"Schweig!, schweig, damit dich niemand warnt" - Arie des Kaspar und ihre Interpreten

  • Nach einem Spätromantiker habe ich nun einen Frühromantiker mit einer Arie, die mich seit meiner Jugend fasziniert hat, und die m. E. ein Beleg dafür ist, mit welch mitreißender, faszinierender Musik das Böse immer wieder dargestellt worden ist:
    „Schweig! Schweig! Damit dich niemand warnt!“, die Arie des Kaspar aus dem Freischütz von Carl Maria von Weber (1786 bis 1826).
    Anführen möchte ich mit dieser Arie die beiden Bässe, die sie m. E. mit am eindrucksvollsten und überzeugendsten, ja am „bösesten“ gesungen haben. Aber das ist ja nur meine Meinung, und deshalb soll auch durchaus über die genannten Protagonisten diskutiert werden. Dabei können Sänger aus der Mono- wie der Stereo-Ära genannt werden, wenn möglich, auch mit einer You Tube-Aufnahme.
    Sozialisiert wurde ich mit dieser Aufnahme:


    die in dieser Einspielung zu den Perlen meiner Sammlung zählt:

    Für mindestens gleichberechtigt halte ich diesen Sänger:

    den ich in dieser Einspielung auch seit vielen Jahren in meiner Sammlung habe:


    Auch diese Aufnahme zählt zu meinen Perlen.


    Ich würde mich freuen, wenn recht viele Sänger aus der Mono- wie der Stereo-Ära genannt werden, die ihr zu euren Favoriten zählt.
    Im Gegensatz zum Vorgänger-Thema haben wir die Schwierigkeit mit verschiedenen Sprachen ja nicht, wenn ich mich nicht irre. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Im Gegensatz zum Vorgänger-Thema haben wir die Schwierigkeit mit verschiedenen Sprachen ja nicht, wenn ich mich nicht irre. :D


    Sag das nicht, lieber Willi. Ich habe eben mal in meinen Beständen nachgeschaut und auf Anhieb gleich fünf nichtdeutschsprachige "Freischütze" gefunden - drei in der französischen Berabeitung von Hector Berlioz mit komponierten Dialogen und zwei in italienischer Übersetzung, in denen Boris Christoff beide Male den Kaspar singt.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • In der Tat hast du Recht, lieber Rüdiger. Ich habe sowohl die italienische Variante mit Boris Christoff als auch die französische Bearbeitung von Berlioz auch auf You Tube gefunden. Trotzdem ist die Situation eine etwas andere, weil sich ein breitere Vergleichbarkeit wie bei Nessun dorma nicht ergibt.
    Selbstverständlich lasse ich unter diesen Umständen jede Variante in einer anderen Sprache zu. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • „Schweig! Schweig! Damit dich niemand warnt!“, die Arie des Kaspar aus dem Freischütz von Carl Maria von Weber (1786 bis 1826).


    Anführen möchte ich mit dieser Arie die beiden Bässe, die sie m. E. mit am eindrucksvollsten und überzeugendsten, ja am „bösesten“ gesungen haben. Aber das ist ja nur meine Meinung, und deshalb soll auch durchaus über die genannten Protagonisten diskutiert werden. Dabei können Sänger aus der Mono- wie der Stereo-Ära genannt werden, wenn möglich, auch mit einer You Tube-Aufnahme.

    Lieber Willi,


    "Niemals sollst du mich befragen". Natürlich hast Du durch Deine Fachkompetenz mit Böhme und Frick zwei Bassisten ausgewählt, die in der Partie des Kaspar zweifelsfrei zu den besten, wenn nicht zu den allerbesten gehören. Hier zu entscheiden wem die Krone gehört ist äußerst schwierig. Beide Künstler treffen den Charakter der Partie vollkommen. Die dunkel-geheimnisvolle Stimmung stellt sich bei Frick und Böhme ohne Übertreibungen - was bei Böhme in anderen Rollen nicht selbstverständlich war - wie von selbst ein. Beide vermitteln sorgfältig differenzierten Ausdruck. Die Wortverständlichkeit bei jedem ist mustergültig. Ohne es zu stoppen habe ich den Eindruck, dass die Aufnahme von Kurt Böhme etwas schwungvoller ist. Sowohl Böhme als auch Frick meistern die gefürchtete Arie sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe problemlos. Vielleicht ist Böhme in den Koloraturen eine Idee geschmeidiger, was auch an den bereits genannten rascheren Tempi liegen könnte. Frick hat die dunklere Stimmfärbung und wirkt daher schwärzer und bei den tiefsten Tönen runder und voller. Ich neige fast dazu zu kneifen und zu sagen, es ist Geschmackssache welchen der beiden großen deutschen Bassisten man in der Arie Schweig, Schweig! favorisiert. Also machen wir es wie im Sport, wo oft Hundertstel oder Tausendstel entscheiden. Da mich Fricks Stimmtimbre auch nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit diesem Sänger nach wie vor besonders fasziniert entscheide ich aus meiner Sicht: Mit Brustbreite für Gottlob Frick. Zur Untermauerung meines Urteils möchte ich einen Berufenen zitieren, den bedeutenden Kritiker, Stimmenfachmann und Musikwissenschaftler Karl Schumann:"Keiner hat den Kaspar im Freischütz mit soviel waidmännischer Kompetenz dargestellt wie der Förstersohn Gottlob Frick, der ebenso leidenschaftliche wie kundige Jäger, das massige Mannsbild, das durch seine ernste Miene und seine nachtschwarze Stimme wirkt wie ein Dämon aus einem Märchenwald oder wie ein von Alfred Kubin gezeichneter Elementargeist zwischen Hochwald und Wolfsschlucht."
    Wer den Kaspar leichter gesungen bevorzugt, dem sei eine Aufnahme mit Walter Berry ans Herz gelegt. Aus Wien hörte ich, dass Sebastian Holecek - der immer mehr in die internationale Spitze aufsteigt - ebenfalls einen ganz hervorragenden Kaspar darstellt. Da ich Holecek noch nicht in dieser Partie erleben konnte wäre es interessant, wenn Wiener-Taminofreunde über diese Interpretation berichten könnten.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Trotzdem war der (zu) späte Kaspar in der Hamburger Verfilmung Fricks Nachruhm in dieser Rolle eher ab- als zuträglich. Und Böhme war der bessere Dialogsprecher - und die Dialoge sind bei dieser Rolle fast genauso wichtig wie das Gesungene. In einer Zeitreise zu einem "Freischütz" der 1950er Jahre würde ich also Böhme als Kaspar und Frick als Eremiten erleben wollen. :yes:


    Gesetzt ist in jedem Fall Elisabeth Grümmer als Agathe. :rolleyes:
    Und eigentlich auch Hans Hopf als Max.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • An dieser Stelle muss ich einen Irrtum korrigieren. Da ich nicht zu Hause bin, hatte ich auch meine Aufnahmen nicht zur Verfügung. Für Gottlob Frick, den ich als Kaspar vorgestellt habe, habe ich die falsche Aufnahme gepostet. Unter Keilberth singt er nämlich den Eremiten, in dieser DVD-Aufnahme der Hamburger Staatsoper:

    singt er den Kaspar. Karl Christian Kohn, der unter Keilberth den Kaspar singt, gefällt mir zwar auch ganz gut, und über ihn hätte ich später auch noch gesprochen, aber das muss ich jetzt erst noch zurückstellen.


    Zunächst einmal dir, lieber Hans, Dank für deinen eingehenden Beitrag, der mir auch zeigt, dass ich mit meinen beiden Protagonisten nicht so ganz falsch liege.


    Auch dir, lieber Stimmenliebhaber, Dank für deinen Beitrag, da du sicherlich viele Sänger kennst, die den Kaspar gesungen haben, bin ich schon gespannt auf deine weiteren Favoriten, vor allem auf einen, den ich auch als Kaspar in meiner Sammlung habe, über den ich auch später noch sprechen möchte.
    Interessant ist auch deine Zeitreisenidee. Da wäre ich sofort dabei, meine beiden Lieblingsbassisten vereint in einer Oper zu erleben, noch dazu in einer meiner drei absoluten Lieblingsopern.


    Übrigens habe ich gerade eine Aufnahme mit Kurt Böhme gehört, die ich im Rahmen meiner Prime-Mitgliedschaft bei Amazon streamen konnte, in der er mir noch ein bisschen dämonischer erscheint und gegen Ende der Arie sich gar in einen wahren Rausch singt. Vielleicht wurde er auch durch das unglaubliche Dirigat Wilhelm Furtwänglers dazu animiert:

    Ich werde gleich noch mal weiter in die Aufnahme hereinhören.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auch dir, lieber Stimmenliebhaber, Dank für deinen Beitrag, da du sicherlich viele Sänger kennst, die den Kaspar gesungen haben, bin ich schon gespannt auf deine weiteren Favoriten, vor allem auf einen, den ich auch als Kaspar in meiner Sammlung habe, über den ich auch später noch sprechen möchte.

    Mein live erlebter Lieblings-Kaspar war eigentlich Siegfried Vogel in der Berliner Berghaus-Inszenierung mit "brechtischem" Ton in den Dialogen, leider habe ich davon und überhaupt von Vogel als Kaspar keine Aufnahme (nur ein paar wenige Dialogsätze und eine halbe Strophe vom Trinklied, gedreht mit einer Amateurkamera von der Seitenbühne in schlechter Bild- und Tonqualität), es gibt aber beim DRA sowohl das Trinklied als auch die Arie aus dem 1. Akt, ich bin da dran. Die Wolfsschlucht scheint es leider nicht zu geben.


    Sein Ensemblekollege Ekkehard Wlaschiha hat hingegen als Kaspar eine riesige Karriere gemacht, hat die Rolle nicht nur in Berlin und Dresden (zur Wiedereröffnung der Semperoper), sondern auch in München, Wien, Florenz, Barcelona und an zahlreichen anderen Orten gesungen.
    Sein Kaspar ist bestens dokumentiert, nicht nur durch die Video-Aufzeichnungen aus Dresden und Barcelona, sondern auch durch die Studio-Aufnahme unter Colin Davis (wo er von den vier Hauptrolleninterpreten eigentlich der einzige ist, der mir wirklich gut gefällt. Und dann dieses Dirigat...)







    Sehr eindrucksvoll war auch Matti Salminen als Kaspar, ich hatte ihn 2x im Jahre 1995 konzertant unter Harnoncourt in der Berliner Philharmonie, er hat den Kaspar unter gleichem Dirigenten auch in der Züricher Berghaus-Inszenierung gesungen:



    In der Berliner Philharmonie gab es 1995 vier konzertante Aufführungen des "Freischütz" unter Harnoncourt, in den ersten dreien sang Salminen den Kaspar, in der vierten Wlaschiha, weil Salminen da Boris Godunow in der Friedrich-Neuinszenierung an der Deutschen Oper Berlin zu singen hatte.


    Aus den vier (bzw. in Kaspars Fall ersten drei) Aufführungen ist dann diese (Doppel-) CD entstanden (in zweifacher Aufmachung):




    Übrigens habe ich gerade eine Aufnahme mit Kurt Böhme gehört, die ich im Rahmen meiner Prime-Mitgliedschaft bei Amazon streamen konnte, in der er mir noch ein bisschen dämonischer erscheint und gegen Ende der Arie sich gar in einen wahren Rausch singt. Vielleicht wurde er auch durch das unglaubliche Dirigat Wilhelm Furtwänglers dazu animiert:

    Das ist für mich sängerisch DIE Aufnahme, alle vier Hauptrollen sind so überragend besetzt, dass es besser eigentlich gar nicht geht. Leider zelebriert Furtwängler eher einen späten Wagner als einen stürmisch-feurigen Weber! Nein, diese Tempi sind mir erheblich zu langsam, dann doch lieber die Carlos-Kleiber-Studio-Aufnahme (wo Theo Adam auch sehr markant als Kaspar ist, obwohl er diese Rolle wohl nie live gesungen hat, zumindest definitiv nicht an seinem langjährigen Stammhaus, der Staatsoper Berlin.



    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber,


    vielen Dank für deinen ausführlichen und wie immer mit umfangreichen Bildbeispielen dokumentierten Beitrag. Was nun die Furtwängler-Aufnahme betrifft, so habe ich eben den ersten Akt zu Ende gehört. Als ich in meinem erssten Textbeitrag, diese Aufnahme betreffend, von "Furtwänglers unglaublichem Dirigat" sprach, bezog ich das nur auf diese Arie.
    Im Übrigen gebe ich dir Recht, mir kam schon die Ouvertüre recht langsam vor, aber die Hörner waren grandios. Im weiteren Verlauf hörte es sich fast an wie eine spätromatnische Wagner-Oper an, da hatten wir wohl beide die gleichen Empfindungen.
    Jetzt weiß ich auch, warum du Hans Hopf als Max für "gesetzt" erklärt hast. So einen kernigen Max wie ihn habe ich ja noch nie gehört. Er lässt sich in der Tat nicht von dem vulkanischen Ungestüm dieses Kaspars nicht, sondern ist ihm als (stimmlicher) Kraftmensch mit seiner kraftvollen dunkel timbrierten Stimme m. E. durchaus gewachsen.
    Den dir zugedachten Kaspar Theo Adams, den ich selbstverständlich auch seit vielen Jahren in meiner Sammlung habe, hast du ja nun schon genannt. Ich bin auch der Meinung, dass er den Kaspar sehr dämonisch singt, aber sein Timbre passt besser zum Pizarro, den er grandios singt. Für den Kaspar fehlt ihm doch ein wenig die Schwärze eines Gottlob Frick oder eines Kurt Böhme.
    Auch einen anderen Kaspar, über den ich noch sprechen wollte, hast du schon genannt und dokumentiert und hast ihn selbst schon in dieser Rolle auf der Bühne erlebt, Matti Salminen. Auf ihn bin ich damals aufmerksam geworden, als ich die Aufnahme aus Zürich auf Classica gesehen habe. Seitdem habe ich mich verstärkt für Salminen interessiert. Die Aufnahme habe ich inzwischen auch längst in meiner Sammlung. Ich fand auch die Inszenierung von Ruth Berghaus sehr intensiv.


    Liebe Grüße und ein gesegnetes Osterfest


    Willi :)

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  • Ich bin auch der Meinung, dass er den Kaspar sehr dämonisch singt, aber sein Timbre passt besser zum Pizarro, den er grandios singt. Für den Kaspar fehlt ihm doch ein wenig die Schwärze eines Gottlob Frick oder eines Kurt Böhme.

    Lieber Willi,


    abgesehen davon, dass Adam durchaus über Bass-Schwärze verfügen konnte, ist der Kaspar aus meiner Sicht wohl die Basspartie, wo man diese am allerwenigsten braucht. Der "schwarze Bass" im Stück ist der Eremit, während der Kaspar fast schon in Bassbariton-Lage singt und wie gesagt viel Dialog zu bewältigen hat. Er muss kein schwarzer Bass, sondern ein hervorragender Singschauspieler sein. Natürlich, wenn man nur die Arie betrachtet, kann man sich Bass-Schwärze wünschen, aber in dieser Zeit begannen Weber, Meyerbeer und andere die "Ästhetik der Hässlichkeit" auf der Opernbühne einzuführen (man denke nur an die Wolfsschlucht oder das Lied des Marcel in den "Hugenotten"), insofern braucht Kaspar nicht unbedingt eine schöne Stimme, sondern kann mit einer eher "hässlichen" Stimme, die seine charakterliche Schwäche und Zerrissenheit akustisch verdeutlicht, mindestens genauso eindrucksvoll sein wie ein Kaspar mit einer schönen schwarzen Stimme, der alternativ auch den Eremiten singen könnte. Andernfalls hätte Wlaschiha kaum diese große Karriere in dieser Rolle gemacht, er war ja ein grandioser Alberich, kein grandioser Fasolt oder Fafner, das war gar nicht sein Fach.
    Auch Salminen war ja nicht der edelste und kantabelste Bass, hatte in seiner Stimme auch eine gewisse Hässlichkeit und Eckigkeit, was großartig sowohl zum Hagen als auch zum Kaspar passte. Die Frage, ob ein Bass-Kaspar oder doch ein (Bass-)Bariton-Kaspar ist also eher sekundär, entscheidend ist, ob der Sänger(-Darsteller) in der Lage ist, den besonderen Charakter seiner Rolle auch stimmlich zu vermitteln oder ob er sich auf das Produzieren von Tönen beschränkt.


    Dir auch frohe Ostern, lieber Willi! :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Trotzdem war der (zu) späte Kaspar in der Hamburger Verfilmung Fricks Nachruhm in dieser Rolle eher ab- als zuträglich. Und Böhme war der bessere Dialogsprecher - und die Dialoge sind bei dieser Rolle fast genauso wichtig wie das Gesungene. In einer Zeitreise zu einem "Freischütz" der 1950er Jahre würde ich also Böhme als Kaspar und Frick als Eremiten erleben wollen. :yes:


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    Lieber Stimenliebhaber,


    wie immer ist Deine Wertung differenziert. Der Kaspar in der Hamburger-Verfilmung wird recht unterschiedlich beurteilt. Der große J.B. Steane z. B. lobt in Opera News die ganzen Filme der Liebermann-Ära als Meilensteine des Beginns der Opernverfilmungen und findet genau wie Karl Schumann Fricks Kaspar ausdrücklich authentisch und überzeugend. Es ist richtig, dass Frick als Dialogsprecher oft nicht auf seinem sonstigen sängerischen Niveau war. Er musste dies durch Stimme, Gesang und Darstellung kompensieren und das ist meistens gelungen. Sängerisch finde ich ihn in dem besprochenen Freischütz tadellos. Auch in der Darstellung gelingt es ihm einen finsteren Typen zu verkörpern, dem er allerdings z. B. im Trinklied auch diaboliosch-heitere Züge geben kann. Also eine differenzierte, facettenreiche, glaubhafte Darstellung. Schmunzeln musste ich, dass Du Fricks Eremiten genau wie ich noch höher einstufst als den Kaspar. In dieser Partie konnte er mit der ganzen Pracht seiner Stimme glänzen und auf der Bühne meistens richtig abräumen. In Dresden und München sangen Böhme und Frick alternierend Kaspar und Eremit. Ich habe oft mit Frick darüber geprochen, dass mir sein Eremit noch besser gefiel als sein Kaspar. Seine Antwort war meist kurz angebunden. "Wenn Du moanst" und danach Schulterzucken. Joseph Keilberth, der Frick bereits seit seiner Königsberger Zeit verbunden war, wußte selbstverständlich sehr wohl, warum er in seiner Freischütz-Aufnahme, die als Referenzaufnahme gilt, Kohn als Kaspar und Frick als Eremiten wählte.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Lieber Operus,


    der Kaspar kam bei der Hamburger Verfilmung für Frick einfach schon etwas zu spät. Ich hatte mich so gefreut, Frick mal nicht hören, sondern auch beim Singen sehen zu können, und habe damals viel Geld für diese DVD ausgegeben - und war dann halt etwas enttäuscht, diesen alten Mann zu sehen, der halt kein JägerBURSCHE mehr war.
    Dass Frick in seiner Glanzzeit, also vor allem den 1950er Jahren, ein herausragender Kaspar war, steht ja außer Frage, das belegen ja gleich einige Aufnahmen. Wobei ich ihn eigentlich über die Matacic-Aufnahme in dieser Rolle kennengelernt habe, die auch nur ein Jahr vor der Hamburger Verfilmung entstanden ist - aber da überzeugt er mich rein akustisch mehr, ist höre ihn und sehe dadurch auch einen idealen Kaspar vor mir, den ich dann in der Hamburger Verfilmung nicht sehe.


    Schöne Ostern dir! :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Mein Favorit ist Peter Meven, den ich in Düsseldorf auch oft live erlebt habe. Er war auch ein vorzüglicher Sachs. Ich begründe das gerne noch ausführlicher, aber hier ist es mit dem Internet etwas problematisch. Ich bin zur Zeit in der UA.


    Христос воскресе!

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Lieber Misha,


    schönen Dank für dein Beitrag aus der fernen Ukraine. Ich habe versucht, das schlechte Internet zu ersetzen. Auf Youtube wurde ich nicht fündig, aber am großen Urwaldfluss habe ich etwas gefunden und konnte die eindrucksvolle Stimme Peter Mevens wenigstens im Trinklied bewundern:


    Ein frohes Osterfest auch dir, lieber Misha!


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Solltest du den Bürgermeister von Kiew treffen, bestelle ihm bitte schöne Grüße von mir! :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Sein Ensemblekollege Ekkehard Wlaschiha hat hingegen als Kaspar eine riesige Karriere gemacht, hat die Rolle nicht nur in Berlin und Dresden (zur Wiedereröffnung der Semperoper), sondern auch in München, Wien, Florenz, Barcelona und an zahlreichen anderen Orten gesungen.
    Sein Kaspar ist bestens dokumentiert, nicht nur durch die Video-Aufzeichnungen aus Dresden und Barcelona, sondern auch durch die Studio-Aufnahme unter Colin Davis (wo er von den vier Hauptrolleninterpreten eigentlich der einzige ist, der mir wirklich gut gefällt. Und dann dieses Dirigat...)

    Erfreulich und lobenswert, dass Ekkehard Wlaschiha hier völlig zurecht gewürdigt wurde. Er hatte weit mehr gute Partien als seinen legendären Alberich. Seinen Kaspar kenne ich nicht, werde jedoch dafür sorgen, dass ich ihn bald hören kann.
    Eigenartiger Weise ist Ekke ein oft unterschätzter Sänger.


    Herzlichst
    Operus

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  • Eigenartiger Weise ist Ekke ein oft unterschätzter Sänger.

    Wer Wlaschiha als Holländer, Telramund, Kurwenal oder Amfortas mit seiner elementaren Urkraft auf der Bühne erlebt hat, vergisst das nicht so leicht.
    Er war wirklich ein Bühnentier, kein Konzert- und Liedsänger (beides muss es geben)!


    (Und ich habe ihn noch oft erlebt: ca. 10x Pizarro, 1x Kaspar, 10x Holländer, 2x Biterolf, 5x Telramund, 2x "Rheingold"-Alberich, 5x Kurwenal, 4x Hans Sachs, 3x Amfortas, 1x Jochanaan und 1x Orest - sofern ich keine Rolle vergessen habe.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Wobei ich ihn eigentlich über die Matacic-Aufnahme in dieser Rolle kennengelernt habe, die auch nur ein Jahr vor der Hamburger Verfilmung entstanden ist - aber da überzeugt er mich rein akustisch mehr, ist höre ihn und sehe dadurch auch einen idealen Kaspar vor mir, den ich dann in der Hamburger Verfilmung nicht sehe.

    Mein lieber Stimmenliebhaber,


    so ist das, wenn man an künstlerische Leistungen mit Idealvorstellungen herangeht. Da können machmal diese (über)hohen Ansprüche naturgemäß nicht mehr erfüllt werden. Das ist mir bei einigen Sängerinnen und Sängern so ergangen.
    Interessant war für mich ein Gespräch mit Georg Solti. Ich hatte kritische Anmerkungen zu Fricks späten Gurnemanz in der hochgelobten Gesamtaufnahme. Solti antwortete, dass Frick für ihn gerade durch das Alter seine Wunschvorstellung von dieser Rolle erfüllt hätte. Auch René Kollo erzählte mir, dass Solti mehrmals von einer Traumbesetzung sprach. Ich erlebte vor nicht allzulanger Zeit Leo Nucci als Nabucco. Ein ganz großes Erlebnis wie pefekt dieser hervorragende Sängerschauspieler den Machtmenschen mit jedem Schritt, jeder Geste glaubhaft verkörpert. Zusammenbruch und Läuterung werden ungeheuer intensiv, geradezu ergreifend gestaltet. Was soll es bei einer solchen Leistung, wenn die Stimme gewissen "Altersfirn" zeigt und stellenweise recht rauer Klang zu hören ist. Darstellung auf der Opernbühne ist eine ganzheitliche Leistung und weit mehr als reiner Schöngesang. Aber wem sage ich das? Wobei sicherlich das Bühnenerlebnis weit gnädiger ist als die weit weniger emotional wirkende Tonaufzeichnung. Auch der Film ist nur ein schaler Ersatz für das Bühnenerlebnis.


    herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Auch der Film ist nur ein schaler Ersatz für das Bühnenerlebnis.

    Lieber Operus,


    das ist ja immer so (daher ja auch mein dritter Zeitreisewunsch, mir eine nur durch eine Verfilmung bekannte Inszenierung mal live zu erleben).


    Allerdings gibt es natürlich Rollen, die sich für den Spätherbst der Karriere wirklich anbieten, und andere, die sich nicht anbieten.
    Der Greis Gurnemanz bietet sich dafür ideal an, wenn man die anspruchsvolle Partie stimmlich noch schafft.


    Cosima schrieb am 22.7.1882 in ihr Tagebuch, dass Richard Wagner seinem Gurnemanz folgendes Alter zugedacht hat:
    "im ersten Akt 80, im letzten 90".


    Kaspar ist hingegen ein Jägerbursche, dem sein Dienstherr gerade die Zukunft verbaut hat, indem er seine Tochter entgegen der Tradition nicht ihm, seinem ältesten Jägerburschen, sondern Max, dem jüngeren Jägerburschen, versprochen hat. Man muss Kaspar also glauben, dass er Agathe begehrt und rasend eifersüchtig auf Max ist. Das glaube ich Gottlob Frick in der Hamburger Verfilmung nicht mehr.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich wusste doch, dass es noch einen nichtdeutschsprachigen "Freischütz" in meinem Bestand gibt - nämlich diesen:


    DER FREISCHÜTZ (ČAROSTŘELEC - Carl Maria von Weber)
    In Czech
    A lively recording in excellent sound with several of the best Czech singers of the period


    Prince Ottokar – Teodor Šrubař
    Cuno – Jaroslav Kubala
    Agathe – Ludmila Červinková
    Max – Ivo Žídek
    Ännchen – Milada Šubrtová
    Kaspar – Ladislav Mráz
    Hermit – Jaroslava Veverka
    Kilian – Jan Soumar
    Bridesmaid – Magda Špaková
    Samiel – Bohuš Hradil
    Hunter – Jaroslav Synák
    Servant – Marta Wuršerová


    Czech Radio Drama Ensemble (texts spoken by actors)
    Czechoslovak Radio Chorus (Chorus Master - Josef Blacký)
    Czechoslovak Radio Symphony Orchestra
    Conductor - Jiří Pinkas
    (Historical recording made by Czechoslovak Radio in 1953, recently remastered by Czech Radio engineers)


    Den Kaspar singt Ladislav Mráz (1923 bis 1962). Er gilt als einer der besten Bassbaritone seines Landes, obwohl er nur 38 Jahre alt wurde. Bei der Eröffnung des neuen Opernhauses in Leipzig am 9. Oktober 1960 den Sachs in den "Meistersingern". Bei der Aufnahme des "Freischütz" war er dreißig.



    Seine Stimme hat nicht die Schwärze der beiden erstgenannten Kandidaten in diesem Thread. Er klingt sehr kernig, fast schon bitter. Damit kommt er meinen Erwartungen an die Rolle des Kaspar sehr entgegen. Stimmenliebhaber hatte dazu auch bereits Grundsätzliches geschrieben. So faszinierende Frick oder Böhme auch klingen mögen, sie verfehlen den Charakter der Figur. Aber das war bereits erschöpfend behandelt worden. Für mich ist Kaspar die andere Seite von Max. Beide sind jung, nur ein paar Jahre liegen zwischen ihnen. Deshalb ist es so schwierig, einen geeigneten Sänger zu finden. Hunderte mögen stimmlich ganz fabelhaft und attraktiv sein, das reicht aber oft nicht aus. Deshalb tue ich mich sehr schwer, den Namen eines Sängers in die Runde zu werfen, der mich auch als Charakter total überzeugt. Theo Adam in der faszinierenden Carlos-Kleiber-Einspielung war genannt. Ja, so unrecht nicht! Wenngleich Kaspar ein schlauer Bursche ist und dem etwas einfältigen Max haushoch überlegen, bei Adam hat er sogar das Abitur, wenn nicht gar den Bachelor in der Forstwirtschaft. ;) Interessant ist, dass in einer Produktion des Hessischen Rundfunks von 1950 Georg Hann den Kaspar und den Eremiten singt. Das finde ich zumindest originell und nachdenkenswert.


    Ich suche weiter nach meinem Kaspar.


    Grüße von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    Rheingold 1876: Interessant ist, dass in einer Produktion des Hessischen Rundfunks von 1950 Georg Hann den Kaspar und den Eremiten singt. Das finde ich zumindest originell und nachdenkenswert.


    Wo habe ich das heute schon gelesen, bzw. wer hat das geschrieben, dass ein Sänger in einer Vorstellung den Kaspar und den Eremiten gesungen hat, und er hatte nur 3 Minuten Zeit, um sich umzuziehen. Fantastisch!
    Viel Erfolg bei deiner Suche nach deinem idealen Kaspar, lieber Rüdiger, und weiterhin


    frohes Osterfest, 2.0!


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Für mich ist Kaspar die andere Seite von Max. Beide sind jung, nur ein paar Jahre liegen zwischen ihnen.

    Das nehme ich Kurt Böhme 1954 unter Furtwängler allerdings ab. Böhme war damals 46, Hans Hopf 8 Jahre jünger - sicher, eigentlich beide einen Tick zu alt, aber (Spiel-) Alter ist ja immer relativ und das Relationsverhältnis zwischen beiden passt ganz gut.


    Für Gottlob Frick (Jahrgang 1906) kamen die Kaspar-Aufnahmen 1967 und 1968 mit Anfang 60 eigentlich zu spät. Er macht immer noch Bemerkenswertes draus, aber ideal wäre das Ganze 20 Jahre früher gewesen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Dann passten ja Theo Adam und Peter Schreier bei Kleiber 1973 mit 47 und 38 Jahren ja auch noch in dieses Altersschema hinein, nicht wahr? Georg Zeppenfeld, der Kaspar aus Dresden 2015 war sogar noch ein Jahr jünger als Böhme 1954 in Salzburg. Obwohl er figürlich nur gut die Hälfte von Kurt Böhme hat, und auch nur gut die Hälfte von seinem Dresdner Widerpart Michael König, gefiel er mir gut in der Rolle des Kaspar. Wie alt allerdings Michael König ist, weiß ich nicht. Gesanglich sah er m. E. gegen Georg Zeppenfeld alt aus.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ganz gut herausgearbeitet fand ich das Verhältnis Max-Kaspar auch in dem drastischen "Freischütz"-Film:



    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich habe mich inzwischen ein wenig über den Film kundig gemacht, und Trailer und Shortcut warfen für mich doch Fragen auf.


    Erstens unf für mich entscheidend: warum wurde die Handlung ins 19. Jahrhundert verlegt, nur, um eine Zeitgleichheit mit der Entstehung der Musik zu erreichen? Das wäre doch m. E. ziemlich naiv gedacht, denn eine realistische Darstellung des frühen 19. Jahrhunderts bedeutet doch für den Handlung der Oper eine Verfälschung à la Regietheater, und durch die Darstellung der napoleonischen Kriege ( ich meine sogar den körperlich etwas zu groß geratenen Napoleon unter den Akteuren erkannt zu haben) wird der Film zu einem Actionfilm. Ist das die richtige Art, um dem jungen Publikum, wie hier behauptet, die Oper nahe zu bringen?
    Mit dem Knowhow der heutigen Filmindustrie hätte man doch ohne Weiteres den Film auch in der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg spielen lassen können, ihn vielleicht am Rande ins Spiel bringen können und die Action in die Anfangs- und Schlussszene sowie den actionreichen Höhepunkt in die Wolfsschluchtszene legen können.
    Zweitens ahne ich jetzt auch, woher der Regisseur des Dresdner Freischütz die Idee mit der Schlägerei nach dem Königsschuss hatte: die gleiche Schlägerei und sogar der gleiche Hauptschläger (Michael König).
    Drittens: warum wird die Rolle des Kaspar mit einem Bariton besetzt (Michael Volle), obwohl dieser m. E. seine Sache gar nicht mal so schlecht macht?
    Keine Frage ist dagegen für mich die Musik. Was ich da von Daniel Harding und seiner Londons Symphony hörte, war schon großartig, voller Brio und hochdynamisch, in vielem an die für mich immer noch referenzwürdige Leistung von Carlos Kleiber und der Staatskapelle Dresden aus dem Jahre 1973 erinnernd.


    Wegen der aufgeworfenen Fragen werde ich die Blu Ray trotz der glänzenden Musik und den angesprochenen Leistungen von Juliane Banse (Agathe), Regina Mühlemann (Ännchen) und René Pape (Eremit) nicht kaufen und in Ruhe warten, ob in Berlin oder in anderer erreichbarer Ferne ein Freischütz gegeben wird mit Renè Pape als Eremit.
    Vielleicht fahre ich aber auch im März 2018 nach Dresden, um dort den Freischütz zu besuchen mit sozusagen heimischen Sängern (Torsten Kerl, 50 km von mir entfernt und Georg Zeppenfeld, 150 km von mir entfernt geboren, ein Westfale und ein Sauerländer, das passt doch).


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Im letzten Jahr am 30. Juli erlebte ich eine Freischützinszenierung am historischen Ort bei den Schlossfestspielen in Zwingenberg, die mich restlos begeisterte. Über diese Aufführung stellte ich eine Rezension hier im Forum im Bereich Oper der Klassik und Romantik ein, unter dem Threadnamen "Was gleicht wohl auf Erden dem Freischützvergnügen". Die ungewöhnlich lebendige, turbulente, witzig-ironische Inszenierung gelang dem Stuttgarter Regisseur Michael Gaedt bei seiner ersten Operninszenierung meisterhaft. Das Ensemble war auch durchweg jung und passte hervorragend zum schwungvollen Stil der Regiekonzeption. Unser Thema ist ja der Jägerbusche Kaspar: Diese hier diskutierte Partie und die richtige Rollensicht gestaltete der junge äußert wendige, agile Bassbariton Kai Preusker, der die beiden Arien stimmschön und mit ausgezeichneter Wortverständlichkeit sang. Selbst die gefürchtete Arie "Schweig!, schweig, damit dich niemand warnt" wurde ausgezeichnet gemeistert. Was dem jungen Sänger in der Tiefe noch fehlt , kompensierte er mit Verve und Schwung im Vortrag. Insgesamt also ein Kaspar, wie er unseren beiden Experten Stimmenliebhaber und Rheingold vorschwebt. Der ideale Rivale von Max auch wenn es um die Gunst der Agathe geht. Allerdings sollte der Max dann auch von einem noch jungen Tenor gesungen werden, wie das in Zwingenberg der Fall war.
    Lassen wir also die etablierten, reiferen von uns so oft gewürdigten Bassheroen Hann, Böhme, Frick, Salminen usw. den Ochs, den Hagen, den Boris singen und einigen wir uns auf die Sicht, dass Kaspar in der Idealverkörperung ein jüngerer im vollen Saft stehender Sänger sein sollte.
    Als besonderes Schmankerl darf ich noch darauf hinweisen, dass die Arie "Schweig, Schweig!" gesungen von Kai Preusker in der oben angeführten Inszenierung bei den Zwingenberger Schlossfestspielen als Liveaufnahme sowohl auf der Webseite des Sängers als auch unter You Tube zu hören ist.
    Dies ermöglicht es uns, die geäußerten Ansichten und Urteile vergleichend zu prüfen. Ist die Jugend tatsächlich in dieser Partie der Reife überlegen?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich habe deinen Bericht damals gelesen, lieber Hans und mich auch an der anschließenden Diskussion beteiligt, ebenso wie ein total unglücklicher Ex-Tamino, dessen Avatar eng mit unserem Thema verknüpft ist. Ich höre ihn im Geiste schon schimpfen, wenn er unsere Beiträge liest.


    Liebe Grüße, auch nachgereichte Ostergrüße an deine liebe Frau


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Stimmenliebhaber, lieber Rheingold!


    Ganz nachdrücklich möchte ich unterstreichen, was Ihr zum Rollenprofil des Kaspar gesagt habt.


    der Kaspar fast schon in Bassbariton-Lage singt und wie gesagt viel Dialog zu bewältigen hat. Er muss kein schwarzer Bass, sondern ein hervorragender Singschauspieler sein. .......braucht Kaspar nicht unbedingt eine schöne Stimme, sondern kann mit einer eher "hässlichen" Stimme, die seine charakterliche Schwäche und Zerrissenheit akustisch verdeutlicht, mindestens genauso eindrucksvoll sein wie ein Kaspar mit einer schönen schwarzen Stimme, ........


    Kaspar ist hingegen ein Jägerbursche, dem sein Dienstherr gerade die Zukunft verbaut hat, indem er seine Tochter entgegen der Tradition nicht ihm, seinem ältesten Jägerburschen, sondern Max, dem jüngeren Jägerburschen, versprochen hat. Man muss Kaspar also glauben, dass er Agathe begehrt und rasend eifersüchtig auf Max ist....


    In meinen ersten Freischütz-Aufführungen (Städtische Oper Berlin) habe ich Peter Roth-Ehrang gehört. Das war ganz schnörkerllos der Böse mit nachschwarzer Bassgewalt! (Greindl sag den Eremiten!).
    Dann habe ich (auch noch in den 50er Jahren in der Städtischen Oper) mit Armin Uhde einen Bassbariton gehört, der aus dem Kasper eine komplexe Figur zu machen verstand. Das hat mich entschieden mehr beeindruckt.
    In meiner Bundeswehrzeit in München habe ich später dann (im Prinzregententheater) abwechselnd Böhme und Frick gehört: Das war zu der Zeit wirklich gut! Aber sie haben mich nie so gepackt und beteiligt wie Hermann Uhde!


    Deshalb stelle ich hier auch noch "Schweig, damit dich niemand warnt!" von Hermann Uhde ein! Er intoniert die Arie mit einer ungemein markanten Pizzaro- Attacke und findet fast beängstigend viele Farben des Bösen! Wie er im Schlussteil der Arie dann die Rache-Rouladen und -Läufe singt, habe eigentlich nie wieder so prägnant und zugleich eindrucksvoll modelliert gehört wie von Uhde!



    Den Kaspar singt Ladislav Mráz (1923 bis 1962). Er gilt als einer der besten Bassbaritone seines Landes, obwohl er nur 38 Jahre alt wurde. .....
    Seine Stimme hat nicht die Schwärze der beiden erstgenannten Kandidaten in diesem Thread. Er klingt sehr kernig, fast schon bitter. Damit kommt er meinen Erwartungen an die Rolle des Kaspar sehr entgegen


    Da ich ein großer Fan von Ladislav Mráz bin, hatte ich vor einiger Zeit schon mal recherchiert, was es alles an an Aufnahmen von ihm bei Youtube gibt und bin dabei auch auf "Schweig, damit dich niemand warnt!" gestoßen. Tschechisch gesungen. Diese Sprache scheint nicht gerade förderlich für die Interpretation der Arie. Und trotzdem: Wie er sie singt, das ist schlicht großartig! Das steht für mich auf der gleichen Ebene wie Hermann Uhdes Interpretation. Deshalb möchte ich sie hier als Ergänzung für deine Erwähnung von Mráz noch nachreichen:



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Caruso,


    ich freue mich, dass du dich hier auch gemeldet hast, und ich wage fest nicht, deine Ausführungen zu korrigieren, da ich im Gegensatz zu dir ein Opernanfänger bin, aber dafür hatte ich in meiner Tätigkeit im Erinnerungsthread schon mehrfach mit Armin Uhde zu tun, und er ist doch ein lyrischer Tenor, oder?
    Tröste dich jedoch damit, dass ich mit großer Sicherheit die beiden schon öfter verwechselt hätte. Wie ich deinen Ausführungen entnehmen kann, muss Hermann Uhde über eine tiefe darstellerische Intelligenz verfügt haben, sprich, den Kaspar nicht nur zu singen sondern im Moment des Singens auch mit Haut und Haaren der Kaspar zu sein. Das bezieht sich dann natürlich auch auf alles, was die Figur des Darzustellenden auf der Bühne macht, wie er spricht, wie er sich bewegt und welche Gefühle er wie ausdrückt. Solche Menschendarsterller sind mir natürlich auch die Liebsten. Aber ich muss zugeben, dass ich, als ich das Thema eröffnete, über diese Dimension gar nicht nachgedacht habe.
    Ich habe in meiner Sammlung ja auch einen Bassbariton sowohl im Fidelio als auch im Freischütz, Theo Adam, und ich muss mir seine Darstelung noch mal zu Gemüte führen. Ich denke, dass er auch in die gleiche Kategorie einzuordnen wäre wie Hermann Uhde. Doch zunächst werde ich mir den mal anhören.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Caruso, am Wochende habe ich mal in meinen Beständen herumgehört und bin auch bei Hermann Uhde hängengeblieben, den es in mehreren Varianten gibt. Du hast ihn sehr treffend beschrieben. Ich neige dazu, ihn als meinen idealen Rollenvertreter zu bezeichnen. Er ist eine ganz starker Sängerpersönlichkeit. Sein Holländer ist gradios. Peter Roth-Ehrang kenne ich auch mit der Partie. Nur finde ich ihn auf meiner Aufnahme etwas zu gradlinig. Hier haben wir wieder das Phänomen, dass Sänger vor dem Mikrophon Hemmungen haben, die ihnen auf der Bühne nicht im Wege stehen. Live erlebt habe ich ihn nicht. Und dann blieb auch auch bei Walter Berry hängen. Allerdings bin ich mit bei ihm noch uneins mit der Bewertung. In einem Thread wie diesen ist naturgemäß das Verlangen nach Tonbeispielen groß. Nicht immer kann es befriedigt werden, wehalb auch Zerrbilder entstehen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Greindl sag den Eremiten!


    Gibt es von dem auch den Kaspar? Als Eremit trat er scheinbar öfter auf.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • .....bin auch bei Hermann Uhde hängengeblieben, den es in mehreren Varianten gibt. Du hast ihn sehr treffend beschrieben. Ich neige dazu, ihn als meinen idealen Rollenvertreter zu bezeichnen.....


    Lieber Rheingold,


    ich würde ganz eindeutig sagen, dass Hermann Uhde der beste Kapar ist, den ich je gehört habe - und zwar sowohl live als auch auf Aufnahmen! Auch das Trinklied und die Arie habe ich nie eindrucksvoller gehört.


    Wenn man allerdings nun darauf fixiert ist, dass der Kaspar eine echte schwarze Bassstimme haben müsse, dann wären für mich Alexander Kipnis (Finde ich nicht bei Youtube!) und auch Ludwig Weber die Optionen! Wie Weber die Arie mit seiner wunderbar runden, vollen und dunklen Bassstimme singt - gleichsam belcantesk - und dabei nicht im Schöngesang bleibt sondern fabelhaft sinister gestaltet, das ist umwerfend!


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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