Sir Jeffrey Tate (1943—2017) — "Ein normales Kind war ich nicht"


  • Sir Jeffrey Philip Tate, CBE, geboren am 28. April 1943 in Salisbury, England, gestorben am 2. Juni 2017 in Bergamo, Italien, war ein britischer Dirigent und zudem Mediziner.


    Trotz angeborener Behinderungen (Spina bifida, Kyphose) studierte der 1943 geborene Tate zwischen 1961 und 1964 zunächst Medizin an der Universität von Cambridge und wurde anschließend Facharzt für Augenheilkunde. Er arbeitete einige Zeit als Augenchirurg am St Thomas' Hospital in London.


    Seine musikalische Karriere begann mit einem Musikstudium am London Opera Centre. Er fungierte als Assistent von Sir Georg Solti in Covent Garden, von Herbert von Karajan in Salzburg, von James Levine an der Metropolitan Opera in New York City und von Sir John Pritchard am Opernhaus Köln. Zudem war er Assistent unter Pierre Boulez beim berühmten "Jahrhundert-Ring" in Bayreuth 1976. Sein internationales Dirigierdebüt erfolgte 1979 an der Met.


    Tates Schwerpunkt lag auf der Musik von R. Strauss, Wagner, Mozart, aber auch am französischen Fach war er interessiert. Er arbeitete mit zahlreichen bedeutenden Orchestern in aller Welt zusammen, darunter das London Symphony Orchestra, die Berliner Philharmoniker, das Cleveland Orchestra, das Orchestre de la Suisse Romande und das Orchestre National de France.


    1985—2000 war er Chefdirigent des English Chamber Orchestra, 1991—1995 Chefdirigent der Rotterdamer Philharmoniker und 2005—2010 Chefdirigent des Orchestra del Teatro di San Carlo (Neapel).


    Auch als Operndirigent machte sich Tate einen Namen. 1986 wurde er als erste Person überhaupt zum Chefdirigenten des Royal Opera House, Covent Garden, ernannt (bis 1991). Er dirigierte an den großen Opernhäusern und bei den Salzburger Festspielen.


    Im Oktober 2007 wurde zum Chefdirigenten der Symphoniker Hamburg nominiert und trat diese Position 2009 vollumfänglich an. 2014 wurde sein Vertrag bis zum Jahr 2019 verlängert.


    Zudem war er in der Spielzeit 2016/17 Erster Gastdirigent und künstlerischer Berater des Adelaide Symphony Orchestra in Australien. Mit diesem Klangkörper stellte er 1998 einen vielbeachteten kompletten "Ring"-Zyklus auf die Beine, die erste australische Produktion seit 1913.


    Tate spielte zahlreiche Aufnahmen ein, vor allem für EMI. Darunter befindet sich eine Gesamtaufnahme der Symphonien sowie der Klavierkonzerte von Mozart (letztere mit Mitsuko Uchida).


    1990 wurde er Commander of the Order of the British Empire (CBE). Infolge der New Years' Honours 2017 wurde Jeffrey Tate "for services to British music overseas" zum Knight Bachelor ernannt und durfte sich seitdem "Sir" nennen; der Ritterschlag erfolgte am 19. April 2017 durch Prince William, Duke of Cambridge. Tate kommentierte den Ritterschlag folgendermaßen: "Ich habe die Ritterwürde nicht erwartet und vielleicht wird sie mein Leben nicht komplett verändern — und trotzdem fühle ich mich ein klein bisschen anders." (Der Spiegel)



    Am 2. Juni 2017 erlag Sir Jeffrey Tate, erklärter Sozialist und Europäer, völlig unerwartet einem Herzinfarkt während eines Museumsbesuches der Accademia Carrara in Bergamo. Er hinterlässt seinen Partner Klaus Kuhlemann, einen deutschen Geomorphologen, mit dem er seit 1977 liiert und seit 2010 auch verheiratet war.


    Tates letzte Konzerte beinhalteten die 9. Symphonie von Mahler und fanden am 30. und 31. Mai 2017 in Bozen und Trient mit dem dortigen Haydn-Orchester statt.





    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ein früher Tod für einen Dirigenten und ein großer Verlust für die Musikwelt. Wenn er in Wien Strauss dirigierte, war das für mich immer ein Höhepunkt.


    Hier ein Artikel über ihn, als er Ende 60 war. Der Artikel geht sehr ins Persönliche.
    https://goo.gl/IxtW0o

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Erst allmählich begreife ich, was für ein fabelhafter Dirigent und toller Mensch uns da vor wenigen Tagen verlassen hat. Ich habe Tate nur ein einziges Mal live erlebt. Das war 2013 im "Rosenkavalier" an der Wiener Staatsoper. Er wirkte da schon recht angeschlagen. Aus heutiger Sicht bin ich betrübt, dass ich nicht in einer seiner Wiener Wagner-Aufführungen war. Er galt ja als ein großer Wagner-Experte. Leider zeugen die offiziellen Tonträger davon so gut wie gar nicht. Bis auf die im Eröffnungsbeitrag gepostete CD mit einigen Orchesterwerken scheint es tatsächlich keine komplette Wagner-Oper unter Tate zu geben.


    Man kann nur hoffen, dass die Labels sich wenigstens sein Ableben zum Anlass nehmen, einige lange vergriffene Aufnahmen neu aufzulegen. Neben den Londoner Symphonien von Haydn mit dem English Chamber Orchestra wären da u. a. noch Beethovens Siebte und Schuberts "Große" mit der Staatskapelle Dresden zu nennen. Hinzu kommen ein paar Opernaufnahmen, die auch seit langem nicht mehr greifbar sind.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Jetzt habe ich doch noch eine weitere Wagner-Veröffentlichung von Tate gefunden:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Und ich habe noch zwei Haydn-Veröffentlichungen gefunden:



    (die Nr. 94, 95 und 96 hattest du schon gezeigt)

    und eine, wie ich finde, großartige Hänsel und Gretel-Einspielung:


    Es ist traurig, dass er nicht mehr da ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo Willi,


    wie gesagt, es gibt sämtliche Londoner Symphonien unter Tate. Bisher allerdings noch in keiner Box.





    Muss man sich alles einzeln zusammensuchen. Ich gehe aber davon aus, dass mittelfristig irgendeine Gesamtbox erscheinen wird.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sehr spannende Live-Aufnahme von Elektra:

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.