Karl Richter - seinem Ruhm nachgespürt


  • In einem anderen Thread hat unser geschätzter dr. pingel, ein aufgewiesener Kenner der Materie, den folgenden Satz hinterlassen: "Eines aber habe ich nie verstanden, warum er als d e r Bachinterpret in Deutschland überhaupt galt." Die Rede ist von Karl Richter. Ja, warum eigentlich? Die Frage interessiert mich sehr. Karl Richter ist tief in der Leipziger Bachtradition verwurzelt. 1926 in Plauen geboren, wurde er zunächst Mitglied im Dresdener Kreuzchor (das Bild oben entstammt dieser Zeit). Nach seinem Ausscheiden ging er nach Leipzig, wo ihn der ehemalige Thomaskantor Karl Straube, der dieses Amt von 1918 bis 1939 ausübte, als seinen letzten Schüler annahm, weil er vom großen Talent des jungen Mannes überzeugt gewesen ist. Straube, gleichzeitig ein bedeutender Organist, war noch mit Max Reger befreundet, hob etliche von dessen Orgelkompositionen aus der Taufe und hatte auch seinen Nachfolger als Thomaskantor, Günther Ramin, ausgebildet. Straube ließ sich als erster Dirigent darauf ein, die Übertragung sämtlicher Kantaten von Bach im damaligen Reichsrundfunk zu leiten. Das auf vier Jahre angelegte Projekt - eines der interessantesten Kapitel deutscher Rundfunkgeschichte - zog sich wegen verschiedener Schwierigkeiten hin und blieb unvollendet, weil die Nationalsozialisten schließlich dagegen waren. Dennoch trugen diese Sendungen, die bis nach Übersee reichten, dazu bei, den Thomanerchor und damit die Leipziger Bachpflege als sehr prägend und beispielgebend in alle Welt zu vermitteln.


    Nach seinen vom Kriegseinsatz unterbrochenen Studien wurde Karl Richter selbst Thomasorganist, ein Amt, das in seiner Zeit wichtiger und prominenter gewesen sein dürfte als heute. 1951 verließ Richter die DDR und kam nach einem Zwischenaufenthalt in der Schweiz nach München, wo ihm die Leitung des damals sehr renommierten Heinrich-Schütz-Kreises angetragen wurde, aus dem er den Bach-Chor formte. Später gründete er auch das Münchner Bach-Orchester. Damit hatte er - unterstützt von geeigneten Mitgliedern der Münchner Oper - Ensemble zur Verfügung, mit dem er seine Vorstellungen der Bach-Interpretationen erarbeiten konnten. Der Erfolg gab ihm Recht. Der deutsch-deutsche Bonus erwies sich als zusätzlicher Reiz. Richter entfaltete in München und weit darüber hinaus eine rege Konzerttätigkeit, die ihn mit den Jahren auch in zahlreiche Länder führte. Bach kam aus der Kirche heraus. Faktisch war er ständig unterwegs und mied auch nicht die Länder des Ostblocks, darunter die Sowjetunion. Regelmäßige Gastspiele in den USA waren auch große Themen in den Medien, zumal sich Präsident John F. Kennedy als einer seiner glühenden Verehrer geoutet hatte. So etwas kam damals ganz groß an im Westen Deutschlands und war dem wachsenden Ruhm des Dirigenten gewiss nicht abträglich.



    Die Plattenindustrie versicherte sich von Anfang an seiner Mitarbeit. Die ersten Aufnahmen wurden noch mit dem Schütz-Kreis gemacht. Richter hat beispielsweise die erlesene Reihe Archiv Produktion der Deutschen Grammophon, die 1949 ins Leben gerufen wurde, geprägt. Absicht war es, Werke der so genannten Alten Musik nach dem jeweiligen Stand der Forschung für die Schallplatte zu konservieren. Die Ausgaben waren in den ersten Jahren sehr luxuriös und nicht eben preiswert, die Cover in Leinen gebunden, die musikwissenschaftlich geprägten Booklet mit Faden heftet. Bis zu seinem frühen Herztod hat Richter eine Aufnahme nach der anderen eingespielt, darunter auch jenes "Weihnachtsoratorium" mit Gundula Janowitz, Christa Ludwig, Fritz Wunderlich und Franz Crass, das weit verbreitet war und nicht zuletzt durch Wunderlichs Mitwirkung legendären Status erhielt. Generationen waren ehrlichen Herzens davon überzugt, dass Bach so klingen müsse. Auch das Fernsehen entdeckte Richter für sich. Die großen Chorwerke Bachs sowie seine bekanntesten Orchester- und Orgelwerke liegen in sehr bunten filmischen Versionen vor. Musikfreunde in aller Welt haben Bach zuerst durch den umtriebigen und omnipräsenten Richter kennengelernt. Das führte auch zu Verzerrungen, die bis heute nachwirken.


    Mit diesen Fakten will ich eine Antwort auf die Frage versuchen, warum Richter als d e r Bachinterpret galt. Was meinen die Mitstreiter im Forum dazu?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die Frage - warum - Richter so berühmt wurde ist von Nichtexperten schwer zu beantworten. Eigentlich auch von Experten, denn die derzeitigen betrachten Richter ja als überholt, die einstigen sahen in ihm eine Bach-Ikone. Es verhält sich hier genauso wie bei Karajan und Böhm. Dennoch gibt es einige Kernpunkte die zumindest Hinweise darauf geben worauf Richters Berühmtheit fußte. Da war er zunächst mal- wie schon beschrieben- durch die Ausbildung durch Straube und Ramin quasi "geadelt"- Die Gründung des Münchner Bach Chores (1953) uns des Münchner Bach Orchesters (1955) gaben ihm die Möglichkeiten SEINE Lesart Bachs zu realisieren.
    Oft ist es hilfreich, wenn man die allerwichtigsten Fakten über einen berühmten Interpreten wissen will, in einem Lexikon nachzuschlagen, weil man sich aus Platzgründen auf das Wichtigste beschränken muß.


    Und siehe, was finden wir in "Das neue Lexikon der Musik" (Metzler 1996) ?


    Zitat

    "Richter entwickelte als Dirigent eine neue, dynamisch-temperamentvolle Bach Interpretation, die als Gegenpol zu einer rein historischen Orientierung weithin zum Inbegriff einer idealen Darstellung wurde, aber auch auf Ablehnung stieß"


    Interessant ist hier auch, WARUM er abgelehnt wurde: wegen zu temperamentvoller Darstellung. Das hat ihm vermutlich mehr genutzt als geschadet, weil er dadurch polarisierte, Und wer polarisiert, der kann sich zumindest einer Sache sicher sein: AUFMERKSAMKEIT.
    Das ist schon mal ein guter Beginn. Dazu kommt noch die starke, weltweise Reisetätigkeit und - nicht zu unterschätzen - seine Arbeit für ARCHIV-Produktion.
    war natürlich ein weiterer Markstein zu seinem Ruhm. RIchter hat das Bachbild der zweiten Hälfte des 20, Jahrhunderts nachhaltig geprägt - sowas laässt sich nicht so einfach auslöschen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es gab ja im Grunde vorher nicht viel an Bach-Chorwerken auf Schallplatten. Das meiste, was es überhaupt aus der Zeit gibt (Lehmann, Wenzinger, Scherchen, Ramin) ist ungefähr gleichzeitig mit Richter.
    Richter hatte, spätestens bei Archiv, "all star"-Besetzungen und den Apparat der wichtigsten deutschen Plattenfirma hinter sich. Dieser logistische Vorteil ist m.E. nicht zu unterschätzen und trägt bis in die 1970er Jahre meinem Eindruck nach sehr stark zur Etablierung bestimmter Interpreten als "Quasi-Standards" bei, da nur dezidierte Sammler weniger leicht erhältliche Aufnahmen überhaupt in Erwägung zogen.
    Außerdem galt Richters Ansatz, verglichen mit Mengelberg oder Jochum, nicht zu unrecht als "modern", da ein Kammerorchester, Cembalo, vereinzelt auch Gamben und Blockflöten verwendet wurden. Für viele Hörer war die aus heutiger Sicht stärkste Konkurrenz, nämlich Leonhardt, Harnoncourt u.a. Pioniere der historischen Aufführungspraxis vermutlich noch zu ungewohnt und zweifellos auch mit den Startschwierigkeiten der alten Instrumente behaftet.
    Bei Fritz Werners Aufnahmen weiß ich nicht genau, warum die anscheinend nie annähernd so verbreitet gewesen sind wie Richters. Und die Leipziger und Dresdner (Mauersberger, Rotzsch u.a.) Einspielungen kamen meines Wissens erst ein paar Jahre später. Ebenso Rillings Kantatenprojekt (und keiner von denen hatte die Marketingmacht von DG/Archiv hinter sich).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Rillings Kantatenprojekt auf Schllplatte gab es als Subskription, und Hänssler bewarb sie intensiv.Ich sehe hier doch eine gewisse Konkurrenz zu Richter
    Richter galt zu seiner Zeit als MODERN. Manchen war er ZU modern. Daß er heute als altväterlich gesehen wird ist eine Ironie der Musikgeschichte.
    Rilling war nicht richtig modern, geriet natürlich im Jahr 2000 mit seiner Kantaten-Edition in Bedrängnis. Hänssler verfasste aus diesem Grund eine Rechtfertigung für die Wiederherausgabe der alten Aufnahmen in Form einer "Hänssler edition bachakademie" die uneingeschränkt auch auf die Aufnahmen Richters Anwendung finden könnte, denn hier wird ein großes Wort gelassen ausgesprochen: Der Artikel hate den Titel: TRADITION, WANDEL AKTUALITÄT.
    Ich gebe hier lediglich den Sinn wider. Eine Aufnahmeprojekt dieser Größenordnung sei eine über Jahre oder Jahrzehnte hinaus, in dieser Zeit sind sowohl die Aufnahmetechnik als auch die wissenschaftliche Erforschung von Bachs Werken und die daraus resultierenden Interpretationen einem ständigen Wandel unterworfen.
    Jede Aufnahme spiegle den jeweiligen Forschungsstand der Zeit der Aufnahme wieder und sei mit grösster Gewissenhaftigkeit realisiert worden. Es sei immer das Ziel gewesen dem Hörer die Emotion der Musik zu vermitteln, es sei aber so, dass sich Emotionalität, Dynamik, Artikulation und Phrasierung inzwischen verändert haben, und man im Laufe der Jahre den Stil den jeweiligen neusten Erkenntnissen und Erfordernissen angepasst habe,. Zugleich wird darauf hingewiesen, daß die jeweils besten Interpreten (das gilt uneingeschränkt auf für Richter) herangezogen wurden und hier ein Stück Schallplattengeschichte vorliege.
    Ja das war in Bezug auf Rillings Einspielungen geschrieben, passt indes auch vorzüglich auf Karl Richter, Ich habe im entsprechenden Thread über Schallplatten als Fenster in die Vergangenheit, versucht, dieses Thema zur Sprache zu bringen, stieß aber auf keine Resonanz. Ich werde bei Gelegenheit nachhaken


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Naja, Richter spiegelt vielleicht gerade noch Ende der 1950er, aber kaum Anfang der 1970er den "Forschungsstand" wieder.
    Aber es stimmt natürlich, dass bis Ende der 1980er die historisierenden Aufnahmen teils als exotisch (ich weiß noch recht genau, wie komisch mir der Klang vorkam) galten, von vielen Hörern abgelehnt wurden und Richter so etwas wie den "Standard" bildete. Insofern war der in den 1980ern eigentlich recht altmodische Rilling (er hat seinen Stil dann in den 1990ern ein wenig den HIP-Ergebnissen angepasst) eben auch noch im Rennen, zumal Richter ja nur einen Teil der Kantaten aufgenommen hatte
    Und es gibt sehr wenige Bach-Aufnahmen, verglichen mit denen Richter "modern" erscheint; einfach weil es vor Mitte der 1950er nicht viel an Bach-Chorwerken auf Platte gibt und von dem, was es gibt, vieles eben schon ähnlich wie Richter eine halbwegs kammermusikalische Besetzung und Cembali (wenn auch "schlechte", nichtauthentische) verwendet.
    Was hätte 1970 jemand hören können, dem Richter "zu modern" gewesen wäre? Ein paar historische Aufnahmen mit Ramin, die Matthäuspassion mit Mengelberg oder Klemperer und vielleicht noch Jochum (mit dem es auch die Messe usw. gibt). Scherchen hat auch die Passionen, die Messe und eine Reihe Kantaten aufgenommen, aber der ist exzentrisch und sicher nicht "altmodischer" als Richter, nur anders.


    Wenn man sich die Diskographie unten anschaut, gab es einfach nicht viel vor Richter und die meisten anderen Optionen scheinen mir recht ähnlich gewesen zu sein: modernes Kammerorchester, gemischter Chor, Frauenstimmen.
    http://www.bach-cantatas.com/BWV1.htm

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  • Was hätte 1970 jemand hören können, dem Richter "zu modern" gewesen wäre?


    Na Rilling zum Beispiel. Aber dieser Thread macht vielleicht einiges klar, daß eigenlich niemandem bewusst ist - ader absichtlich verschwiegen wird.
    Es wird ja immer wieder behauptet, die "alten" Dirigenten hätten nichts über historische Aufführungspraxis gewusst.


    Aus der Einführung zu Bach Edition im hänssler Booklet:

    Zitat

    "Gleichwohl hat Rilling mit einleuchtenden Gründen den Weg zum "historischen" Instrumentarium" nicht beschritten. Gewß ist die Kenntnis der Historischen Aufführungspraxis unabdingbar, um die Musik zum Sprechen zu bringen. Die Rekonstruktion isolierter Aspekte, meint Rilling, nützt jedoch wenig, wenn es darum geht, dem modernen, in jeder Hinsicht anders geprägten Hörer den Sinn dieser Musik zu vermitteln"


    Man höre und staune. Der gleiche Text könnte auch zur Rechtfertigung des heutigen Regietheaters herangezogen werden.
    Rilling wollte also MODERN sein und Karl Richter natürlich auch, wobei letzterer der modernere ist, oder vielmehr war.


    Richter hatte vielleicht den Vorteil, dass er die Archiv Produktion hinter sich hatte, welche ja damals nicht nur ein Plattenlabel der Deutschen Grammophon war, sondern eine wissenschaftliche Einrichtung, Jedenfalls wurde das dem Kunden so vermittelt.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine sehr interessante und sachliche Diskussion, in der ich viel Neues erfahren habe (z.B. dass Richter Thomaskantor war).
    Auch die eine Frage, die ich oben gestellt habe, ist hier beantwortet: besseres Marketing! Die Matthäuspassion war ja als Live-Aufführung in ganz Deutschland durchaus präsent. Ich habe sie oft unter Eugen Szenkar in Düsseldorf gehört, wobei mich immer mehr ein Unbehagen beschlich, wenn da 8 Kontrabässe und 1000 Streicher nebst unzähligen Bläsern in den Saal gerollt wurden. Dazu kam, was mir jetzt wieder einfällt, dass es schon Ansätze zu "schlankeren" Aufführungen gab, denn der WDR sendete zu den kirchlichen Feiertagen regelmäßig Bachsche Werke aus Herford (kirchliche Musikhochschule, überhaupt ein Zentrum protestantischer Kirchenmusik). Die Leitung hatte Eberhard Büchel, er hatte auch schon ausgewiesene Oratoriensänger. Dieser Schritt zur Würdigung von Büchel hat für mich gleichzeitig zu einer Abkehr von Karl Richter geführt.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich habe KARL RICHTER noch anläßlich der ANSBACHER BACHWOCHEN 1961 erlebt als er BACH's "Hohe Messe" aufführte, und ich war von seiner Ausstrahlung und seiner großartigen Musizierkunfst - sei es nun als Chor- und Orchesterleiter, oder als Organist und Cembalist, wie auch von seiner außerordentlichen Bescheidenheit tief beeindruckt, und für mich war er damals der geniale Interpret von sakraler Musik, vor allem der Werke von BACH, ungeachtet der schon damals aufgekommenen Kritik einiger Widersacher, daß seine Aufführungspraxis und sein Musizierstil nicht mehr aktuell sei, indem auf die neue Spielweise von Leuten wie HARNONCOURT, RiILLING oder WENZINGER hingewiesen wurde. Dennoch wollte der Großteil seiner Anhänger seinen mehr opulenten Musizierstil nicht missen. Man sollte heute nicht so leicht despektierlich über die Art, wie er damals musizierte, urteilen, schließlich galt er damals als fast konkurrenzloser BACH-Interpret, und schließlich machte er damals mit seiner Spielweise jahrzehntelang Millionen von Menschen in der ganzen Welt glücklich, und die Musikwelt lag ihm zu Füßen, selbst in NEW York, Paris, Leningrad und Toko. Seine Musizierfreude und sein Ausdrucksbedürfnis des ästhetischen Klangs waren sehr ausgeprägt. Er war ein Espressivo-Musiker und blieb seinem Stil auch bei zunehmender Konkurrenz und Kritik treu. Auch in München pflegte er mit seinem Chor und Orchester weiter seine mehr romantische, sächsische Bachtradition mit dem etwas wärmeren, sensitiverem Gesangsstil des KREUZCHORS und des THOMANERCHORS. Trotzdem hat sich bei ihm Routine nie eingestellt. Er hat die Texte der Chorwerke immer wieder neu durchdacht, und bei Bedarf auch Änderungen in seinen Konzerten vorgenommen, sei es nun auch was Tempo und Dynamik anbetrifft. So sollte man auch heute seine Sichtweise noch respektieren, auch wenn man die historische Aufführungspraxis präferiert.

    Lieber wok, ich erlaube mir, Deinen Beitrag aus dem Erinnerungsthread hierher zu kopieren. Einverstanden? Deine Worte gehen mir natürlich runter we Öl. :) Auch ich komme von Richter und seinem Stil nicht los. Und wenn ich mir noch so viel Mühe geben, den Alleinvertretungsanspruch der so genannten historisch informierten Aufführungspraxis zu verstehen. Bei diesem Interpretationsansatz vermisse ich vor allem die Sinnlichkeit und auch die Opulenz, die Richter vor allem bei Bach herausgearbeitet hat.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Auch ich komme von Richter und seinem Stil nicht los. Und wenn ich mir noch so viel Mühe geben, den Alleinvertretungsanspruch der so genannten historisch informierten Aufführungspraxis zu verstehen. Bei diesem Interpretationsansatz vermisse ich vor allem die Sinnlichkeit und auch die Opulenz, die Richter vor allem bei Bach herausgearbeitet hat.

    So ist es auch bei mir, lieber Rheingold. Seit vielen Jahren höre ich regelmäßig am Karfreitag Bachs Matthäus-Passion. Und es ist immer die von Karl Richter, die in der schönen, in Leinen-Karton verpackten und mit einem hervorragenden, ausführlichen Kommentarheft versehenen Schallplatten-Version bei mir im Schrank steht. Ich habe mir alle Mühe gegeben, auch mal zu neueren HIP-Interpretationen zu greifen, hab einige als CD gekauft, mehrere im Radio gehört und mitgeschnitten, - es ging nicht.

    Manchmal war´s einfach nicht zu ertragen, - die schnellen Tempi, bei denen man beim Eingangschoral meint, in einer Tanzveranstaltung gelandet zu sein. Das ist - für mich, das muss ich betonen -seelenlose Musik! Ihr fehlt vor allem das, was ich bei Richter immer wieder mit tiefer Rührung erfahre: Der Geist des Leidens, der Passion.

    Natürlich weiß ich, was man ihr vorhält: Unzulässige Romantisierung. Das ist mir aber völlig schnuppe! Bei Richter erlebe ich die Passion, und das ist Sinn und Zweck meines Musikhörens am Karfreitag.

  • Für mich ist die Messlatte Herreweghes Live-Aufnahme von 2010 in Essen und Köln. In Essen am Karfreitag 2010 ist er wieder in Essen, ich habe schon eine Karte. Wenn auch Richter als Wegbereiter durchaus seine Meriten hat, würde ich ihn heute als überholt betrachten. Ein anderes Beispiel ist ja Raymond Leppard, der Cavalli ausgegraben hat, aber seine Aufnahmen sind vorsintflutlich.

    Der Chor von Richter ist zu groß und unbeweglich. Außerdem hört man deutlich, dass hier Laiensänger singen, gute zwar, aber Laiensänger. Die Solisten sind Opernsänger, das hört man, aber dafür ist die Matthäuspassion nicht geschrieben. Eine Bachinterpretation, die stark emotional ist, geht an Bach vorbei, denn die Emotionen hat Bach komponiert, sie müssen nicht überhöht werden. Dass der Orchesterklang Bach nicht entspricht, ergibt sich aus den modernen Instrumenten und der Masse der Instrumentalisten. Dazu kommt mangelnde Virtuosität. Ich habe viel Bach gesungen und ihn oft verflucht, weil seine Chorsätze eigentlich für Streicher und nicht für Sänger geschrieben sind. Es gibt viele Koloraturen, und die können nun mal von einem 24köpfigen Kammerchor besser ausgeführt werden als von 100 Laien.

    Herreweghe stellt schon in der Aufstellung klar, wie man es machen muss. Rechts und links sitzen zwei kleine Chöre (jede Stimme à 4), dazu zwei kleine Orchester. Die Matthäuspassion ist nämlich doppelchörig, was meist untergeht. In der Mitte sitzt das Continuo und der Evangelist.

    Eine Besonderheit ist die (wie immer bei Herreweghe), dass die Solisten auch die Chöre mitsingen, was eine unglaubliche Geschlossenheit und auch Virtuosität für die Chöre bedeutet. Für die Arien treten die Solisten einen Schritt vor, evtl. Orchestermusiker als Solisten stehen auf.Die Tempi sind nicht überhetzt, aber auch nicht gedehnt.

    Die Solisten: Chr. Prégardien (Evangelist), Tobias Berndt (Jesus), Dorothee Mields und Hana Blazikova (eigentlich hat sie 3 Akzente, aber mein Computer enthält sie mir vor). Beide Soprane habe ich jetzt innerhalb einer Woche live in Duisburg und Essen gehört, sie sind immer noch so gut wie eh und je. Dazu als Bass Stephen McLeod, der singt, wie ein Bass singen muss. Nur der Franzose Gouillon und der Engländer Robin Blaze (Altus) hielten nicht ganz das Niveau. Herreweghe dirigiert übrigens nicht, sondern gibt so die Richtung an; er kann sich ja auf seine Musiker total verlassen.

    Natürlich weiß ich, was man ihr vorhält: Unzulässige Romantisierung. Das ist mir aber völlig schnuppe! Bei Richter erlebe ich die Passion, und das ist Sinn und Zweck meines Musikhörens am Karfreitag.

    Das finde ich übrigens völlig in Ordnung. Es gibt Aufnahmen, auf die man geprägt ist, egal, ob sie historisch richtig sind oder nicht.

    Ich habe gleich 2 solcher Aufnahmen mit Don Giovanni, nämlich die von Klemperer und die von Furtwängler. Dagegen kann die Aufnahme von René Jacobs in keiner Weise bestehen. Und auch bei Figaros Hochzeit ist mir die liebste Aufnahme immer noch die von Erich Kleiber, weil ich auch fast alle Sänger damals live in Wien erlebt habe.

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Lieber wok, ich erlaube mir, Deinen Beitrag aus dem Erinnerungsthread hierher zu kopieren. Einverstanden?


    .

    Einverstanden, lieber Rheingold! Ich bin aber erst einmal vor allem froh und glücklich, daß so große Musikkenner und -liebhaber wie Du und Helmut Hofmann nicht auch noch auf KARL RICHTER einschlagen, sondern im Gegenteil wie ich empfinden, daß man auch nicht - oder schon gar nicht - bei der Musik von BACH ganz ohne Gefühl, Sinnlichkeit, Verve und Begeisterungsfähigkeit auskommen kann.


    Viele Grüße

    wok

  • Mir geht es bei Karl Richter ganz genauso: Ich weiß, dass es eigentlich "falsch" oder zumindest (nach heutigem Stand) überholt ist, wie er das dirigiert, aber ich liebe einige seiner Aufnahmen (zum Beispiel die Matthäus-Passion mit Mathis, Baker, Schreier, FiDi und Salminen) dennoch heiß und innig und möchte diese Aufnahmen nicht missen. Die genannte Matthäus-Passion ist meine alljährliche Karfreitagsaufnahme.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich kann nur unterstreichen was ich schon weiter oben im Thread geschrieben habe



    RIchter hat das Bachbild der zweiten Hälfte des 20, Jahrhunderts nachhaltig geprägt - sowas laässt sich nicht so einfach auslöschen.

    Und hier sind wir bei einem weiteren Punkt gelandet, denen wir nicht nur bei Richter finden, sondern auch bei Böhm, Karajan, Wilhelm Kempff u.a.

    Glaubt jemand allen Ernstes,man habe damals kein historisches Bewusstsein gekannt ?

    Aber man hiet es für "überholt" auf zirpenden, schrillen oder verstimmten Instrumenten mit den als "unzuverlässig" geltenden Darmsaiten zu spielen,

    oder Knaben kastrieren zu lassen, damit ihre Stimme länger erhalten bliebe (hier als Anregung für alle HIP Fans :P)

    Der füllige Strahlende Klang war nicht eine Rückbesinnung auf die Romantik - wie oft behauptet, sondern eine Auffassung ab der Mitte des 20. Jahrhunderts, wo man froh war, altes überwundenzu haben und dem Barock danke moderner Instrumente jenen üppigen Barocken Klang zu geben, den man für natürlich hielt. Richter war übrigens ohnedies eher "federnd modern" wie schon weiter oben beschrieben.


    EINE Aufgabe der Schallplatte (CD) ist es überhaupt zeitabhängige Interpretationen für die Ewigkeit zu speichern

    Daß daran heute wenig Interesse besteht ist ein Signum unserer Zeit, die natürlich auch vergehen wird und ihr (eigentlich nicht vorhandener) "Stil "seine "Kunstwerke" und die "Ästhertik" wird vermutlich ebenso gegeisselt, wie alles vorherige. Eine Frechheit heutuger selbsternannter "Opinionleader" aus allen Bereichen ist- die "Größen der Vergangenheit", heissen sie nun Mozart oder Karl Richter nach den "Maximen" unser Zeit zu beurteilen - und schlimmer noch - zu richten....


    Zum Abschluss noch eine beruhigender Hinweis zu Karl Richter:


    Er wurde auch beurteilt. Und das Urteil bei jpc heisst:


    Zitat

    Ihre Suche nach "Karl Richter" ergab 231 Treffer

    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Gefahr, dass Karl Richter der Nichtbeachtung anheim fällt, erachte ich als gering. Zu groß ist seine Fan-Gemeinde auch heute, zu der ich mich gerne ebenfalls zähle. Das Phänomen Richter ist zeitlos. Viele Charakteristika, die seine Interpretationen ausmachen, wurden hier bereits genannt. Das mag alles noch so historisch falsch sein, das Ergebnis zählt. Ja, das Instrumentarium ist spätromantisch und die Riesenchöre sind im Vergleich unbeweglich. Aber die Originalklang-Bewegung ist doch letztlich auch oft inkonsequent. Da wird Bach zwar auf historisch korrekten Instrumenten gespielt, um dann trotzdem gemischte Profichöre einzusetzen, statt reine Knabenchöre, wie zu Bachs Zeiten. Vermutlich spielt da dann doch irgendwo der Zeitgeist mit hinein, dass dies ja eine unstatthafte Exklusion sei. Harnoncourt hat es in seinen frühen Jahren ganz konsequent gemacht, wich in den 80er Jahren dann aber auch von den Knabenchören ab.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der Grund ist wohl eher, dass die Knabenchöre fast immer zu schlecht (ähnlich wie die meisten Laienchöre der 60er) für entsprechend virtuose Interpretationen, gerade bei Stücken wie der h-moll-Messe und den Motetten, sind. Außerdem ist die kleine oder gar solistische Besetzung, die von einigen auch für die historisch richtige gehalten wird, überzeugend nur mit Profis umzusetzen. (Ich glaube zwar nicht, dass sich bei Bach solistische Besetzung flächendeckend durchsetzen wird. Andererseits hat sie sich bei Monteverdi, dessen Madrigale man bis in die 70er zuweilen noch mit großen Chören darbot, klar durchgesetzt und das wird sich im professionellen Bereich vermutlich nicht mehr ändern.)


    Richter ist halt ein ziemlicher Mischmasch, eigentlich schon aus damaliger Sicht bzw. hat sich von den späten 1950ern bis in den frühen 1980er eben innerhalb von nur gut 20 Jahren sehr viel in der Bach-Interpretation geändert. Verglichen mit wirklich spätromantischem oder jedenfalls monumentalem Zugriff (wie Mengelberg, Klemperer, Beecham etc.) hatte Richter natürlich den Anspruch durch mittelgroße Besetzung, Vollständigkeit, keine Neuinstrumentierung, daher teils auch Einsatz von Cembalo, Gamben und Blockflöten etc. vergleichsweise historisch informiert zu sein. Aber diese Kompromisse und weitere stilistische Merkmale wurden innerhalb dieser Zeit überholt, so dass Richter, der Ende der 1950er noch als "modern" gelten konnte, 20 Jahre später eben "altmodisch" (oder jedenfalls weit von dem dann aktuellen Anspruch auf historisierende Interpretation) geworden war.


    Wsa das "Überleben" betrifft, so haben Richters Einspielungen vermutlich bessere Chancen als ähnliche bei kleineren Labels mit schon damals schlechterer Distribution oder weniger Status (wie Werner, größtenteils Münchinger, Lehmann...)

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  • Ich finde, dass Johannes das sehr gut dargestellt hat, was ich auch moniert habe. Zum einen ist da die Sache mit den Knabenchören. Man weiß nicht, wie sie bei Bach geklungen haben, aber ich mochte die Thomaner der Neuzeit nie. Man höre sich nur die Aufnahmen unter Biller an!

    Der andere Punkt ist der, dass sich die Übertreibungen, vor allem beim Tempo, der späteren Originalklang-Zeit, doch wieder normalisiert hatten. Harnoncourt fand ich am Anfang ganz schrecklich. Meine Motivation für Herreweghe und andere ist also nicht die, dass sie historisch korrekt sind, sondern sie sind musikalisch einfach besser sind. Der Klang ist reicher, überhaupt nicht trockener, die Koloraturen kommen federleicht, ich meine auch die Solisten wären heute besser. Bachsche Arien ohne Vibrato klingen einfach schöner.

    Johannes macht auch zu Recht auf die heutigen Aufführungen etwa von der Marienvesper aufmerksam. Auch da sind sie vielleicht historisch nicht ganz korrekt, aber die musikalische Qualität ist überragend. Nach Dr. Pingel´s Rasiermesser höre ich mir zuerst immer Nr. 8 an (Nisi Dominus). Hier bleiben auch die kammermusikalischen Aufnahmen wie etwa bei der Weserrenaissance oder L´Arpeggiata auf der Strecke. Es fehlt dort, was ich gerne den Gabrieli-Faktor nenne. Den muss es auch bei Schütz geben. Darauf komme ich noch in einem eigenen Artikel.

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • sondern sie sind musikalisch einfach besser sind. Der Klang ist reicher, überhaupt nicht trockener, die Koloraturen kommen federleicht, ich meine auch die Solisten wären heute besser. Bachsche Arien ohne Vibrato klingen einfach schöner.

    Manche sagen so, manche sagen so. Es ist letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks und keineswegs objektiv erwiesen.


    Zu den Solisten: Ich habe noch kein besseres Solisten-Quintett gehört als in Richters später Matthäus-Passion - und in heutigen Aufnahmen schon gar nicht.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Der Grund ist wohl eher, dass die Knabenchöre fast immer zu schlecht (ähnlich wie die meisten Laienchöre der 60er) für entsprechend virtuose Interpretationen, gerade bei Stücken wie der h-moll-Messe und den Motetten, sind.

    Da ist sicher etwas dran. Allerdings gab es ja zu allen Zeiten auch wirklich herausragende Knabenchöre. Früher definitiv die Thomaner (Aufnahmen unter Straube, Ramin, Thomas, E. Mauersberger, Rotzsch) und die Kruzianer (R. Mauersberger, Flämig). Heute fiele mir bei den deutschsprachigen als erstes der Windsbacher Knabenchor ein (eigentlich schon unter Thamm und Beringer). Und dann eben die großartigen englischen Knabenchöre.

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Natürlich gibt es für uns subjektive Vorlieben, was Bach und andere Kompositionen betrifft; ich habe da auch einiges. Auf der anderen Seite gibt es die musikalische Forschung, die die objektive Seite darstellt und weiterentwickelt. Für Bach heißt das, dass heute sogar Vorstadtkantoren kleinere Chöre nehmen und vor allem auch kleine Orchester mit historischen Instrumenten (in meiner Heimatstadt in einem Vorort Messias, Markuspassion (Keiser) und das Weihnachtsoratorium. Orchester "Nel dolce" aus Köln).

    In den Zwanzigerjahren gab es in der Evangelischen Kirche eine Singbewegung, die vor allem die reformatorische Musik wieder gepflegt hat, besonders Schütz. Dabei war es höchste Kunst, Schütz a cappella zu singen. Schütz selber hat in seinen Vorworten aber selbst darauf bestanden, vielfältige Formen auszuprobieren, auch mit Instrumenten, dazu mit Solisten, Favoritchören und Tutti, kurz: das Gabrielische Erbe. Am Samstag gab der Dresdner Kammerchor in der Essener Philharmonie eine großartige Kostprobe davon.

    Auch gibt es den technischen Fortschritt in der Medizin, in der Musik, bei den digitalen Techniken überhaupt. Ein Freund, ein Computernarr, hat eine Reihe von historischen PCs im Keller stehen, auch einen Commodore, den er natürlich nicht benutzt. Die Richterschen Bach Interpretationen sind so etwas wie der Commodore der Alten Musik, man liebt sie noch, aber gehört werden die anderen Sachen.

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich kann mich eigentlich an der Diskussion micht beteiligen, weil ich nur das (immer noch als Referenz dienende) Weihnachtsoratorium von ihm habe. Ich kann zumindest sagen, dass ich Schwierigkeiten damit habe, alles "alte" (wie alt es auch immer sei) abzulehnen. Die Vorstellung, den interpretatorischen Ansatz eines Jochum, Klemperer oder auch Mengelberg bei heutigen Aufführungen zu goutieren, ist mir zwar fremd, dennoch gibt es ja offensichtlich einige Musikfreunde, die Gefallen daran finden. Richter ist ja nochmals eine Generation später und als Dokument einer (wenn vielleicht für die meisten auch überholten) musikalischen Epoche für viele noch immer hörenswert.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Die Richterschen Bach Interpretationen sind so etwas wie der Commodore der Alten Musik, man liebt sie noch, aber gehört werden die anderen Sachen.

    Wer ist "man"? Du bist in diesem Falle "man". Du hörst andere Sachen, anderen geht es ähnlich, wieder andere hören nach wie vor Richter. Ich habe - unabhängig von der jeweiligen Person - eine Allergie dagegen, wenn mir Leute ihre subjektive Meinung als objektive Wahrheit oder gar Tatsache vorgaukeln wollen.


    Mit einem Beitrag "Die richterschen Bach-Interpretationen sind für mich so etwas wie der Commodore der Alten Musik. Ich liebe sie noch, höre aber andere Sachen.", hätte ich kein Problem gehabt - obwohl dieser Vergleich natürlich mehr als hinkt, den die Richter-CD funktioniert genauso noch immer wie eine Herreweghe-CD. Der eine bevorzugt das eine, der andere das andere.


    Ich persönlich tue mit mit Herreweghes Einspielung der "Matthäus"-Passion wahnsinnig schwer, da klingt mir der Eingangschor wie eine banale weltliche Fiedelei, so beiläufig wie eine Tafeluntermalung. Es fehlt mir dort das Mystische, die Großartigkeit des Themas, das Überwältigende. All das finde ich in reichem Maße bei Richter, aber (in unterschiedlichen Abstufungen) auch bei einigen zeitgenössischeren Interpreten, aber eben nicht bei Herreweghe. Dennoch habe ich in naher Zukunft meine (späte) erste Live-Begegnung mit diesem Dirigenten geplant - freilich nicht mit Bach, sondern mit Mozart.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Von Karl Richter habe bis jetzt nur die Brandenburgischen Konzerten 1-6, aber die anderen Aufnahmen werde ich mir noch Nachholen.

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

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    Er ist also alles andere als vergessen. Als ich begann, mich für klassische Musik zu interessieren, war dieser Künstler in Sachen Bach eine, nein, besser gesagt, die Autorität. Wenige Jahre später, als die HIP-Welle langsam ins Rollen kam, wurde bereits die Nase gerümpft, wenn man seinen Namen auch nur ins Gespräch bringen wollte.

    Für mich gilt bis heute Karl Richter als eine der prägenden Persönlichkeiten für Barockmusik, speziell Bach & Händel. Über Geschmack sollte man nicht streiten, und ich würde mir niemals anmaßen, Freunden der historischen Aufführungspraxis ihre Geschmacksrichtung madig zu machen, möchte das umgekehrt aber ebenfalls für mich in Anspruch nehmen. Ich kann den Originalinstrumenten wenig abgewinnen; viel lieber höre ich den satten Klang eines Bach-Orchesters München oder des Stuttgarter Kammerorchesters, um nur zwei Beispiele anzuführen.


    Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß eines nicht allzu fernen Tages auch Karl Richters Bach-Auffassung eine Renaissance erlebt. Geschmäcker ändern sich, man hat das auf vielen Gebieten schon erlebt. Warum sollte es bei der Musik anders sein? Ich halte es da mit Eichendorffs Worten:

    Was heut' gehet müde unter,

    Hebt sich morgen neu geboren ….

    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Eure subjektiven Bekenntnisse in allen Ehren, aber ich stehe mit meiner Meinung ja nicht allein. Die Konzerte der Alten-Musik-Ensembles und die CDs, vor allem von Herreweghe, verkaufen sich ja überragend. Auch wenn es noch CDs von Richter zu kaufen gibt, live ist diese Back-Art (Gruß an Alfred) nicht mehr aktuell; Ausnahmen gibt es, wie z.B. die Thomaner mit Biller (da bekam der Schluss "Wir setzen uns mit Tränen nieder" in Bezug auf die Hörer eine ganz neue Bedeutung) .Die Matthäuspassion in der Richterschen Art wurde 2018 in Wuppertal aufgeführt; ich bin nicht hingegangen, obwohl 2 Freunde mitspielten. 120 Sänger und 100 Orchestermusiker - ein Graus). Angesichts der Tatsache, dass sich jeden Monat in Europa neue Ensembles für Alte Musik bilden, glaube ich an keine Richtersche Wiederkunft. Es ist sogar umgekehrt, viele große Orchester spielen inzwischen Haydn und Mozart mit kleinen Orchestern. Es gibt (oder gab?) beim WDR eine Reihe, da haben Alte-Musik-Dirigenten klassische Orchester dirigiert und ihnen dabei die Prinzipien Alter Musik erläutert. Alle großen Alte-Musik-Dirigenten haben ihre Tätigkeit auf Klassik und sogar Romantik ausgeweitet: Norrington, Hengelbrock, Herreweghe, Savall u.a.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • ich bin nicht hingegangen, obwohl 2 Freunde mitspielten. 120 Sänger und 100 Orchestermusiker - ein Graus

    Großartig, wenn man das so sicher, ja objektiv, beurteilen kann, obwohl man gar nicht da war! :P


    Wenn du da gewesen wärest und danach aufgrund des Erlebten tätsächlich zu diesem Urteil gelangt wärest, hätte ich das auch ernst nehmen können.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • ich bin nicht hingegangen, obwohl 2 Freunde mitspielten. 120 Sänger und 100 Orchestermusiker - ein Graus). Angesichts der Tatsache, dass sich jeden Monat in Europa neue Ensembles für Alte Musik bilden, glaube ich an keine Richtersche Wiederkunft.

    Richtersche Wiederkunft wird es nicht geben - er wird kaum von den Toten auferstehen-

    Zu der sich andauernd bildenden neuen Ensaembkes für alter Musik ist zu bedenken, daß das in weiterer Konsequenz eine Frage der Akzeptanz ist.

    Natürlich werden diese Ensembles konzertieren, hier haben die Lebenden den Toten gegenüber einen eindeutigen Vorteil. Aber Legenden sind zäh - gegen die anzutretten- das wird ein schwieriges Terrain. Vor allem wenn der Tonträgerindustrie bewusst ist, daß man ohne den Einsatz von Kapital für teure Neuproduktionen mit Lagerbeständen mehr Profit machen kann - vor allem dann wenn die Lagerbestände mit dem Hauch der Genialitä behaftet sind und man zusätzlich noch "Nachwuchspublikum" überzeugen kann - nämlich durch einen niedrigeren Preis.

    Das iist ja momentan das Problen der Tonträgerindustrie. Kein Mensch will Aufnahmen eines unbekannten "Newcomers" oder "Nobodys" einkaufen, wenn er ums halbe Geld das gleiche Werk in eine mehrfach positiv rezensierten Aufnahme mit einer Dirigentenlegende am Pult erwerben kann `??


    Man kann natürlich eine Formation oder einen Interpreten "aufbauen" aber das kostet viel Geld und Durchhaltevermögen. Beides ist offenbar derzeit rar...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Kein Mensch will Aufnahmen eines unbekannten "Newcomers" oder "Nobodys" einkaufen, wenn er ums halbe Geld das gleiche Werk in eine mehrfach positiv rezensierten Aufnahme mit einer Dirigentenlegende am Pult erwerben kann `?

    Hängt von der Vertrauenswürdigkeit des Labels ab. Vom Eigenlabel der "Chateau de Versailles Spectacles" beispielsweise kaufe ich Neuerdings fast alles und zudem oft völlig blind, im Vertrauen darauf, dass auch die mir noch unbekannten Ensembles schon etwas Hörenswertes können werden.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Wo kann man eigentlich feststellen, wieviele Treffer eine Suche ergab?

    Lieber wok,


    das ist im Grunde ganz einfach: Rufe z.B. "jpc" auf, dann erscheint oben eine Leiste mit diversen Sparten, die dritte von links ist "Klassik". Anklicken, dann bei Suche eingeben: Karl Richter. Danach anklicken: Alles von Karl Richter, und dann heißt es "Ihre Suche ergab …. Treffer", und darunter kannst Du dann unter diesen Treffern auswählen.

    Bei "amazon" ist es ähnlich: Aufrufen, dann bei den Kategorien, wo "alle" steht, den kleinen Pfeil rechts anklicken, dann auswählen: "Klassik cds & vinyl". Oben eingeben z.B. "Karl Richter", dann heißt es wieder "Ihre Suche ergab …. Treffer", und Du hast darunter die freie Auswahl.


    Schönen Abend nach Málaga,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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