La Forza del Destino, Tel Aviv, 19.05.2017

  • Bei meinem Israel-Kurzurlaub habe ich nebenbei auch die Forza in Tel Aviv in einer Vorstellung am Freitag-Mittag besucht. Bei Betreten des Tel Aviv Performing Arts Center, in dem sich auch das Opernhaus befindet, fiel als erstes ein Kamerateam des ORF auf, welches ein Interview mit Wiens Ex-Operndirektor Ioan Hollender führte, welcher sich voller Lobes über die Israeli Opera äusserte. Aber dies nur am Rande.
    Ich erlebte eine insgesamt schöne Vorstellung der Forza, auch, wenn ich einige Details der ausverkauften Aufführung als fragwürdig empfand.
    Zunächst zur Inszenierung: Pier Francesco Maestrini hat eine ingesamt wunderschöne traditionelle Aufführung auf die Bühne gestellt. Das Bühnenbild von Juan Guillermo Nova hielt sich eins zu eins an die Vorgaben Giuseppe Verdis und seiner Librettisten Piave und Ghislanzoni. Der Einsatz nach oben fahrbarer Wänden in Kombination mit Projektionen ermöglichte alle im Libretto geforderten Schauplätze und sorgte für schnelle Umbauten. Da sorgten die kahlen Bäume im von Kerzenlicht erleuchteten ersten Akt ebenso für Gruselfeeling, wie die monumentale Klosterpforte mit der dagegen fast winzig aussehenden Leonora.
    Unvergesslich geriet die Schlachtszene, bei der das Kanonenfeuer nicht nur historische Schlachtgemälde heraufbeschwor, sondern dank der gelungenen Projektionen die ganze Bühne in Brand versetzte. Beklemmend und düster geriet das Tal zwischen hohen Bergen und seinem Bach, wo Leonora in ihrer Einsiedlerklause hauste. Meisterhaft waren auch die Kostüme von Luca Dall‘ Alpi geraten, der sämtliche Sänger opulent im Stil des 18. Jahrhunderts gekleidet hatte.
    Nun könnte man meinen, ich sei als Regietheater-Gegner im siebten Himmel geschwebt und voll auf meine Kosten gekommen. Leider, leider trat dies jedoch nicht ein, da sich der Regisseur für eine Strichfassung der Oper entschieden hatte, die mir das kalte Grausen regelrecht über den Rücken jagte. Mit einer fadenscheinigen Argumentation ("Es sei immer so gewesen", "Die Striche verbessern den Fluss der Handlung") hatte Regisseur Maestrini im dritten Akt nicht nur das musikalisch und dramaturgisch wichtige Duett "Né gustare m'è dato" zwischen Carlo und Alvaro gestrichen, sondern auch bei den Chören derart dicke gekürzt, dass das was vom dritten Akt blieb, ein völlig verstümmelter Torso war, der im Gesamtzusammenhang der Oper für mich keinen Sinn mehr ergab. Sicher: es ist üblich bei so langen und schweren Opern wie der Forza zu kürzen, und ungestrichene Aufführungen sind nicht immer der Weisheit letzter Schluss, aber das, was hier in Tel Aviv betrieben wurde, war eine absolute Unverschämtheit und Beleidigung des Komponisten. Im englischsprachigen Programmheft wurde ferner dem unwissenden Publikum mit einer kompletten Inhaltsangabe suggeriert man sehe die ganze Oper…Einfach nur unmöglich…
    Gesungen wurde in der besuchten Aufführung, von kleineren Abstrichen abgesehen, auf hohem Niveau: Die grosse Überraschung der Aufführung war Ensamble-Mitglied Ira Bertmann, die mit einem riesigen, dunklen Sopran aufwartete und mit strahlenden Höhen und bedrückenden dramatischen Bögen eine Rundum grossartige Leonora sang. „Madre pietosa Vergine“ und das berühmte „Pace“ waren Beispiele grosser Italienischer Gesangskunst. Das grosse Duett mit Bass-Veteran Giorgio Giuseppini als Padre Guardiano war ein ganz grosser, berührender Moment- Giuseppinis markanter, aber dennoch balsamischer Bass brachte alles mit, um in dieser wunderbaren, aber vergleichsweise kurzen Partie zu überzeugen. Nicht ganz glücklich war ich dagegen mit Gustavo Porta, dessen Tenor als Alvaro von Beginn an leicht belegt klang, auch seine grosse Arie des dritten Akts litt noch deutlich unter dieser nasalen Tongebung. Im späteren Verlauf der Aufführung gelangen dem Sänger dann deutlich sauberer gesungene Phrasen, aber es fehlten durch die Striche Möglichkeiten sich stimmlich zu entfalten. Dasselbe gilt auch für Ionut Pascu, der mit einem markanten, aber weichen Bariton, einen tadellosen Carlo di Vargas sang, weshalb dieser jedoch nach jahrelanger Suche bei Alvaro im Kloster auftauchte und von diesem mit „Don Carlo, voi, vivete“ begrüsst wurde, erschloss sich dank der Strichfassung nicht mehr. Aber was solls. Sehr gut hatte man zwei weitere Nebenrollen besetzt: Boris Statsenko von der Rheinoper als herrlich bissiger Fra Melitone (der Leonora bei ihrer Abkunft im Kloster als erstes ihre wenigen Habseligkeiten entwendet), und Enkelejda Shkoso als sinnliche koloratursichere Preziosilla komplettierten das Ensemble auf höchstem Niveau. Ausgezeichnet sang der Chor, einstudiert von Ethan Schmeisser, während die folkloristisch gewandeten Tänzerinnen und Tänzer bravourös die Tarantella tanzten, welche – man muss schon sogar wie durch ein Wunder- nicht gestrichen war. Grossartig dirigierte Musikchef Daniel Oren von Beginn der Ouvertüre an: Straffe, spannende Tempi, gefühlvoll und voller vorwärtsdrängender Dramatik. Es hätte sooo schön sein können…..

  • Lieber Figaroo,


    auch von mir vielen Dank für den Bericht. Wenn ich mir die Bilder ansehe, dann hast du durchaus eine schöne und passende Inszenierung erlebt. Anderswo scheint es also möglich, werkgerecht zu inszenieren. Nur in Deutschland und einigen anliegenden Ländern scheint das kaum noch einer zu können.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Bin da schon ein wenig neidisch. Tradition ist eben vorwiegend in Deutschland unerwünscht.


    Auch wenn die Forza nicht meine Lieblingsoper ist, das hätte ich mir auch angeschaut!!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Figaroo,


    auch von mir vielen Dank für den Bericht. Wenn ich mir die Bilder ansehe, dann hast du durchaus eine schöne und passende Inszenierung erlebt. Anderswo scheint es also möglich, werkgerecht zu inszenieren. Nur in Deutschland und einigen anliegenden Ländern scheint das kaum noch einer zu können.


    Liebe Grüße
    Gerhard


    Lieber Gerhard,


    diese Striche waren auch eine Form des Regietheaters, zumal diese vom Regisseur völlig willkürlich gesetzt waren. Das ist auch nicht besser als das Werk in den Irakkrieg zu versetzen wie jüngst in München. :cursing:


  • Lieber Gerhard,
    diese Striche waren auch eine Form des Regietheaters, zumal diese vom Regisseur völlig willkürlich gesetzt waren.
    Das ist auch nicht besser als das Werk in den Irakkrieg zu versetzen wie jüngst in München. :cursing:

    Um solche "genialen Ideen" zu kommentieren, wäre jedes Wort zu viel und sinnlose Zeitverschwendung!
    Ansonsten, lieber Figarooo, vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht, den ich mit Freude und Interesse gelesen habe.
    In Liberec /Reichenberg steht die "Forza" auch auf dem Spielplan. Ich habe sie vor ein paar Jahren dort gesehen und die war auch richtig gut gemacht,
    (keine schwachsinnige Verunstaltung). Ich habe seinerzeit im Forum davon berichtet.


    Herzlichst
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Von mir auch vielen Dank für deinen Bericht lieber Figarooo. Aber die Forza ist nicht grade eine kurze Oper und hat für meinen Geschmack auch einige Schwachstellen . Ich habe La Forza del Destino in Essen gesehen und dort wurde die Overtüre erst nach dem ersten Teil des ersten Aktes gespielt , die dann eigentlich keine Overtüre mehr ist. Herrn Porta habe ich schon öfters an der Rheinoper ertragen müssen.