Der Tanz der 7 Schleier - Meine Lieblingsversionen

  • In diesem Thread möchte ich meine persönlichen Top 3 – Schleiertänze aus der Oper „Salome“ vorstellen, jedoch auch andere Versionen kommentieren, die nichts, oder nur indirekt mit der Oper zu tun haben.


    Ich habe mir im Laufe der Zeit viele verschiedene Versionen angesehen, manche gefielen mir sehr gut, manche waren ok, und manche ziemlich mies und/oder enttäuschend.
    Bevor ich diese Auflistung starte, möchte ich allerdings noch ein paar erklärende Worte vorausschicken.


    Meine Idealvorstellung einer Salome sieht in etwa so aus wie auf diesem Plattencover:



    Am liebsten hätte ich auf der Bühne diese erdrückende, dekadente Fin de siècle Stimmung, mit schillernden Farben usw., so wie ich mir das bei Wilde irgendwie vorstelle. Wilde kannte auch etwa das berühmte Salome-Gemälde von Gustave Moreau, und soll, laut welt.de (https://www.welt.de/welt_print…b-dampfen-die-Perlen.html) gesagt haben:


    Zitat

    "Grün wie eine exotische und giftige Eidechse". Oscar Wilde hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie diese Salome, Titelheldin seines Dramas, ausstaffiert sein sollte. Am liebsten hätte er sie ganz "splitternackt, nur mit schwerem Edelstein-Halsschmuck drapiert" gesehen. "Ihre Wollust muss unermesslich, ihre Pervertiertheit grenzenlos sein. Die Perlen auf ihrem Leib müssen dampfen", charakterisierte Wilde die Prinzessin von Judäa.


    Strauss selbst meinte, dass seine Musik hier in „fremdartigen Kadenzen schillert wie Changeant-Seide“, was es doch gut trifft. Das ist natürlich nur mein persönlicher Geschmack, und man kann das natürlich als „kitschig“ oder „hollywoodmäßig“ kritisieren, weil das wohl Stile sind, wie man sie aus alten Hollywoodfilmen aus den 40er oder 50er Jahren kennt, die aber mit der Realität meist nichts zu tun haben. Allerdings, das ganze Theaterstück ist schon alles andere als realistisch, und sehr symbolträchtig und unwirklich.


    Ich kann es gleich sagen: ich habe auf YouTube keine einzige Version gefunden, die diesem Ideal annähernd entspricht, sei es vom Bühnenbild, sei es von den Kostümen oder der Salome-Darstellerin her. Und dennoch schreibe ich so eine Liste, weil ich nicht ausschließlich meine eigene Idealvorstellung umgesetzt sehen möchte, sondern auch offen für neue Ideen bin - ich lasse mich gerne positiv überraschen!


    Es soll aber bitte hier nicht um meine Idealvorstellung, aber auch nicht um das Regietheater gehen. Mir ist klar, dass manche die von mir vorgestellten Videos nicht gut finden, aus unterschiedlichen Gründen, aber ich rede hier absichtlich nicht über irgendwelche Regiekonzepte oder Hintergründe, sondern einfach nur über den Tanz als eigenständige(!) Nummer – Strauss hat ihn auch komponiert, als er die restliche Partitur bereits beendet hatte.
    In manchen Fällen besteht das Video nur aus dem Tanz, in anderen Fällen gibt es längere Videos; da werde ich den Link so schreiben, dass, wenn man drauf klickt, man direkt an der richtigen Stelle landet und nicht erst suchen oder auf eine bestimmte Zeit springen muss.
    Natürlich behalte ich mir vor, dass sich die Reihenfolge einmal ändert oder ein anderes Stück meine neue Nummer 1 wird.


    Na gut, dann fange ich mal an:




    Platz 1:



    https://youtu.be/DINWRmwY0c0?t=1h14m43s



    Diese Version gefällt mir von allen momentan am besten. Die Beleuchtung und das Bühnenbild kommen meiner Vorstellung schon recht nahe. Salome wird permanent von weichem Licht beschienen, die Kulissen bleiben hier großteils im Dunkeln. Eine Kleinigkeit die mir hier aufgefallen ist: im Hintergrund wandert langsam der Mond in die Höhe, Salome wird jedoch immer von vorne beschienen. Logischerweise müsste sie eigentlich von hinten beschienen werden. Das Problem hätte man lösen können, indem man den Mond gar nicht erst zeigt, und nur seine Strahlen zu sehen bekommt.


    Man hat es hier nicht mit einem klassischen Schleiertanz zu tun, aber der große Vorteil ist, dass er nicht von der Sängerin interpretiert wird, sondern von einer echten Tänzerin, und das sieht man auch deutlich, da sie sich elegant und geschmeidig bewegen kann, und nicht so ungelenk und hakelig, wie man es leider häufiger sieht. Es gibt zwar schon mehrere Stellen, die ich eher unfreiwillig komisch finde, was auch daran liegt, dass oft nicht getanzt, sondern eher „performt“ wird. Aber auch richtig gute Stellen wie diese hier:


    https://youtu.be/DINWRmwY0c0?t=1h21m52s


    Diese Stelle ist mir am liebsten, denn man hat hier nicht das Gefühl, dass die Tänzerin sich zur Musik bewegt, sondern umgekehrt: die Musik bewegt die Tänzerin. Man merkt auch, dass jede Bewegung genau getimt und auf die Musik abgestimmt ist. Das mag vielleicht beim ersten Hören nicht so auffallen, aber wenn man sich die Details in der Musik anhört, jeden neuen Taktanfang, jeden leisen Schlag der kleinen Trommel, die Glissandi-Schübe der Cellis, und dazu die Details in den Bewegungen ansieht, dann hat das schon was. Ich kann mich natürlich irren, aber da habe ich auch das Gefühl, dass der Choreograph sich die Partitur genau angesehen hat. Diese Bewegungen zu dieser Musik finde ich auch wesentlich erotischer als reine Nacktheit (die es in dieser Version übrigens nicht gibt).





    Platz 2:



    http://www.youtube.com/watch?v=JNgniBjT3RI



    Hier handelt es sich um eine Probe, allerdings schon im Opernhaus, mit Kostümen und Bühnenbild, sowie vollem Orchester – ab und zu ruft der Regisseur noch hinein.


    Auch diese Version gefällt mir, besonders im Vergleich zu anderen Versionen, sehr gut; abgesehen davon, dass Nicola Beller Carbone eine tolle Figur hat, kann sie sich gut bewegen. Die Choreografie geht m.E. manchmal doch an der Musik vorbei, aber es wird viel mit großen, halbdurchsichtigen Tüchern getanzt, und gegen Ende wird es sogar spannend – die Nacktheit am Ende wird dabei, wie ich finde, recht fantasievoll inszeniert, alles andere als voyeuristisch oder obszön.
    Leider gibt es hier keine „Bauchtanz-Einlagen“ wie im Video auf Platz 1, wirklich getanzt wird eigentlich auch nicht, aber dennoch hat diese Version was.





    Platz 3:



    http://youtu.be/uU1KSILnCAo?t=1h1m29s



    Hierbei handelt es sich um eine Aufführung von 1996, die offenbar von einer VHS überspielt wurde, dennoch ist die Qualität (für mich) in Ordnung.


    Die Choreografie des Tanzes finde ich, ganz ehrlich gesagt, nicht wirklich gelungen. Meistens habe ich das Gefühl, dass dem Choreografen nicht wirklich viel eingefallen ist, spannend finde ich ihn nicht,
    Der Grund, wieso dieses Video auf Platz 3 landet ist folgender:


    Hier gibt es sehr schön und stimmungsvoll ausgeleuchtete Kulissen, die zwar nicht partiturgetreu sind, aber dennoch sehr gut zu der Oper passen (inkl. Fackeln und Zisterne im Boden), die Kostüme gefallen mir, und auch die Salome-Sängerin hat schwarze Haare und sieht recht jung aus. Das Ganze wurde auf einer Freiluft-Bühne aufgeführt, nach Einbruch der Dunkelheit.







    Salome-Tänze, die nicht von Strauss sind




    Natürlich gibt es nicht nur die Oper, sondern auch das Theaterstück von Wilde, sowie verschiedene Interpretationen des Tanzes, oder andere Geschichten, in denen er vorkommt. Auch hiervon habe ich mehrere gesehen, werde aber kein Ranking machen, weil ich bis auf eine Ausnahme, die ich gleich als erstes nennen werde, bislang alle recht enttäuschend fand.


    Eine ganze Zeit fürchtete ich, dass die Strauss-Version des Tanzes mich derart beeinflussen würde, dass ich nicht mehr offen bin für andere Vertonungen. Bis ich diese Version hier gesehen habe:



    https://www.youtube.com/watch?v=zIoL4SkN2XU



    Es handelt sich dabei um einen Tanzfilm von 2002 unter der Regie von Carlos Saura.


    Zuerst zur Musik: ich finde sie echt gelungen! Es ist ein ganz eigenständiges Stück, keinerlei Anspielungen oder Anleihen bei Strauss. Das Stück beginnt sehr ruhig, mit einem langsamen Rhythmus verschiedener Trommeln (welche Trommeln das sind kann ich leider nicht sagen, aber mich interessiert es!), unterschiedliche Instrumente spielen Soli, und nach und nach steigert sich das Stück, wird schneller, lebhafter, immer mehr Instrumente kommen hinzu, und erst ganz am Ende wird es wild und entfesselt, wo die Musik vorher immer noch irgendwie kontrolliert war. Ich höre das Stück sehr gerne, es hat schöne Melodien, ist sehr rhythmisch, spannend, und es gibt kleine Spielereien, wie etwa das plötzlich stark anschwellende Streicher-Crescendo, das punktgenau aufhört, bis das nächste Soloinstrument weiterspielt.
    Und sehr schön finde ich, dass keine elektronischen Instrumente verwendet wurden (zumindest höre ich da keine). Ich höre auf jeden Fall unterschiedliches Schlagwerk, eine akustische Gitarre, Blasinstrumente und Streicher.
    Abschließend bleibt noch zu sagen, dass das Stück eine schöne Mischung aus orientalischer Musik und spanischer Flamencomusik ist.


    Aber nicht nur musikalisch, auch die Interpretation des Tanzes (durch die Spanierin Aída Gómez) finde ich hier besonders gelungen! In diesem Tanzfilm gibt es keine aufwändigen Kulissen, keine Paläste, Treppen, Fackeln etc., stattdessen stets eine sehr stimmungsvoll ausgeleuchtete Bühne. Und auch beim Schleiertanz sind die Grundbedingungen eigentlich ziemlich einfach: mehrere Leute sitzen in einem großen Kreis, und Salome befindet sich darin und tanzt. Und dennoch wird er zu keinem Zeitpunkt langweilig, sondern bleibt immer spannend und faszinierend! Was das Tanzen angeht habe ich wenig Ahnung, aber wie schon in der Musik gibt es auch optisch eine Mischung aus „Bauchtanz“ (d.h., zumindest erinnern mich manche geschmeidige, fast schlangenartigen Bewegungen daran) und vereinzelt Flamenco-Passagen, wo mit den Schuhen geklopft wird.
    Abgesehen davon, dass ich schon die Choreografie gelungen finde, gibt es auch etwas ganz wichtiges, nämlich, dass auch das Spiel mit der Mimik, die ich besonders wichtig finde. Was nützt einem der beste Tanz, wenn das Gesicht dabei abwesend wirkt, oder man das Gefühl hat, dass da nur eine einstudierte Choreografie runtergetanzt wird? Nein, hier wird auch viel mit der Mimik gearbeitet, die Art, wie sie Herodes ansieht, scheint irgendwie ganz zu Salome zu passen: verführerisch, aber auch verschlagen und überlegen. Wie Sir Michael Caine in einem Ratgeber für angehende Schauspieler schon richtig sagt, es sind oft kleine Details in der Mimik oder Gestik, die vielsagend sind. Salome sieht Herodes etwa zu Beginn an und blinzelt dabei kein einziges Mal, ein Zeichen von Stärke.
    Die Tänzerin wird hier mit einem wesentlich härteren Licht als etwa auf Platz 1 angestrahlt (eventuell mit einem Diffusor ein klein wenig weicher gemacht), was ihr auch ein kunstvolles Spiel mit Licht und Schatten erlaubt, etwa wenn Salome den Kopf hin und herwendet, wobei der Schatten abwechselnd die eine, dann die andere Gesichtshälfte ins mystische Dunkel taucht.


    (Nebenbei, ich habe erst kürzlich auf YouTube ein Video gesehen, wo es um Burlesque-Tänzerinnen ging, und da gab es verschiedene Frauen, die sich um eine Stelle beworben haben. Da wurde dann öfter kritisiert, dass sehr gut getanzt wurde, aber etwas sehr wichtiges fehlte, nämlich das Spiel mit dem Publikum; dass man ins Publikum sieht, die Art, wie man dreinschaut etc. macht erst eine gute Vorführung aus)
    Das einzig Negative an dieser Version für mich ist, dass die Salome-Darstellerin rein optisch doch weit über 30 ist, was man in manchen Einstellungen auch deutlicher sieht. Das wertet den tollen Tanz keineswegs ab, aber gerade bei einem Tanzfilm, wo es nicht auch auf eine gute Stimme wie in der Oper ankommt, hätte man sicher auch auf eine jüngere (oder jünger aussehende) Tänzerin zurückgreifen können. Aber das ist natürlich Geschmacksfrage. Mich stört nicht das Alter an sich, es geht mir rein um die Illusion.
    „Negativ“ finde ich zudem, dass das Stück viel zu kurz dauert – aber das spricht ja FÜR diesen Tanz, nicht dagegen



    ___


    Eine andere Version finde ich ebenfalls unbedingt erwähnenswert, obwohl es sich gar nicht um eine Salome-Verfilmung handelt. Es ist der Film „King of Kings“ von 1961.



    http://youtu.be/wsmBR4OE0nk?t=2m12s



    In diesem Film gibt es ebenfalls einen Tanz der Salome, zu dem ich auch einiges sagen möchte.
    Die Grundvoraussetzungen sind (für meinen Geschmack natürlich) eigentlich vielversprechend: die Kulissen sehen tatsächlich aus wie ein Palast, auch die Kostüme passen sehr gut dazu. Hinzu kommt, dass die Salome-Darstellerin Brigid Bazlen rein optisch für mich eigentlich schon perfekt wäre, und tatsächlich war sie auch erst 17, eventuell sogar 16 Jahre alt. So stelle ich mir eine Salome eigentlich vor.


    Und natürlich die tolle Musik von Miklos Rozsa, die aber leider vom Regisseur für den Film gekürzt wurde!


    Doch: die Choreografie des Tanzes ist mehr als enttäuschend, ebenso die ungelenke Darbietung desselben, und auch das vorher schon erwähnte Spiel mit der Mimik fehlt vollkommen. Die Interpretation ist für mich zwar kein totaler Verhau, aber ich kann beim besten Willen nicht verstehen, was Herodes daran gefunden hat!
    Dennoch ist diese Version für mich auf jeden Fall erwähnenswert, wegen der wirklich gelungenen Musik sowie den Rahmenbedingungen, die für meinen Geschmack eigentlich fast perfekt sind.


    Welche Versionen gefallen euch besonders gut, und warum?




    LG,
    Hosenrolle1

  • War interessant, der Beitrag - nicht nur zu lesen, sondern auch darüber nachzudenken. Warum, so frage ich mich aber, steht er (dieser Beitrag nämlich) im "Tritsch-Tratsch"? Der gehört doch in den Opernbereich oder auch bei Richard Strauss einsortiert. Vielleicht könnte ihn ein Moderator verschieben...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Warum, so frage ich mich aber, steht er (dieser Beitrag nämlich) im "Tritsch-Tratsch"? Der gehört doch in den Opernbereich oder auch bei Richard Strauss einsortiert.


    Ich war und bin mir nicht sicher, ob so ein Thema (es geht ja doch nicht nur um die Strauss´sche Oper, sondern auch um Verfilmungen, Theaterstücke, etc.) in den Opernbereich passt.



    LG,
    Hosenrolle1

  • Erstmal bin ich erstaunt, zu welchen Zeiten Taminos sich im Forum tummeln. Nachts um 2.00 Uhr träume ich höchstens von Salome.


    Unabhängig davon glaube auch ich, daß dieses Thema ein hochinteressantes Opernthema ist und in die öffentliche Diskusiion gehört. Auch wenn es erotische Auslegungen gibt (meine Träume sind also nicht wirklichkeitsfremd!!), es geht um Prinzessin Salome, die heute noch so schön sein kann wie es Narraboth schon im 1. Satz sagt!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • https://youtu.be/Ktmvi3JZkxc?t=1h37s


    Diese Version aus dem Jahr 1990 gefällt mir überhaupt nicht!



    Die gesamte Choreografie ist eine einzige Abfolge von Verrenkungen, Zuckungen, und erinnert mich stellenweise an das Tele-Gym. Manche Bewegungen sind dabei so peinlich, dass ich es nicht mal unfreiwillig lustig finden kann.


    Nun war Malfitano zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits 42 Jahre alt. Das wäre an sich kein Dilemma, leider sieht sie aber noch wesentlich älter aus, besonders in den Nahaufnahmen erkennt man das deutlich. (Ich habe umgekehrt aber auch ein Problem damit, wenn etwa eine Knusperhexe aussieht wie 20 oder 30, es geht mir also v.a. um die Illusion).


    Schlimmer noch fand ich ihr von Anfang an durchsichtiges "Kleid", unter dem sie komplett nackt ist, und das einem Einblicke gewährt, die ich echt nicht sehen will.
    Was bringt es, knapp 10 Minuten lang einen quasi nackten Körper zu zeigen? Wo ist die Spannung, wo die Fantasie?


    Schade, denn besonders das Kostüm und der Darsteller des Herodes sind wirklich sehr gut getroffen!




    LG,
    Hosenrolle1




  • Eine für mich absolut enttäuschende Variante!


    In diesem Tanz wird nicht getanzt, sondern (wie leider so häufig auf den Bühnen zu sehen) nur herumgerannt und gerollt und verrenkt.


    WENN dann mal ansatzweise getanzt wird, dann aber NIE mit der Musik zusammen, im Rhythmus, sondern völlig dran vorbei.


    Nein, hier wird der Tanz zu einer Art Schauspiel, es könnte direkt eine Stummfilmszene sein. Inszenatorisch bietet sie den ebenfalls schon ziemlich ausgelutschten Ansatz, dass Salome ein Missbrauchsopfer von Herodes ist.


    Anfangs hat sie eine Kinderpuppe, und Herodes möchte sich ihr (Salome, nicht der Puppe) immer wieder annähern. Dann zieht sie sich ein Ballkleid an, tanzt mit ihm Walzer, um es sich am Ende wieder auszuziehen, während im Hintergrund eine riesige Glühbirne zu sehen ist.


    Während des langsamen Walzers, der im Tanz von Strauss vorkommt, tanzen Salome und Herodes tatsächlich einen Walzer, jedoch ohne jedes Taktgefühl. Ob das beabsichtigt war oder nicht - es passt einfach nicht.


    Man merkt eigentlich auch, dass sich der Choreograf nur auf bestimmte Punkte in der Musik konzentriert hat, nämlich dann, wenn es laute Tuscher gibt; dann fällt ein Kleid zu Boden oder ähnliches.


    Ich meine, wenn schon ein Regisseur und/oder der Choreograph meint, dass Salomes Schleiertanz NUR eine musikalische Befindlichkeitsstudie ist, und kein Tanz mehr, dann sollte doch die Dramaturgie auf der Bühne irgendwie zur Musik passen.


    Doch hier kommt es mir so vor, als hätte der Regisseur gesagt: "Ah, jetzt wird die Musik dramatischer, jetzt lasse ich Herodes sich an Salome annähern, jetzt baue ich was mit sexuellem Missbrauch ein", und "So, jetzt ist die Musik etwas fröhlicher, jetzt lasse ich Salome sich Herodes entziehen und weglaufen", usw.


    Für mich sind das das ziemlich plumpe Verdopplungen. Der Tanz besteht ja mehr oder weniger aus mehreren Abschnitten, die fließend ineinander übergehen. Wenn ein
    Regisseur nun jeden Abschnitt mit einer neuen Szenerie, mit einem neuen Mini-Stück auf der Bühne inszenieren möchte habe ich kein Problem damit, aber dann sollte es doch spannender und besser gemacht sein als einfach nur "Düstere Musik - also düstere Handlung auf der Bühne".


    Nach dem ganzen Genörgel aber auch etwas Gutes: die Tonqualität ist trotz 240p hörenswert, besonders das Schlagzeug ist hier besser zu hören als in vielen alten Aufnahmen.




    LG,
    Hosenrolle1




  • Karita Mattila spielt hier die Salome. Was soll ich dazu sagen? Nein, nein, nein, nein, nein, NEIN!


    Mattila war zum Zeitpunkt der Aufnahme 51 Jahre alt, und ldikó Komlósi, die ihre Mutter Herodias spielt, nur ein Jahr älter.


    Optisch funktioniert das einfach nicht. Klar, keine Salome-Darstellerin muss aussehen wie 14 oder 15, aber das geht ja wirklich nicht.
    Getanzt wird hier nicht, und wenn mal kurz die Hüfte geschwungen oder ein Bein hochgestreckt wird, dann sieht das sehr hakelig und unbeholfen aus.


    Vom Alter der Salome einmal abgesehen, finde ich auch die Choregrafie hier reichlich einfallslos. Salome geht herum, wird ein paar Mal von zwei Männern in die Höhe gehoben, und entledigt sich dabei ihrer Kleider, einer Art Business-Anzug oder so. Dazwischen macht sie pseudo-verführerische Posen, stellt sich etwa zwischen zwei Stangen, hält diese fest und wirft den Kopf hin und her, als ob sie zu viele 80er Jahre Metal-Videoclips gesehen hätte. Leider hat man das Stück hier in die heutige Zeit verlegt.
    Am Ende des "Tanzes" zeigt Mattila ihren nackten Oberkörper, das heißt, sie zeigt ihn, aber man sieht ihn auf der DVD nicht.


    Dazu habe ich eine Erklärung gefunden:
    [Quelle: latimesblogs.latimes.com/culturemonster/2008/10/why-the-met-won.html]


    Zitat

    "The decision not to show the nudity came from Met general manager Peter Gelb, who, the spokesman said, "decided early on that the "Salome" broadcast would not feature nudity."

    Ja, echt schlimm, nackte Brüste! Weg damit!


    Zitat

    "The spokesman added that the Met markets its HD broadcasts as family-friendly events and that Gelb and the creative team are treating the scene in a way that is sensitive to the artists while still being true to the original piece."


    Für mich ein Grund, NIE die Met zu besuchen! Und auch keine weiteren DVDs bzw. BluRays zu kaufen.


    "Family-friendly"?? Wenn in einer HUG-Met-Inszenierung eine Hexe lebendig in einem Ofen brät und man ihr dabei zusehen kann, wenn lauter Kinder aufgehängt auf Fleischerhaken in einem Kühlraum hängen, dann ist das ok, aber wenn man für 2 Sekunden nackte Brüste sieht, möchte man die Kinder davor verschonen?


    Salome ist keine Kinderoper, so wie das Stück von Wilde auch nicht für Kinder gedacht ist. Und dann kommt da so ein Sittenwächter daher und redet von "family-friendly"? (Bitte nicht falsch verstehen, ich persönlich bin nicht wirklich interessiert an der halbnackten Frau Mattila, aber es geht mir um´s Prinzip.)


    Zum Vergessen.



    LG,
    Hosenrolle1

  • Meine beste Salome (von mind. 9 Live-Erlebnissen) sah ich vor etwa 15 Jahren in Dessau. Da der recht große Orchestergraben nicht ausreichte, die rund 100 Musiker unterzubringen, wurde die Hinterbühne zum Orchestergraben. Ein durchsichtiger Vorhang trennte das Orchester von der Bühne, die durch den überdeckten Graben nach vorn verlängert wurde. Natürlich gab das eine andere Akustik, die Stimmen wurden nicht durch den Orchesterlärm überdeckt. Es war akustisch wunderbar ausgefeilt, ein Lob dem Dirigenten!!!.


    Nun aber zum Hauptpunkt. Die Salome gab eine Finnin, Elaina Lappalainen. Der Regisseur, ich glaube es war Johannes Felsenstein (jedenfalls war der damals Intendant und inszenierte vieles selbst) brachte eine klassische Kulisse und Kostüme, die an die Antike erinnerten. Und er brachte das Stück als erotische Erzählung. Lappalainen mochte damals 35 Jahre alt sein, von weiblicher, schlanker Gestalt. Sie war stimmlich faszinierend, begehrend, werbend, berechnend, heiß und kalt zugleich. Ihr Schleiertanz war ein Tanz der 7 Schleier, und nach jedem Abschnitt fiel ein Schleier. Zum Schluß war sie völlig ohne (ob sie ein "Ganzkörperkondom" trug, konnte man nicht erkennen, denn mit dem letzten Schleier wurde es finster auf der Bühne). Der Eindruck war keinesfalls sexistisch, sondern der Handlung und ihrem Ziel entsprechend, nämlich Herodes sich gefügig zu machen, um ihren teuflischen, kindischen Plan zu verwirklichen.


    Die Qualität dieser Inszenierung wurde auch von der Landesregierung genutzt, um die Leistungsfähigkeit des Anhaltinischen Theaters zu vermarkten. Die von mir besuchte Vorstellung wurde vom Ministerpräsidenten genutzt, um eine hochrangige japanische Regierungsdelegation ins Theater zu schicken. Der gesamte 1. Rang wurde dazu für die Öffentlichkeit gesperrt. Man ging nach Dessau, weil die Inszenierung so unglaublich gut war, nicht nach Magdeburg oder Halle. Es war meine bisher beste Salome.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wie fandest du die Choreografie des Tanzes? Wurde da getanzt, oder gab es mehr eine "Performance", mit viel herumlaufen und auf dem Boden rollen?


    Ich schrieb ja schon eingangs, dass ich keine fixe Vorstellung davon habe, wie der Tanz oder die Kulissen auszusehen haben, und ich mich gerne überraschen lasse von neuen Ideen dazu. Eine kleine Einschränkung gibt es aber, die Richard Strauss selbst beschrieben hat: er meinte, dass die Salome

    Zitat

    "nur mit einfachster, vornehmster Gestik gespielt werden darf"

    Weiters schrieb er:


    Zitat

    Überhaupt muß sich, im Gegensatz zu der allzu aufgeregten Musik, das Spiel der Darsteller auf größte Einfachheit beschränken, besonders Herodes muß sich vor dem herumrennenden Neurastheniker darauf besinnen, daß er, als östlicher Parvenu, seinen römischen Gästen gegenüber bei allen momentanen erotischen Entgleisungen sich stets bemüht, in Nachahmung des größeren Cäsars in Rom Haltung und Wrüde zu bewahren. Toben auf und vor der Bühne zugleich - ist zuviel! Das Orchester allein genügt dafür!

    Auch schreibt er von dem Wunsch nach "schärfster Personencharakteristik".
    Und da bin ich ganz seiner Meinung: die Musik ist es, die alles ausdrückt, die wild und entfesselt sein kann, während die Personen auf der Bühne sich vermeintlich ruhig verhalten.
    Leider machen viele Choreografen den Fehler, die Musik einfach zu verdoppeln, indem sie Salome wie eine Irre rennen, sich wälzen oder verrenken lassen. Ich denke, vordergründig sollte sie einfach nur tanzen, damit es Herodes gefällt - und die Musik ist es, die das Psychogramm dazu liefert. "Das Orchester allein genügt dafür!".




    LG,
    Hosenrolle1



  • https://youtu.be/poWQkqKZBgU?t=55m41s




    Eine „Verfilmung“ der Oper, in der die Stimmen vorher aufgenommen wurden, um dann Playback zu singen.


    Der Tanz, der bei 55:40 beginnt, ist jedoch gepflegte Langeweile, oder vielleicht das, was man 1960 bei uns erotisch fand. Wenn man sich Burlesque-Tänzerinnen der 50er und 60er Jahre ansieht, wird man feststellen, dass es da wesentlich sinnlicher zur Sache ging – vielleicht ein Makel der damaligen Aufführungen von Opern, dass es da etwas sittsamer zugehen musste?



    Maria Kouba tut eigentlich nicht viel mehr, also ein paar Mal mit den Armen in der Luft herum zu wedeln, den Fuß auf dem Boden zu kreisen, und einmal so etwas wie einen Hüftschwung zu probieren, der so holprig rüberkommt, als würde sie gerade zu einem Video mit dem Titel „Bauchtanz für Anfänger“ üben.


    Die meiste Zeit verbringt sie ohnehin bei der Zisterne, um die sie bedeutungsschwanger herumschleicht, um sich dann ein paar Tücher auszuziehen und auszusehen wie die „Bezaubernde Jeannie“.


    Die Beleuchtung ist wenig fantasievoll, die Kulissen werden für meinen Geschmack viel zu hell und gleichmäßig ausgeleuchtet, und die Statisten stehen nur in der Gegend herum, was man durch eine bessere Ausleuchtung kaschieren hätte können; besonders peinlich sind die "Musiker" gleich zu Beginn des Tanzes, allen voran der Typ, der ein Tambourin in der Hand hält und einfach irgendwie draufhaut, ohne dass es irgendwie zur Musik passen würde. Vermutlich hat der Regisseur ihm das Teil in die Hand gedrückt und gesagt "Hier, klopf da ein paar mal drauf, bis Salome das Zeichen gibt aufzuhören".


    Eine lieblose Salome aus der Mottenkiste.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Die witzigste Fassung, die ich erlebt habe, war vor urdenklicher Zeit in Düsseldorf. Die Idee dort: statt ständig einen Schleier abzulegen, erschien die Sängerin am Anfang ziemlich entblößt, dann legte sie die Schleier nach und nach um sich, bis sie sieben Schleier anhatte. Das fand ich eine sinnvolle Lösung, denn die Sängerin, Ursula Schröder-Feinen, sang zwar hervorragend, aber die zunehmende Verschleierung war optisch das Gebot der Stunde.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Böse :D


    Aber sogar Strauss selbst schreibt über Marie Wittich, die Salome der Uraufführung 1905, dass sie "figürlich natürlich für die Rolle nicht geeignet war".


    Ich schrieb ja weiter oben, mit entsprechenden Zitaten von Strauss selbst, dass die Musik dieser Oper und auch während des Tanzes es ist, die das Psychologische schildert, die inneren Vorgänge etc., und ich es deswegen nicht gut finde, wenn ein Regisseur das verdoppelt.


    In dem Buch "Richard Strauss und sein Werk" von 1910, Band 2, beschreibt Richard Specht diesen Tanz zwar sehr wortreich, aber auch, wie ich finde, ganz treffend:

    Zitat

    Und der Tanz der sieben Schleier beginnt ...
    Von diesem Tanz sind viele enttäuscht. Vor allem jene, die hier eine Ballettmusik erwarten. Aber es ist eine symphonische Dichtung; es ist ein Seelengemälde in Tönen, der aufpeitschende und aufgepeitschte Reigen aller argen Begierden und Gedanken, aller Gelüste nach Blut und Wollust, aller Erinnerung an verschmähten Reiz und fluchgetroffene Liebesträume - von einem Rhythmus voll lechzender Sinnlichkeit ans Licht gelockt und immer feuriger beflügelt; wild und jagend zuerst, müde und schmachtend dann, zügellos ausartend zum Schluss. Wäre es Strauss hier um das Ethnographische eines billigen Orientalismus zu tun gewesen, so hätte er bloß irgendeinen er Basars für exotische Musik zu plündern brauchen und nachahmen können, was Goldmark in den Tänzen der Königin von Saba oder Felicien David oder Rubinstein in ihren Opernballetten zu höchster Wirksamkeit gebracht hatten: ein paar Triolenwindungen, ein paar drängende Synkopen, erniedrigte Leittöne, übermäßige Quarten und Quinten, ein bisschen Moll-Dur-Farbe, ein Schellembaum und Zymbeln - das wäre im Ausverkauf leicht zu haben gewesen und der "echt orientalische" Tanz wäre fertig und ein Paradestück der Oper; Arrangement für Klavier zu sechzehn Händen oder für Zither und Flöte in der hochbeliebten Sammlung "Album bekannter Operntänze" unbedingt garantiert. Und was für ein Geschäft wäre das allein gewesen, mit dem Bild der reichlich entblößten Salome-Dive auf dem Umschlag! Der "geldgierige" Strauss hat lieber darauf verzichtet. (... )

    Ich fand ganz amüsant, wie der Autor schon 1910, also vor über 100 Jahren, über das Motto "Sex sells" schreibt :D
    Aber davon abgesehen habe ich tatsächlich schon öfter mal gelesen, dass der Tanz in der Oper nicht sehr "orientalisch" klingt.



    Zitat

    Aber diese Nacht des Ostens ist in der "Salome" genugsam gemalt. Nicht auf sie, ja kaum auf den Tanz selbst, sondern auf die dramatische Persönlichkeit kommt es dem Tondichter an: auf die Frau, die ihn tanzt, zerrissen von Leidenschaft, voll betäubender Lust am Wehtun, von grellen Stimmen verwirrter Weiblichkeit durchlärmt, lauernd auf die entnervte Geilheit des Tetrarchen, dem sie das Täuferhaupt abjagen will, voll verzweifelter und hoffnungsloser Selbstpreisgabe. das will er in seinem Tonbild zeigen. Das Äußere dieses Tanzes der sieben Schleier, die von Salomens gleißend schönem Körper fallen - und von ihrer gleißend argen Seele dazu. Den Rhythmus ihrer Glieder - und den ihrer mörderischen Qual. Das ist Strauss in diesem Stück in beispielloser Intensität gelungen. Es ist dadurch weniger Paradestück der Kurkapellen geworden. Obgleich es in seinem Wurf, seiner sinnlichen Pracht, seinen gleich schweren Priestergeschmeiden glutenden Themen "dankbar" und fesselnd genug ist. Strauss wird es hoffentlich verschmerzen können. Aber ein Paradestück des Musikpsychologen ist es geworden, des Seelenmalers in Tönen. Ein Husarenstreich: wie man mit "tönend bewegten Formen" wortlos alles ausdrückt, was seelisch bewegt und unsagbar ist.


    LG,
    Hosenrolle1

  • Wie fandest du die Choreografie des Tanzes? Wurde da getanzt, oder gab es mehr eine "Performance", mit viel herumlaufen und auf dem Boden rollen?

    Lieber Hosenrolle,


    ich hatte die körperlich gute Situation der Frau Lappalainen erwähnt. Ihr Tanz war eindeutig gut choreographiert, ich erinnere mich nicht an das irre Umherrennen mancher Sängerinnen. Allerdings ist das Erlebnis auch schon etwa 15 Jahre zurück. Man muß immer berücksichtigen, daß einer Sängerin selten die tänzerischen Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen, die eine ausgebildete Tänzerin hat.


    Eine Ausnahme dürfte Christel Goltz gewesen sein, denn sie war nicht nur stimmlich eine tolle Salome, sondern hatte auch eine Ausbildung als Tänzerin. Von 1936 bis 1950 war sie in Dresden engagiert, wo meine Schwiegereltern lebten. Schwiegermutter war eine große Opernfreundin, und sie schwärmte in höchsten Tönen vom Gesang und der Darstellungskunst der Christel Goltz als Salome. Ein Glück für den, der das gesehen hat.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich muss sagen, dass diese Deutung des Schleiertanzes der Salomé für mich eine ziemliche Überraschung war, aber schlüssig in jedem Fall.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Man muß immer berücksichtigen, daß einer Sängerin selten die tänzerischen Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen, die eine ausgebildete Tänzerin hat.

    Da hast du natürlich Recht; umso mehr verstehe ich nicht, wenn Choreografen dann trotzdem alle möglichen Verrenkungen fordern, auch wenn sie ungelenk und hakelig aussehen.
    Es gäbe da so viele Möglichkeiten, dieses Stück fantasievoll und erotisch zu inszenieren, die keinen professionellen Tanz erfordert, aber oft bleibt es dann nur beim auf-dem-Boden-herumrollen.

    Ich muss sagen, dass diese Deutung des Schleiertanzes der Salomé für mich eine ziemliche Überraschung war, aber schlüssig in jedem Fall.

    Welche genau meinst du?



    LG,
    Hosenrolle1



  • https://www.youtube.com/watch?v=bL2fGdfG3X0



    Diese Inszenierung lief auch vor wenigen Jahren in der Wiener Volksoper, wo ich mir in einer Saison alle 6 Vorstellungen hintereinander angesehen habe.


    Was passiert während diesem Tanz nun? Salome steht am Fenster eines Gebäudes im Hintergrund, wirft ein rotes Tuch heraus, verlässt das Gebäude, wird von den herumstehenden Männern kurz bedrängt, wälzt sich mit dem roten Tuch herum, wird wieder bedrängt und ihre Kleidung teilweise in Stücke zerrissen.


    Dazwischen kreist Salome ab und zu mit einem Bein in der Luft, a la Seniorengymnastik.


    Getanzt wird auch nicht, und Annemarie Kremer, die damals in der Volksoper die Salome spielte und in einem Interview zu dieser Stelle der Oper befragt wurde, meinte auch, dass sie es schade findet, dass sie in dieser Inszenierung nicht zeigen kann, was sie als gelernte Tänzerin draufhat. Ich hätte es gern gesehen!





    LG,
    Hosenrolle1

  • Eine Ausnahme dürfte Christel Goltz gewesen sein, denn sie war nicht nur stimmlich eine tolle Salome, sondern hatte auch eine Ausbildung als Tänzerin. Von 1936 bis 1950 war sie in Dresden engagiert, wo meine Schwiegereltern lebten. Schwiegermutter war eine große Opernfreundin, und sie schwärmte in höchsten Tönen vom Gesang und der Darstellungskunst der Christel Goltz als Salome. Ein Glück für den, der das gesehen hat.

    Deshalb war die fabelhafte Sängerlegende Christel Goltz als sie bei der Gottlob-Frick-Gesellschaft zu Gast war noch nach Jahren empört, dass sie in einer wichtigen Inszenierung den Schleiertanz nicht selbst tanzen durfte. Dazu eine nette Geschichte: Es war bei einem der ersten Künstlertreffen, die Gäste waren im Landgasthaus Bahnhöfle in Ölbronn, dem Geburtsort von Gottlob Frick, untergebracht. Ich hatte die Wirtin gebeten, dass die Gäste, die gut zu Fuß sind die oberen Zimmer, die anderen die Zimmer im Parterre bekommen sollten. Die damals schon hochbetagte Christel Goltz rauschte mit der Vitalität und dem Charme unvergänglicher Jugendlichkeit herein. Ich bat die Wirtin: Bitte geben Sie Frau Kammersängerin Goltz ein entsprechendes Zimmer. Die Wirtin mustert den Gast kurz und antwortet in breitem Dialekt: "Die kann guat laufa, die kommt obe nuff! Frau Goltz sagte mir bei der Abreise, als ich mich nochmals für den Faux pas entschuldigen wollte: "Ach was, das war doch ein wunderschönes Kompliment".
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Dein Zitat in Beitrag 12!

    Alles klar!


    Ja, die Analyse ist sehr interessant zu lesen, denn Specht zerlegt den Tanz und zeigt, welche Motive da drinstecken, und wie Strauss sie verarbeitet. Die Musik zu diesem Stück ist ja tatsächlich sehr "psychologisch", wenn man so möchte, und Strauss selbst hat ja auch den Wunsch nach "schärfster Personencharakteristik" geäußert.




    LG,
    Hosenrolle1






  • Ein über 8 minütiges Salome-Video, es steht nichts von einem Tanz im Titel. Doch es fängt tatsächlich damit an - die Freude währt aber nicht lange, denn leider sind nur die ersten knapp 1:30 ein Zusammenschnitt der Performance - der Rest zeigt andere Szenen der Oper.


    Sehr schade, denn obwohl ich die Kulissen (wenngleich in atmosphärisches Licht getaucht) hier unpassend finde, fand ich die Choreografie recht interessant; interessant genug, dass ich gerne auch den Rest gesehen hätte. Der Choreograf scheint hier auf die Musik gehört zu haben, was für mich immer ein Pluspunkt ist.




    LG,
    Hosenrolle1

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  • Also rein akustisch ist das hier mein Favorit der Strauss-Version: https://www.youtube.com/watch?v=rbIyXIgKhoM
    Man hört das New York Philharmonic unter Leopold Stokowski. Irgendwie klingt das ganze wie eine zur Musik gewordene, geradezu schamlose Erotik (eine "Sauerei in Musik" quasi) - und das trifft den Nerv des Schleiertanzes ja sehr gut. Zudem wird hier der Tanz der Phantasie des Hörers überlassen.

  • Die "Salome" ist eine meiner Lieblingsopern, seit ich überhaupt angefangen habe, klassische Musik zu hören. Allerdings habe ich den Tanz der sieben Schleier nie als Höhepunkt des Stücks empfunden, weder musikalisch noch szenisch. Deswegen habe ich die Choreographien, die ich schon gesehen habe, auch gar nicht so genau im Kopf. Ganz wichtig ist natürlich, dass die "Salome" rollengerecht besetzt ist. Wenn die Sängerin die verführerische Kind-Frau nicht auch optisch glaubhaft verkörpern kann, dann nützt der allerbeste Gesang nichts. Hingegen lege ich auch bei diesem Stück nicht den geringsten Wert auf üppige, historisierende Kulissen.


    Mein eindrücklichstes Live-Erlebnis war vor einigen Jahren eine Aufführung an der Berliner Staatsoper, eine dort schon recht lange laufende, solide Kupfer-Inszenierung. Herausragend wurde die Aufführung durch Evelyn Herlitzius in der Titelrolle, die die Salome mit einer Intensität und Hingabe gesungen und auf der Bühne dargestellt hat, die mich atemlos zurückließ. Auch beim Tanz hat sie sich völlig verausgabt. Leider gibt es davon keine Video-Aufzeichnung, jedenfalls keine käuflich erwerbliche.


    Unter den DVDs habe ich zwei Favoriten. Der erste ist für mich ganz untypisch, denn es handelt sich dabei um einen Opernfilm, die ich eigentlich gar nicht mag, und dann noch einen höchst opulent ausgestatteten, der an diverse Hollywood-Schinken wie "Quo Vadis" erinnert. Aber Terasa Stratas ist als Salome einfach großartig:



    Als Jochanaan ist dort Bernd Weikl zu hören; wenn er singt und nicht über Theater schreibt, mag ich ihn ja gerne... :untertauch:


    Meine zweite Lieblings-DVD ist eine neuere Produktion aus der Scala mit der ebenfalls großartigen Nadja Michael, der diese Rolle auf den Leib geschrieben ist:



    Es gibt auch noch eine andere Aufnahme mit ihr aus dem ROH, auch sehr sehens- und hörenswert, aber diese ist mir noch lieber.


    Ich habe mir die Tanz-Szenen dieser Aufnahmen gerade noch einmal angeschaut. Beide sind für mein Empfinden gut, mit deutlichen Vorteilen für die zweite. Aber wie gesagt, mir kommt es bei dieses Oper auf anderes an.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Hallo Cartmann,


    zu Deinem Beitrag fällt mir sogleich der "Nachmittag eines Fauns" ein, dort wird es aber nicht zu einer Sauerei in Musik.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Der Höhepunkt der Oper ist für mich ebenfalls nicht der Schleiertanz, sondern der Schluss: "Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan"! Etwas Vergleichbares gibt es nur im Schlussmonolog der Emilia Marty in Janaceks "Makropulos". Als Video empfehle ich hier die Glyndebourn-Aufnahme mit Anja Silja.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Mein eindrücklichstes Live-Erlebnis war vor einigen Jahren eine Aufführung an der Berliner Staatsoper, eine dort schon recht lange laufende, solide Kupfer-Inszenierung. Herausragend wurde die Aufführung durch Evelyn Herlitzius in der Titelrolle, die die Salome mit einer Intensität und Hingabe gesungen und auf der Bühne dargestellt hat, die mich atemlos zurückließ. Auch beim Tanz hat sie sich völlig verausgabt.


    Lieber Bertarido, die Premiere und folgende Vorstellungen hat Josephine Barstow gesungen. Das ist lange her. SLeider gab ich mich dem Irrtum hin, andere Sängerinnen könnten in diese Produktion eingepasst werden. Ich erlebte ein Fiasko, vor allem mit der aus meiner Sicht fehlbesetzten Evelyn Herlitzius. Ja, intensiv war sie. Aber das ist eben nicht genug für Salome. Was Deine Bewertung von Teresa Stratas anbelangt, bin ich ganz bei Dir, wenngleich ich den Film inzwischen auch nicht mehr gut ertragen kann. Eigentlich kann ich "Salome" nur noch akiustisch ertragen. Sie ist nach meiner Beobachtung totinszeniert worden und muss sich erst davon erholen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich erlebte ein Fiasko, vor allem mit der aus meiner Sicht fehlbesetzten Evelyn Herlitzius. Ja, intensiv war sie. Aber das ist eben nicht genug für Salome.


    Nun bin ich wirklich baff! ;( Was hattest Du denn an der Herlitzius zu bemängeln? Warum fehlbesetzt? Verstehe ich gar nicht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Sie war weit über die Rolle - auch altersmäßig - hinausgewachsen. Salome ist keine Ortrud. Ich hätte sie deshalb allenfalls als Herodias besetzt. In meinem Ohren singt sie immer wie mit drei Stimmen. Der Ton ist unsauber und penetrant. Ich habe sie nie geliebt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Sie war weit über die Rolle - auch altersmäßig - hinausgewachsen. Salome ist keine Ortrud. Ich hätte sie deshalb allenfalls als Herodias besetzt. In meinem Ohren singt sie immer wie mit drei Stimmen. Der Ton ist unsauber und penetrant. Ich habe sie nie geliebt.


    Tja, da war meine Wahrnehmung eine gänzlich andere. Leider liegt keine Aufzeichnung vor, anhand derer man das ganze überprüfen könnte. Aber scheinbar bewerten wir Evelyn Herlitzius generell sehr unterschiedlich, denn ich habe sie immer sehr geschätzt, seit ich sie als Brünnhilde in Bayreuth erleben durfte. Auch in dieser Rolle gehört sie zu meinen positivsten Erfahrungen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • llerdings habe ich den Tanz der sieben Schleier nie als Höhepunkt des Stücks empfunden, weder musikalisch noch szenisch.

    Vermutlich ragt der Tanz heraus, weil es die einzige Stelle ist, wo länger mal nicht gesungen wird, und da auch eine Ouvertüre fehlt, die mit dem Tanz sicher in gewisser Weise in musikalische Konkurrenz getreten wäre, steht er ganz alleine da. Für mich gibt es eigentlich keinen richtigen Höhepunkt hier, weil diese Oper für mich ein Gesamtkunstwerk ist, wo mir jede Sekunde davon gleich gut gefällt.


    Hingegen lege ich auch bei diesem Stück nicht den geringsten Wert auf üppige, historisierende Kulissen.

    Das ist wiederum schwierig. Was die Kulissen anbelangt, so denke ich sowieso nicht, dass die in DIESEM Stück so üppig sein müssen.


    In einem Programmheft habe ich ein paar interessante Gedanken über den Handlungsschauplatz der Oper (und des Theaterstücks) gelesen. Ich zitiere:

    Zitat

    Seitenweise schildert Herodes in Oscar Wildes Schauspiel und Richard Strauss´ Oper seine Reichtümer und evoziert dadurch eine Sphäre üppigster Opulenz. Doch geben Dichter und Komponist auch einen entsprechenden ebenso prächtigen wie orientalisch-pittoresken Handlungsort an? Eher nicht, wenn die Schauplatzangabe lautet: „Eine große Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stößt. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung. Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrund eine alte Zisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.“ Diese Beschreibung nimmt sich recht prosaisch aus. Es ist kein Ort, an dem man sich länger aufhält; es ist eine Durchgangsstation, die von einer Treppe bestimmt wird, von der nicht gesagt wird, wohin sie eigentlich führt. Es ist der Hinterhof der Macht, in dem der Mond heller strahlt als der Glanz des Festes, das die Herrschaft feiert. Es ist der Wartebereich, in dem die Handlanger der Macht, die Bodyguards und Pagen, darauf harren, gerufen zu werden. Es ist die verbotene Zone, wo man diejenigen wegsperrt, die unbequem sind. Es ist ein Unort, unkonkret, unfertig. Doch plötzlich schwappt das Fest genau hierher. Denn der Potentat findet es auf einmal chic, der Party dadurch einen besonderen Kick zu geben, dass man Boden betritt, den man sonst eher meiden würde.

    Ich denke, dass diese Terrasse, im Gegensatz zum Inneren des Palastes, auch vergleichsweise kärglicher aussieht. Aber grundsätzlich lehne ich eine üppige Kulisse nicht ab, wenn sie dazu dient, etwa die Verschwendungssucht, den schlechten Geschmack oder ähnliches einer Figur zu beschreiben. Der Hof von Herodes ist ja eine dekadente Gesellschaft, eben verschwendungssüchtig, und wenn alles überladen ist mit lauter teurem, glänzenden Ramsch, dann sagt das auch einiges über die Figur(en) aus, denke ich.


    Eine andere Ausnahme ist für mich, wenn ein Regisseur sich etwa bewusst an bestimmten Kunstformen, Kunstepochen orientiert.
    Vielleicht kennst du den Film "Bram Stokers Dracula" von 1992, von F.F. Coppola? Der Regisseur wollte für diesen Film keine "echten", naturgetreuen Kulissen und Kostüme aufbauen, sondern hatte eine ganz andere Methode: er sah sich an, in welcher Zeit der Film spielt, und ließ sich dann von den Künstlern dieser Zeit, etwa von verschiedenen Gemälden, beeinflussen. So sieht etwa ein Umhang von Dracula aus wie von Gustav Klimt, das Schloss hat starke Ähnlichkeit mit einem Gemälde aus den 1890er Jahren, usw. Der Regisseur hat sich also nicht angesehen, wie 1890 herum alles ausgesehen hat, sondern er sah sich an, was die Künstler dieser Zeit gemacht haben, und hat sich DARAN orientiert.
    Das ist für mich ebenfalls ein SEHR interessanter Ansatz, weil es (in diesem Fall v.a. den Kostümbildnern) die Möglichkeit gibt, kreativ zu sein.


    Wenn ich deine Aussage richtig interpretiere, dann stört dich aber vermutlich eher, wenn solche Kulissen nicht zur Beschreibung der Figuren, sondern nur dazu verwendet werden, dem Publikum zu "gefallen". Das kann ich auch verstehen; mir ist nur wichtig, dass es für das Stück Sinn macht. Die Salome beschreibt ja eine Gesellschaft, einen Tetrarchen, das dem Untergang geweiht ist. Sowohl Jochanaan als auch Herodes selbst hört bereits die "Flügel des Todesengels im Palaste rauschen", und auch wenn das Stück vorher endet, weiß man, wenn sich der Mond plötzlich verfinstert, dass es Herodes schlecht gehen wird. Da würde eine üppige Kulisse theoretisch auch die Dramatik der Handlung unterstreichen, denn der Glanz und das Geschmeide werden uninteressant, wenn der Mond sich verfinstert, und die Fackeln gelöscht werden.



    Meine zweite Lieblings-DVD ist eine neuere Produktion aus der Scala mit der ebenfalls großartigen Nadja Michael, der diese Rolle auf den Leib geschrieben ist

    Ist das die mit der großen Glühbirne im Hintergrund?




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ist das die mit der großen Glühbirne im Hintergrund?


    An eine Glühbirne kann ich mich nicht erinnern. Das muss eine andere Aufnahme sein. Von dieser gibt es bei YouTube nur einen Trailer, jedenfalls habe ich nicht mehr gefunden:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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