Haben derzeitige Künstler noch eine Chance im Tonträgerbereich?

  • Die Frage stellt sich mir immer wieder:


    Wie ist die Chance von Künstlern die "derzeit" im Konzertsaal durchaus erfolgreich konzertieren ?
    Der Erfolg ist da, die Presse ist gut, das Publikum begeistert. Die Kritiker wohlwollend, freundlich oder sogar begeistert.
    Lediglich die Tonträgerindustrie reagiert zurückhaltend. Neuaufnahmen sind teuer. (das war immer schon so - hat aber bisher noch niemanden gestört.)
    Wenn einemal eine Neuaufnahme mit einem Gegenwartskünstler erscheint, dann ist er zumeist aus einem Billigilohnland und wird uns als "Wunder" verkauft - obwohl wir (zumeist) diese Zuordnung nicht nachvollziehen können.


    Gedacht wird in Größen des "globalisierten Marktes" (den man vernichten sollte !!!!): Was sich nicht in Million Stückzahlen (In einer Woche natürlich- was dachtet ihr ?) absetzen lässt bleibt auf der Stecke.


    Seht Ihr das auch so. ?
    Welche Künstler sollten Eurer Meinung nach mehr CDs aufnehmen ?



    Noch hat Tamino da nichts mitzureden - in 2 Jahren könnte das anders sein.....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Na ja....selbst Julia Fischer hat ERST ihr 2.Album rausgebracht obwohl sie sehr erfolgreich konzertiert.


    Was mich z.B. geärgert hat,war,daß sie Bruch´s Schottische Fantasie gespielt hat (in ihrer Deutschlandtournee),aber es nirgendwo auf einem Album erscheint sowie auch alle anderen Stücke,die sie aufgeführt hat.
    Sie hat ein umfangreiches Programm.


    Und da frage ich mich doch, auch wenn es teuer ist, wieso macht man keine LIVE-Aufnahme?


    DG z.B.ist ja sehr zögerlich was das "Holen" von Künstlern angeht.
    Sie holten u.a.Helené Grimaud.
    Aber sehr spät. Vorher stand bei TELDEC unter Vertrag.
    Wollte DG nur sehen, ob sie auch keine Eintags(jahres)fliege ist?
    Oder wie?


    Aber zurück zum eigentlichen Thema.


    Wenn ich mir die jetzigen Talente und Wunderkinder anschaue, dann denke ich,haben sie ALLE das Zeug dazu haben und die Chance verdienen eine Platte aufnehmen zu lassen.


    NUR, imo sind es zu viele Talente,etc.
    Die widerum rauszupicken ist schwer.
    Zumal es am allerwichtigsten ist,die Gunst der Zuschauer zu gewinnen.
    Der Künstler/in muss sympathisch sein.
    Gut spielen reicht nicht (mehr?).

  • Eine georgische Mezzosopranistin, Natela Nicoli, war einige Zeit im Ensemble der Grazer Oper; ihre Carmen ist exzellent und übertrifft die meisten anderen Interpretationen, die ich bisher - ob live oder auf CD - gehört habe. Allerdings bezweifle ich ernsthaft, dass irgendeine Plattenfirma noch eine Carmen aufnehmen will, denn davon gibts eh mehr als genug. (Sie hat mich übrigens auch als Dalila begeistert!)

  • Zitat von Klassikliebhaber

    Na ja....selbst Julia Fischer hat ERST ihr 2.Album rausgebracht obwohl sie sehr erfolgreich konzertiert.

    Es sind mittlerweile 3 Aufnahmen!



    Zitat

    Was mich z.B. geärgert hat,war,daß sie Bruch´s Schottische Fantasie gespielt hat (in ihrer Deutschlandtournee),aber es nirgendwo auf einem Album erscheint sowie auch alle anderen Stücke,die sie aufgeführt hat.
    Sie hat ein umfangreiches Programm.

    Sie hat auch Brahms, Brahms doppel und Beethoven trippel aufgeführt auch diese fehlen auf dem Markt.
    Sie hat einen mehrjärhigen Vertrag bei Pentatone unterschrieben und es wird noch einiges folgen!



    Zitat

    Und da frage ich mich doch, auch wenn es teuer ist, wieso macht man keine LIVE-Aufnahme?

    Neben den Kosten ist auch noch der richtige Konzertsaal und der eine geniale Abend erforderlich!



    Zitat

    DG z.B. ist ja sehr zögerlich was das "Holen" von Künstlern angeht.
    Sie holten u.a.Helène Grimaud.
    Aber sehr spät. Vorher stand bei TELDEC unter Vertrag.
    Wollte DG nur sehen, ob sie auch keine Eintags(jahres)fliege ist?
    Oder wie?

    Ähnliches bei H. Hahn, I. Gringolts und eine Menge anderer........


    Zum eigentlichen Thema:


    Auch die Tonträgerindustrie steht unter einem gnadenlosen Wettbewerb und muß sich dementsprechend verhalten. Ob uns das gefällt oder nicht hier geht es um Gewinne und Gewinnmaximierung wie in jeder anderen Branche auch!
    2-3 Flop's kann man sich da nicht erlauben. Und auch in der Klassik zählt doch heutzutage das die Symphatiewerte stimmen. Das war früher mehr oder weniger auch schon so.


    Es gibt auch in anderen Bereichen sehr begabte Menschen, die ihre Ziele und Träume aus den verschiedensten Gründen nicht erreichen.
    SO IST HALT DAS LEBEN und von 100 die es vielleicht verdient hätten bekommen 5-10 die Chance. Die müssen nicht einmal die besten sein sondern vielleicht schon sehr gut aber halt mit dem 'gewissen etwas'!


    Das was aber hier insgeheim erwünscht wird scheint derzeit eher bei den kleinen Label zu geschehen wie BIS, Naive, Arte Nova, die sich von den großen abheben MÜSSEN!
    Auch wenn BIS schon viele Künstler an die großen abgeben mußte.


    Gruß

  • schon das 3.Album von Julia Fischer?
    dann sinds jetzt halt schon 3.


    Ja, Hilary Hahn war ja vorher bei Sony.


    Und da fällt mir diesbezüglich etwas auf.
    EMI hat mal "Scoutsichtung" gemacht, oder tut es immer noch.
    Mit Hilfen von Routiniers.
    Martha Argerich z.B.
    Sie holte so einige Künstler aus dem Ausland und zog sie zu EMI.
    Denen wurde ein Vertrag gegeben und sie durften dann aufnehmen.
    Es ist nur die Frage ob sie sich dann gänzlich in Europa durchsetzen werden in der jetzt schon fülligen Künstlermenge.
    Diese Künstler konzertierten natürlich erfolgreich in eigenem Land UND gewannen auch Wettbewerbe.
    Eine Chance verdient haben sie allemal.


    Fehlt nur noch jemand von einer Plattenfirma und etwas Glück,und dem Plattenvertrag steht (fast) nichts mehr im Wege.
    Nur wenn der Künstler absolut nicht sympathisch ist,wird es schwer.
    Nicht sympathische bzw.nicht schöne Leute haben es imo z.Z.sehr schwer.


    Noch was zu der Live-Aufnahme:
    Wie läuft das denn ab? Wird es den Zuhörern mitgeteilt?
    Eine heimliche Aufnahme wäre nicht schlecht.
    Frage mich wie sich das anklingen würde.
    Natürlich muß aber die Akustik im Konzertsaal stimmen,ansonsten läuft gar nichts.

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  • Zitat

    Gedacht wird in Größen des "globalisierten Marktes"

    Der Globalisierte Markt bringt uns natürlich auch Nutzen.
    Viele Labels setzen ja auf die Kaufkraft und große Anzahl japanischer Klassikfanatiker, für die sie eignes Schätze aus der Kiste wiederveröffentlichen, und über den globalen Marktplatz fällt dann auch was für uns ab...



    Zitat

    Wenn einmal eine Neuaufnahme mit einem Gegenwartskünstler erscheint, dann ist er zumeist aus einem Billigilohnland

    Mag ja ein wahrnehmbares Phänomen sein, nur bleibt mir immer noch unverständlich, was der Umstand damit zu tun haben soll, daß es ein "Billiglohnland" ist. Wir wissen ja, daß unsere großartigsten Künstler Oistrach und Sviatoslav Richter kaum Geld zur Verfügung hatten und ihre Auslandseinnahmen an den Staat abgeben mußten - aber die heutigen Künstler beim gelben Label verdienen ja wohl genau so Spitzenpreise wie etwa Pollini, der immer noch aufnimmt für besagtes Label....

  • Hi


    Zitat

    Noch was zu der Live-Aufnahme:
    Wie läuft das denn ab? Wird es den Zuhörern mitgeteilt?


    Wenn man einen Wald von Mikrophonen herumstehen und -hängen sieht, kann man davon ausgehen, dass mitgeschnitten wird.


    Extra gesagt wird das zumeist nicht. Es kann aber passieren, dass das Publikum vor dem Konzert ersucht wird, nicht in die Musik hinein zu applaudieren.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Salut,


    Zitat von Alfred_Schmidt

    Wenn einmal eine Neuaufnahme mit einem Gegenwartskünstler erscheint, dann ist er zumeist aus einem Billigilohnland und wird uns als "Wunder" verkauft - obwohl wir (zumeist) diese Zuordnung nicht nachvollziehen können.

    Mir ist das zwar nicht aufgefallen, aber: Doch, schon. Das "Wunder" ist ja nur werbetechnischer Natur und mittlerweile auch im allgemeinen Sprachgebrauch untergegangen. Zudem ist es ein Fakt, dass an Musikhochschulen wie z. B. in Triest, Budapest usw. wesentlich mehr - dafür aber auch härter - vermittelt und gelernt wird, als im verweicheierten alten Europa: Mehr eingebildet als ausgebildet.



    Zitat

    Welche Künstler sollten Eurer Meinung nach mehr CDs aufnaehmen ?

    -Vivica Genaux
    -Skandinavische Orchester


    Ein Gösta-Winbergh-Album wäre auch nicht verkehrt.


    Dass durch die Globalisierung auch der letzte Eskimo nun seine Einspielung der 'Winterreise' präsentieren kann ist ja nicht zwingend schädlich, aber insgesamt nimmt durch die Quantität im Verhältnis die Qualität ab - das ist in allen Bereichen so. 'Früher' gab es im wesentlichen nur Aufnahmen gezielt ausgesuchter Größen, andere konnten es sich nicht leisten bzw. wurden nicht gefragt.


    :angel:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zur Ausgangsfrage eine Gegenfrage: War das früher wirklich anders? Ich denke doch, dass es auch vor 40, 50 Jahren eine Vielzahl Künstlerinnen und Künstler gab, die im Konzertsaal höchst erfolgreich (manchmal auch nur regional, aber was macht das?) zugange waren, aber niemals eine Chance auf einen Plattenvertrag hatten. Es sind doch immer nur eine "happy few", eine verhältnismäßig kleine Menge an Künstlern gewesen, die auf dem Tonträgerbereich die ihnen gebührende Chance bekamen.


    Ich würde sogar im Gegenteil annehmen, dass durch die deutlich gewachsene Vielzahl an (exzellenten) kleinen Labels die Anzahl der Künstler, die zu Aufnahmeehren kommen, höher liegt als ehedem - nicht unbedingt bei den (vermeintlich) großen Labels, aber bei den kleinen findet man so viele Perlen, das ich eigentlich keinen Grund zum jammern sehe. Es wird immer Künstler geben, die man im Konzertsaal erlebt und von denen man sich Aufnahmen wünschen würde, die nicht realisiert werden (selbst wenn es jemand so viel aufgenommener wie Hogwood ist, von dem ich gerne eine 5. Mendelssohn auf Platte wüsste). Der Großteil des Musiklebens spielt sich wohl nicht auf dem Tonträgermarkt ab, sondern in den Konzertsälen und Opernhäusern - gerade auch in der vielbelächelten Provinz, wo man häufig Aufführungen erstaunlicher Qualität erleben kann.


    Just my 2 cent,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Zitat von C.Huth

    Zur Ausgangsfrage eine Gegenfrage: War das früher wirklich anders? Ich denke doch, dass es auch vor 40, 50 Jahren eine Vielzahl Künstlerinnen und Künstler gab, die im Konzertsaal höchst erfolgreich (manchmal auch nur regional, aber was macht das?) zugange waren, aber niemals eine Chance auf einen Plattenvertrag hatten. Es sind doch immer nur eine "happy few", eine verhältnismäßig kleine Menge an Künstlern gewesen, die auf dem Tonträgerbereich die ihnen gebührende Chance bekamen.


    Ich sehe die Frage vor allem aus dem Blickwinkel der Interpreten und Komponisten Neuer Musik und muß feststellen, daß sich entgegen Deiner Auffassung doch etwas geändert hat, denn heutzutage gibt es offenkundig nicht mehr den selbstverständlichen Umgang mit der Kultur, wie er für das Bürgertum noch bis in die Zeit der Weimarer Republik üblich war. Die bildende Kunst wird viel selbstverständlicher akzeptiert - ohne Berührungsängste. Im musikalischen Bereich kaufen die Leute "Punk" und sonst was, hören sich aber nicht die Neue Musik an. Da fehlt die Vermittlung.

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  • Da war wohl eben ein Hänger drin.
    Zu Gösta Winbergh: Leider ist der sympathische Sänger vor 3 Jahren gestorben. Ob Einzelaufnahmen zu einem Album gekoppelt werden, hängt sicher von der Nachfrage ab. Vielleicht macht sich mal ein Fanclub auf zu den Plattenbossen...


    Und wenn der Eskimo gut bei Stimme ist (wg.Lebertran?) und artikuliert singen kann, warum dann nicht die Winterreise? Ob es derer 250 oder 251 Aufnahmen gibt, das Werk bleibt etwas Besonderes!

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Dieser sieben Jahre alte Thread ist heute noch immer aktuell, ja ich würde sogar meinen, er habe an Brisanz gewonnen. Die Zeiten wo - wie weiter oben beschrieben - EMI hochkarätige Künstler zukauft dürfte nun endgültig vorbei sein.
    Ich wollte auch nicht auf die Tatsache anspielen, dass nur "schöne" Künstler ein Chance haben - im Gegenteil, sie werden zwar von verschiedenen Labels gern im Blitzverfahren "aufgebaut" - aber eigentlich nicht unbedingt gekauft.
    Label von heute haben zudem wenig Geduld mit ihren Stars - wer nicht relativ bald Profite einfährt wird kaltgestellt - zumindest meistens.


    Das EIGENTLICHE Thema ist jedoch, dass in den seltensten Fällen heutige Künstler - soweit es das Standardrepertoire betrifft - vom Publikum als gleichwertig mit den Größen der Vergangenheit gesehen werden....


    Ob zu Recht oder zu Unrecht - darüber könnte man streiten....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das EIGENTLICHE Thema ist jedoch, dass in den seltensten Fällen heutige Künstler - soweit es das Standardrepertoire betrifft - vom Publikum als gleichwertig mit den Größen der Vergangenheit gesehen werden...


    Ist das wirklich so? Ich weiß es nicht...


    Als entscheidender in diesem Zusammenhang vermute ich eher die Tatsache, daß das Repertoire an E-Musik, von dem sich nennenswerte Auflagen verkaufen lassen (also Barock bis Romantik) und an dem die Labels dementsprechendes Interesse haben, einfach begrenzt ist. Inzwischen dürfte es für junge Künstler schwer werden, eine Interpretation meinetwegen einer Beethoven-Klaviersonate vorzulegen, die für der geneigten Hörerschaft einen bisher nicht gehörten Ansatz vermittelt. Daß vor diesem Hintergrund allgemein die 'alten Helden' als Referenz herangezogen werden, wundert nicht - zumal die eben mit der Zeit auch einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht haben.


    Und nachdem auch der Stereoklang schon 50 Jahre auf dem Buckel hat, lässt sich höchstens noch mit neuen Aufnahme- / Abspiel-Techniken beim konsumwilligen Kunden punkten. Das kostet Geld - weit mehr, als z. B. irgendeine Archiv-Aufnahme mit besagten alten Größen zum x. Mal auf den Markt zu schmeißen. Die wiederum dienen mutmaßlich dazu, doch ab und zu den einen oder anderen jungen Künstler aufzubauen - genauer gesagt dazu, die Verluste all derer auszugleichen, deren Platten sich eben nicht zum Verkaufsschlager entwickeln und die Bilanzen der Labels vermiesen.



    Und um Deine Frage im Ausgangspost zu beantworten:

    Welche Künstler sollten Eurer Meinung nach mehr CDs aufnehmen ?


    Ich hätte gern mal eine CD von dem Pianisten Igor Levit!


    Der wird zwar auch schon verschiedentlich als Halbgott gefeiert (und das gar nicht mal zu unrecht, wie ich finde), hat aber bisher nicht einen Tonträger aufgenommen. Ich gehe aber schwer davon aus, daß sich das in absehbarer Zeit ändert...

  • Es haben heute ziemlich sicher, selbst im Mainstream-Repertoire weit mehr Künstler die Chance, sich in Aufnahmen zu "verewigen". Sie verdienen zwar weniger Geld damit (aber das taten früher auch nur die Topstars), aber es werden Aufnahmen produziert. Nehmen wir das Standardrepertoire schlechthin, Zyklen von Beethovens Sinfonien seit ca. 2000:


    Thielemann
    Chailly
    Järvi
    Vänskä
    Dausgaard
    Pletnev
    Mackerras
    Rattle
    Immerseel
    Krivine
    Nelson
    (um 2000): Barenboim, Abbado/Berliner


    vermutlich habe ich noch ein oder zwei vergessen/übersehen. Im Durchschnitt mehr als ein Zyklus pro Jahr! Es mag sein, dass es Ende der 1980er, als HIP auf Beethoven übergriff und CD-Boom herrschte (ca.1985-95), eine ähnliche Dichte gab.
    Aber 1960-70 oder 70-80? Das wage ich zu bezweifeln. Ziemlich sicher jedenfalls nicht mehr Aufnahmen dieses Repertoires. In den 1960ern haben seinerzeitige Jungstars wie Abbado oder Mehta vielleicht mal eine oder zwei Platten mit Beethovensinfonien eingespielt, aber nicht gleich einen ganzen Zyklus.
    Und aus der Liste sind m.E. höchstens 6 Namen echte "Star-Dirigenten" mit entsprechenden Chefposten (Abbado, Barenboim, Chailly, Rattle, Thielemann) oder jahrzehntelanger Erfahrung und entsprechendem Ruf (Mackerras). Alle anderen Quereinsteiger, Newcomer oder vergleichsweise unbekannt.


    Das ist nur eine Stichprobe, bei den Standardwerken schlechthin. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es fast überall so ähnlich aussieht. Vielleicht bei Klavier- und Kammermusik eher noch mehr Breite heute, weil die billiger zu produzieren sind. Dass sich durch dieses extreme Überangebot, wozu, gerade im Falle von Standardwerken noch alle die Wiederveröffentlichungen kommen, pro CD nicht mehr viel Geld verdienen lässt, ist simple Arithmetik...


    Und wie früher Michelangeli oder Celibidache, gibt es immer noch einzelne Künstler, die sich dem Medium (teilweise) verweigern. Aufnahmen von Sokolov würde sich verkaufen wie warme Semmeln, ebenso vermutlich Solo-Repertoire von Martha Argerich.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • vermutlich habe ich noch ein oder zwei vergessen/übersehen.


    Wie bereits einmal in diesem Forum festgestellt, gibt es in diesem Jahrtausend bereits über 20(!!!) Gesamtaufnahmen der Beethoven-Symphonien, dazu kommen noch einige HIP-Versionen.


    Die Frage des TO kann nur mit einem eindeutigen JA beantwortet werden. Die Dinge bei den Plattengesellschaften haben sich stark verändert, der Plattenmarkt tickt heute anders als im vorigen Jahrhundert, aber da die Technik des Live-Mitschnitts einen derart hohen Stand erreicht hat, dass er das Studio recht gut ersetzen kann, und es mehr rührige kleine Labels gibt, haben heute mehr Künstler die Möglichkeit Platten zu produzieren als früher.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich finde die Frage sehr interessant und merke, dass ich da sehr ambivalent bin. Einerseits habe ich in letzter Zeit eine Menge Künstler gehört und gesehen, die mir sehr gut gefallen haben, von denen es aber keine Aufnahmen gibt. Anderseits mag das Forum da als Labor dienen. Wenn ich diese jungen (oder eher neuen) KÜnstler erwähnte, gab es keine Resonanz - warum also CDs aufnehmen, wenn selbst die ganz Kompetenten sich viel viel mehr mit den bekannten und berühmten Leuten beschäftigen?


    Andererseits gibt es doch Leute wie Lisa Batiashvili (zwar aus einem Billiglohnland, aber in Deutschland lebend), die ja auch bei CD-Verkäufen ganz erfolgreich ist.


    David Garrett werde ich hier natürlich nicht erwähnen.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Zitat

    Aber 1960-70 ?


    Doch - ja
    Zumindest der Output an Beethoven Sinfonien war einigermaßen vergleichbar


    Herbert von Karajan
    Karl Böhm
    Ferenc Ficsay
    Otto Klemperer
    Eugen Jochum
    Rene Leibowitz
    Leonard Bernstein
    Franz Konwitschny
    Bruno Walter
    Erich Leinsdorf


    ES sind ja nur mehr die ganz berühmten Aufnahmen im Katalog, aber man hat ja damals generell keine Aufnahmen mit Orchestern aus Lappland und ähnlichen Gegenden gemacht geleitet von Dirigenten, deren Namen so gut wie unaussprechbar sind......


    Der Sammler von damals war zwar zumeist auch ein Kenner, aber in letzter Hinsicht sollte solch eine Sammlung auch den guten Geschmack und Sachverstand des Sammler dokumentieren. Cds zu kaufen, von Interpreten, deren Namen kaum jemand kennt, wäre wohl der eigenen Reputation nicht grade zuträglich gewesen.


    HEUTE hingegen werden Aufnahmen von Leuten gemacht, wo bezweifelt werden darf, ob man deren Namen in 5 Jahren überhaupt noch kennt .......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • HEUTE hingegen werden Aufnahmen von Leuten gemacht, wo bezweifelt werden darf, ob man deren Namen in 5 Jahren überhaupt noch kennt .......


    Womit sich der TO seine Frage selbst beantwortet hat. Heute ist es offenbar leichter, Aufnahmen zu veröffentlichen...


    :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Ahem!


    Klemperer und Fricsay waren aus den 50ern, Bruno Walter noch vor der Stereo-Ära, teilweise aus den 40ern!



    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • ...und Ansermet und Monteux (wenngleich letzterer nicht mit einem Orchester)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Ahem!


    Klemperer und Fricsay waren aus den 50ern, Bruno Walter noch vor der Stereo-Ära, teilweise aus den 40ern!


    Fricsays ist nicht komplett (1,3,5,7-9) und die 1. und 8. stammten aus den frühen 1950ern. Mit Böhms sind wir fast bei 1970, d.h. wir haben beinahe 20 Jahre. Ansermet könnte auch noch fehlen. Von Walter gibt es meines Wissens einen Mono (vor/um 1950) und einen Stereo-Zyklus. Ebenso Jochum, wobei der Mono-Zyklus (DG) vor 1960 ist und der Stereo/Concertgebouw (EMI) evtl. nicht komplett vor 1970. Wenn man die 1950er noch dazu nimmt, gibt es natürlich noch mehr: Karajan/Philharmonia, Cluytens, Scherchen, Schuricht. Dann müsste man zum Ausgleich aber die 1990er dazunehmen und dann sähe es wieder anders aus.

    Wie auch immer: Die Entwicklung von LP, dann Stereo und die zunehmende Verbreitung und Erschwinglichkeit von Platten sind jedenfalls eine andere Situation als ab 2000, als der Markt für Beethovensinfonien *eigentlich* in jeder Hinsicht gesättigt war, nach etwa 20 Jahren Digitaltechnik und ungefähr 4-5 HIP-Zyklen waren weder (wesentliche, wieviele von den neueren Zyklen sind Mehrkanal? zwei?) technische noch bahnbrechende interpretatorische Neuerungen zu erwarten...


    Und Beethoven-Sinfonien sind wohl eines der wenigen Beispiele, wo man überhaupt nachzählen muss. Bei Mahler-Sinfonien, Matthäuspassionen usw. ist die Situation wesentlich eindeutiger.
    Ein wichtiger Faktor ist auch, dass CDs relativ preiswert sind, sonst könnte man diese Flut ja überhaupt nicht absetzen. Wenn man von DM 1000 Monatsgehalt DM 100 für eine LP-Box der Matthäuspassion ausgeben soll, ist das was anderes als 35 EUR von EUR 1700; ~10% vs. ~2%...

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    (Bob Dylan)

  • Ahem!


    Klemperer und Fricsay waren aus den 50ern, Bruno Walter noch vor der Stereo-Ära, teilweise aus den 40ern!


    Bruno Walter hat noch einen weiteren Zyklus veröffentlicht, der aus 1958/59 stammt.


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ebenso Jochum, wobei der Mono-Zyklus (DG) vor 1960 ist und der Stereo/Concertgebouw (EMI) evtl. nicht komplett vor 1970.

    Um mal kurz pingelig zu werden ;) : Jochums zweiter Beethoven-Zyklus mit dem Concertgebouw ist bei Philips erschienen und 1967-69 entstanden. Der EMI-Zyklus ist der mit dem LSO und wurde knapp ein Jahrzehnt später aufgenommen.



    Zitat

    Wie auch immer: Die Entwicklung von LP, dann Stereo und die zunehmende Verbreitung und Erschwinglichkeit von Platten sind jedenfalls eine andere Situation als ab 2000, als der Markt für Beethovensinfonien *eigentlich* in jeder Hinsicht gesättigt war, nach etwa 20 Jahren Digitaltechnik und ungefähr 4-5 HIP-Zyklen waren weder (wesentliche, wieviele von den neueren Zyklen sind Mehrkanal? zwei?) technische noch bahnbrechende interpretatorische Neuerungen zu erwarten...

    Einmal das und zum anderen kam hinzu, daß man sich Ende der 60er schon auf das erste Beethoven-Jubiläumsjahr vorbereitete und entsprechend mehr Zyklen herausbrachte.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Um mal kurz pingelig zu werden ;) : Jochums zweiter Beethoven-Zyklus mit dem Concertgebouw ist bei Philips erschienen und 1967-69 entstanden. Der EMI-Zyklus ist der mit dem LSO und wurde knapp ein Jahrzehnt später aufgenommen.

    Dass es drei unter Jochum gibt, war mir tatsächlich nicht bewusst (wobei der erste, glaube ich, nicht mit einem Orchester ist). Mit drei Zyklen in knapp 20 Jahren erreicht er beinahe Karajans Dichte... es herrschte offensichtlich schon damals ein Überangebot. Der Hinweis auf das Beethoven-Jubiläum 1970 (und dann nochmal 1977...) ist ebenfalls wichtig.


    Aber wie gesagt: nur bei solchen Werken muss man überhaupt zählen. Bei allem, was ein wenig abseitiger ist, scheint mir offensichtlich, dass es in den letzten 15 Jahren eine höhere Aufnahmedichte gibt als vorher, allen voran so etwas wie Brandenburgische Konzerte.

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    (Bob Dylan)

  • Hallo JR,


    es ist korrekt, der erste Zyklus entstand, wie auch der Bruckner Zyklus, mit dem SO des Bayer. Rdfs. und den Berliner Philharmonikern.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • irgenwie ist es typisch - und zwar nicht nur für diesen Thread - daß die Frage, ob DERZEITIGE Künstler noch eine Chance haben - INDIREKT beantwortet wurde - jedoch allerdings sehr DEUTLICH (mit NEIN)
    Denn schon nach wenigen Beiträgen haben die Forianer - und ich schlie9e mich hier nicht aus - begonnen über Interpreten der VERGANGENHEIT zu schreiben.
    Natürlich haben auch heutige Nachwuchs-Künstler eine reele Chance auf Tonträger-Veröffentlichungen - dann nämlich, wenn sie bisher nicht beachtetes Repertoire einspielen. Im Bereich des Mainstream indes ist der Kuchen (in Richtung Vergangenheit) schon ziemlich verteilt.......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !