Kurt Atterberg - Aladin - Staatstheater Braunschweig

  • Liebe Taminos,


    gestern schaffte ich es nun endlich Kurt Atterbergs Oper Aladin am Staatstheater Braunschweig zu sehen und zu hören. Für mich als großer Fan skandinavischer Musik war es ein Abend, auf den ich mich lange gefreut habe und der insgesamt auch beglückend war. Die Story von Aladin (Opernführer), seiner Wunderlampe und der liebe zu einer schönen Sultanstochter kennt wohl jeder - spätestens seit Disney. Atterberg schuf dazu eine ungemein farbenprächtige Partitur, die mit dauerhaft süßen Orientalismen in harmonischer Hinsicht jedoch ungemein schwedisch und typisch atterbergisch in der Tonsprache ist. Feurige Tänze (wie zu Beginn des 3. Aktes), exotische Stimmungsbilder, verführerische Arien - die Partitur hat eigentlich alles, was ein Hit benötigt. Manches wirkt jedoch etwas banal, eine wirkliche Dramatik kommt auch nicht auf (was leider auch szenisch nicht erreicht wurde), und spätestens im dritten Akt kennt man Atterbergs exotische Spielereien auch (zu Genüge will ich fast sagen), die durchaus auch leitmotivisch eingesetzt werden. Trotz all dem ist es ein gutes Stück, welches besonders für die Sänger dankbare Partien bereithält.
    Michael Ha gefiel mir mit seinem jugendlichen, hellen Tenor in der Rolle des träumerischen Aladin sehr gut. Hier und da kommt seine Stimme doch an die Grenzen und er muss arg stemmen, aber sein auf Schönklang ausgerichteter Tenor passt ideal zur Partie. Seine geliebte Laila wurde von der bildschönen Französin Solen Mainguené gesungen, die darstellerisch als auch gesanglich mit ihrem samtigen Sopran punkten konnte. Ihre große Arie im ersten Akt gehörte zu den Höhepunkten der Aufführung. Der scheidende Bass Selcuk Hakan Tirasoglu war in der Rolle des blinden Bettlers/des Dschinns Dschababirah zu hören. Mit strahlend tönendem Bass, stimmgewaltig, voluminös und seiner Bühnenpräsenz erhielt er zurecht mit Dirigent Alber den meisten Applaus des Abends. Oleksandr Pushniak als Muluk und Frank Blees als Sultan rundeten das auch in den kleinen Rollen gut besetzte Ensemble solide ab.
    Ein kleiner Wehmutstropfen stellt der arg zusammengeschrumpfe Chor dar, das zwar wie üblich mit großer Spielfreude agierte, jedoch klanglich schlichtweg der Partitur einiges schuldig blieb. Mein persönliches Highlight war das Dirigat vom ehemaligen GMD Jonas Alber. Alber stellte sich als sensibler Begleiter heraus, der das große Orchester reicht leise hielt, diesem trotzdem alle Farben entlocken konnte und den Sängern so eine solide Klangbasis schuf. Lobenswert auch sein nüchterner Zugang zur Partitur, die leicht zu einer Kitschorgie werden kann. Bei den Tänzen ließ er gekonnt temperamentvoll ausspielen - ein rundum gelungenes musikalisches Ergebnis!


    Musikalisch top, hatte die Inszenierung jedoch ihre Höhen und Tiefen - zugegebenermaßen mehr Tiefen als Höhen. Laut Regiesseur Andrej Woron sind Märchen in jeder Zeit Zuhause, weshalb das ganze Stück zwischen Orient, Berlin-Neukölln, China und Türkei angesiedelt ist. So mutierte der Sultan im Stück zu Erdogan, der von Merkel und Trump flankiert seinen Hofstaat um sich hat. Hätte es nicht umbedingt gebraucht - aber das ist noch okay.
    Als Grundlage der Bühne gibts einen großen Kubus - die Basarszene zu Beginn (musikalisch sehr stark, jedoch durch Modernisierung der Sprache mit Fremdschämfaktor) gibt es quasi nicht, und die großen Chancen der Massenszenen werden nicht genutzt. Da ein Teil der Akteure auf der Bühne, ein anderer Teil jedoch auf drei Stockwerke im Kubus verteilt agieren, findet auch nahezu keine Personenführung in der ersten Szene statt - da wurde ungemein viel verschenkt.
    Die Wunderhöhlenszene mit großen Felsenwänden, zahlreichen Bankfächern und einem herumschwirrenden Geisterchor hingegen gelang ungemein eindrucksvoll. Woron lässt Aladin sich den Weg durch die Geister erkämpfen, und muss die Wand der Bankfächer erklimmen um zur Wunderlampe zu gelangen. Mit der Lichtregie und der sich verschließenden Höhle war dies der szenische Höhepunkt der Aufführung. Für die Akte im Palast und in Muluks Feierstube ist das gleiche wie zur ersten Szene zu sagen. Die Distanzen sind aufgrund des Kubus viel zu weit, als das eine wahre Personenführung stattfinden kann. Schade!


    Weitere Infos wie Aufführungen und Fotos unter http://staatstheater-braunschw…roduktion/details/aladin/


    Caruso - Du wolltest auch eine Aufführung besuchen - wie hast Du das ganze empfunden?


    Beste Grüße
    Christian