Gefühl geht mir hier ab, etwa dieses zweifelnde Motiv bei "donne vedete". Leider ist die Textverständlichkeit auch nicht immer die beste, und an manchen Stellen merke ich zu deutlich, dass es nicht italienisch klingt, etwa wenn sie "cos'è" recht hart wie "kosse" ausspricht.
    Für andere Partien ist sie sicher super, aber den Cherubino nehme ich ihr überhaupt nicht ab, von der Figur höre ich hier nichts.
    Generell muss ich auch sagen, dass ich, wenn mir eine Sängerin nicht gefällt, damit nicht automatisch meine, dass sie generell "schlecht" ist, sondern nur, dass sie mir in DIESER Partie nicht zusagt.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Frederica von Stade




    Eine Live-Version, wo andere Voraussetzungen als im Studio herrschen, aber dennoch: wieder zu tiefes Timbre, es wird mir zu viel forciert und vibriert. In der Mittellage sowie in der Tiefe wird die Stimme für mich direkt unschön.




    LG,
    Hosenrolle1

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  • Elisabeth Schwarzkopf



    Auweh, nein, auf keinen Fall. Die Aussprache ist eigenartig („Voi che sapeetääää“), die Stimme für mich unpassend, der Vortrag mehr als bemüht. Besonders schlimm ist die Stelle “Sento un affetto pien di desir” – was sollte DAS sein?
    Auch in den Kommentaren unter dem Video ist das Stück nicht unumstritten.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Als ich das Bild der Schwarzkopf am Clipanfang sah, dachte ich:
    "Da kann ja wohl nun kein Anlass zur Kritik bestehen!."
    Dann las ich Deinen Text.
    "Nein - dem (oder der ?) ist wohl nichts heilig"
    Dann kam der Hörtest - - -
    und ich kann nur beipflichten.


    Daß das Italienische nicht perfekt ist, ist wohl dem "Standard der Zeit "geschuldet (damal maß man dem keine große Bedeutung bei)
    aber die Stimme ist manchmal - ungewohnt bei der Schwarzkopf - regelrecht unangenehm.
    Sie singt bei dieser Arietta auf "gepflegte Primadonna" und nimmt ihr das Schlichte, Schüchterne, Unsichere,
    das eigentlich das Charakterische sein sollte.
    Bei der Schwarzkopf ist bei dieser Aufnahme alles überinterpretiert,
    bzw "überkandidelt*", wie man bei uns uns Wien sagt


    mfg aus Wien
    Alfred


    *)affektiert, überspannt

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Daß das Italienische nicht perfekt ist, ist wohl dem "Standard der Zeit "geschuldet


    Obwohl das damals wie heute ein "Problem" ist, je nachdem, wie wichtig einem die Aussprache ist. Auch heute hört man solches oder noch schlimmeres Italienisch.


    Sie singt bei dieser Arietta auf "gepflegte Primadonna" und nimmt ihr das Schlichte, Schüchterne, Unsichere, das eigentlich das Charakterische sein sollte.


    Genau das meinte ich! Das geht mir generell bei vielen Versionen ab, egal ob von damals oder von heute, egal von wem gesungen. Es ist natürlich auch eine schwierige Partie, denn hier geht es um einen jungen Burschen, nicht um eine Gräfin oder ähnliches. Der Cherubino der Uraufführung war gerade mal 23 Jahre alt, mich würde echt interessieren, wie der damals klang!




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich bin mal gespannt, ob Hosenrolle1 uns noch eine Interpretation dieser Arie präsentiert, die seinen Beifall findet. ;) Dramaturgisch würde sie natürlich ans Ende gehören...

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ungefähr in der Mitte zwischen der deutschen Grenzstadt Zittau und dem tschech. Liberec /Reichenberg, liegt der kleine Ort "Grabstejn (Grafenstein)".
    Dieser Ort hat eine schöne mittelalterliche Burg. Im Hof dieser Burg werden seit vielen Jahren im Sommer Benefiz - Konzerte aufgeführt.
    Meistens werden diese Veranstaltungen gastweise von Künstlern aus Prag gestaltet.
    Der Hof der Burg ist nicht riesengroß und da die Aufführungen immer sehr gut besucht sind, reicht die Platzkapazität für ein Orchester nicht aus.
    So werden die jeweiligen Opern nur von Klavier begleitet.
    Wir haben dort vor zwei Jahren eine Rigoletto - Aufführung erlebt, die sehr gut war und die "nur Klavierbegleitung", war eine interessante neue Erfahrung.
    Ich habe einen Live - Mitschnitt von Figaros Hochzeit aus dem Jahr 2011gefunden, den ich hier mal reinstelle.


    CHRISSY


    https://www.youtube.com/watch?v=dC9HrsMKmvc

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Ich bin mal gespannt, ob Hosenrolle1 uns noch eine Interpretation dieser Arie präsentiert, die seinen Beifall findet. ;) Dramaturgisch würde sie natürlich ans Ende gehören...


    Ach, da gibt es schon ein paar. Etwa diese hier:


    Patricia Janečková



    Für mich eine der besseren Versionen: die Stimme gefällt mir generell ganz gut, sie wirkt auf mich leicht, beweglich und jung, Vibrato gibt es fast gar keines, und die Stimme hat auch diesen leicht burschikosen Einschlag.


    Die Sängerin ist hier aber noch recht jung, und es gibt auch ein paar kleinere Dinge, die mir nicht so gut gefallen haben. Generell ist der Vortrag ein bisschen kurzatmig (wahrscheinlich wegen der kleineren Lungen?), manchmal wird die Stimme am Ende von manchen Linien schwächer und beinahe wackelig, und auch der Ausdruck fehlt mir hier irgendwie. Ich höre eher, dass die Arie so schön wie möglich heruntergesungen wird, aber mir geht doch die Abwechslung ab, die Stimme klingt immer gleich, und die Interpretation ebenfalls.


    Aber dennoch für mich eine angenehme Version. Man höre sich etwa an, wie sie "L'alma avvampar" singt - SO stelle ich mir das vor, wenn ich sage, dass auch in dieser tiefen Lage die Stimme immer noch schlank und leicht klingen soll. Kein Knödeln, keine "fette" Stimme, kein starkes Vibrato.
    Eine kleine Abwechslung gibt es aber doch, nämlich am Ende, wenn sie den Anfang des Liedes nochmal wiederholt, singt sie das "Voi che sapete" mit einer alternativen Melodie.


    (Vielleicht mag man jetzt einwenden, dass diese Sängerin hier vielleicht 13 oder 14 ist, und natürlich jünger klingt als eine 40 jährige. Nun, ich habe auf YouTube auch andere Versionen gesehen, wo junge Mädels diese Partie singen, und da gibt´s einige, die eine ziemlich tiefe, vibratoreiche Stimme haben, die überhaupt nicht zum Alter der Sängerin passt).


    Welche Version gefällt dir denn, Bertarido?




    LG,
    Hosenrolle1

  • ICh hab nochmal drüber nachgedacht.
    Man müsste dieses Stück wie ein "Lied" singen - schlicht und ein wenig melancholisch.


    Hosenrolle 1 schrieb:

    Zitat

    Der Cherubino der Uraufführung war gerade mal 23 Jahre alt, mich würde echt interessieren, wie der damals klang!


    Vermutlich nicht besonders gut, den der Standard war damals allgemein niedriger. Zudem gab es immer wieder Eigenwilligkeiten von Seiten der Sänger (+innen)


    Mozart in einem Bief aus Paris 1778, anlässlich der Proben zur Urufführung der Sinfonie Nr 31........


    Zitat

    „Bey der Prob war es mir sehr bange, denn ich habe mein Lebtag nichts schlechteres gehört, Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Sinfonie 2 Mal nach einander herunter gehudelt und herunter gekratzt haben"


    Ich habe mich aber noch ein wenig kundig gamcht und habe nach Zeitzeugen über Dorothea Bussani (1763-1810) gesucht:


    Sie erfreute sich beim Publikum großer Beliebtheit, und ein Zeitgenosse schrieb, daß er noch nie eine so schöne und bezaubernde Bruststimme gehört habe, noch dazu verbunden mit derart schelmischem Humor- (Grundsätze zur Theaterkritik, 1790)


    Lotenzo Da Pontes Urteil indes war weniger schmeichelhaft:


    Zitat

    Obwohl eher linkisch* und mit wenig Leistung - mit Hilfe von Grimassen und Clownerie - und vielleicht noch etwas mehr Theater - baute sie eine große Anhängerschaft unter Köchen,Stallnechten, Dienern, Lakaien und Perückenmachern auf - und galt in der Folge als Juwel..............


    Sooooo hat man früher Rezensieonen geschrieben - fair und sauber - und der heutigen Forderung - auch in einer eher ungünstigen Kritik all Vorzüge des Opfe... äh Interpreten aufzuzählen wurde hier aufs artigste Rechnung getragen.....


    mint Rat:
    Inverstiere nicht in die enormen Kosten einer Zeitreise - allem Anschein nach eine Fehlinvestition ......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    Awkwad, kann auch mit: hölzern, tapsig , eckig oder ungeschickt übersetzt werden--

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Danke für die Zitate über D. Bussani!


    Joachim Kaiser hat in seinem Buch "Mein Name ist Sarastro" über Cherubino etwas geschrieben, das ich hier zitiere, weil es m.E. auch mit dem Ausdruck in dieser Arie zu tun hat, denn um die geht es hier ja:


    Zitat

    Cherubinos besinnungslose (er bringt sich selbst in Gefahr) und rücksichtslose (aber auch andere) Schürzenjägerei hat den Vergleich mit Don Juan herausgefordert, dessen pubertäre Vorform er darstelle, oder mit dem Grafen Almaviva, der ja auch kaum ein weibliches Wesen, abgesehen vielleicht von der Gattin, in Ruhe lasse. Solche Vergleiche kränken Cherubino. Dieser junge Mensch liebt weder aus Langeweile noch aus Vergnügungssucht, weder aus purer Jägerslust am Überwältigen noch aus erotischem Männlichkeitswahn. Cherubino geht es beim Lieben immer auch um die andere Person, um die Sehnsucht. Er ist hingerissen vom weiblichen Geschlecht, das ihn lockt, verwirrt, unglücklich und glücklich macht. Cherubino kalkuliert nicht, er spielt sich beim Lieben nicht stolz oder protzig auf. Er folgt einem Trieb, als dessen verwirrtes Objekt er sich erfährt.
    Dabei kann er aller Welt ganz hübsch auf die Nerven gehen. Aber Mozarts Musik steigert die Gestalt. Dieser Cherubino d´amore rührt alle Frauen und auch alle menschlich gebliebenen Männer, die ihre Pubertät noch nicht völlig verdrängt haben. Die Eindeutigkeit, die hitzige Bedinungslosigkeit seines Liebenmüssens sind für Cherubino weder bloß rauschendes Vergnügen, lustige Lust, erotische Diesseitigkeit, noch das düstere Gegenteil von alledem, also wahnsinnige Passion, höllisches Feuer, unendliches Transzendierenmüssen. Cherubino lebt erotische Ambivalenz. Die süße Not. Hitze und Kälte. Spielen und Weinen. Frechheit und Scham. Flottes Selbstbewußtsein und völligen Selbstverlust. In ihm äußert sich der Eros, aber kein clever-vergnügungssüchtiger Wille. Einem höchst gegensätzlichen Trieb unterworfen und doch reinste Einheit sein - das ist das Wunder Cherubino.


    Und auch zu "Voi che sapete" sagt er etwas (und liefert auch einen der Gründe mit, wieso ICH in diesem Thread keine deutschen Versionen dieser Arie besprechen werde):


    Zitat

    Auch in der Ariette "Euch, holde Frauen", die Cherubino zu Beginn des zweiten Aktes der Gräfin vorträgt, während Susanna die Gitarre zupft, geht, trotz aller Versstrenge, die beziehungsvolle Affektausdeutung und -steigerung so weit, daß Übersetzungen meist verschleiern, wie nuanciert unauffällige Tonmalerei hier eine Seele darstellt. Was auf deutsch heißt: "Ich find´ nicht Frieden, Tag oder Nacht, und doch, wie selig, solche Leiden macht" ("Ma pur mi piace languir così", wörtlich übersetzt: "Aber mir gefällt´s, zu schmachten so"), das wird bei Mozart lebendig. Die einander unmittelbar folgenden Verben "piacere" und "languire" erscheinen in ihrem Affektunterschied auskomponiert: "gefallen" als Septakkord, "schmachten" als verminderter Septakkord!




    LG,
    Hosenrolle1

  • und liefert auch einen der Gründe mit, wieso ICH in diesem Thread keine deutschen Versionen dieser Arie besprechen werde):


    Zitat
    Auch in der Ariette "Euch, holde Frauen", die Cherubino zu Beginn des zweiten Aktes der Gräfin vorträgt, während Susanna die Gitarre zupft, geht, trotz aller Versstrenge, die beziehungsvolle Affektausdeutung und -steigerung so weit, daß Übersetzungen meist verschleiern, wie nuanciert unauffällige Tonmalerei hier eine Seele darstellt. Was auf deutsch heißt: "Ich find´ nicht Frieden, Tag oder Nacht, und doch, wie selig, solche Leiden macht" ("Ma pur mi piace languir così", wörtlich übersetzt: "Aber mir gefällt´s, zu schmachten so"), das wird bei Mozart lebendig. Die einander unmittelbar folgenden Verben "piacere" und "languire" erscheinen in ihrem Affektunterschied auskomponiert: "gefallen" als Septakkord, "schmachten" als verminderter Septakkord!

    Nun gibt es freilich verschiedene deutsche Übersetzungen, die mal näher und mal weiter weg vom Original sind. Mir persönlich wäre der "Figaro" niemals so nahe gekommen, wie er ist, wenn ich nicht eine komplette deutsche Übersetzung (die in der Kupfer-Inszenierung an der Komischen Oper Berlin, der die Felsenstein-Übersetzung verwendete, allerdings doch an der einen oder anderen Stelle leicht modifizierte) quasi auswendig inhalliert gehabt hätte (ich habe diese Inszeneirung 36x live erlebt). Dort sang auch (fast immer) der beste Cherubino, den ich je gehört habe:
    Christiane Oertel.



    Die Arie beginnt bei 0:57:06.



    Sie sang die Partie übrigens auch an der Hamburgischen Staatsoper und anderswo in italienischer Sprache, aber davon gibt es wohl leider keine Aufnahme.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Stimmenliebhaber: Die Arie beginnt bei 0:56:06.


    Ich glaube, du meintest 57:06?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich möchte eine Aufnahme von Voi che sapete einstellen, die ich wegen ihrer Schlichtheit und ihrem jugendlichen Zauber besonders liebe!
    Es singt die junge Pilar Lorengar, die ich mindestens zwei Dutzendmal in "La Nozze di Figaro" gehört habe - allerdings immer als Contessa Almaviva! 1955 hat sie in Aix en Provence einen wundervollen Cherubino gesungen. Ich wünschte ich hätte das live erleben können. Hosenrolle wird uns sicher eine detaillierte Analyse der Interpretation geben. Ich mache das ganz bewußt nicht, weil sie für mich etwas ganz Besonderes ist.


    Voi che sapete von Pilar Lorengar (Beginnt bei 49:05)


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hosenrolle wird uns sicher eine detaillierte Analyse der Interpretation geben. Ich mache das ganz bewußt nicht, weil sie für mich etwas ganz Besonderes ist.


    Ich tu mir immer schwer damit, Versionen zu rezensieren die andere besonders gern mögen. Andererseits: SO detailliert sind meine Beiträge zum Gesang nicht, finde ich. Ich bin absolut kein Spezielist, was den Gesang angeht, und da gibt es einiges, was man loben oder bekritteln könnte, Vokalausgleich, übergang von der Kopf zur Bruststimme usw.
    Von diesen Dingen habe ich aber keine Ahnung.
    Ich achte da nur oberflächlich auf den Klang der Stimme und auf den Ausdruck. Wie stellst du dir denn einen guten Cherubino vor, besonders in dieser Arie? Welche Kriterien hast du da, und was geht für dich nicht?


    Ich bin ja, wie gesagt, offen für unterschiedliche Interpretationen, was den Ausdruck angeht. Es kann natürlich schüchtern klingen, muss es aber nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass Cherubino, weil er ja vor der Gräfin singt, sich noch mehr bemüht und versucht, besonders schön und betörend zu klingen.



    LG,
    Hosenrolle1

  • Sorry lieber Rudolfo39, es gibt kein Theater dieses Namens, das ist das alljährliche Festival Maggio Musicale Fiorentino und findet in diesen Theatern statt, im Teatro Comunale di Firenze, im kleineren Teatro Piccolo und im historischen Teatro della Pergola!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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  • Noch eine zusätzliche Hintergrundinfo, die aber eigentlich nur auf Beaumarchais´ Originalstück zutrifft, weil Da Ponte bzw. Mozart diese Regieanweisung ausgelassen haben.


    Bevor Cherubino sein Stück (bei Beaumarchais ein längeres Gedicht) vorträgt, schreibt Beaumarchais diese Anweisung an die Regie vor:


    Zitat

    La Comtesse, assise, tient le papier pour suivre. Suzanne est derrière son fauteuil, et prélude, en regardant la musique par- dessus sa maîtresse. Le petit page est devant elle, les yeux baissés. Ce tableau est juste la belle estampe, d'après Vanloo, appelée "La Conversation espagnole".


    Es gibt eine alte deutsche Übersetzung von Franz Dingelstedt aus dem 19. Jahrhundert, die absolut grottig und verfälschend ist, und unverständlicherweise heute noch neu gedruckt wird. Wenigstens diese Regieanweisung wurde, bis auf ein Detail, getreu übersetzt:


    Zitat

    (Die Gräfin liest sitzend im Notenblatt nach. Susanne steht hinter ihr und präludirt, die Noten über der Gräfin Schulter einsehend. Vor ihr steht, mit niedergeschlagenen Augen, der kleine Page. Die Gruppe stellt ganz das berühmte Bild Banloo's dar: Spanische Konversation.)


    Gemeint ist dieses Bild von Charles André van Loo, oder auch Carle Vanloo (den Dingelstedt hier fälschlicherweise als "Banloo" bezeichnet:




    Aber wie gesagt, Mozart hat diese Anweisung von Beaumarchais nicht übernommen, tatsächlich schreiben sie kein einziges Wort darüber, wer wo steht oder sitzt. Es steht lediglich, dass Susanna Cherubino auf der Gitarre begleitet.



    P.S.: ich weiß ehrlich gesagt nicht, was diese so häufige Erwähung soll, ob irgendeine Inszenierung "werkgerecht" ist oder nicht. Zum einen lässt sich schwer ermitteln, was in diesem Stück werkgerecht ist, zum anderen geht hier eigentlich um eine Arie und ihre Interpretation, um sängerische Leistungen, nicht um Inszenierungen.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Lieber Rudolfo 39. Wenn ein Thread eine gewisse Länge erreicht hat, dann liest man nicht mehr alles durch. So gat Du übersehen, daß ser Clip mit Mariana Comparato bereit in Beitrga Nr 3 dieses Threads von mir vorgestellt wurde:
    Dennoch - ich freue mich, daß Du meine Einschätzung bestätigst und ich somit bestätigt werde.
    Bei dieser Gelegenheit möchte ich eine 11 Jahre alte Aufnahme mit der gleichen Künstlerin vorstellen. die also in etwa zur gleichen Zeit entstand als das von uns gepostete Videobeispiel aus Firenze.
    Es handelt sich hier um einen Livemitschnitt aus Neapel. Eins sogennanntes "Dinner Concert"aus dem Palazzo Torella.
    Die Klavierbegleitung wird von Jeffrey Tate bestritte, Nei dieser Gelegenheit kann man die gute Beherrschung des Italienische von Tate, ebensop wie dessen Entetainerfähigkeiten erleben...




    Welch ein Unterschied". Hier wird der Text mit geradezu clichéhaften Handbewegungen "unterstützt" Die Akustik ist zudem alles andere als optimal und man erkennen warum zahlreiche Clips von Nachwuchskünstern auf den youtube Clips so besch..eidern klingen.
    Das "Aussehen eines Jungen Mannes" - in "unserem Clip" ist - wie man in Clip 3 sehen kann - eine Meisterleistung der Maske.


    Liebe Grüße aus Wien :hello:
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier eine weitere Interpretation diese Arie, welch meinem Geschmack sehr nahe kommt.
    Zu Beginn erscheint mir das Dirigat von John Eliot Gardiner etwas zu schnell, ein Eindruck der sich indes rasch verflüchtigt.
    Die Aretta indes wird mit Anmut und Grazie, eher schüchtern vorgetragen, nicht leidenschaftlich stürmisch , begehrend (dazu gibt es eine zweite Arie für den Buben in dieser Oper). der schönste Page in der Geschichte dieser Oper und man kann verstehen. daß Figaro in gewisser Weise eifersüchtig auf den bezaubernden Jungen ist (selbst wenn er gerade im Beriff ist sich zu verheiraten - Wie sagt ein bekannte (?) Sprichwort (zumindest in Wien): Verheiratet - ist noch lange nicht tot..... :P:stumm:
    Pamela Helen Stephen vermag es, dem Pagen zuglich Tollpatschigkeit (siehe Beginn) und Anmut gleichermaßen zu verleihen.
    Irgendwie erinnerte mnch das an das vernichtende Urteil von Lorenzo Daponte über die Sängerin der Uraufführung, das man mit Vorsicht geniessen sollte.
    Er war ein hochintelligenter Mann mit vielen Kenntnissen aber zugleich eine schillernde Persönlichkeit. Ich frage mich allmählich auch, ob Mozart je eine zweit- oder drittklassige Sängerin zugelassen hätte.



    mfg aus Wien
    Alfred




    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wobei ich nie verstanden habe, wieso Figaro oder sonst jemand auf Cherubino eifersüchtig sein sollte - denn wenn man sich ausschließlich das Libretto sowie die Regieanweisungen ansieht, dann merkt man, dass bis auf Barbarina keine einzige Frau auch nur irgendein Interesse an Cherubino zeigt.


    Die Gräfin und Susanna wollen Cherubino noch für ihre Zwecke benutzen, indem sie ihn verkleiden. Dass er hinterher zum Militär gezwungen wird und darüber traurig ist ist den beiden völlig egal; Susanna reißt ihre Witze, und die Gräfin weist ihn auch nur ab ("Seid vernünftig" etc.). Freundliche Worte gibt es da keine.
    Und das hat eigentlich auch seinen Sinn, denn man soll sehen, wie gefühlskalt und grausam diese Umgebung ist. Soll der Junge beim Militär verrecken, ist uns doch egal, hauptsache wir haben unseren Spaß hier und er hilft uns noch, unsere Pläne durchzusetzen.
    Dennoch zeigen viele Regisseure, dass die Gräfin und oft auch Susanna ganz angetan sind von dem Pagen, da gibt es dann schmachtende Blicke und was weiß ich - aber im Libretto steht davon nichts.


    Hier wäre natürlich die Frage, wie Mozart komponiert, denn seine Musik ist eine Sprache, die wir heute nicht verstehen, weil wir sie nicht gelernt haben. Damit beschäftige ich mich momentan und hoffe Hinweise darauf zu finden, ob Mozart in der Musik deutlich macht, ob die Gräfin oder Susanna irgendwelche Gefühle haben für den Burschen.




    LG,
    Hosenrolle1

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