Wagners Parsifal an der Wiener Staatsoper (09.04.) oder: Jetzt bin ich wirklich Wagnerianer

  • Hallo liebe Taminos,


    Nun zum nächsten Bericht aus der Oper vom Forenjüngling :D
    Wagner und ich, ja gefallen hat er mir ja schon immer, aber nicht mehr also Puccini oder Mozart zum Beispiel. Aber das gestern, ja ich sags jetzt einfach mal so, war eine Offenbarung.
    Ich habe von Wagner bisher nur den Lohengrin, eine meiner Lieblingsopern live gesehen und war damals schon leicht entrückt aber das gestern war schon ziemlich, wie soll ich sagen, krass!
    Vielleicht gab es in der Vergangenheit bessere Parsifal-Aufführungen, mag sein, aber dann sollte ich wohl lieber keinen mehr besuchen, sonst bin ich als Herzpatient da drin ernsthaft gefährdet. Manch einer mag diese Schilderung als leicht übertrieben empfinden, aber ich bitte die Taminos darum, sich zu erinnern, wie euer erster Parsifal war und mit welcher Wucht euch Wagners Musik damals getroffen hat!


    Ehrlich gesagt ging ich ja leicht skeptisch hin, auf Grund der Bilder die ich in der Zeitung und auf der Website gesehen habe. Da spielte der Parsifal doch tatsächlich in einem Krankenhaus bzw. in der Pathologie. Eine seltsam anmutende Erscheinung, stelle ich mir doch die strahlenden Ritter vor, den Wald und die Gralsburg.
    Das hat mich im ersten Akt etwas gestört, vor allem weil im Gesang des Öfteren auf den Wald hingewiesen wird. Wenn dann besagte Person im Arztkittel im Krankenzimmer steht, ist das etwas befremdlich. Wenn man außerdem jeden Tag mit der U6 fährt ist es etwas merkwürdig, Otto Wagners Stil auf der Opernbühne zu sehen, aber naja wems gefällt.
    Der erste Akt ging rasant vorbei und dank meiner Tamino-Erziehung weiß ich natürlich, dass nach dem ersten Akt nicht applaudiert wird. Wobei ich gestehe mir damit reichlich schwer getan zu haben. Christopher Ventris war ein beeindruckend jugendlich klingender Parsifal, der eine sehr helle Stimme hat. Für mich eine ideale Besetzung wenn ihr mich fragt!
    Gerald Finley als Amfortas war auch große Klasse, sein Gesang war die perfekte Mischung aus Schmerz, Qual und Kraft. Aber auch hier störte mich etwas seine Kostümierung.
    Ich möchte an dieser Stelle fragen, wieso macht man sowas?
    Naja wie dem auch sei, der erste Akt war schnell vorbei und Wagners Musik hatte auch die Zweifel hinsichtlich der Kostümierung und des Bühnenbildes weg geschwemmt.
    Ich kann das Gefühl nach diesem ersten Akt gar nicht beschreiben, es war irgendwie eine Art Glückseligkeit diese Musik gehört zu haben, sie hat in mir etwas ausgelöst, nicht nur blanke Begeisterung, nein, sie hat irgend etwas eingerissen, emotionale Mauern, geistige Mauern.....Ich weiß nicht so recht wie ich das mit Worten beschreiben soll, sind diese doch ein ungenügendes Instrument in diesem Fall!


    Nach der Pause ging es dann (hinunter?!) in die Pathologie mit Jochen Schmeckenbecher als Klingsor der mit blutiger Schürze die Leichen erweckte, bezaubernde rothaarige Damen die den Parsifal zu bezirzen versuchen, allerdings finde ich das rückblickend gesehen etwas schade, da die Leichentische und das drum herum die Stimmung etwas geschmälert haben. Ich habe dann einfach meine Augen geschlossen und Wagners Musik genossen, wie erhebend das doch war! Ein wenig wurde ich mit dem Bühnenbild allerdings vor der Pause doch versöhnt, als die Kundrie das Leichentuch wegzieht und Parsifal seine tote Mutter erblicken muss, ist das ein dramatischer Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt fiel mir das Bühnenbild nicht mehr soo stark ins Auge und nach der Pause merkte ich bereits das Hr. Wagners Musik etwas mit mir geschafft, angestellt hatte, ich war tief beeindruckt und aß fiebrig mein Weckerl beim Buffet ohne eine Wort zu verlieren, so beschäftigt war ich mit den musikalischen Eindrücken die ich gesammelt hatte!
    Nina Stemme als Kundrie war manchmal etwas undeutlich aber sehr kräftig, ich denke diese Rolle ist aber sehr schwer zu singen weswegen ich ihr die leichte Undeutlichkeit nicht ankreiden will!
    Jetzt springen wir mal zum Ende vor, was hat den Regisseur veranlasst das Gehirn mitten auf die Bühne zu stellen im Finale? Ich finde das reichlich unappetitlich! (Zur Erklärung, Amfortas Wunde befand sich an diesem Abend am Kopf, deswegen war immer wieder ein Riesengehirn auf der Bühne).
    Ehrlich gesagt würde ich gerne einmal mit dem Herren sprechen und ihn fragen was zum Geier das denn sollte? Ich meine gut ich weiß, worauf er hinaus wollte aber das muss doch nicht sein!
    Jetzt aber zum Dirigenten Semyon Bychkov. Ihm ist es wohl zu verdanken, dass ich endgültig zu den Wagnerianern zähle. Das Ende des letzten Aktes, ich habe es ja schon ein paar Mal auf CD gehört, aber das war einfach unglaublich. Nicht nur die Figuren erlangten Erlösung, auch ich in diesem Moment. Man fühlte sich selbst wie erlöst. Es war wie ein Rauschzustand, ein solches Gefühl hatte ich noch nie. Wie kraftvoll das Orchester auch immer wieder spielte, die Staatsoper bebte zeitweise, da bleibt mir nur zu sagen, ein Hoch auf den großen Meister Wagner und ein weiteres Hoch auf Semyon Bychkov!
    Beim Applaus war ich dann außer Rand und Band, da habe ich wohl die alte Dame links neben mir in Angst und Schrecken versetzt. Ich rief lautstark Bravo und keine Ahnung was sonst noch und klatschte wie ein Berserker. Einer Dame vor mir ging es aber ähnlich, sie lehnte sich so weit über die Gallerie, dass ich befürchtete sie würde hinunter aufs Parkett fliegen. Ihr Mann der während der Oper mit dirigiert hatte, als würde er im Orchestergraben stehen war bemüht sie zurück zu halten. Auf unserer Seiter der Gallerie war also alles und jeder aus dem Häuschen!



    Lg. euer Traubi
    Ps. hier wieder der Link zur Seite auf der Staatsoper: https://www.wiener-staatsoper.…event/963141047-parsifal/

    Die gute Zeit fällt nicht vom Himmel, sondern wir schaffen sie selbst; sie liegt in unserem Herzen eingeschlossen

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  • aber ich bitte die Taminos darum, sich zu erinnern, wie euer erster Parsifal war und mit welcher Wucht euch Wagners Musik damals getroffen hat!

    Lieber "Traubi", schön, dass du den "Parsifal" nun erstmals live erleben konntest! :thumbup:
    Zu deiner Frage: Mein erster "Parsifal" fand am 10. März 1991 in der ersten Inszenierung dieses Werkes von Harry Kupfer (Premiere 1977) an der Deutschen Staatsoper Berlin statt (es war die vorletzte Aufführung dieser Inszenierung, anderthalb Jahre später inszenierte derselbe Regisser das Werk erneut an diesem Haus), unter der Musikalischen Leitung von Heinz Fricke sangen u.a. Uta Priew (Kundry), Reiner Goldberg (Parsifal), Hans-Joachim Ketelsen (Amfortas) und Siegfried Vogel (Gurnemanz).
    Es war ein überwältigendes Erlebnis, insbesondere die Verwandlungen in den beiden Außenakten, insbesondere das Herunterkommen der riesigen Statuen im 1. Akt, aber auch der "sich zurückziehende" Schnee im Karfreitagszauber des 3. Aktes.
    Nicht alles habe ich verstanden, an manchem habe ich mich auch gerieben, zum Wagnerianer wurde ich eher durch "Holländer", "Tannhäuser", "Tristan" und "Meistersinger", aber das Werk hat mich seitdem nicht mehr losgelassen, mehr als 30 weitere Live-Begegnungen sind hinzugekommen, außerdem ist es vielleicht die Wagner-Oper, die ich am häufigsten höre (vor allem die beiden Außenakte), weil sie meines Erachtens der Szene auch nicht annäherungsweise so bedarf wie etwa eine Mozart-Oper.


    Ohne Frage ein ganz herausragendes, singuläres Werk, in jeder Beziehung!


    (P.S.: Ebenso eingebrannt haben sich mir die gewaltigen Ovationen am Ende, vor allem für Uta Priew, Siegfried Vogel und Heinz Fricke.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Traubi,


    wie schön, dass Dich der Parsifal-Zauber so gepackt hat. Bei uns ist es nach X-Besuchen dieser mystischen Oper in den verschiedensten Inszenierungen immer noch so. Wir werden versuchen im Juni in Wien auch diesen Parsifal zu erleben. Obwohl uns Deine Schilderung der Inszenierung eher skeptisch macht. Die geniale Parsifal-Musik siegt wahrscheinlich immer, auch wenn die Inszenierung so ist, dass sie weihevolle Stimmung eher behindert als fördert. Das nächste, was Du erleben solltest wäre nun Tristan. Danach bist Du Wagner unrettbar verfallen. Ich hoffe dies für Dich!


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich war in der Vorstellung vom 2. April, und musikalisch war es die beste, die ich je gehört habe. Am meisten haben mich Rene Pape als Gurnemanz, Gerald Finley als Amfortas, Bychkov und das Orchester und die Chöre beeindruckt. Einiges in dieser Inszenierung fand ich unlogisch bis störend, aber das konnte meinen Genuss nicht trüben. Ein Gehirn als Gral, naja. Aber konnte man das Einschalten des Lichts darin technisch nicht besser hinkriegen als dass es von Protagonisten (im dritten Aufzug von Kundry ...) wie eine Nachttischlampe angeknipst werden musste? Der heil'ge Speer als überdimensionaler Zahnstocher (oder Stricknadel?), der von Parsifal selbst langsam aus dem Riesengehirn gezogen wird. Der fremde Ritter in der schwarzen Rüstung (dritter Aufzug) kam in goldener Rüstung herein und sah aus wie eine Figur aus Star Wars. Einiges fand ich passend, wie z. B. die Psychiatrie mit Kundry als Patientin - im zweiten Aufzug dann sie und Parsifal in psychoanalytischem Setting, oder auch die Tatsache, dass wir uns in einer Heilanstalt befinden ("Balsam", "Der König kehrt vom Bade heim" etc.), aber dann fehlte mir doch wieder einiges, als vom Wald oder von der "Aue" die Rede war oder vom Zaubergarten, der am Ende des zweiten Aufzuges ja versinken soll. Beim Anblick der Bauten von Otto Wagner (Spital, Kirche, Station der ehemaligen Stadtbahn, heute U6 bzw. U4 Karlsplatz) musste ich schmunzeln und fand das "nett" - man befindet sich ja in Wien.
    Ein Zuviel an Auf- und Zuschieben von Wänden, aber wie auch immer - nichts von alldem konnte mich davon abhalten, nach jedem Aufzug auf positive Weise verstört zu sein. Wenn man an die vorige Inszenierung (Mielitz) oder gar an eine jüngere Salzburger Inszenierung denkt, kann man sich im gegenwärtigen Wiener Parsifal glücklich schätzen. Selten habe ich in der Oper so wenige Huster gehört. Im Publikum herrschte fast absolute Stille, als würden alle den Atem anhalten. Die wenigen einzelnen Klatscher nach dem ersten Aufzug hörten nach einem kurzen "SSSch" sofort zu klatschen auf, und nach dem Ende des dritten Aufzugs herrschte für gefühlte zwanzig Sekunden Stille, ehe der Applaus losging. Unvergesslich.
    Am Samstag, 15. April im Radio Ö1 - 19:30 bis 23:45 Uhr, aufgezeichnet bei der Premiere am 30. März und bei der Vorstellung vom 2. April.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • In zwei Tagen gibt es den Parsifal als Livestream aus der Wiener Staatsoper. Die Übertragung beginnt um 17 Uhr mit dem Vorprogramm. An der Rheinopet bleibt mir ein Parsifal in besonderer Erinnerung, dort hat Hildegard Behrens die Kundry , Kurt Moll den Gurnemanz und Wolfgang Schmidt den Parsifal gesungen. Hans Wallat hat dirigiert.

  • Die berühmte, schon legendäre "Parsifal"- Inszenierung des damaligen Intendanten Hans Schüler steht seit dem 14. April 1957 auf dem Spielplan. Zum 60. Jubiläum gab es am 9. April 2017 eine Wiederaufnahme " Es ist eine äußerst gelungene, bilderreiche Inszenierung z. B. mit beeindruckendem, stimmungsvollen Silberwald. Viele damals große Wagnersänger sangen in diesen Aufführungen. Jedes Jahr wurde verkündet, dass dies das letzte Jahr sei, in dem dieser "Parsifal" laufen würde. Weil ihn das internationale Publikum - das oft von weit anreiste . so sehr liebt und immer wieder forderte wurde die Inszenierung stets verlängert. Die 60 Jahre Laufzeit dürften wahrscheinlich Weltrekord sein. Ich konnte noch keine Rezensionen von der Wiedraufnahme lesen. Wenn es irgendwie geht und wir Karten bekommen werden wir uns diesen einmalig stimmungsvollen "Parifal" zum 4. Mal ansehen. Es wird schon wieder gemunkelt, dass 2017 endgültig das letzte Jahr sei, an dem diese Inszenierung zu sehen sei. Wer mag es glauben, zumal der Mannheimer Wagner-Verband und das Nationaltheater Bühnenbild und Kostüme, die über die Jahre gelitten haben, sanieren werden. Bleibt also zu hoffen, dass dieses Operndenmal noch lange (ewig) erhalten bleibt, auch für nachfolgende Generationen. Wundervoll, dass es so etwas in unserer schnelllebeigen Zeit noch gibt. :jubel: :jubel: :jubel:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Steht sie immer noch - und der Name des Regisseurs ist Hans Schüler.

    Lieber Stimmenliebhaber,


    Du solltest einen Preis für die schnellsten Reaktionen im Tamino- Klassik- Forum erhalten. Immerhin bekommst Du neidlose Anerkennung von mir. Ich schreibe häufig mit einem Sicherheitskonzept: Damit mir das Geschriebene nicht abhaut beginne ich den Beitrag, stelle ihn ein, recherchiere weiter und mache über Bearbeiten dann den Beitrag präsentationsfähig fertig, so wie er jetzt zu lesen ist. Ist nun allerdings ein so fixer "Richtigsteller" im Forum wird die Arbeitsweise eines langsamen Schreibers gnadenlos entschleiert. Ich kann damit leben, ab und zu mit der "Korrekturkeule" eins übergebraten zu bekommen, besonders wenn die Richtigstellung berechtigt ist.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Hans,


    auch ich profitiere seit Längerem von Stimmenliebhabers Korrekturlesen in meinem Erinnerungsthread. Nachdem ich mich anfangs an seine "originelle Art" gewöhnen musste, klappt das inzwischen sehr gut mit uns, gell, lieber Stimmenliebhaber?
    Wie dem auch sein, so scheint es ja inzwischen für mich kein Problem mehr zu sein, den für dieses Jahr krankheitshalber ausgefallenen Besuch des "Parsifal" im nächsten Jahr nachholen zu können, sei es nun in Berlin oder in Mannheim, wo sogar die Chance auf das Erlebnis einer vielfach bewährten Inszenierung besteht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Der "Parsifal" war sogar das allererste Stück, das ich live in einem Opernhaus gehört habe, und zwar an der Deutschen Oper in Berlin. Das muss irgendwann in den 80ern gewesen sein. Wagnerianer war ich schon vorher durch die Fernsehübertragungen von den Bayreuther Festspielen geworden. Die Aufführung des"Parsifal" hat seltsamerweise keinen allzu tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Ich weiß noch, dass ich einen Platz ziemlich weit oben im Rang hatte und vom Geschehen auf der Bühne wegen der großen Entfernung wenig mitbekam, zumal sich einige der Szenen auch noch hinter einem Gazevorhang abspielten. Die Titeltrolle sang James King, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt.


    Nichtsdestotrotz war der "Parsifal" lange neben "Ring" und "Tristan" meine Lieblingsoper von Wagner. Das hat sich dann irgendwann geändert, meine inhaltliche Distanz zu dem Stück wurde immer größer, gerade in den Akten I und III gibt es da viel Sakralkitsch. Ich ertrage heute kaum noch Aufführungen, die den ganzen weihevollen Kram auch noch ungebrochen und affirmativ auf die Bühne bringen. Dennoch gelingt es mir nicht, mich von dem Stück fernzuhalten, dazu ist die Musik dann doch zu großartig. Die beeindruckendste Aufführung, die ich bisher erlebt habe, war zweifellos die Inszenierung von Calixto Bieito in Stuttgart, und auch Tatjana Gürbaca hat mich vor einigen Jahren in Antwerpen mit ihrer Deutung begeistert. Mein letzter "Parsifal" war in München, szenisch interessant (Konwitschny), aber leider unsäglich dirigiert von Asher Fisch.


    Für diesen Karfreitag liegen schon einige noch ungehörte DVD- und Bluray-Aufnahmen bereit, mal sehen, für welche ich mich entscheide.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Auch ich bin durch den Parsifal ( Nagano, auf Blue-ray) endgültig zum Wagnerianer geworden, obwohl ich schon vorher sehr sehr gerne gewisse Orchesterstücke wie etwa Tristan oder Tannhäuser mit extremen Genuss hörte.


    Ausschlaggebend ist aber nicht die für mich als Katholiken ziemlich abwegige, verquere bis geradezu antichristliche Handlung des Parsifal, sondern eben die Musik an sich und auch die typischen und auf ihre Weise einzigartigen Wagner-Texte.
    Das für mich Interessanteste am Parsifal ist wohl der harmonische Aspekt. Dieses freie, in nahezu jede Richtung mögliche Modulieren ( vom halbverminderten "Tristan-Akkord" oder auch vom verminderten Akkord ausgehend) und auch dieser Einsatz der Klangfarben ( u.a. Blech...!), der ja zum satten Klangerlebnis beiträgt, faszinieren mich immer wieder neu. Der kaleidoskop-ähnliche Einfallsreichtum Wagners, seine Leitmotiv-Technik immer wieder in neuen Zusammenhängen zu variieren und anzupassen, ist ebenfalls eine unerschöpfliche Quelle der Faszination und des Lernen-Wollens.
    Das Anspielen aus dem Klavierauszug ist und war mir immer wieder eine Pflicht, der ich mit großer Freude nachgehe/ging.


    Ich geben zu, dass mich die in jeder Hinsicht überaus beeindruckende Waltraud Meier als phänomenale Kundry auch zu betören vermag, aber das nur am Rande....das hat nicht so viel mit Wagner zu tun ;)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Glockenton: Ich gebe zu, dass mich die in jeder Hinsicht überaus beeindruckende Waltraud Meier als phänomenale Kundry auch zu betören vermag, aber das nur am Rande....das hat nicht so viel mit Wagner zu tun ;)


    Lieber Glockenton, schon wieder liegen wir auf einer Linie, über Waltraud Meier hinaus hat mich auch der große Kurt Moll beeindruckt, der heute 79 Jahre alt geworden wäre.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Parsifal ist wohl meine Lieblingsoper, weniger wegen des Inhaltes, den auch ich nicht unproblematisch finde, sondern wegen der Musik, die geradezu soghaft auf mich wirkt. Meine erste Inszenierung war August Everding in Hamburg mit Rene Kollo oder Peter Hofmann in der Hauptrolle. Ferdinand Leitner am Pult. Die habe ich mehrfach gesehen und die hat mich sehr beeindruckt. Ob sie das heute noch tun würde, weiß ich nicht, eine bessere habe ich jedenfalls nicht gesehen. Da waren aber auch nur noch zwei. In New York die Otto Schenk Inszenierung, die nun völlig uninteressant war und an einer unpassenden Stelle auch noch ungewollt Lacher hervorrief, mit Domingo als Parsifal. Und dann die von Bertarido hochgeschätzte, von mir eher kritisch gesehene Mad-Max-Version von Calixto Bieito in Stuttgart. Wobei ich mir die noch einmal ansehen würde, wenn sie noch einmal aufgeführt würde.
    Aber am wichtigsten ist mir die Musik, die ich auch ohne Bühne geniessen kann.

  • Mein letzter "Parsifal" war in München, szenisch interessant (Konwitschny), aber leider unsäglich dirigiert von Asher Fisch.

    Lieber Bertrarido,
    den Münchner "Parsifal" habe ich als Kurt Moll noch den Grunemanz sang mehrfach erlebt und finde diese Inszenierung als ein Musterbeispiel einer gelungenen modernen Regie. Wer dirigiert hat weiß ich schon nicht mehr, aber es war Wagner- und "Parsifal"-würdig. In einem Punkt empfinden wir allerdings völlig unterschiedlich. Mich fasziniert besonders das mystische an dieser Oper. Je mehr sie vom pseudo-religiösen Charakter befreit wird, um so weniger berührt sie mich. Ich erlebe Mysterienzauber gerne und intensiv. Obwohl ich evangelisch bin gehe ich lieber und öfters in katholische Gottesdienste -besonders an großen Festen - und lasse mich von den Ritualen überwältigen. So unterschiedlich sind wir Menschen und genau das ist gut so, weil es Vielfalt und unterschiedliche Sichtweisen bringt.


    Herzlichst
    der auch in seinem Alter noch gerne träumende
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Je mehr sie vom pseudo-religiösen Charakter befreit wird, um so weniger berührt sie mich. Ich erlebe Mysterienzauber gerne und intensiv. Obwohl ich evangelisch bin gehe ich lieber und öfters in katholische Gottesdienste -besonders an großen Festen - und lasse mich von den Ritualen überwältigen.


    Lieber operus, obwohl ich Atheist bin, gehe auch ich gerne in katholische Gottesdienste und lasse mich von den feierlichen Riten in den Bann ziehen. (Am liebsten besuche ich Choral Evensongs in England, weil man da oft wunderbare Musik hören kann, z.B. in Winchester Cathedral mit dem phantastischen Chor). Ich teile den Glauben der meisten anderen Gottesdienst-Besucher zwar nicht, aber ich spüre, dass da etwas Echtes vorhanden ist. Nur: Messen gehören in die Kirche und nicht auf die Bühne, so jedenfalls meine Meinung, es sei denn als Parodie. Und bei Wagner kommt mir das alles nicht echt vor, sondern aufgesetzt, es geht weniger um echte Religiosität statt um Effekt. Und dann noch die lebensfeindliche Keuschheits-Ideologie, die schon Nietzsche so sauer aufgestoßen ist. :thumbdown:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Bis vor einigen Jahren wurde an der Rheinoper immer der Parsifal an Karfreitag gespielt. Der Besuch des Parsifal zu Ostern gehörte für mich zu Ostern dazu, wie der Kirchgang am Oster Samstag. .

  • Und dann noch die lebensfeindliche Keuschheits-Ideologie, die schon Nietzsche so sauer aufgestoßen ist. :thumbdown:

    Ja, lieber Bertarido. Nietzsche war ja auch gespalten - Wagners Musik fand er überwältigend. Ich selbst erlebte den "Parsifal" in meiner Jugendzeit in der Düsseldorfer Rheinoper. Noch heute habe ich das Bild des Zauberers im Kopf, der mit Speer auf einer hohen Säule stand und ringsum dampfte es... Sehr gerne würde ich heute wieder eine Aufführung sehen. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger