Insider wissen, dass Fußnoten in wissenschaftlichen Abhandlungen tödlich langweilen (können). Doch um solche soll es hier nicht gehen. Eher um Anmerkungen zu festgefressenen Behauptungen, die sich im Laufe der Zeit den Ruf ehrwürdiger Gewissheiten erworben haben. Und um Moden, die sich als Fortschritt gebärden und, wenn sie infrage gestellt werden, wie bissige Hunde verhalten.
Aber wir wollen keine neuen Fronten eröffnen, deren Kämpfer bis zur Erschöpfung um sich schlagen, sondern im Plauderton Dinge beim Namen nennen, die sich teils als ärgerlich, teils als absurd herausstellen, wenn man etwas näher hinschaut - oder hinhört. Das Anekdotische ist durchaus erwünscht.
Es dürfen auch falsch verstandene Begriffe ins rechte Licht gerückt werden. Oder, um nicht nur Negatives zu thematisieren: Wir können auch verkannte künstlerische Tugenden zu ihrem gebührenden Platz in der Hierarchie des Musiktheaters verhelfen.
Um das Ganze nicht in tierischem Ernst ersticken zu lassen, würde ich mir gern erlauben, der Ironie einen Ehrenplatz einzuräumen und auch den Sarkasmus nicht zu verbieten.
Das Ignorieren von langweiligen Beiträgen soll nicht verboten sein, doch von besonderen Listen dafür ist, aus Gründen der Seriosität, eher abzuraten. Im Falle der Übertretung darf auch zwischen den Zeilen gelacht werden.
Falls es noch nicht erraten wurde: Es handelt sich um die zukunftsoffene Fortsetzung des Threads über die Kultur des Rückblicks. Kühne Thesen sind erwünscht, stromlinienförmige Meinungen und abgedroschene Phrasen eher weniger.
Ich eröffne den Disput mit einem meist unscharf benützten Begriff, den Operngesang betreffend:
Oft lesen wir, ein(e) Sänger(in) habe zu viel VIBRATO. Beim Weiterlesen stellt sich meistens heraus, dass etwas anderes gemeint ist, nämlich TREMOLO.
Meine These: Vibrato ist nichts Ehrenrühriges. Es ist ein der jeweiligen Stimmlage eigenes, in unterschiedlicher Ausprägung vorhandenes Schwingen (Vibrieren) des Tones. Mechanische Instrumente haben weniger davon als lebendige (also Stimmen). Weil sie lebendig sind, schwingen sie. Hohe Stimmen schwingen mehr als tiefe. Besonders ausgeprägt ist der Unterschied zwischen der männlichen und der weiblichen Stimme. Aber jedes der beiden Geschlechter enthält auch, mehr oder weniger, Anteile des anderen. So sind z.B. die helleren und dunkleren Soprane oder Tenöre usw. zu erklären: Sie vibrieren mehr oder weniger (was den Liebesduetten mehr oder weniger erregende Klangkontraste gibt.
Tremolo dagegen entsteht, wenn eine Stimme aus der Spur zu geraten droht, wenn sie zu abgenutzt, zu verbraucht ist, um ganz in der Kontrolle zu bleiben (was oft bei älteren oder technisch nicht perfekt sitzenden Stimmen zu hören ist). Es fehlt dann die Kraft für die Kontrolle.
Ich meine, eine Opernstimme braucht ein Mindestmaß an Vibrato, während das Tremolo ein Warnsignal für das kommende Ende einer Karriere ist.
Ich glaube, das enthält fürs den Anfang genügend Zündtoff, um eine Siskussion in Gang zu bringen. Den Startschuss gibt hiermit Sixtus