Ich möchte hier ein bislang vernachlässigtes Meisterwerk der Kammermusik würdigen, da es hierzu kaum Beiträge gibt (scheinbar auch noch gar keinen eigenen Thread hat) und die Veröffentlichungen auch überschaubar sind. In Einzelfällen frage ich mich, warum manche Werke kaum beachtet werden und hier wäre so ein exemplarischer Fall. Es kann eigentlich nicht an der musikalischen Substanz liegen, wenn auch das Werk an manchen Stellen etwas ernhsthafter ausfällt (das gewohnt elfenhafte Scherzo wird hier durch ein eher nachdenklich, ernstes Intermezzo, ein Adagio scherzando in Moll ersetzt, also mit „scherzando“ im eigentlichen Sinne nicht mehr viel zu tun hat), bietet das Werk ebenso überwiegend die essentiellen Stärken Mendelssohns, wie sie in seinen weitaus bekannteren Kammermusikwerken vorkommen: die prägnante eingängige Melodik Mendelssohns, welche sich durch alle Sätze zieht. Die stellenweise virtuos, verspielten Akzente, die ausgefeilte, nicht spärlich eingesetzte Rhythmik, sowie kunstvolle Behandlung der Nebenstimmen.
Mendelssohn schrieb das Werk 2 Jahre vor seinem Tod im Alter von 36 Jahren. Er komponierte es bei seinem Sommeraufenthalt in Bad Soden und wurde für Ferdinand David komponiert, einem Geigenvirtuosen, welchem auch ein Jahr zuvor das Violinkonzert in e-moll gewidmet wurde. Dieser wünschte sich ein Kammermusikstück in „stilo moltissimo concertissimo“. Mendelssohn war aber scheinbar mit dem Finale nicht zufrieden und wollte das Werk zunächst für eine spätere Überarbeitung zurücklegen. (Der Komponist Ignaz Moscheles hatte 1846 in sein Tagebuch eingetragen: „Das Violin-Quintett in B-Dur wird auch angesehen, und Mendelssohn behauptet, das letzte Stück sei nicht gut“) Dazu kam es aber durch seinen Tod am 4. November 1847 nicht mehr.
Julius Rietz wurde nach dem Tod Mendelssohns mit der Herausgabe seiner noch nicht veröffentlichten Werke betraut und dieser nahm sich die Freiheit in das Werk (wie auch in Anderen) willkürlich und eigenmächtig einzugreifen und Veränderungen vorzunehmen. Leider wird noch heute oftmals seine abgeänderte Version eingespielt.
Das Allegro vivace besitzt ein sehr markantes, energiegeladenes Hauptthema, welches in seinem Kern zwar optimistisch erscheint, aber in typischer Weise Mendelssohns, durch leichte Veränderungen und fortlaufenden Kontrastierungen zeitweise in eine kurze melancholische Trübung verfällt und schließlich auch als Moll-Variante in der Durchführung auf verschiedenste Art und Weise variiert, sowie einem düster erklingenden Seitenthema und Triolen ergänzt wird. Die Kontrastierungen zwischen dem strahlenden Hauptthema mit kurzen trübsinnigen Abgründen, werden in der Reprise fortgesetzt, bis sich die positive Grundstimmung am Ende schließlich duchsetzt.
Im zweiten Satz, dem bereits erwähnten „Adagio scherzando“, wird zwar das rhythmisch, tänzerische Stilelement im 6/8 Takt sehr betont, doch wie man durch den Titel vielleicht mutmaßen würde, nicht in einer ausgelassenen, heiteren Stimmung. Hingegen dominieren vielmehr Ernst und Eleganz in g-moll, welche nur kurze fröhlichere Lichtblicke zulassen. Stellenweise erinnert dieser Satz an Tänze älterer Epochen.
Viel tragischer und düsterer mutet noch der dritte Satz (Adagio e lento) an. Die teils sehr triste Stimmung in d-moll (Bemerkung: Todestonart bei Mozart) in Zusammenhang mit dem Rhythmus läßt den Eindruck zu, hier könnte es sich um einen Trauermarsch handeln. Kontrastiert wird dieses mit dem, manche würden sagen „tröstlichen“, Seitenthema in D-Dur, welches aber für mich noch ausreichend wehmütigen Beigeschmack enthält. Es folgen Variationen und Verarbeitung der beiden Themen und schließlich führt dieser Satz durch ein langsam anschwellendes Crescendo zu einem sehr besinnlichen, erhabenen Höhepunkt. Für mich ein grandioser Satz.
Im letzten Satz, dem Allegro molto vivace, kehrt Mendelssohn wieder zu einer positiven Grundstimmung zurück. Die fast durchgängig grazile, rhythmische Melodik in welchen Sechzehntel dominieren, wechselt sich mit ein paar kunstvoll, kontrapunktisch gestaltete Passagen ab. Hier meinen manche Kritiker, Mendelssohn habe wohl gespürt dass das Finale durch seine überwiegend positive, nahezu euphorische Grundstimmung nicht ganz zu den zuvorgehenden Sätzen paßt. Vielleicht mag das auch von der emotionalen Seite der schwächste Satz dieses Werkes sein (von der Satztechnik ist er sicher der Anspruchsvollste), aber dennoch steht das ganze Werk insgesamt gesehen seinen bekannteren Kammermusikwerken um kaum etwas nach.
Wer es sich gleich anhören bzw. ein wenig hineinhören möchte:
Ich habe das Werk in dieser Einspielung:
und ich glaube mich zu erinnern, Johannes hat bei seiner Entrümpelung eine andere Interpretation per Post zugeschickt. Die Einspielungen sind wie geschrieben recht spärlich für so ein ziemlich gewichtiges Werk. Wer kennt dieses Werk noch und möchte seine Eindrücke dazu schildern?
grüße