Fabienne Conrad, Sopran – Prinzessin Marie de Gonzague
Danae Kontora, Sopran – Marion Delorme
Sandra Maxheimer, Mezzosopran – Ninon de LʼEnclos
Mathias Vidal, Tenor – Marquis de Cinq-Mars
Jeffery Krueger Tenor – De Montfort / Der polnische Botschafter (Tenor)
Jonathan Michie, Bariton – Conseiller De Thou
Sebastien Soules, Bariton – Vicomte de Fontrailles
Mark Schnaible, Bassbariton – Pater Joseph
Randall Jakobsh, Bassbariton – Der König von Frankreich
Gewandhausorchester unter David Reiland
Inszenierung Anthony Pilavachi
Choreografie Ballett 2.Akt Julia Grunwald
Bühne, Kostüm Markus Meyer
Choreinstudierung Alessandro Zuppardo
Dramaturgie Elisabeth Kühne
Da das Stück auch im Tamino Opernführer noch nicht aufgeführt ist, hier zunächst eine kurze Inhaltsangabe in den Grundzügen aus dem Gedächtnis:
Das Stück beginnt mit einer Feierlichkeit zu Ehren des jungen Marquis de Cinq-Mars, dessen Berufung an den Hof von König Ludwig XIII. unmittelbar bevorsteht. Das Land ist gespalten in Anhänger des Königs und Anhängers des allmächtigen Kardinals Richelieu. Auch unter den Feiernden besteht keine Einigkeit, wem der Marquis Loyalität schuldet. Eine Gruppe schwört ihn darauf ein, sich dem Kardinal anzuschließen die andere hingegen meint, er solle sich auf die Seite der Partei der Anhänger des Königs schlagen. Der Marquis erklärt, seine Loyalität werde beiden Mächtigen gleichermaßen gelten.
Seine heimliche Liebe gilt der Prinzessin Marie, bezüglich derer jedoch im Gespräch ist, sie aus diplomatischen Gründen entsprechend den Plänen des Kardinals mit dem polnischen König zu verheiraten. Er vertraut sich seinem Freund De Thou an. Nachdem dem Marquis mitgeteilt wurde, dass er sich für die unmittelbar bevorstehende Abreise nach Paris fertigmachen solle, ersucht er die Prinzessin um ein letztes Gespräch, indem wechselseitig Liebes- und Treueschwüre ausgetauscht werden.
Der nächste Akt beginnt bereits einige Zeit nach der Ankunft des Marquis in Paris. Dieser ist zum Günstling des Königs aufgestiegen. Er sieht sich jedoch plötzlich mit der Situation konfrontiert, dass trotz der Genehmigung des Königs bezüglich seiner Verbindung mit der Prinzessin die Pläne des Kardinals zu Verheiratung der Frau mit dem polnischen Königs konkrete Gestalt annehmen und man ihm von ihm Verzicht verlangt. Hierdurch wird sein Hass gegen den Kardinal geweckt und er schlägt sich auf die Seite der Verschwörer, die planen, den Kardinal zu entmachten.
Auf der Festivität zweier Kurtisanen (der erste Teil dieses Bildes treibt die Handlung nicht voran, sondern schildert den Ablauf des Festes mit einem groß angelegten Ballett) spitzt sich die Situation weiter zu, wobei die Verschwörer nicht bemerken, dass die Agenten des Kardinals sie die ganze Zeit über beobachten beziehungsweise belauschen. Man fast schließlich den Plan, da man sich dem Kardinal militärisch nicht gewachsen glaubt, ein Bündnis mit dem spanischen König einzugehen und dessen Truppen ins Land zu lassen, also Hochverrat zu begehen Vorhaltungen seines Freundes De Thou, der diesen Plan für verrückt und verräterisch hält stößt beim Marquis auf taube Ohren. Trotz dieser Uneinsichtigkeit beschwört De Thou mal seine Freundschaft mit dem Marquis. Die Pläne sind aber längst verraten.
Der König ist mit dem polnischen Botschafter, der gekommen ist, um der Prinzessin Hand für den polnischen König zu erbitten, auf der Jagd. Am Rande dieser Jagd gibt es ein Gespräch mit dem Handlanger des Kardinals, Pater Josef, der sprichwörtlichen grauen Eminenz, der Marie erklärt, die Pläne sein aufgeflogen, ihr Geliebter verhaftet und zum Tode verurteilt. Die Vollstreckung des Todesurteils könne sie nur dadurch abwenden, dass sie den polnischen König heirate. Widerstrebend stimmt Marie zu.
Im Kerker glaubt sich der Marquis von Marie verraten und findet lediglich Trost im Gespräch mit seinem Freund De Thou, den dem Freundschaftsversprechen folgend, ihn auch in den Kerker begleitet hat. Auch ihn erwartet als Mitverschwörer das gleiche Schicksal.
Die Prinzessin erscheint, die Liebenden schöpfen neue Hoffnung für die Flucht am nächsten Tag. Kurz darauf erscheint jedoch Pater Josef mit den Henkersknechten und erklärt, dass die Hinrichtung unmittelbar bevorstehe, der Fluchtplan ist vereiteltet. Der Marquis und De Thou werden zum Schafott geführt.
Das Stück beruht auf einem zumindest seinerzeit sehr populären Roman von de Vigny. Das Libretto ist eng an die Handlung des Romans angelegt.
Die Figur des Marquis ist historisch wie die Verschwörung, Quellen, die ich gelesen habe, sagen, dass auch die Liebesgeschichte mit der Prinzessin historisch sogar möglich aber nicht verbürgt ist.
Die Inszenierung hält sich weitgehend an das Libretto. Eine Eigenmächtigkeit, die sich der Regisseur erlaubt hat, und die er in dem von dir verlinkten Interview auch erklärt ist, dass Richelieu als Figur während des ganzen Stückes (stumm) präsent ist.
Als es ernst wird, trägt der eine Totenkopfmaske.
Zur musikalischen Teil: Die Hauptrolle wird von Matthias Vidal gesungen, der die Rolle auch in der Einspielung unter dem Leipziger GMD Schirmer gesungen hat. Das Timbre der Stimme ist sicher Geschmackssache, ich habe mich erst daran gewöhnen müssen, hatte aber glücklicherweise die Einspielung zweimal gehört, bevor ich in die Vorstellung gegangen bin. Stimmtechnisch und vom Ausdruck her ist das alles tadellos. Ich denke auch, dass Vidal mit dem französischen Fach seine Domäne gefunden hat und würde ihn vom Stimmcharakter her am ehesten (solche Vergleiche sind natürlich immer mit Vorsicht zu genießen) mit Alfredo Kraus vergleichen. Für die Klasse fehlt ihm natürlich noch einiges, aber ich denke, da ist noch Potenzial drin.
Auch die übrigen Rollen waren ausgezeichnet besetzt, Schwachpunkte konnte ich nicht ausmachen. Besonders gut gefallen hat mir übrigens auch Jakobsh in der relativ kleinen Rolle des Königs. Ganz hervorragend Michie, der für meine Begriffe noch etwas blass den Ottokar im Freischütz gesungen hatte, hier aber zur Hochform aufläuft und sowohl schauspielerisch als auch gesanglich die Rolle des De Thou . vorzüglich ausfüllt. Fabienne Conrad als Marie überzeugt mit einem kristallklaren Sopran ohne Schärfen, sauberen Höhen und ausdrucksstark im Spiel. Die Charakterrolle des Pater Josef wird wohl stimmlich also schauspielerisch von Mark Schnaible vorzüglich dargestellt, der sowohl darstellerisch als auch durch entsprechend differenziertes Singen diese Persönlichkeit, die letztendlich das personifizierte Böse darstellt (ein Flagellant aber auch Sadist), gut rüberbringt. Das Gewandhausorchester war bestens disponiert. Die Partitur wurde sehr durchsichtig realisiert und Wackler habe ich (bis auf einige in den Bläsern gegen Ende) auch keine gehört.
Die Inszenierung ist im Stil einer opulenten Ausstattungsoper gehalten und sicher ein Schmankerl für Freunde üppiger Bühnenbilder und Kostüme. Das Titelbild dieses Beitrags gibt einen guten Eindruck davon, ebenso die Fotos, die ich ihm „romantische Inszenierungen“ Faden veröffentlicht habe.
Der Regisseur hat in einem Interview erklärt, zwar einerseits die Epoche, also das 17. Jahrhundert einigermaßen authentisch abbilden zu wollen, andererseits aber darauf hingewiesen, dass er sich bei Details, zum Beispiel der Haar- und Barttracht auch Freiheiten genommen hat, aus anderen Epochen zu zitieren. Zum Stilbruch wird das aber zu keinem Zeitpunkt. Hätte er es nicht gesagt, hätte ich es wohl nicht einmal gemerkt. Ob man dergleichen opulenter Ausstattungsoper mag, ist sicher Geschmackssache. Ich habe es genossen, mal wieder in Leipzig „richtig üppige“ Kulissen, Kostüme und so weiter zu sehen. Das ist halt etwas fürs Auge, zumal die Handlung eigentlich im Grunde genommen recht dürftig ist. Es ist in gewisser Weise eine französische Variante von „Tosca“. Außerdem hat die sehr lange Szene bei den beiden Kurtisanen, in der das Ballett aufgeführt wird und in der es längere galante Spielereien und Vorträge gibt, absolut keine Funktion, bezüglich des Vorantreiben der Handlung, sodass diese nur deswegen nicht langweilig wird, weil zum einen gut gesungen wird und zum anderen vieles „fürs Auge“ dabei ist, an dem man sich erfreuen kann.
Die Personenführung ist in Ordnung, allerdings noch mal muss darauf hingewiesen werden, dass die Vorlage auch nicht viel hergibt. Psychologische Differenzierungen der Charaktere, die im Libretto doch sehr plakativ gezeichnet sind, sind einfach nicht vorhanden, und da gibt es für den Regisseur nichts zu verdeutlichen. Wie gesagt, ich hatte meinen Spaß an der schönen geschmackvollen Ausstattung, wenn es auch manchmal des guten etwas zu viel ist, aber da ging es mir, wie es mir auch bei barocken Bauwerken und anderen barocken Kunsterzeugnissen geht: manchmal habe ich das Gefühl, dass einen auch befällt, wenn man zu viele Süßigkeiten, die eigentlich durchaus wohlschmeckend sind, zu sich genommen hat. Dieser Eindruck mag aber eben auch daran liegen, dass die Szene (auf der Festivität der beiden Kurtisanen) eigentlich viel zu lang ist und die Oper möglicherweise an dieser Stelle sogar eine Kürzung vertragen könnte.
Lohnt es sich nach Leipzig zu fahren?
Da Opern in einer solch oppulentenen Inszenierung was Kostüme und Bühnenbild angeht, inzwischen in Deutschland sehr selten sind, mit Sicherheit, wenn man dies nicht grundsätzlich ablehnt. Zum anderen wird das meiner Meinung nach sehr schwache Libretto durch die hervorragende Realisierung in szenischer und musikalischer Hinsicht deutlich aufgewertet. Es wurde sehr sorgfältig gearbeitet; das Ensemble singt sogar Französisch und kein Bühnenesperanto.
Musikalisch gibt es von Gounod sicherlich besseres. Die Höhepunkte der Oper sind neben der Ouvertüre die Kavatine der Marie aus dem 1. Akt (Nuit risplendissante), die man gelegentlich auch im Konzert hört, sowie das Quartett König/Marie/Pater/Botschafter, das mich wirklich ausgesprochen beeindruckt hat.
Eine Freiheit hat sich der Regisseur heraus genommen: der Kardinal (der eigentlich im Libretto nicht vorkommt) ist quasi omnipräsent, wenn auch als stumme Rolle und tritt gegen Ende mit einer Totenmaske auf )hier wird man mE dem historischen Richelieu nicht gerecht, aber das ist ein anderes Thema). Hier wird noch einmal deutlich, dass er der eigentliche Strippenzieher ist. Auch die homoerotisch geprägte Zuneigung des Königs zum Marquis (die wohl historisch ist) wird einem etwas mit dem Holzhammer vermittelt. Ansonsten alles sehr nett, sehr gefällig, viele Ohrwürmer aber sicher musikalisch kein Geniestreich. Die größte Schwäche des Stücks ist aber meiner Meinung nach das Libretto. Die Personen bleiben doch sehr plakativ. Außerdem ist in meinen Augen Cinq-Mars (anders als Cavaradossi, der ein ähnliches Schicksal erleidet) kein wirklicher Held. Anfangs versucht er noch, sich aus dem Konflikt dadurch herausreden, dass er verspricht, es allen recht zu machen und seine Teilnahme an der Verschwörung ist nicht irgendwelchen später gewonnenen Überzeugungen (Cavaradossi ist Überzeugungstäter) geschuldet sondern allein der persönlichen Kränkung durch die Verweigerung der Ehe mit seiner Geliebten. Seine Schlussarie aber im Kerker ist deswegen meiner Meinung nach auch vor allen Dingen Ausdruck seines Selbstmitleids. Ein schwacher Charakter, ein selbstverliebter Schönling. Auch die Marie bleibt relativ blass, sie jammert viel, aber eine psychologische Zeichnung der Figur kann ich nicht erkennen. Die setzt sich übrigens in der Musik zu den beiden Figuren fort, auch dort klingt in der Musik nichts an, was über das hinausgeht, was das Libretto hergibt. Wenn man nach einem Helden in der Oper sucht, ist es De Thou. Dieser geht wider besseres Wissen aus Freundschaft mit seinem Freund, den er vergeblich zu warnen versucht, in den Untergang und hat wirklich Ideale und Format.
Opernkulinariker, die eine sehr schöne Inszenierung im Stil einer großen Ausstattungsoper auf exzellentem musikalischen und sängerischen Niveau erleben wollen, werden die genananten Schwächen verschmerzen und sollten nach LE fahren.
Das Publikum war begeistert, Sänger, Orchester und das Regieteam erhielten den verdienten tosenden Beifall, der erst durch das Absenken des Vorhangs beendet wurde.
CD Tip:
Ich bitte um Nachsicht für Fehler im Text: meine Spracherkennung lernt noch