Oper und Jugend

  • Es dürfte nicht viele Begriffe geben in unserer Muttersprache, die derzeit einander fremder gegenüberstehen als die Gattung Oper und die junge Generation.
    In dieser Feststellung ist kein Vorwurf enthalten - allenfalls kann sie nachdenklich stimmen über die Hilflosigkeit, mit der zuständige Institutionen wie Schulen und Theater das Thema behandeln.


    Vorab ein Versuch, den Sachverhalt zu beschreiben:
    In den allgemeinbildenden Schulen wird der Literatur ein zwar schwindender, aber immer noch stattlicher Stellenwert eingeräumt. Auch die dramatische Literatur ist noch signifikant in den Lehrplänen vertreten. Dafür sorgt schon die Zahl der Wochenstunden.
    Im Fach Musik sieht es da schon kärglicher aus. Wenn man einmal die Bereiche U-Musik, Rock und Pop beiseite lässt und sich auf das konzentriert, was hier in einem Forum für Klassische Musik zur Debatte steht, müssen wir feststellem, dass Musik (also Notenlesen, Musizieren, Singen, Harmonielehre, Musikgeschichte, Stilkunde etc. ) auf ein Schattendasein geschrumpft (worden) ist. Vollends die Gattung Oper wird von vielen Lehrern mit spitzen Fingern angefasst - bei näherem Hinsehen aus eigener Unkenntnis, ja Ahnungslosigkeit. Hinzu kommt, dass die Scheu vor der Blockade der Schüler, sich dieser Materie überhaupt zu nähern, einem wissenden Lehrer den Mut nehmen kann. So führt die Oper in den Schulen in wachsendem Maße ein Mauerblümchendasein.


    Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn die Musikhochschulen über chronischen Nachwuchsmangel klagen. Und es grenzt schon ans Wunderbare, dass landauf, landab die Orchester noch nicht ganz auf den Hund gekommen sind. Ähnliches gilt für den Bestand der Opernensembles. Nicht dass es keinen Nachwuchs an Sängern gäbe! Aber die Wenigsten von ihnen landen dort, wo sie ihrer Qualifikation nach hingehören. In den Operntheatern herrscht weithin desolate Ratlosigkeit in Sachen Besetzung, weil die dafür zuständigen kundigen Fachleute fehlen. Und Sachbearbeiter genügen nicht, wenn es um künstlerische Qualität geht. Gefragt sind Durch- und Überblick - und vor allem Urteilsvermögen.


    Doch gesetzt den Fall, diese Missstände wären behoben: Was geschieht in den leitenden Etagen der Theater, bei der Dramaturgie und in der Öffentlichkeitsarbeit? Die Impulse, die von den zuständigen Stellen ausgehen, sind entweder von rührender Hilflosigkeit geprägt oder nach politischen Vorgaben geleitet:
    Dramaturgen geben routinemäßig vor der Vorstellung Einführungen, die sich vor allem bemühen, die Verfremdung des Stückes durch die Regie zu rechtfertigen (obwohl das im Programmheft noch einmal in ausführlichen Interviews geschieht).
    Und, um jetzt wieder auf die Jugend zu kommen: Man verfährt nach der bequemen Devise: Man muss sie dort abholen, wo sie stehen! das klingt einleuchtend, ist aber in Wahrheit eine Ausrede, weil einem nichts einfällt, was direkt in medias res führt: zur Musik und zum Drama - und damit zum Musikdrama. Das Ergebnis solcher Abholung sieht dann so aus: Auf der Bühne werden Bilder und Situationen vorgeführt, die zwar mit dem Stück wenig zu tun haben,die aber die Jugendlichen von der Straße her kennen und deshalb cool finden. Das schafft am Schluss johlende Zustimmung. Das Ganze spricht sich herum, die folgenden Vorstellungen sind mit Kids gut gefüllt, und alle finden es geil.
    Das nennt man dann Verjüngung des Publikums. Mit Recht - nur mit Oper hat das nur am Rande zu tun.


    Über Alternativen, die mehr mit Oper zu tun haben, können wir uns ab sofort austauschen.


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Es dürfte nicht viele Begriffe geben in unserer Muttersprache, die derzeit einander fremder gegenüberstehen als die Gattung Oper und die junge Generation.


    Das war zu meiner Schulzeit schon so und ich habe 1972 Abitur gemacht. Damals ist man zu den Rolling Stones, Jimi Hendrix und Pink Floyd gegangen. In meiner Klasse gab es genau einen Schüler, der sich für Oper interessierte, viele anderen galt die Oper als spätkapitalistische, bürgerliche...


    müssen wir feststellem, dass Musik (also Notenlesen, Musizieren, Singen, Harmonielehre, Musikgeschichte, Stilkunde etc. ) auf ein Schattendasein geschrumpft (worden) ist. Vollends die Gattung Oper wird von vielen Lehrern mit spitzen Fingern angefasst - bei näherem Hinsehen aus eigener Unkenntnis, ja Ahnungslosigkeit. Hinzu kommt, dass die Scheu vor der Blockade der Schüler, sich dieser Materie überhaupt zu nähern, einem wissenden Lehrer den Mut nehmen kann. So führt die Oper in den Schulen in wachsendem Maße ein Mauerblümchendasein.


    Ich kann mich nicht erinnern, dass das Thema Oper in meinem Musikunterricht überhaupt vorkam. Definitiv haben wir nie mit der Schule die Oper besucht. Das scheint sich geändert zu haben, denn es wurde ja beklagt, dass viele Schulklassen die falschen inszenierungen zu sehen bekämen. Immerhin bekommen Sie welche zu sehen. Auch meine Söhne waren mit Schule in der Oper, ich nie.


    Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn die Musikhochschulen über chronischen Nachwuchsmangel klagen.


    Ist dem so, ich dachte, die könnten sich vor Studierenden aus Fernost kaum retten.


    Und es grenzt schon ans Wunderbare, dass landauf, landab die Orchester noch nicht ganz auf den Hund gekommen sind.


    Meine Wahrnehmung ist, dass es für junge Musiker sehr schwierig ist, einen Posten im Orchester zu bekommen und wir haben konkurrenzlos viele Orchester in Deutschland.


    Und, um jetzt wieder auf die Jugend zu kommen: Man verfährt nach der bequemen Devise: Man muss sie dort abholen, wo sie stehen! das klingt einleuchtend, ist aber in Wahrheit eine Ausrede, weil einem nichts einfällt, was direkt in medias res führt: zur Musik und zum Drama - und damit zum Musikdrama.


    Ja, man sollte Menschen dort abholen, wo Sie stehen, Ihnen aber durchaus auch etwas zumuten, damit sie ihre "Gehirnmuskeln" etwas trainieren können. Dass den Regisseuren nichts einfällt, kann man auch nicht so stehen lassen. Ob einem gefällt, was ihnen einfällt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Womit wir auch hier wohl wieder beim Thema wären. :D


    Übrigens scheint das Regietheater-verseuchte Stuttgarter Opernhaus mit der Jugend keine großen Probleme zu haben, ich sehe dort jedenfalls wesentlich mehr Jugendliche als bei Symphonie- oder gar Kammermusikabenden. Und zwar nicht nur Schulklassen, sondern im Gegenteil viele junge Paare.

  • Lieber Lutgra,
    ich freue mich über dein Interesse an dem Thema. Ich will es nochmal präzisieren, worum es mir geht:


    Es ist in letzter Zeit öfter zu hören, dass wieder mehr junge Leute in die Opernvorstellungen gehen. Das klingt erst mal erfreulich. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber auch, dass die Theater die Jugend anlocken mit Produktionen, die auf ihre Lebenswelt zugeschnitten sind - nach der Devise: Mit Speck fängt man Mäuse. Das ist eine marktkonforme Methode und als solche nicht anrüchig.


    Der Pferdefuß bei der Sache ist aber, dass die Jugendlichen zwar kommen, aber dass sie die meist alten Opern in modern aufgemotzter Form kennenlernen. Wenn das öfter passiert, meinen sie, das müsse so sein, bekommen also ein ganz falsches Bild von dem Stück. Und sie werden irgendwann merken, dass Stück und Regie schlecht zusammen passen - und werden sich (zu recht) betrogen fühlen, frustriert weg bleiben - und nie wieder kommen.


    Ich meine, dass sich die Theater damit einen Bärendienst erweisen. Es wäre ehrlicher (und langfristig erfolgreicher), wenn man den jungen Leuten reinen Wein einschenkt und sagt: DIe Gattung hat 400 Jahre auf dem Buckel und ist für heutige Menschen, zumal für junge und Anfänger, kein geiles Event, sondern ein sperriges, aber bei näherer Beschäftigung mit der Materie ein überwiegend wertvolles und schönes Gut. Ich habe die Aufführung einer Oper an anderer Stelle einmal ein lebendiges Museum genannt, weil hier vorwiegend ältere Meisterwerke, die aber naturgemäß der Aufführung bedürfen, in diesen Aufführungen immer wieder neu belebt werden. Die Aufführungen sollen zwar so unserer Zeit angepasst werden, dass sie heute noch verstanden, aber auch noch als Stücke aus einer anderen Zeit erkannt werden.


    Das ist in groben Zügen meine Vorstellung von einer sinnvollen Heranführung an die musikdramatischen Schlachtrösser vergangener Jahrhunderte.


    In diesem Sinne herzliche Grüße von Sixtus

  • Das ist in groben Zügen meine Vorstellung von einer sinnvollen Heranführung an die musikdramatischen Schlachtrösser vergangener Jahrhunderte.

    Und da gibt es eben auch andere Vorstellungen, wie hier im Forum, insbesondere von Holger, schon mehrfach gezeigt wurde. (Und außer dem »Kindergartenargument« oder verunglimpfenden Bezeichnungen habe ich hier noch keine wirklichen Argumente dagegen lesen können.)


  • Ich halte diese Vorgehensweise für alles andere als sinnvoll, den ich empfinde die Charakterisierung von Oper als "lebendiges Museum" als grundfalsch. Wenn Oper - wie auch Sprechtheater - zum Museum wird, d.h. zu einer Institution, die Altes sammelt und bewahrt, dann hat sie schon verloren. Vielmehr gilt es, durch intelligente Inszenierungen immer wieder aufzuzeigen, dass Musiktheater auch für Menschen des 21. Jahrhunderts noch eine Relevanz besitzt, dass es Fragen und Probleme adressiert, die zeitlos sind, dass es hier (meist) um nicht weniger geht als die conditio humana. Was also spricht dagegen, die zeitlosen Themen der Oper wie Liebe, Haß, Gier, Machtstreben, Verrat, Eitelkeit, Angst etc. in einem modernen Gewand darzustellen, an das gerade jüngere Zuschauer einen Anschluss finden? Oper als "musikdramatische Schlachtrösser vergangener Jahrhunderte" interessiert vielleicht ein paar in Ehren ergraute Damen und Herren im Tamino-Forum, aber bestimmt nicht die Mehrheit der "jungen Generation".

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Dieter,
    wir sind ja auch noch ziemlich am Anfang.


    Wie ich übrigens bemerkt habe, ist dir nicht entgangen, dass ich beim Münster-Faust-Thread nicht gegen eine Seite polemisiert, sondern einen Versuch gemacht habe, die unsäglichen Verbalinjurien auf beiden Seiten zu kritisieren. Ich habe die beschriebene Inszenierung nicht pauschal angegriffen, sogar die Streichung des Balletts positiv bewertet. Genützt hat es nichts - im Gegenteil: Ich wurde beschimpft wie schon lange nicht mehr.


    Ich bereue, dass ich mich überhaupt eingeschaltet habe, aber keineswegs den Inhalt meines Beitrags.
    Aber ich bin froh, dass deine hiesige Einlassung mir noch Gelegenheit gibt, das klarzustellen.

  • Jetzt bin ich wieder mal zu spät gekommen, um auch deinen Beitrag, lieber Bertarido, zu beantworten. Also:


    Niemand wird gezwungen, sich mein Bild vom lebendigen Museum zu eigen zu machen. Es ist auch kein starres Bild, sondern eine Vision mit fließenden Grenzen. Sie lässt Modernisierung sehr wohl zu, solange der Grundgedanke des Werks (sein Kern) nicht verfälscht oder zerstört wird. Zeitlos ja, aber nicht nur heutig ohne Bezug zum historischen Kontext.


    Nach deinen Ausführungen bin ich sogar überzeugt, dass wir, wenn schon zu keinem Einvernehmen, so doch zu einer Annäherung kommen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du die Produkte der Gattung Oper in einer Form erleben willst, die das Original nicht mehr erkennen lässt. Kluge Regie ja, aber keine selbstherrliche - und keine, die das Publikum aus dem Hause jagt. Wäre das nicht eine akzeptable Formel? Das ist, mit etwas Bemühen, auch sehr jungen Leuten plausibel zu machen. Nicht allen, aber Oper, mit Verlaub, ist auch nicht für alle gedacht. Es gibt ja längst auch das Musicaltheater.


    Wir werden demnächst Gelegenheit haben, das an einem Beispiel zu testen. Ich fahre übermorgen nach Straßburg zur Premiere von Halévys Jüdin. Pikanterweise in der Regie von Konwitschny. Darüber werde ich im Merker berichten. Leider kommt das erst im Märzheft, aber ich gebe am Samstag hier eine Kurzfassung meiner Eindrücke.


    Also bis bald?

  • Wenn Oper - wie auch Sprechtheater - zum Museum wird, d.h. zu einer Institution, die Altes sammelt und bewahrt, dann hat sie schon verloren. Vielmehr gilt es, durch intelligente Inszenierungen immer wieder aufzuzeigen, dass Musiktheater auch für Menschen des 21. Jahrhunderts noch eine Relevanz besitzt, dass es Fragen und Probleme adressiert, die zeitlos sind, dass es hier (meist) um nicht weniger geht als die conditio humana. Was also spricht dagegen, die zeitlosen Themen der Oper wie Liebe, Haß, Gier, Machtstreben, Verrat, Eitelkeit, Angst etc. in einem modernen Gewand darzustellen, an das gerade jüngere Zuschauer einen Anschluss finden?


    Genauso sehe ich das auch. :jubel::jubel::jubel:

  • An der Rheinoper ist die Mischung zum Glück sehr gut. Viele junge Leute gehen aber auch im eher werkgerechte Inszenierungen wie den Rosenkavalier. Nur ich habe in Gesprächen festgestellt, daß die Jugend sich nicht so sehr für die Inszenierung, sondern mehr für den Gesang interessant.


  • Nach deinen Ausführungen bin ich sogar überzeugt, dass wir, wenn schon zu keinem Einvernehmen, so doch zu einer Annäherung kommen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du die Produkte der Gattung Oper in einer Form erleben willst, die das Original nicht mehr erkennen lässt. Kluge Regie ja, aber keine selbstherrliche - und keine, die das Publikum aus dem Hause jagt. Wäre das nicht eine akzeptable Formel?


    Dem würde ich ja zustimmen, lieber Sixtus. Allerdings vermute ich, nein, ich bin mir sicher, dass unsere Vorstellungen von einer klugen Regie sich doch sehr unterscheiden und dass ich in Aufführungen noch das Original erkenne, die Du bereits als entstellend ablehnst. Dennoch bin ich weit davon entfernt, alles gut zu finden, was auf den Bühnen gezeigt wird; aus so mancher Vorstellung bin ich schon bebend vor Zorn nach Hause gelaufen.


    Auf Deinen Bericht zu Konwitschnys "Jüdin" bin ich gespannt, ein Regisseur mit Höhen und Tiefen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Genauso wenig, wie es die Aufgabe von Schule sein kann, die Schüler darüber zu belehren, was gute und schlechte Musik ist, die man besser hört oder nicht hört (Pop - Klassik usw.) kann es die Aufgabe sein, quasi ex cathedra zu verkünden, was eine gut und schlecht inszenierte Oper ist. Kultur ist nicht lenkbar, sondern hat ihr eigenes Leben. Schule kann nur Orientierung geben was an Kultur faktisch existiert, und der junge Mensch muss selbst herausfinden, was er gut und weniger gut aus diesem mannigfaltigen Angebot findet. Indoktrination in Sachen Kunst hat es ja reichlich gegeben, im NS-Staat, im Stalinismus, im "real existierenden Sozialismus", und all das ist kläglich gescheitert. Schüler merken das und reagieren dann allergisch abweisend, werden einfach unzugänglich.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Sixtus


    wenn ich den Musikunterricht denke, den ich in meiner Schulzeit genoss, wundere ich mich nur noch, warum es mit den heutigen Mitteln (CD, DVD) nicht gelingen sollte, den jungen Leuten die klassische Musik nahe zu bringen. Ich habe es hier schon einige Male erzählt: Wir hatten nur eine schon fast baufällige Baracke, ein altes Klavier und die Stimme des Lehrers, die er ab und zu durch einen ihm bekannte Amateursänger ergänzte. Erst kurz vor meinem Abitur bekam ein (damals noch Mono-)Radio, ein Plattenspieler und zwei Schallplatten dazu. Dennoch gab es damals weit mehr Interesse für die klassische Musik.
    Heute wird die Jugend von vielen anderen Faktoren (die Vielfalt der Möglichkeiten mag sogar viele überfordern) beeinflusst. In vielen Fällen zeigt aber auch das Elternhaus kein Interesse mehr an der Bildung der Jugendlichen in klassischer Musik. Ich hatte zwar auch kein Elternhaus, in dem klassische Musik gepflegt wurde, sie war eher verpönt. Aber die meisten meiner Kameraden hatten noch ein solches.
    Heute ist die Jugend meist auf ihre Umwelt angewiesen, und - wenn man "in" sein will - ist es eben kaum noch die klassische Musik, mit der man konfrontiert wird. Es gibt noch wenige Eltern, die ihre Kinder ins Konzert führen und ihnen auch verständlich machen, was sie da erwartet. In die Oper kann man kaum noch Kinder mit ruhigem Gewissen mitnehmen, denn was sie dort zu sehen bekommen, passt doch nicht mehr zu dem erwarteten Werk. In einigen Städten gibt es erfreulicherweise noch die Kinderoper, wo die Oper nach dem Libretto kindgerecht aufbereitet wird. Aber wenn sie dann etwas älter sind, müssen sie mit dem Schund vorlieb nehmen, der ihnen heute in den Opernhäusern geboten. Manche, die nichts Besseres mehr kennen, mögen noch eine Zeit lang damit vorlieb nehmen, weil sie vielleicht glauben, dass das das echte Werk ist. Aber auf die Dauer werden Sie auch erkennen, dass sie hier belogen und betrogen werden.
    Der Trend geht bei den Jugendlichen aber doch, wie Rodolfo berichtet, wohl mehr in die Richtung der ehrlich inszenierten Oper.
    Auch wenn sie dabei den größeren Wert auf die Musik legen (so muss es ja auch sein), so beeinflusst das äußere Geschehen doch in gewissen Maße den Hörgenuss. Und wenn dies nicht passt, wird sich das Interesse auf die Dauer auch verflüchtigen und sie werden zu einer Erkenntnis kommen, davon Abstand zu nehmen, weil sie dessen überdrüssig geworden sind.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)


  • Genauso sehe ich das auch. :jubel: :jubel: :jubel:

    Ich nicht. Warum bedarf es, um all das von dir Genannte darzustellen (dessen Darstellung natürlich absolut und unverzichtbar ist) zwingend des "modernen Gewandes"? Geht das nicht auch in einem historischen Gewand? Trauen wir den Leuten im Publikum wirklich nicht mehr zu, die Parallelen vom historischen Stoff zum eigenen Leben selbst ziehen zu können?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Gerhard,
    ich meinte damit eigentlich ,daß die Jugend sowohl in moderene Inszeneringen als auch in werkgerechte Inszenierungen geht.

  • Lieber Stimmenliebhaber,
    da rennst du bei mir offene Türen ein, wenn du die rhetorische Frage stellst, ob wir dem Publikum nicht mehr zutrauen, bei einer guten Aufführung mit der eigenen Fantasie die richtigen Schlüsse zu ziehen.


    Wenn statt dessen die Regie eine eigene Interpretation vorgibt, erstickt sie diese Fantasie durch diese Bevormundung. Deshalb meine ich: Künstlerische Freiheit des Regisseurs ja, aber sie endet dort, wo der Respekt vor dem Werk es gebietet. Uferloses Verändern heißt die Autoren entmündigen.
    Das jedenfalls meint Sixtus

  • Zitat

    Zitat von Sixtus: Wenn statt dessen die Regie eine eigene Interpretation vorgibt, erstickt sie diese Fantasie durch diese Bevormundung. Deshalb meine ich: Künstlerische Freiheit des Regisseurs ja, aber sie endet dort, wo der Respekt vor dem Werk es gebietet. Uferloses Verändern heißt die Autoren entmündigen.

    Lieber Sixtus,
    dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Das ist unsere hier schon häufig geäußerte Meinung, auch wenn die Befürworter noch so wild darüber werden. Ja es gibt - leider auch hier - Leute, die mit Gleichnissen (z.B. im "Ring") nichts mehr anzufangen wissen und deshalb alles vom Regisseur in die moderne Welt und in eine noch absurdere Handlung übersetzt haben müssen. Sie können mir nur leid tun.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Wie ich übrigens bemerkt habe, ist dir nicht entgangen, dass ich beim Münster-Faust-Thread nicht gegen eine Seite polemisiert, sondern einen Versuch gemacht habe, die unsäglichen Verbalinjurien auf beiden Seiten zu kritisieren. Ich habe die beschriebene Inszenierung nicht pauschal angegriffen, sogar die Streichung des Balletts positiv bewertet. Genützt hat es nichts - im Gegenteil: Ich wurde beschimpft wie schon lange nicht mehr.

    Da muss ich nun noch einmal etwas klarstellen. Wenn Du berechtigte - und natürlich deutliche - Kritik als Beschimpfung wertest, dann hast Du leider ein Problem mit der Wahrnehmung von Realität. Du hast Dir erlaubt, eine Inszenierung zu bewerten und ihre "Mängel" zu konstatieren, die Du überhaupt nicht gesehen hast. Das darf man mit gutem Recht unseriös nennen - ich hätte auch "unprofessionell" sagen können. Dagegen habe ich im übrigen sachlich argumentiert mit dem, was tatsächlich auf der Bühne zu sehen war, wozu Du selbstverständlich nichts zu sagen hast, weil Du es eben nicht gesehen hast und Dir statt dessen sehr bequem die Opferrolle eines Beschimpften andichtest. Mir "unsägliche Verbalinjurien" vorzuhalten, ist ebenfalls Realitätsverzerrung. Es ging um einen Beitrag, wo der Urheber letztlich entlarvend selber kundgegeben hat, dass er seinen "Hass" dieser Inszenierung gegenüber zum Ausdruck bringt. Wer einer Inszenierung vorwirft, sie verstümmele das Werk, aber über so elementare Sachen offensichtlich nicht im Bilde ist, wie welche Fassung überhaupt gespielt wird, dem darf man das auch vor die Nase halten. Und es ist eben lächerlich, einer Inszenierung und einem Regisseur Inkompetenz oder Ignoranz ausgesprochen oder unausgesprochen vorzuhalten (die ungesehene Inszenierung dann gar noch als "Schund" zu bezeichnen und Zuschauer, die die Aufführung beklatschen, darunter jungen Leute im Saal, übelst zu diffamieren als Perverslinge, macht das Auftreten der RT-Hasser schließlich wirklich humorlos unappetitlich), sie aber selber zu praktizieren, indem man etwa sachliche Argumente bewußt ignoriert und den Autor dazu. Deine Rolle des "Vermittlers" und Moderators, die Du Dir selber zuschreibst, ist jedenfalls für mich einfach nicht glaubhaft. Vermitteln kann man nur mit Blick auf eine gemeinsame Mitte - und die ist nun mal das vernünftige Argument. Genau das verweigert der Hasser, weswegen es hier auch nichts zu vermitteln gibt, sondern die einzige Form der Auseinandersetzung der deutliche Widerspruch ist und bleibt. Und wer die Inszenierung gar nicht gesehen hat, dem steht eine Vermittlerrolle per se nicht zu, weil er den Gegenstand nicht kennt, um den gestritten wird. Dann entsteht eben der Eindruck, dass der vermeintliche Vermittler in Wahrheit nur einer Seite, nämlich den RT-Hassern, zu Hilfe eilt, indem er das Unsägliche beschönigend und beschwichtigend als sagbar hinstellt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Dann entsteht eben der Eindruck, dass der vermeintliche Vermittler in Wahrheit nur einer Seite, nämlich den RT-Hassern, zu Hilfe eilt, indem er das Unsägliche beschönigend und beschwichtigend als sagbar hinstellt.

    Dieser Eindruck entsteht, zumindest bei mir, übrigens auch aus einem anderen Grund: Wenn Sixtus gelegentlich versucht zu schlichten und dabei von den Diskutanten ein anständiges Benehmen einfordert, so geschieht das auf so allgemeine Weise und mit so zurückhaltenden Worten, dass die Betroffenen auf der Seite der »RT-Gegner« anscheinend überhaupt nicht auf die Idee kommen, sie könnten auch gemeint sein, und er sieht auch keine Veranlassung, das dann gegebenenfalls klarzustellen, während er mit der Gegenseite doch ganz anders umgeht.

  • Na schön, lieber Dieter. Da will ich nächstens mal wieder richtig vom Leder ziehen.
    Trotzdem freue ich mich, dass du meine Vermittlungsversuche richtig deutest, wenn du mir auch keine volle Neutralität bescheinigst. Die strebe ich auch gar nicht an. Meine Grundansichten sind ja hier bekannt - warum soll ich sie zwischendurch je nach Opportunität verleugnen?


    Worum es mir bei diesem Thema geht, ist die Frage, welche Strategie besser geeignet ist, junges Publikum für die Oper zu gewinnen: aufgemotzte Events (Verzeihung, ich meine gezielte Anpassung an die Welt der Jugend) - oder geduldiges Bohren dicker Bretter, in der Hoffnung, unter den jungen Leuten einige zu finden (viele werden kaum zu finden sein!), die mit zunehmender Kenntnis ein paar Aha-Erlebnisse haben. Der Rest kommt dann von selber.
    Ich meine, wer auf dem zweiten Wege gewonnen wurde, bleibt auch bei der Stange. Die Eventjäger dagegen merken bald, dass mit Speck Mäuse gefangen werden sollen - und machen künftig einen Bogen ums Theater.


    Ich bin jetzt erst mal zwei Tage weg, um mir u.a. das Straßburger Opernleben in Konwitschnys Fassung anzutun - und hoffe, mit einem Sack voller neuer Erkenntnisse wiederzukehren.


    Bis übermorgen - und herzliche Grüße von Sixtus

  • Zitat

    Zitat von Sixtus: Ich meine, wer auf dem zweiten Wege gewonnen wurde, bleibt auch bei der Stange. Die Eventjäger dagegen merken bald, dass mit Speck Mäuse gefangen werden sollen - und machen künftig einen Bogen ums Theater.

    Lieber Sixtus,


    genau das habe ich mit meinem letzten Absatz in Nr. 12 auch sagen wollen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Kann ich nur bestätigen: die Kölner Tosca würde unsereins, die wir schon froh sind, wenn ein Stück nicht völlig durch den Kakao gezogen wurde, als akzeptabel bezeichnen. Die Mitzwanziger aus meinem Bekanntenkreis fanden diese Inszenierung völlig vorbeiinszeniert.

  • Ich nicht. Warum bedarf es, um all das von dir Genannte darzustellen (dessen Darstellung natürlich absolut und unverzichtbar ist) zwingend des "modernen Gewandes"? Geht das nicht auch in einem historischen Gewand? Trauen wir den Leuten im Publikum wirklich nicht mehr zu, die Parallelen vom historischen Stoff zum eigenen Leben selbst ziehen zu können?


    Hast Du mich angesprochen als Autor des genannten Beitrags? Wahrscheinlich nicht, da ich vermutlich noch auf Deiner Ignorier-Liste stehe. Trotzdem will ich antworten: Ich behaupte ja gar nicht, dass es zwingend eines modernen Gewandes bedarf, um die Inhalte zu transportieren. Aber ich bin der Überzeugung, dass ein modernes Gewand dies besser zu leisten vermag und dass "historische Gewänder" (Kulissen etc.) nur vom Eigentlichen ablenken und dazu führen, eine Oper als Historienschinken misszuverstehen. Sicherlich werden Teile des Publikums in der Lage sein, die Bezüge trotzdem herzustellen, aber gilt das für alle? Und wenn es darum geht, die Jugend für Musikdrama zu begeistern, sollte man keine unnötigen Barrieren errichten. Ich glaube nicht, dass es allzu viele Jugendliche gibt, die ein großes Interesse an irgendwelchen historischen Stoffen haben, von denen sie wahrscheinlich noch nie etwas gehört haben.


    Es ist auch keineswegs so, dass alle Bezüge eines Musikdramas offensichtlich sind. Gerade das macht unterschiedliche Deutungen durch die Regie so wichtig. Obwohl ich mich für durchaus intelligent und gebildet halte, ist mir schon des öfteren erst durch eine Inszenierung klar geworden, was in einem Opernstoff auch noch steckt. Sicher, manchmal kann ich die Deutung eines Regisseurs nicht teilen, finde es abwegig, was er aus dem Stück gemacht hat. Aber immerhin setzt auch die Ablehnung einer Deutung eine Auseinandersetzung mit dem Stück in Gang, die lohnend sein kann. Das ist mir allemal lieber als Inszenierungen à la Schenk oder Zeffirelli. Immer noch besser sich zu ärgern als sich zu langweilen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nur ich habe in Gesprächen festgestellt, daß die Jugend sich nicht so sehr für die Inszenierung, sondern mehr für den Gesang interessant.

    Gott sei Dank ist das auch nach meiner Wahrnehmung so.


    Gruß
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Da wollen wir mal hoffen, dass diese Wahrnehmung der Realität standhält.
    Aus der Perspektive der saarländischen toten Ecke kann ich das leider so nicht bestätigen. Nicht ausverkaufte Opernpremieren (sogar bei einem so populären Stück wie Freischütz) sehen nicht danach aus, dass die Gattung Oper bei der Jugend (wieder) eine Welle der Zustimmung auslöst.


    Meine Wahrnehmung ist seit langem: Die Kulturpolitik - und insbesondere die Theater, haben die Wahl. junge Leute mit aufgemotzten Event-Produktionen anzulocken, die aber nur kurzfristiges Interesse auslösen - oder gezielt den Fokus auf kleinere, in Sachen Musik und Theater interessierte Gruppen zu richten, die aber, wenn sie erst mal auf den Geschmack gekommen ist, auch auf Dauer in die Aufführungen geht. (Sofern die Aufführungen halten, was sie versprechen!)


    Also kleine, aber solide Brötchen backen, anstatt den Marktschreier zu spielen. Denn der Wind der Zeit weht der Gattung Oper ins Gesicht - das lässt sich auch mit vielen kosmetischen Tricks nicht aus der Welt schaffen.


    Jedes Ding hat seine Zeit, und die Sonderzüge von Berlin fahren schon lange nicht mehr zum Dresdner Rosenkavalier. Wenn Sonderzüge, dann eher solche, die junge Leute zum aktuellen Musical bringen. Die Oper kann nur noch überleben, wenn sie sich gesundschrumpft - meint Sixtus

  • Lieber Sixtus,


    einen gewissen Nachweis darüber, was die Jugend von Klassik erwartet kann ich wahrscheinlich liefern. Bei uns in Heilbronn brachten alle spezillen Jugendprojekte, nur sehr begrenzte Erfolge. Lediglich die Kooperation mit musischen Gymnasien lohnen sich. Da besucht dann eine ganze Klasse mit Lehrkräften eine Aufführung. Umgekehrt helfen wir einem besonders musikaktiven Gymnasium. Diese Schule macht jährlich ein großes Musikprojekt. Da spielt jedoch dann das Schulorchester und wir ergänzen mit unseren Orchestermitgliedern und Profis übernehmen Stimmführung und Soloinstrumente. Selbstverständlich bringen auch die für Jugendliche extrem günstigen Eintrittspreise vermehrt junge Besucher .Wir machen in Abständen Publikumsbefragungen für die Konzerte des Heilbronner Sinfonie Ochesters und bitten auch um die Altersangabe - und siehe auch die junge Teilnehmer an diesen Befragungen wählen, dass was sie kennen oder im Musikunterricht behandelt haben, also das sogenannte Kernrepertoire: der ganze Beethoven rauf und runter, Schubert, Schumann, Mendelssohn, Tschaikowski, Dvorak usw. Für die Opernkonzerte gilt das gleiche, wobei hier auch ein Schwerpunkt auf italienischen Komponisten liegt. Also man kann wirklich feststellen:" Wie die Alten sungen so zwitschern die Jungen". Richtig ist, dass der Musikunterricht in den allgemeinen Schulen viel zu kurz kommt. Das gilt jedoch nicht für die speziellen städitschen und privaten Musikschulen, die sind inder Regel rappelvoll und könnne sich vor Anmeldungen nicht retten. Fazit: Noch ist Polen nicht verloren. Ich glaube auch nicht, dass die Oper sich gesundschrumpfen muss. Sie muss ein Angebot bieten, dass vom Konsumenten akzeptiert, verlangt und gekauft wird.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Dein Wort, lieber Operus, in Apollos Ohr und die Ohren aller Theater- und Musikgötter!


    Deine Beschwörung aller guten Geister des Kulturbetriebs möge bei ihnen allen ein Echo finden - statt zu einem Ohr rein und zum anderen raus zu gehen. Und ich werde zu den Ersten gehören, die dem hymnische Rezensionen angedeihen lassen ---- falls ich es noch erlebe.


    Dass du es noch erlebst, daran besteht kein Zweifel; denn du bist nicht totzukriegen, wie es sich für schwäbisches Urgestein gehört. A M E N .


    Was meine Region betrifft, so stehen uns hier unsichere Zeiten ins Haus - im Klartext: Intendantenwechsel in Saarbrücken! Ich halte mich deshalb vorerst gern beim etwas größeren Nachbarn Straßburg auf - dort steht die Oper grade in voller Blüte.


    Sei herzlich gegrüßt vom skeptischen Sixtus

  • Ich glaube auch nicht, dass die Oper sich gesundschrumpfen muss.

    "Gesundschrumpfen" - was für ein furchtbarer Begriff, nicht nur in diesem Zusammenhang! (Alles Kranke abstoßen...)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zu deiner Beruhigung, lieber Stimmenliebhaber:


    Gesundschrumpfen ist nicht schon wieder ein Begriff aus einer ominösen rechten Ecke, sondern beschreibt (wie du sicher weißt) das Zurechtstutzen eines Unternehmens auf ein bekömmliches Maß.


    Das Wort klingt wohl etwas schrumpelig, benennt aber ein Abrücken von hybridem Wachstum.


    Dagegen kann man kaum vernünftige Argumente ins Feld führen - meint zumindest Sixtus

  • Das gab es such alles an der Rheinoper mit dem Gesundschrumpfen. Mit dem Ergebnis, daß es in Duisburg mehr Schauspiel als Oper gibt. An manchen Monaten gibt es überhauptkeine Oper, sondern nur Schauspiel und Ballett.

  • Heute las ich eine Statistik, wonach es in der Bundesrepublik auf 1000 Einwohner im Durchschnitt 17 Musikschüler gibt, wobei natürlich nicht alles in den Bereich Klassik fällt. Baden Württemberg schneidet mit 26 am besten ab. Danach folgen mit Abstand Brandenburg (19), Niedersachsen (19), Nordrhein-Westfalen (18) und Schleswig Holstein (18), die also gerade noch über dem Durchschnitt liegen. Selbst Bayern liegt mit 15 bereits unter dem Durchschnitt. An unterster Stelle stehen die Stadtstaaten Hamburg (10) und Bremen (6) sowie das Saarland (7).
    Dass an den Schulen der Musikunterricht gegenüber dem Unterricht in den 1950er Jahren (meine Schulzeit) weitgehend vernachlässigt wird, habe ich schon bei meinen eigenen Töchtern festgestellt und stelle ich heute bei den jungen Leuten, mit denen ich Umgang habe, in viel größerem Maße fest. Ich habe aber auch festgestellt, dass selbst bei vielen gut situierten Eltern kein großes Interesse mehr an Klassik besteht. Sie selber haben ja vielfach die Klassik schon nicht mehr in der Form wie wir kennengelernt.
    Das ist aber auch in anderen Bereichen der Allgemeinbildung nicht sehr viel anders. Wenn ich daran denke, dass wir in der Schule die großen Dichter von der Klassik bis in die damalige Moderne mit allen ihren wesentlichen Werken durchgehechelt haben und dazu auch die Hintergründe aus der griechischen, römischen und deutschen Sagenwelt kennengelernt haben, vielleicht aus zeitlichen Gründen nicht bis in die tiefsten Tiefen, so hat man heute Glück, wenn gerade noch der Faust als Unterrichtsstoff auf dem Plan steht. Natürlich haben viele Jugendliche dann auch kaum mehr eine Vorstellung von den mythologischen oder historischen Hintergründen, die einer Oper zugrunde liegen. Vielleicht glauben sie sogar, dass das, was ihnen heute von den modischen Regisseuren geboten wird, die wahre Oper sei.
    Ich habe es einmal mit einer Schulklasse erlebt, die in einer Arbeitsgruppe ein Shakespeare-Drama in modernem Gewand auf Video verfilmt hatten, das sogar später in einem Kino gezeigt wurde, aber nicht wussten wie man den Film schneidet und zusammensetzt. Meine Enkelin hatte mich dem Lehrer vermittelt, der mich dann bat, ob ich der Arbeitsgruppe helfen könne. Über 6 Wochen lang hatte ich jeden Werktag hier eine andere Gruppe aus Mitwirkenden sitzen, die mir mir ihren Wünschen für den Schnitt helfen sollten. Ich merkte sehr bald an der Darbietung des Textes und der Darstellung der Handlung, dass sie die Bedeutung der Texte nicht verstanden, weil der Lehrer sich um die Dreharbeiten wenig gekümmert hatte. Ich habe sie also zwischendurch immer wieder einmal getestet und ihnen dann die Hintergründe darzustellen versucht.
    Das ist natürlich teilweise auch die Generation der heutigen Regisseure, die aus klassischen Schauspielen und sogar aus dem ganz anders gearteten Medium Oper etwas machen, was mit dem Werk nichts mehr gemeinsam hat.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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