Für die aktuelle Neuproduktion einer in deutschen Landen selten zu hörenden , in Frankreich aber als Aushängeschild in Ehren gehaltenen Grand Opéra ließ sich die Leitung der Opéra du Rhin etwas Besonderes einfallen: Als Regisseur holte man den noch immer als enfant terrible gehandelten Peter Konwitschny.
Doch damit ist noch nicht mal die halbe Miete beglichen; denn das sperrige Stück ist nicht zu stemmen ohne eine ganze Handvoll sehr guter, ja virtuoser Sänger, die den französischen Gesangsstil beherrschen.
Als Dirigenten hatte man Jacques Lacombe engagiert. Und der erwies sich als erste Wahl für den gewaltigen Fünfakter. Er sorgte dafür, dass dieser dicke Brocken, eine Art gesungener französischer "Nathan", die mehr als dreistündige Aufführung pannenfrei das Finale erreichte. Und das war nicht selbstverständlich:
Im Programmheft lag das gefürchtete eingelegte Blatt, das verkündete, der Sänger der männlichen Hauptrolle, Roberto Sacca, sei plötzlich erkrankt. Aber es sei gelungen, einen Ersatz zu finden: den Amerikaner Roy Cornelius Smith. Und der erwies sich als nicht nur vollwertig, er wurde zunehmend zum Star des Abends. Dabei hatte er in allen vier Partnern in den übrigen Hauptrollen echte Gesangskünstler um sich: Die beiden Soprane Rachel Harnisch als Rachel (!) und ihr Gegenpart Ana-Camelia Stefanescu als Eudoxie lieferten sich Duett-Duelle von großer Brillanz mit unentschiedenem Ausgang.
Der Bass Jérome Varnier muss die Aufnahmen von Siepi gut studiert haben, denn der Hüne verströmte die Kantilenen des Kardinal Brogni mit Kraft und edlem Legato, aber auch voll suggestivem Ausdruck. Die beiden Tenöre hatten also an hohem Standard maßzunehmen. Und sie sießen sich nicht lumpen: Robert McPherson als schien einem Rossinischen Tell entsprungen, so glänzte sein geschmeidiger Tenore di grazia bis in höchste Lagen.
Den Gipfel der Gesangskunst aber lieferte, wie gesagt, der Einspringer. Wie sein Steckbrief schon ankündigte, verfügte er über einen Spinto von enormen Reserven, die er ohne erkennbare Mühe abrufen kann, und war als tragische Nathan-Figur überaus glaubwürdig.
Bevor ich zur Regie komme, muss ich leider eine Verschnaufpause einlegen, in der sich gern auch fragen ansammeln dürfen. Bis gleich! Sixtus