Otello mit Kaufmann

  • "Please, do not share on public page !!!" ;)

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Alle Berichte, die ich aus London gehört und gelesen haben, laufen eher darauf hinaus, dass es sich nicht lohnt, den Otello zu hören. Der Guardian, der eigentlich zumeist die kompetentesten Berichte hat, übertitelte seine Rezension" ....underpowered Kaufmann is outshone by Iago....".
    Ein Freund meinte: "Kaufmann hat nicht gestört".

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Why not! .


    Ich nehme an, derjenige,der das Video eingestellt hat, aüßerte die Bitte, da er die Reaktion der Rechteinhaber - zu Recht - fürchtet. Übrigens ist in derartigen Fällen auch die bloße Verlinkung nicht unproblematisch.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ich finde, Kaufmann ist ein großartiger Otello.
    Wer anderer Meinung ist, sollte diese begründen,
    und Alternativen nennen.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Ich finde, Kaufmann ist ein großartiger Otello


    Das finde ich auch, er hat sogar meine Erwartungen übertroffen. Ich hatte mir den Otello im Kino angesehen. Auch darstellerisch war er sehr beeindruckend.


    Es gibt auch andere Kritiken:
    https://www.nytimes.com/2017/0…onas-kaufmann-otello.html


    Auf der einen Seite beklagt man sich über sein baritonales Timbre. Auf der anderen Seite hat er angeblich keine Otello-Stimme. Das widerspricht sich doch.


    Wenn ich an andere heutige Otellos denke, fallen mir nur Antonenko und Cura ein, die ihm stimmlich nun wirklich nicht ebenbürtig sind.


    :hello:


    Jolanthe

  • Es gab Kandidaten für einen derzeit rollendeckenden Kandidaten als Otello. Es gibt sie vielleicht noch immer, aber sie halten sich wohl lieber noch bedeckt, sodass im Grunde zwei Konkurrenten übrig bleiben. Jedoch:
    José Cura, der als Darsteller überzeugt, hat sich seit seinem Salzburger Otello als stimmliche Ruine geoutet, indem er weder die Lyrismen des Liebesduetts ausfüllt noch die Attacken des 2. und 3. Akts anhörbar präsentiert. Und Aleksandrs Antonenko hat die Partie stimmlich im Griff, bleibt aber im Ausdruck und als Darsteller im Konventionellen stecken.
    Italiens Heldentenöre bilden eine gähnende Lücke, von Alagna ganz zu schweigen. So bleibt nur Jonas Kaufmann als ernst zu nehmender Kandidat übrig. Wenn man bedenkt, dass sein stimmlicher Schwerpunkt aufgrund seines dunklen Timbres im deutschen Fach liegt, weil diese Partien tiefer liegen (Florestan, Max, Lohengrin, Parsifal, Siegmund, Stolzing, Tannhäuser), ist es bewundernswert, wie er fast alle italienischen Spinto-Partien bis zum Radames und Canio respektabel stimmlich (und darstellerisch sowieso!) im Griff hat - und jetzt auch noch der echten Heldenpartie des Otello kaum etwas schuldig bleibt. Es wäre unfair, ihn in dieser Partie stimmlich mit del Monaco oder als Gesamtkunstwerk mit Domingo (vor 30 Jahren!) zu messen, wenn man bedenkt, wie diese beiden im deutschen Fach z.B. den Siegmund sprachlich entstellt haben.
    Für Kaufmann ist der Otello eine Grenzpartie (für wen nicht?!), und wie er sie bewältigt, nötigt auf der ganzen Linie Respekt ab, teilweise sogar Bewunderung.
    Ich bitte also diejenigen, die hier mitreden, die Kirche im Dorf zu lassen, wenn es um schwächere Passagen geht. Es gibt sie nicht, die eierlegende Wollmilchsau, wie Domingo gerade mit seinen Bariton-Karriere vorführt. Aber Kaufmann kommt ihr sehr nahe - meint Sixtus

  • Gast/Fiesco


    Lieber Sixtus, ich bin (bisher nur beim mitlesen) nicht immer deiner geschätzten Meinung, aber was du uns hier mitgeteilt hast ist aller Ehren wert. Du hast es auf den Punkt gebracht, Danke sagt dir ein treuer Kaufmann Fan von Anfang der Karriere an.
    Jolanthe schrub,

    Zitat

    Auf der einen Seite beklagt man sich über sein baritonales Timbre . Auf der anderen Seite hat er angeblich keine Otello-Stimme. Das widerspricht sich doch.


    Das würde ich auch so sagen und dazu, soll es doch einfach einer besser machen, dann kann man immer noch darüber diskutieren! :D


    LG Fiesco

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber Gast/Fiesco,
    zunächst danke ich dir für deine offene und berührende Stellungnahme. Ich will nun, nachdem ich die Aufführung auf Youtube vollends angeschaut und angehört habe, noch einige ergänzende Anmerkungen dazu machen.
    Die Inszenierung hat, abgesehen vom überflüssigen und eher ärgerlichen stummen Vorspann, eher konventionelle Züge - was mich zwar nicht stört, aber auch kaum neue Einsichten zutage fördert.
    Zu den Sängern der Hauptpartien: Desdemona hat ihre Partie rollendeckend, mit schönen Legatobögen gesungen, aber nicht aufregend gestaltet. Sie war solide, aber nicht unbedingt mitreißend.
    Jago hat die Anweisungen der Regie glaubwürdig umgesetzt, wobei mir auffiel, dass hier von Verdis Vision des raffinierten, eleganten Charmeurs nicht überzeugend über die Rampe kam. Die Partie wurde auf einen Dutzend-Bösewicht reduziert, statt ihn als teuflisch-glattes Genie der Destruktion zu zeigen. Das wurde unterstützt durch die stimmliche Disposition des Darstellers: Er sang die Partie notengetreu, aber die Stimme hinterließ kaum Spuren, weil ein spezifisches Timbre fehlte. Dass er trotzdem großen Applaus bekam, verdankt sich der Tatsache, dass sogar das Londoner Publikum kein sicheres Urteil mehr hat, was einen guten Bariton ausmacht. Er muss mehr sein als eine mittlere Stimmlage: Grade er benötigt, weil er nicht mit extremen Höhen oder Tiefen protzen kann, einen unverkennbaren Eigenklang, einen virilen Charme, der sowohl Würde als auch Dämonie tranportieren kann. Davon war hier wenig zu spüren.
    So bleibt die Titelpartie: Kaufmann füllt sie in jeder Lage, in jeder dynamischen Schattierung aus. Was ihm manchmal fehlt, ist der metallsche Glanz, der die explosiven Ausbrüche zu erregenden Ereignissen macht - und den Piani ihre sinnliche Unwiderstehlichkeit verleiht. Aber das ändert nichts daran, dass er derzeit in dieser Patie (auf Anhieb!) konkurrenzlos ist. Das ist nicht wenig - meint Sixtus

  • Aber das ändert nichts daran, dass er derzeit in dieser Patie (auf Anhieb!) konkurrenzlos ist. Das ist nicht wenig - meint Sixtus


    Obwohl ich Kaufmann nicht mag, muß ich Dir ein bißchen recht geben. Es gibt Partien, in denen Kaufmann sich eine Einzelposition erarbeitet hat.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ja, lieber La Roche,


    das freut mich am meisten, wenn ich, und sei es nur ein bisschen, Zustimmung für die Qualitäten eines Sängers von jemandem bekomme, der ihn eigentlich nicht mag. Warum?
    Das zeigt, dass der Betreffende auf einem guten Wege ist: vom Fan (oder Anti-Fan) zum kritischen Betrachter, der zu differenzieren versteht.


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Wenn man Jonas Kaufmann nicht mit den großen Italienern - vor allem der Vergangenheit vergleicht - ist Jonas Kaufmann ein hervorragender Otello. Die Partie kommt seiner baritonal gefärbten Stimme sogar entgegen. Bitte die Kritiker, aktuell einen besseren Otello zu benennen?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die Rollen, in welchen Kaufmann für mich heute konkurrenzlos ist, sind Siegmund, Andrea Chénier und Des Grieux. Beim Otello ist für mich Gregory Kunde erste Wahl.

  • Lieber Operus,


    Die großen Otello-Interpreten waren ja, wie Kaufmann keine Italiener, z.B. Ramon Vinay, der wohl bedeutenste der 50er Jahre sang den Otello auf der Bühne 250 mal. Dann waren da noch u.a. John Vickers, John McCracken, Lauritz Melchior und auch einige russischen Tenöre, die meisten hatten als Bariton angefangen.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Operus,


    Die großen Otello-Interpreten waren ja ,wie Kaufmann keine Italiener z.B. Ramon Vinay, der wohl bedeutenste der50er Jahre sang den Otello auf der Bühne 250 mal. Dann waren da noch u.a. John Vickers, John McCracken, Lauritz Melchior und auch einige russischen Tenöre, die meisten hatten als Bariton angefangen.


    :hello: Herbert


    Lieber Herbert,


    volle Zustimmung - ich dachte halt sofort an Monaco und Co - aber die von Dir genannnten sind alle gewaltige Otello-Kaliber. Schön, dass Du wieder häufiger schreibst. Dein Wort hat als ausgebildeter Sänger mit erfolgreicher Bühnenlaufbahn in der Operndiskussion Gewicht. Bitte "junger Mann" schreibe doch wieder öfter, Dein älterer Freund Operus macht es doch auch. Nun hoffe ich, dass wir zwei Alten uns gesund beim diesjährigen Künstlertreffen der Gottlob-Frick-Gesellschaft sehen werden. Sebastian Holecek ein zur Zeit sehr gefragter Solist singt beim Festkonzert mit interessantem Programm. Glanzpartie von Holecek ist u.a. der Scarpia, mit dem Du ja auch Erfolge gefeiert hast.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich finde, Kaufmann ist ein großartiger Otello.
    Wer anderer Meinung ist, sollte diese begründen und Alternativen nennen.


    :hello: Herbert


    Ich finde es immer wieder befremdlich, wie Leute, die es wagen Einwände und Kritik anzubringen vehement angegriffen werden. Hier gleich schon provisorisch und im voraus.



    Interessant ist, dass meist die "negative" Kritik wesentlich delaillierter, pointierter analysiert und anschaulicher formuliert ist als die immer gleichen und generalisierten Lobhudeleien ohne konkrete Beispiele. "Kantilenen im 2. und 3. Akt", "strömendes Legato", "morbidezza", "italianità", "große Bögen", "baritonales Timbre", "strahlend schön" "volle Höhe", "ein ganz Großer" - das hat alles wenig konkrete Aussagekraft, wischi-waschi Formulierungen, Generalisierungen und Pauschalierungen.
    Kann es sein, dass Leute die kritischer hinhören vielleicht auch mehr hören? - Hören WOLLEN? Selbständig und emanzipiert hinhören und nicht nur nachplappern, was ihnen die Medien vorgaukeln - pardon. UND VOR ALLEM. Ich messe einen Otello nicht ausschließlich an den Sängern, die ich selbst gehört habe - hört die Opernwelt denn (in meinem Fall) in den frühen 1980er Jahren auf...?? - Oder wie bei vielen in den 1950er Jahren. Was wäre mir da alles an beeindruckenden und augenöffnenden Aufnahmen entgangen!


    Und bloß weil es heute so wenige überzeugende Otellos gibt (die waren zwar zu allen Zeiten eine eher seltene Rasse, aber wenn man sich die Vielfalt bis in die späten 1930er Jahre anschaut - wirft das auf die heutige Situation ein anderes Bild) heisst das noch lange nicht dass Kaufmann die Rolle völlig ausfüllt und ihr gerecht wird. Wem es genügt, dass der Einäugige unter den Blinden König ist - der werde damit glücklich.


    Im Fall des Otello habe ich die Übertragung im Kino gesehen. Wenn ich über diese Produktion Kritiken lese, die Marco Vratogna als SÄNGER "positiv" oder gar lobend erwähnen (präsenter und überzeugender Schauspieler, grässlicher Sänger) brauche ich gar nicht weiterlesen. Diesem Rezensenten muss ich jegliches Urteilsbewusstsein absprechen...


    Kaufmann hat für die Rolle die Stimmfarbe, aber nicht das Stamina, die natürliche power und auch nicht eine natürliche schneidende Höhe, mit der er leicht über das Orchester kommt. Das ist für ihn eine Grenzpartie und keine, die ihm liegt.
    Er hat sie sich ehrlich erarbeitet und sich vor keiner Schwierigkeit gedrückt, Pappano war da bei der Vorbereitung wohl ein Segen, aber wenn man sich nur die Tonspur anhört klingt das ganze schon viel ernüchternder als der aufgedrehte Voll-Sound im Kino.

  • Liebe Gioconda,


    Respekt vor deinen differenzierenden Argumenten, denen ich weitgehend zustimme.
    Aber auch ohne allzu tief ins Eingemachte einzutauchen, kann man doch, nicht nur in diesem Fall, auch sagen: Man muss das nehmen, was jetzt da ist. Und da sieht es bei Partien wie Otello (oder auch Tannhäuser oder Tristan) zur Zeit eher mager aus. Das relativiert manches strenge Urteil, auch wenn es, für sich betrachtet, berechtigt ist. Es sollte nur nicht so weit ausufern, dass man jeder Mode nachläuft, die meistens aus einer Not oder aus Unkenntnis geboren ist.


    Ähnlich sieht es doch bei den Verdi-Baritonen aus. Ein Freund von mir, kenntnisreich, kommt mir immer mit der Gino-Becchi-Keule, wenn es um heutige italienische Baritone geht. Da kann ich ihm kaum widersprechen, fühle mich aber nicht wohl dabei. Ich meine, wir sollten immer auf dem Teppich bleiben, den wir tatsächlich haben.


    Herzliche Grüße von Sixtus

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  • Ja so schaut´s leider aus. Dann dürfte man aber Kaufmann aber auch nicht an Domingo messen, sondern an Cura oder Antonenko. Und Lucic oder Tezier an Nucci oder Hvorostrovsky oder gar ... Domingo!? Oder Harteros, Opolais und Peretyatko an Fleming oder Netrebko? Was kommt da heraus?


    Da ist MIR nicht wohl dabei...


    Tja wie hoch "darf" man das Niveau ansetzen?

  • Liebe Gioconda,


    deinen Sänger-Reigen von einst und jetzt habe ich mir zu Gemüte geführt - und bin beeindruckt.
    Vielleicht sind diese Bewertungen der Grund dafür, dass man relativ selten Beiträge von dir liest?


    Mich reizt es immer noch (zu) oft, Stellung zu nehmen. Schlechte Angewohnheit aus meiner Merker-Zeit, die ich aber jetzt, aus biologischen Rücksichten, weitgehend hinter mir habe. Ich werde als Nächstes an der Dosierung meiner hiesigen Beiräge arbeiten. Das tut sicher den Nerven gut. Aber es gilt auch Rücksichten zu nehmen - Operus ist wachsam!


    Herzliche Grüße von Sixtus