Die Akzeptanz des Nischenrepertoires im Klassikbereich

  • Eigentlich sollte der Thread ja "Die kaum vorhandene Akzeptanz des Nischenrepertoires im Klassikbereich" heissen, oder "Das Desinteresse am Klassischen Nischenrepertoire" - aber wir wollen nicht auf bestehende Mängel noch mit dem Finger hinweise bzw ihn in die offene Wunde stecken.
    Entspricht mein Eindruck überhaupt der Realität uder unterliege ich da eine Verschwörungstheorie - nein nein, die Anzahl der Seitnaufrufe spricht da schon eine klare Sprache. Es erklärt auch, warum so viele - einst hochberühmte Komponisten (und Interpreten !!) in Vergessenheit geraten konnten. Da schreibt ein Verfasser von Kritiken etwas abfälliges über einen Komponisten, den er aus persönlichen, politischen oder aber gelegentlich sogar musikalischen Gründen nicht mag eine abfällige kritik oder einen abwertenden Artikel in eine Musikenzyklopädie (oder schreibt dort überhaupt nichts über ihn) und schon ist der betreffende stigmatisiert. Noch besser bewährt hat sich der Satz: "einst wegen seiner Anbiederung an den zeitgenössischen Publikumsgeschmack beliebt, aber trotz oberflächlicher gefälliger Melodik mangels Tiefgang, Originalität und Innovation heute weitgehend vergessen." (Wie man sieht, beherrsche auch ich die Kunst vernichtende Urteile scheinbar harmlos zu formulieren.)
    Aber kommen wir zur Sache: Nischenrepertoire - welchen Stellenwert nimmt es in eurer Sammlung ein ?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nischenrepertoire - welchen Stellenwert nimmt es in eurer Sammlung ein ?


    Nischenrepertoire? Ich wäre froh, wenn ich überhaupt mal zumindest EINE EINZIGE Aufnahme einer bekannten Oper (oder meiner Lieblingsopern) in meiner Sammlung hätte. Von Nischenrepertoire kann bei mir also gar keine Rede sein.


    Davon abgesehen hätte ich gar nicht die Zeit und die Energie, weniger bekannte Sachen zu "entdecken", weil ich mit dem, was ich bis jetzt kenne, schon ausgelastet bin und immer wieder neues dazu lerne.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Erst gestern habe ich mir das Cello Konzert Nr. 1 von Nordgren gekauft. Und das zählt doch als Nische, oder?
    Nischenrepertoire nimmt bei mir bis jetzt zwar noch keinen so großen Teil meiner Cds ein. Ich habe gerade mal geguckt, über den Daumen gepeilt sind es knapp 20%, dass liegt aber natürlich auch daran, dass ich noch gar nicht sooo viele Cds besitze. Zumindest im Vergleich mit den meisten hier. :pfeif:


    Ich sehe mich selber ja mehr als Hörer, denn als Sammler. Habe aber trotzdem bei den Klassikern häufig 4-5 Interpretationen und habe irgendwie das Gefühl das reicht mir, oder auch, dass muss mir reichen. Ich tue mich schwer damit mir dann noch eine sechste oder siebte zu holen. Aber das kann sich natürlich noch ändern je länger ich bei Tamino bin.


    Was ich damit sagen will ist, dass es im Moment eher so aussieht, dass das Nischenrepertoire bei mir auf steigende Tendenz hoffen darf, aber sich auch nicht sicher sein kann. :D Es würde mich aber auch interessieren wie das bei den anderen aussieht, weil ich ja vermute, dass die meisten mehr Prozent haben, oder?


    LG Friese

  • Tschaikowskis 1. Klavierkonzert Op. 23 oder »Rigoletto« gehören wohl nicht zum Nischenrepertoire, aber wo beginnt die Nische?
    Bei Egks »Revisor«? Bei Liedern von Alma Mahler oder Hermann Zilcher? Bei Stockhausens »Licht«?
    Oder zählen die Vorgenannten nicht zur Nische, weil zumindest ihre Namen einen gewissen Bekanntheitsgrad haben?
    Das wäre zum Beispiel bei Erik Lotichius nicht der Fall; da könnte man feststellen, dass Name und Werke weitgehend unbekannt sind.
    Eine Abgrenzung ist da kaum möglich, die Grenze scheint fließend zu sein ...

  • In der Tat ist der Übergang zur Nische ein fließender. das wird erschwert, durch "große Namen", die aber wenig gepielt werden. Ich würde Max Reger, Hans Pfitzner und SArius Mihud in dieser Grauzone orten, ebenso wie Ingnace Pleyel, Michael Haydn, Muzio Clementi, Louis Spohr, Darius Milhaud. Damit werden jetzt sicher icht alle einverstanden siein.


    Aber nun ein paar echte Nischenrepertoire Komponisten;
    Abel, Cannabich,Kozzeluch, Myslivecek, Stamitz (alle) Vanhal, Vranicky, Wölfl, C. Potter, Ries, Lachner (alle drei), Röntgen, Raff, Gernsheim, Herzogenberg, Fuchs Jadassohn, Peterson-Berger, Delius, Egk, Graener, Suk, Weinberg, Weingartner etc etc.


    Das ist keine "repräsentative Auswahl", sondern nunr ein bunter Haufenm besser gesagt; ein Häuflein.


    Aus der Niche haben es in den letzten 50 Jahren iMO Vivaldi und Boccherini geschafft......


    Aber das ist eigentlich nicht das Thema......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich bin jemand der bislang viel lieber in die Breite als in die Tiefe gesammelt hat, also einiges von den "Nischenrepertoire"-Labels wie cpo, chandos und dergleichen erworben habe, da es mir ein größeres Bedürfnis war neue Werke kennenzulernen als schon zigmal gehörtes in verschiedenen Interpretationen zu hören...die neu zu entdeckenden Elemente sind ja schließlichlich bei Ersterem deutlich mehr vorhanden. Aber mittlerweile geschieht hier bei mir auch ein Umdenken, da ich ein Résumé über die vergangenen Jahre gezogen habe: Welche von diesen Werken und Komponisten aus den hinteren Reihen habe ich tatsächlich mehr als einmal oder gar öfter gehört? Welche konnten mich wirklich begeistern? Wie oft geht es über "solides Handwerk" oder "historischem Interesse bzw. Information" hinaus? Sicher gibt es hin und wieder auch mal die "Perlen" die ich dann hin und wieder finden konnte, aber in Relation zu den gesamten Anschaffungen in diesem Bereich ist es nicht viel. Ich mag vielleicht sehr wählerisch, heikel, verwöhnt, oder wie man es auch immer bezeichnen mag, sein. Aber mich packen Werke nicht so leicht und selbst für Hintergrundberieslelung stelle ich zum. ein paar abgeschwächte Anforderungen. Brauche ich dann letztendlich so viele Staubfänger wo mein Regalplatz auch endlich ist, frage ich mich dann. Möchte ich hier eine Musikbibliothek aufbauen, oder mich - bei begrenzter Lebenszeit und diesbezüglich auch innerhalb dessen eingegrenzter Zeit zum Musikhören - auf das Wesentliche konzentrieren? Immerhin ist ja der Kern dessen das sich bereits schon als sehr hörenswert erwiesen hat auch nicht so klein, so dass ich mich jetzt unbedingt noch auf die Suche begeben müßte. Denn durch das "Breitesammeln" habe ich ja wie bereits erwähnt zu sehr das Interpretationssammeln vernachlässigt...klar, ich brauche und möchte auch keine 20 Versionen oder mehr (wie es ja Manche haben) von einem geliebten Werk, aber ich mußte feststellen, dass ich selbst bei sehr gewichtigen, bedeutenden Werken noch dringend Handlungsbedarf habe, so wird man vielleicht mit dem Kopf schütteln wenn ich beichten muss, dass ich (bei sicher irgendwas über 1000 Klassik-CD´s) zB nur eine Einspielung von Beethovens Cellosonaten habe, von seinen Klaviersonaten nur 2 Gesamtaufnahmen (darüber hinaus ein paar Einzeleinspielungen) und ich könnte die Liste so lange fortführen. Da werde ich in Zukunft ansetzen. Ich werde sicher nicht ganz das Nischenrepertoire aus dem Auge verlieren aber ich werde lieber gründlich vorab (insofern vorhanden) über Möglichkeiten wie zB spotify oder youtube probehören, bevor ich mir hier etwas anschaffe. Das mag auch sicher für viele Klassikhörer eine tolle Bereicherung sein, ich finde hier aber eher selten etwas dass mich richtig überzeugen kann.
    lg

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Das was ame hier sagt, kann ich gut nachvollziehen. Denn je länger ich drüber nachdenke, stelle ich halt fest, dass ich dieses in die Breite sammln, was man ja mit Nischenrepetoir automatisch macht, auch schwierig finde. Irgendwie hat beides seine Vor- und Nachteile. Aber das gehört nicht hierher, deswegen schweige ich jetzt. :stumm:

  • Ich finde, die Lage ist viel dramatischer, selbst hier im Forum von gut informierten Musikkennern. Ich behaupte, dass die gesamte Vokalpolyphonie (Victoria. Palestrina, Tallis, Josquin usw.) zum Nischenrepertoire gehört. Ich gehe noch weiter: auch Händel, Bach und Monteverdi gehören dazu, von Cavalli gar nicht zu reden. Und wenn ich dann die Qualität der hier von mir genannten Komponisten mit den Werken der Klassik aus der zweiten Reihe (hier von euch angeführt) vergleiche, dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder heulen soll.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Zitat

    Welche von diesen Werken und Komponisten aus den hinteren Reihen habe ich tatsächlich mehr als einmal oder gar öfter gehört? Welche konnten mich wirklich begeistern?


    Zu dieser Spezialfrage gibt es einen funkelnagelneuen Thread, der indes auch auf hochberühmte Werke anwendbar ist.


    Nichts bringt einem ein unbekanntes Werk näher .........


    Zitat

    Wie oft geht es über "solides Handwerk" oder "historischem Interesse bzw. Information" hinaus?


    Das ist eine Doppelfrage. Ich beantworte vorerst den 2. Teil, das ist der mit dem historischen Interesse


    Ich kaufe in der Tat einen gewissen - nicht allzugroßen - Prozentsatz aus "hisorischem" und "allgemeinbildendem" Interesse.
    Hier erwarte ich gar nicht, daß mir die Musik gefällt, ich will sie einfach kennenlernen, so wie man beispielsweise die Weissagungen des Nostradamus liest - an die niemand mehr glaubt, oder in dreihundert jahre alten Kochrezepten stöbert, die heute nr selten nachkochbar sind. Das gilt aber auch für die atonale Musik. Sie wird mir nie gefallen - alber ich wollte sie kennen. Es gibt natürlich auch Dinge die man nicht kennenlernen will. Vorzugsweise unsere Gegenwart ist prädestiniert dafür....
    Es ist also keine Enttäuschung, wenn diese Musik nicht meinen Geschmack trifft, das war einkalkuliert Speziell mittelalterliche Musik trifft selten den Geschmack der heutigen Hörers - ABER sie vermittelt einen Hauch einer längst Vergangenen Zeit, ähnlich eines alten Gemäldes, das oft mit falschen Vorstellungen aufräumt.


    Nn komme ich zum "soliden Handwerk"
    Das ist für mich kein Kriterium. Es ist eine Modeerscheinung. Musik soll vor allem gefallen. Zumindest ist das meine Prämisse.
    Mir ist solides Handwerk, das Musik in einem mir vertrauten und als schön empfundenen Musikstil verfertigt - lieber als sogenannte "innovative" oder "kreative" Künstler, die Einfälle hattem die nie jemand zuvor hatte !!! - ich sage dann immer: "aus gutem Grund"
    Ich höre Musik nicht - weil ich ein Kunstwerk hören will - sondern weil sie mir gefallen soll. die Abwendung dieser Prämisse in der klassischen Musik hat den Schlager hervorgebracht oder zumindest seine Vormachsstellung begünstigt....


    Es ist aber nicht zu leugnen, daß es im Nischenbereich Werke gibt, die auf Anhieb scheinbar wenig charakteristisches bieten.
    Das ist frustrierend.


    Ebenso frustrierend ist es aber, Beethovens 5. Sinfonie in der 22. Interpretation zu hören und zur Erkenntnis zu kommen; Die klingen alle gleich.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Ich finde, die Lage ist viel dramatischer, selbst hier im Forum von gut informierten Musikkennern. Ich behaupte, dass die gesamte Vokalpolyphonie (Victoria. Palestrina, Tallis, Josquin usw.) zum Nischenrepertoire gehört. Ich gehe noch weiter: auch Händel, Bach und Monteverdi gehören dazu, von Cavalli gar nicht zu reden.


    Prinzipiell ist das wirklich so - aber das war vor einigen jahrzehnten wesentlich schlimmer. Ich will es nicht behaupten a


    Zitat

    Und wenn ich dann die Qualität der hier von mir genannten Komponisten mit den Werken der Klassik aus der zweiten Reihe (hier von euch angeführt) vergleiche, dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder heulen soll.


    Das sind zweierlei Paar Schuhe.
    Die Probleme sind indes ähnlich - in beiden Fähllen ist die Musik mit dem derzeitigen Zeitgeist nicht kompatibel, wobei bei Deinen bevorzugten Komponisten der meit religöse Kontext erschwerend hinzukommt. Die Menschen von heute wollen keine geistlichen Werke des Mittelalters und der Renaissance hören weil ein Todeshauch darüber liegt - zumindest ist das meine Auslegung...


    Aber im Gegensatz zu vergangenen Zeiten gibt es doch zahlreiche Aufnahmen.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Lieber Alfred, das mit dem Todeshauch - da ist was dran. Auf der anderen Seite vermitteln diese Werke eine Spiritualität, die man auch ohne religiösen Hintergrund akzeptieren kann.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • So genanntes Nischenrepertoire hat mich seit jeher intertessiert. Nicht zuletzt habe ich in jüngster Zeit manche Anregung hier im Forum gefunden, meinerseits auch gelegentlich versucht, auf derartige Stücke und Komponisten aufmerksam zu machen. Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an die Faust-Musik von Eduard Lassen, die mir sehr am Herzen liegt. An anderer Stelle wurde Rachmaninows "Toteninsel" gerühmt. Ich habe das alles mit Gewinn und Dank zur Kenntnis genommen. Es ist interessant, wer sich des Themas noch angenommen hat: Heinrich Schulz-Beuthen (1838 bis 1915), ein Spätromatiker wie er im Buche steht. Der Schwede Johan Andreas Hallén (1846 bis 1925), der, wie viele Komponisten aus dem Norden, in Deutschland studiert hatte, muss auch genannt werden. Entsprechehend deutsch ist seine "Toteninsel" geprägt. Der aus Schlesien stammende Felix Woyrsch (1860 bis 1944) entzog sich den musikalischen Strömungen seiner Zeit und pflegte einen ebenfalls spätromatischen Stil. Seine "Totensinsel", die er – wie Reger – im Rahmen eines Böcklin-Zyklus komponierte, sagt mir sehr zu. Sie ist sehr stimmngs- und geheimnisvoll. In den Holzbläsern gibt es ein Motiv, das mir wie eine Verlockung zum Tode vorkommt. Eine Version für Orgel stammt von Fritz Lubrich (1888 bis 1971), einem Schüler von Reger und Straube in Leipzig. Also habe ich gleich Tuchfühlung zu vier Komponisten bekommen, die ich allenfalls dem Namen nach kannte. Die genannten Werke gibt es auch auf Tonträgern. Muss ich nun gleich zur Anschaffung schreiten? Bei Spotify kann alles gehört werden. Vielleicht reicht mir ja zunächst diese Begegnung, die sich jederzeit wiederholen lässt. Das soll für heute genügen. Ich könnte viele weitere Namen nennen.


    Da iich hart daran arbeite, meine eigenen physischen CD-Bestände drastisch zu reduzieren bzw. auf Festplatten zu verlagern, kommen mir virtuelle Anbieter aus dem Netz, für die ich auch sehr gern bezahle, gerade recht. Auch weil sie die Nische im Angebot habe. Ingesamt habe ich den Eindruck, dass es nie so viele Sache zu entdecken gab wie heutzutage.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo!


    80 Prozent der klassischen Musik, die ich höre, stammt was die Komponisten anbelangt in der vordersten Reihe. Einige Komponisten (und eine Komponistin) haben es allerdings in den vergangenen zwei Jahren geschafft, ihren Platz im Repertoire zu finden:


    Georges Onslow, Louise Farrenc, Ernest Bloch, George Enescu.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ich bin da skeptisch. Nicht ob deine Aussage stimmt, sondern ob Spiritualität überhaupt gesucht wird.


    Aber um beim Thema zu bleiben:
    Mir geht es ja hier nicht darum, wer was gerne hört - solange es meine Hörgewohnheiten nicht tangiert. Ob Ries uder Raff gehört wird KÖNNTE mir egal sein. wenn mir nicht klar wäre, daß alle diese wunderbaren Produktionen eines Tages nicht mehr stattfinden werden, wenn sie andauernd Verluste einfahren. Das gilt übrigens natürlich auch für die frühe und alte Musik, Barock ist weniger betroffen. Vor allem nicht Händel, der eine Renaissance seiner Opern "erlebt" Als ich fünfzehn war, da wusste ich um den "Messias" und kannte noch das Largo aus "Xerxes". Ob "Julius Cäsar" im öffentlichen Bewusstsein war, das weiß ich nicht.
    Es muß im Untergrund eine mächtige Lobby für diese Musik exisitieren, denn es gibt doch zahlreiche Speziallabel und Ensembles. Als Gimmel vor einigen Jahren im Trudeln war, glaubte ich das Ende sei nahe, aber man hat sich wieder gefangen.


    Über die Ensembles für frühe und alte Musik gibt es übrigens eine vom Ex Mitglied "Salisburgensis" begonnene Threadserie, die ich mich bemüht habe mit meinen bescheidnen Kenntnissen in diesem Bereich weiterzuführen in der Hoffnung, daß sie eines Tages von einem Spezialisten übernommen wird. Ich will nicht sagen, daß hier null Interesse besteht, aber ein Renner ist die Serie nicht.


    Ich wollte soeben die einzelnen Threads hier einstellen, aber ins Thread Directory haben sie es nur bis Folge 6 geschafft (wobei eine heraus fehlt), es gibt bislang MINDESTENs 13 Folgen - ich werde diese Sache demnächst in Angriff nehmen


    Die Protagonisten der Alten Musik (I) - Das Huelgas Ensemble
    Die Protagonisten der Alten Musik (II) - Roland Wilson und seine Ensembles
    Die Protagonisten der Alten Musik (III) - Das Ensemble Weser-Renaissance Bremen
    Die Protagonisten der Alten Musik (IV) - Concentus Musicus Wien
    Die Protagonisten der Alten Musik (V) - Il Giardino Armonico
    Die Protagonisten der Alten Musik (VI) - Europa Galante
    Die Protagonisten der Alten Musik (VII) - Musica Amphion
    Die Protagonisten der Alten Musik (VIII) L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg
    Die Protagonisten der Alten Musik (IX) - Akademie für Alte Musik Berlin
    Die Protagonisten der Alten Musik (X) - TAFELMUSIK
    Die Protagonisten der Alten Musik (XI) Auser Musici
    Die Protagonisten der Alten Musik (XII) - Thomas Binkley und das Studio der Frühen Musik
    Die Protagonisten der Alten Musik (XIII) - Sequentia
    Die Protagonisten der Alten Musik (XIV) - Das Ensemble Unicorn

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • In der gestrigen Ausgabe der FAZ war ein Artikel über ein Klavierfestival zu lesen - ich glaube in Norddeutschland findet es statt -, auf dessen Programmen zahlreiche Raritäten (also Nischenrepertoire) geboten werden. Der Festivalleiter beklagte die Repertoire-Verödung der Pianisten, sagte, dass sich so mancher Tastengigant im Verlaufe seiner jahrzehntelangen Karriere nur mit ca. 60 Werken intensiver beschäftige und diese dann immer wieder aufführe. Mit seinem Festival wolle er gegen diese Zustände vorgehen. Der Autor des Artikels wies dann aber auch auf Stimmen aus den 1920er Jahren hin, die schon damals die gleiche Verengung des Repertoires beklagten. Also scheint dieses Threadthema doch wohl ein Problem zu behandeln, welches so neu nun auch wieder nicht zu sein scheint.
    Allerdings muss man erwähnen, dass in den letzten 25 bis 30 Jahren mehr Nischenrepertoire auf Tonkonserve aufgenommen wurde als in früheren Jahrzehnten. Die Arbeit von Labels wie CPO, NAXOS, CHANDOS oder HYPERION wurde ja schon erwähnt. Diese Labels gäbe es nicht mehr, wenn niemand ihre Nischenrepertoireaufnahmen kaufen wollte. Also ist beim Tonkonservenkäufer durchaus auf Akzeptanz des Nischenrepertoires zu rechnen. Man denke nur an HYPERIONS Reihe mit den romantischen Klavierkonzerten. Da erscheint gerade die Folge 72 mit Klavierkonzerten von Cipriani Potter, das Volume davor brachte Czerny-Konzerte usw. usw. Die würden das doch nicht machen, wenn's niemand kaufen oder hören wollte, oder?
    Allerdings unterscheidet man wohl zwischen CD-Käufer und Konzertpublikum. Ich glaube, dass das Konzertpublikum entweder weniger innovationsfreudig ist oder von den Veranstaltern dafür gehalten wird. Die Programme der Konzerte setzen meistens auf das Standard-Repertoire. Eine Raff-Symphonie oder ein Scharwenka-Klavierkonzert findet sich da so gut wie niemals. Wenn man halt seine 6 bis 7 Konzerte im Jahr besucht, dann will man wohl live nur die alten Schlachtrösser hören, sonst lohnt es sich für manchen Konzertgänger vielleicht nicht, das Haus zu verlassen :stumm: Ich für meinen Teil höre recht viel aus der Nische von meinen CD's und möchte das auch nicht missen. Im Konzert würde ich mir schon mehr "Nische" wünschen.


    Grüße
    Garaguly

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  • Es ist ein Teufelskreis


    Um Nischenrepertoire verkaufen zu können, musst Du die Komponisten bekanntmachen. Das geschieht allenfalls durch Prospekte oder aber auch durch die Internetszene. Parallel zu uns sind ja auch Leute aktiv, die nicht erhältliche Aufnahmen von Nischenrepertoire (man sollte nicht galuben wie viel es davon gibt) ins Netzt stellen. Die müssen das in der Regel anonym tun, weil sie vermutlich gar nicht über das Copyright verfügen.


    So gut so schön. Ich beanstande ja lediglich, daß, wenn man etwas vorstellt, sich eigentlich nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz dafür interessiert.


    Da starte ich dann lieber einen Thread übers REGIETHEATER und schon habe ich alles Interesse der Welt !! :stumm::untertauch::baeh01::hahahaha:


    Beste Grüße aus Wien
    Alfred

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  • Ich finde, die Lage ist viel dramatischer, selbst hier im Forum von gut informierten Musikkennern. Ich behaupte, dass die gesamte Vokalpolyphonie (Victoria. Palestrina, Tallis, Josquin usw.) zum Nischenrepertoire gehört. Ich gehe noch weiter: auch Händel, Bach und Monteverdi gehören dazu, von Cavalli gar nicht zu reden. Und wenn ich dann die Qualität der hier von mir genannten Komponisten mit den Werken der Klassik aus der zweiten Reihe (hier von euch angeführt) vergleiche, dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder heulen soll.


    Das sind mindestens zwei paar Stiefel. Bach, Händel, Monteverdi gehören hier natürlich gar nicht rein. Von denen gibt es fast alles (bei Bach alles und noch mehr) in vielen hervorragenden Aufnahmen und die bekannteren Werke werden häufig live aufgeführt. Von einer Nische kann hier gar keine Rede sein. (Mozart oder Beethoven werden auch nicht zu Nischenkomponisten, weil "Lucio Silla" oder "Die Geschöpfe des Prometheus" nicht oft gegeben werden.) Auch bei den bekannten Komponisten des 15.-16. Jhds. liegen die meisten Werke in verschiedenen guten Aufnahmen vor, obwohl es natürlich nicht ganz so zentrales Repertoire ist wie Bach.


    Es besteht ein Unterschied zwischen weniger populären Epochen der Musikgeschichte (wie MA, Renaissance, Frühbarock, Avantgarde der letzten 70 Jahre), bei denen aber die bekannten Werke und Komponisten anerkannt, kommentiert, eingespielt, aufgeführt werden und echten Nischen. Die Namen in Beitrag 12 habe ich z.B. noch nie vorher gehört und auch wenn heutzutage Google/Wikipedia alles wissen, so würde ich nicht erwarten, alle davon im guten alten Lexikon zu finden, Tallis und Palestrina aber durchaus.
    Selbst Musik bekannterer Komponisten wie etwa Raff oder Spohr ist live kaum je zu hören und es gibt meist nur wenige Einspielungen von weniger berühmten Künstlern.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Alfred, danke für die Übersicht in Beitrag 14. Ich werde diese Reihe im September alle aufsuchen!

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich bin mir nicht so sicher, ob das Repertoire der Künstler früher (sagen wir im frühen 20. Jhd.) breiter war. Eher vermute ich das Gegenteil. Z.B. haben die meisten Pianisten von Bach kaum etwas gespielt, Rachmaninoff soll überrascht gewesen sein, dass Schubert überhaupt Klaviersonaten komponiert hatte, selbst von Beethoven wurden nur die bekanntesten Sonaten, von Mozart nur eine Handvoll der bekanntesten Klavierkonzerte regelmäßig gespielt. Wenn man sich "Rubinstein"-Edition anschaut, dann findet man das bestätigt (bei einem Pianisten mit relativ breitem Repertoire). 3 bis 4 Aufnahmen bekannter Werke Chopins, der Beethoven- und Brahms-Konzerte, aber eben nur wenig außerhalb des Mainstreams (z.B. Szymanowski).
    Es ist ja auch normal, dass manches eine Zeitlang Mode ist und wieder verschwindet.


    Meine Vermutung ist, dass die Verbreitung von Radio und Tonträgern eher zu einer Verbreiterung geführt hat, wenn auch sehr allmählich. Es wirkt aber auch in die stabilisierende Richtung. Junge Künstler können sich nicht auf Nischen kaprizieren, sondern sie müssen sich den bekannten Standardwerken stellen. Das ist heute immerhin ein wenig erweitert, so dass nicht mehr alle Geiger als eine der ersten Platten Mendelssohn+Bruch einspielen. Sondern vielleicht tatsächlich Sibelius + Prokofiev (natürlich auch noch nicht allzu exotisch...). In manchen Hinsichten hat sich auch verändert, was als "Standardrepertoire" gilt. Debussy oder Ravel galten noch in den 1950ern als "Spezialisierung" und wurden von vielen "traditionellen" Pianisten kaum gespielt; nicht wenige Dirigenten waren mit damals schon 40 Jahre alten Werken wie "Le Sacre" überfordert. Heute wird sicher niemand mehr eine professionelle Karriere beginnen können, wenn er alle diese Sachen aus der klassischen Moderne nicht drauf hat.
    (Ich meine ja, dass selbst in den 30 Jahren, in denen ich klassische Musik verfolgt habe, eine Reihe von Werken wesentlich weniger "exotisch" geworden sind als sie damals schienen. Z.B. Bruckner und Mahler, selbst die weniger bekannten Sinfonien scheinen heute absoluter Standard, während die in den 1980ern in typischen "Einführungen" oder populären Plattenreihen eher als abseitiges Nebengleis der Spätromantik übersprungen wurden, d.h. von Tschaikowsky 6. oder Dvoraks 9. ging man zu "Till Eulenspiegel", "Feuervogel" und "La Mer". Oder Schostakowitsch. Natürlich war nichts davon so exotisch wie Raff oder Weingartner. Aber der Unterschied in der Popularität zu Brahms oder Tschaikowsky war gefühlt sehr viel größer als heute.)


    Danach kann man sich freilich auf abseitigeres Repertoire spezialisieren. Marc-André Hamelin hat das zumindest am Anfang seiner Karriere (hochvirtuose (Spät)Romantik) erfolgreich getan. Aber das dürfte kein Weg für die meisten Künstler sein, denn das Publikum will eben (zumindest auch) die bekannten Stücke, nicht (nur) Alkan und Medtner.

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  • Nischenrepertoire - welchen Stellenwert nimmt es in eurer Sammlung ein ?

    Einen sehr großen - wohl über 50%, wenn man das Kernrepertoire eng fasst und z.B. Gibbons oder Szymanowsly für "Nische" hält, dann über 90%. Das liegt daran, dass ich einerseits musikgeschichtlich orientiert sammle und nicht Evergreen-orientiert, und dass ich andererseits Spaß daran habe, etwas zu "entdecken". Freilich kommt es manchmal dazu, dass ich mich frage, ob diese 50. Schattierung desselben mit diversen Schwächen darin wirklich notwendig ist. Allerdings frage ich mich das selten. Verschiedene Aufnahmen derselben Stücke sammle ich nicht.

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  • Szymanowski halte ich verglichen mit Medtner oder gar Weingartner nicht für eine Nische (und seine Musik liegt größtenteils in zahlreichen guten Einspielungen vor), wohl aber für weniger zentral als Chopin und Beethoven. (V.a. war es das erste, was mir eingefallen ist, als ich an Rubinsteins Aufnahmen weniger gängigen Repertoires dachte.) Und eine Debut-Platte eines Geigers mit einem der Szymanowski-Violinkonzerte (die sicher nicht deutlich weniger relevant als z.B Prokofieffs und vermutlich relevanter als Glasunovs oder Korngolds sind) habe ich auch noch nicht gesehen.

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  • Szymanowsky war ja nur irgendein Beispiel, bei dem komme ich eh nur auf ca. 3 CDs.
    Und was gehört von Messiaen in die Nische?
    Ich höre mich gerade durch diese Box:

    "Poemes pour mi" ist sicher nicht Kernrepertoire, "Turangalila" vielleicht. Wie steht's bei "Et exspecto resurrectionem mortuorum"?
    :D
    Oder Xenakis.

    Metastaseis ist zwar sehr bekannt, wird aber nie gespielt. Diverse andere Stücke der Box sind auch namentlich nicht besonders verbreitet. Der Komponist ist aber eher nicht Nische.
    Relativ klar ist Repertoire versus Nische vielleicht im Bereich 1780-1880, aber der Abschnitt dominiert nicht meine Sammlung.

  • Ja, ich meinte oben auch, dass man bei vielen Musikhörern generell weniger bekannte Epochen nicht als Nischen in dem Sinne sehen kann, wie manche Genres (z.B. Zarzuela) oder Komponisten (z.B. Ries).


    Messiaen ist fraglos einer der bekanntesten Komponisten seiner Generation und (anders als vermutlich Xenakis) sind einige seiner Werke nicht nur bei denen bekannt, die sich für Avantgarde im engeren Sinne interessieren. Als Komponist führt er daher kaum ein Nischendasein. Xenakis ist schon sehr klar in der "abgedrehte Avantgarde" ("keine Musik mehr") Kategorie, aber Nischenmetapher passt hier auch nicht.
    Ries ist klar in der Nische "zwischen" Beethoven, Schubert, Weber, Mendelssohn etc.
    Xenakis ist dagegen nicht in der Nische zwischen Ligeti und Henze, sondern ein gleichermaßen anerkannter Komponist dieser Generation.

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  • Leider geschieht es sogar, dass eine ganze Gattung von ausgezeichneten Werken in ein Nischendasein gedrängt wird. Ich nenne hierfür die sogenannte Spieloper. Perlen mit populären Melodien wie, "Waffenschmied," "Undine," "Trompeter von Säckingen,"Die lustigen Weiber von Windsor,"Das Nachtlager von Granada", "Zar und Zimmermann", "Der Wildschütz", usw stehen nur noch ganz selten oder nicht mehr auf den Spielplänen der Opernhäuser. Wären in diesen Opern nicht so herrliche Arien, Duette und Szenen, so dass diese Preziosen von Sängern aufgrund ihres musikalischen Wertes und ihrer Zugkraft bevorzugt in konzertanten Aufführungen gesungen werden, wären diese wahrscheinlich völlig vergessen. Wie beliebt Arien wie 5000 Taler, die Singschule, Lebe wohl mein flandrisch Mädchen, Nun eilt herbei, Witz, heitre Laune, Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar, Als Büblein klein an der Mutterbrust usw. sind, wird besonders dadurch bewiesen, dass sie zu den beliebtesten Wunschkonzertstücken zählen. Wo könnten die Gründe liegen? Zum einen sind Pultheroen,Erneuerungsfanatiker und Tyrannen a la Karajan und Co schuld, die um jeden Preis die Oper internationalisieren wollten. Eine Zielsetzung, die in der Tat mit deutscher Spieloper nur schwierig möglich ist. Auch mag der Zeitgeist der meist gemütlich, sentimentalen Romantik dieser Stücke entgegenstehen. Die modernen Regisseure machen ebenfalls einen Bogen um diese Stücke. Wahrscheinlich erschwert der natürlich, naive Reiz dieser Werke das Ausleben ihrer oft abstrusen Interpretationsphantasien. Für mich ist es erfreulich und befriedigend, dass ich noch Opern- und Operettenkonzerte mit konzipieren kann. Selbstverständlich sind bei meinen Vorschlägen die Hits der Spieloper bevorzugt enthalten. Liegt einem Opernfreund daran, dass Werke, die seiner Meinung nach ungerechter Weise ein Nischendasein führen, wieder häufiger auftauchen, dann sollte jeder, der das möchte, mitarbeiten, dass seine Favoriten wieder mehr zu Gehör kommen. Zum Beispiel dadurch, dass er, seine ganze Familie und von ihm animierte Freunde die geliebten Favoriten häufig als Wünsche in Rundfunksendungen verlangen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Nn komme ich zum "soliden Handwerk"
    Das ist für mich kein Kriterium. Es ist eine Modeerscheinung. Musik soll vor allem gefallen. Zumindest ist das meine Prämisse.


    Ich muss hier ein Missverständnis aufklären, wir sind hier sicher nicht so weit voneinander entfernt als es vielleicht gewirkt haben mag. Damit meinte ich lediglich wenn es zwar handwerklich solide gemacht ist aber mich darüber hinaus nicht emotional berühren kann. "solides Handwerk" für sich ist für mich kein negatives Kriterium, aber wenn es Alles ist was dahinter steckt dann ist das für mich zu wenig. Ein Paradebeispiel wäre hier für mich zum Beispiel das Meiste von Max Reger (gut kein Nischenrepertoire nehme ich mal an aber paßt bei diesem Beispiel für mich recht gut), den ich handwerklich sehr hoch einstufe, aber für mich darüber hinaus einfach nichtssagend ist. Da höre ich noch lieber Komponisten die vielleicht nicht die größten Musiktheoretiker waren, aber dafür von der Inspiration begnadet (mir fallen da auch gleich ein oder zwei Beispiele ein aber ich lass es lieber um die Fans nicht zu vergrämen :D )
    gruß

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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  • Beitrag 24 spricht mir aus der Seele. Auch wenn die deutsche Spieloper von den Opern Janaceks weit entfernt ist, liebe ich sie immer noch, denn sie war meine Tür zur klassischen Musik. Zur Liste würde ich noch Hänsel und Gretel, die Königskinder und den Barbier von Bagdad hinzufügen.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Nischenrepertoire - Die Definition ist schwierig
    Ist es nun Repertoire, das man selten auf den Spielplänen findet, bzw. von dem kaum wirklich Einspielungen existieren ?
    Oder ist es Repertoire, das nur wenige hören wollen, wobei noch die Akzeptanz des Komponisten dazukommen mag.


    Nehmen wir gleich drei oder 4 genannte Beispiele :


    Max Reger


    Persönlich würde ich ihn HEUTE durchaus zum Nischenrepertoire zählen, er ist weder besonders präsent am Tonträgermarkt, noch wird er gern gehört.
    Allerdings bin ich froh, daß ich den Aufschrei der vereinten deutschen Klassikszene nicht hören muß, wenn er hier als "guter Handwerker" abqualifiziert wird.


    Ferdinand Ries


    Hier tu ich mir mit einer Beurteilung schwer, denn er ist einer meiner Lieblingskomponisten, ein Art Reservebeethoven gewissermaßen....


    Ich habe mit einem Mitglied dieses Forums schon vor Jahren darüber diskutiert . und wir konnten uns nicht einigen. Ich führte ins Treffen, daß es zwischenzeitlich über 25 CDS mit seinen Werken gibt, und das von verschiedenen Produzenten. Der andere meinte, das sei noch kein schlüssiger Beweis, denn Ries würde kaum wo öffentlich aufgeführt. ich neige heute dazu im recht zu geben, denn wäre der Durchbruch wirklich gelungen, so wären einige seiner Werke am Programm der Wiener Philharmoniker oder eines gleichwertigen Orchesters zu finden - was aber nicht der Fall ist.
    Meine heutige Einschätzung: Ries wurde mindestens für 2 Jahrzehnte (die erste cpo Aufnahme mit Sinfonien erschien 1997) dem totalen Vergessensein entrissen - was die Klassikgemeinde draus macht ist in deren Händen....


    Joachim RAFF


    Auch ein Lieblingskomponist von mir-. Allerdings fällt mir hier eine (weitgehend) unparteiische Einschätzung viel leichter als bei Ferdinand Ries:
    Raff gilt, obwohl eigentlich in der Schweiz geboren, gilt als deutscher Komponist. Er verwendet zahlreiche volkstümliche Themen - wie kaum ein zweiter Komponist und straht irgendwie etwas nationales, deutsches aus, vermischt mit einem Hauch deutschen Biedermeiers und Gartenlauberomantik
    In Östererreich werden Biedermeiermöbel zu horrenden Preisen gehandelt, ditto Gemälde der Epoche.
    In Deutschland ist alles anders. Vorerst habe ich mich informiert, ob es denn die Zeitspanne "Biedermeier" auch in Deutschland gab. Da bin ich dann drauf gestoßen, daß dort der Begriff eigentlich erfunden wurde, eine Parodie aufs sogenannte "Spießbürgertrum" und die Epoche nach einer fiktiven Figur namens "Gottlieb Biedermeier" benannt wurde:


    Schau, dort spaziert Herr Biedermeier
    und seine Frau, den Sohn am Arm;
    sein Tritt ist sachte wie auf Eier,
    sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm.


    Die Deutschen mögen sowas nicht, ausgewogene Mitte, haben sich schon bem Lehrer Lämpel drüber lustig gemacht....
    Raff ist zu DEUTSCH, zu volktümlich und zu wenig innovativ und zu wenig AUFRÜTTELND
    Und GENAU deshalb liebe ich ihn !!!
    Nischenrepertoire bleibt er trotzdem....


    Ich sehe, es gäbe hier noch einige Beispiele - aber das verschiebe ich auf später.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Max Reger


    Persönlich würde ich ihn HEUTE durchaus zum Nischenrepertoire zählen, er ist weder besonders präsent am Tonträgermarkt, noch wird er gern gehört.
    Allerdings bin ich froh, daß ich den Aufschrei der vereinten deutschen Klassikszene nicht hören muß, wenn er hier als "guter Handwerker" abqualifiziert wird.


    Wenn Reger auf den "guten Handwerker" reduziert würde, dann sähen die Möbel, die er baute, so aus:



    So ein rasantes Stück, das gewiss viel Bewunderung verdient, mit dem letztlich aber niemand so richtig etwas anfangen kann, muss man erstmal hinbekommen. ;) Regers Zeit ist womöglich noch nicht gekommen. Er stieß formal und inhaltlich an Grenzen. Die Töne, die auf ihn einstürzten, mitunter sehr chaotisch, konnte er nicht schnell genug zu Papier bringen. Das hört man auch. Für mich ist er keine Nische. Sondern das glatte Gegenteil. Was nun Regers Präsenz auf dem Tonträgermarkt angeht, sehe ich keine großen Defiziten. Er ist sogar sehr gut vertreten.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Also ich finde, das optische Beispiel sehr gelungen, es macht sichtbar, was mit Worten kaum beschreibbar wäre.
    Allerdings:
    Die Reger-Verehrer werden uns steinigen !!
    Alle drei !!! :stumm::untertauch::baeh01:


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Reger spielt in der Praxis eine große Rolle als Orgel- und Chorkomponist. Für deutsche Organisten dürfte er der wichtigste Komponist nach Bach sein und in der (spät-)romantischen Chormusik kommt er gleich nach Brahms und Mendelssohn. Diesen Stellenwert hat seine Orchester- und Kammermusik m.E. schon lange nicht mehr, wenn sie ihn je hatte. Viele Musiker Anfang des 20. Jhds. hielten große Stücke auf Reger (Schönberg, die Buschs, Rudolf Serkin, dessen Sohn Peter, der Regers Werke seit Jahrzehnten regelmäßig spielt), aber auch damals war seine Musik wohl kaum so beliebt wie etwa Brahms oder Richard Strauss.


    Vielleicht von einigen Ausnahmen wie dem Klarinettenquintett, den Mozart-Variationen und den Klaviervariationen abgesehen. Es ist vermutlich kein Zufall, dass einige Variationenwerke zu den wenigen bekannten Stücken Regers gehören, weil durch ein fremdes Thema Regers Mangel an fassbarer Melodik und seine mäandernden Verarbeitungen etwas gemildert werden. Wenn man sich die Motive schon schlecht merken kann und die dann auch noch durch harmonisch und kontrapunktisch komplexe Fleischwölfe gedreht werden, in Stücken, die mitunter zu den längsten ihrer Art (Konzerte) gehören, ist verständlich, dass die Werke nicht recht populär werden... Das dürfte auch kaum Regers Ziel gewesen sein.


    Reger ist insofern nicht zu vergleichen mit Raff o.ä., weil Reger ohne Zweifel auf zwei Gebieten (Chor und Orgel) einer der wichtigsten Komponisten ist (und eines der vier bekanntesten Klarinettenquintette komponiert hat). Raff ist auf keinem Gebiet einer der wichtigsten Komponisten.
    Nur liegen halt Chor- und Orgelmusik für viele Hörer nicht im Mittelpunkt des Interesses (umgekehrt gibt es aber nach wie vor reges Interesses für diese Gebiete, bloß sind das eben nicht unbedingt dieselben Hörer, die Opernstars hinterher reisen).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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