Casella, Alfredo: Kinderstücke für Klavier -Undici pezzi infantili op. 35 (1920)

  • Hallo, liebe Musikfreunde,


    inzwischen fast vergessen, hat Casella eine eigene italienische Variante zwischen Ravel, Bartok und Prokofjew gefunden. Er experimentierte in verschiedenen Phasen mit den unterschiedlichsten Stilen, bis er um 1920 diese einfachen Stücke schrieb, die nach seinen eigenen Worten “die letzte Befreiung von Unsicherheit und Experimentieren (bezeichnen) und den sicheren und bewussten Eintritt in eine nun gefundene persönliche und abgeklärte kreative Phase. In anderen Worten, sie zeigen, wie ein Frieden erreicht wurde zwischen dem Künstler und seiner Kunst.“


    Für mich gehören sie einfach zum Schönsten, was im 20. Jahrhundert für Klavier geschrieben wurde. Sie haben eine Leichtigkeit, wie sie sonst selten zu hören ist. Wer nach so viel schwerer Musik, wie sie sonst die Klassik dominiert, etwas sucht, das zum Träumen, Erinnern und guter Stimmung einlädt, ohne je auch nur in die Nähe von Kitsch oder Langeweile zu kommen, dem wüsste ich kaum etwas Besseres zu empfehlen. Für mich ist schwer zu verstehen, in welchem Maß Musik wie diese aus den Konzerten verdrängt werden konnte.


    Die einzelnen Stücke bilden einen Reigen von barocken Tänzen über ein schwermütiges sizilianisches Lied bis zu Circus-Musik. Sie sind so einfach wie möglich für Kinder gehalten, und doch ist bei näherem Hören zu entdecken, welche ausgewogene und filigrane Kompositionstechnik Casella aufgeboten hat.


    Casella lebte 1883 – 1947. Er wurde in Turin geboren und wuchs in einer Musikerfamilie auf. Sein Großvater war mit Paganini befreundet und spielte wie seine 3 Söhne Cello (darunter der Vater von Casella). Casella lernte Klavier und trat schon in jungen Jahren mit Bachs „Wohltemperierten Klavier“, den Sonaten von Beethoven und Scarlatti, den Chopin-Etüden und Mozarts d-Moll Konzert auf. Gleichzeitig war er stark an Chemie und Elektrotechnik interessiert, was er dann aber zugunsten der Musik aufgab.



    Nach dem Tod seines Vaters ging er 1896 mit seiner Mutter nach Paris. Dort lernte er am Konservatorium Enescu, Cortot und Ravel kennen. Mit Ravel verband ihn eine tiefe Freundschaft. In Paris musizierte er schon in jungen Jahren mit allen, die dort Rang und Namen hatten: Ysaye, Thibaud, Enesco, Casals. Auf einer Russland-Tournee traf er Rimski-Korsakow, Balakirev und Tolstoi.


    1905 erschienen seine ersten Kompositionen. Gemeinsam mit Ravel veröffentlichte er Artikel zur Förderung der modernen Musik. In Paris trat er auf damals recht einsamen Posten als Förderer von Gustav Mahler auf. In den 1920er Jahren errang er langsam internationalen Ruhm als Komponist. Stokowsky, Mengelberg, Klemperer und Erich Kleiber dirigierten die Uraufführungen seiner Werke. Umgekehrt setzte er sich gemeinsam mit Malipiero und D’Annunzio für die Verbreitung neuer Musik in Italien ein und führte dort u.a. Schönbergs Pierrot Lunaire und Stücke von Strawinsky auf.


    Wie viele andere Komponisten dieser Zeit trat er zugleich für die Wiederentdeckung der Barockmusik ein. 1939 war er an der „Wiedergeburt“ von Vivaldi mit beteiligt.


    1942 erkrankte er an Krebs und sollte nicht mehr gesunden. Er starb 1947 in Rom.


    Viele Grüße und in Erinnerung an den schönen Abend in Frankfurt,


    Walter