Es dürfte nicht viele Begriffe geben in unserer Muttersprache, die derzeit einander fremder gegenüberstehen als die Gattung Oper und die junge Generation.
In dieser Feststellung ist kein Vorwurf enthalten - allenfalls kann sie nachdenklich stimmen über die Hilflosigkeit, mit der zuständige Institutionen wie Schulen und Theater das Thema behandeln.
Vorab ein Versuch, den Sachverhalt zu beschreiben:
In den allgemeinbildenden Schulen wird der Literatur ein zwar schwindender, aber immer noch stattlicher Stellenwert eingeräumt. Auch die dramatische Literatur ist noch signifikant in den Lehrplänen vertreten. Dafür sorgt schon die Zahl der Wochenstunden.
Im Fach Musik sieht es da schon kärglicher aus. Wenn man einmal die Bereiche U-Musik, Rock und Pop beiseite lässt und sich auf das konzentriert, was hier in einem Forum für Klassische Musik zur Debatte steht, müssen wir feststellem, dass Musik (also Notenlesen, Musizieren, Singen, Harmonielehre, Musikgeschichte, Stilkunde etc. ) auf ein Schattendasein geschrumpft (worden) ist. Vollends die Gattung Oper wird von vielen Lehrern mit spitzen Fingern angefasst - bei näherem Hinsehen aus eigener Unkenntnis, ja Ahnungslosigkeit. Hinzu kommt, dass die Scheu vor der Blockade der Schüler, sich dieser Materie überhaupt zu nähern, einem wissenden Lehrer den Mut nehmen kann. So führt die Oper in den Schulen in wachsendem Maße ein Mauerblümchendasein.
Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn die Musikhochschulen über chronischen Nachwuchsmangel klagen. Und es grenzt schon ans Wunderbare, dass landauf, landab die Orchester noch nicht ganz auf den Hund gekommen sind. Ähnliches gilt für den Bestand der Opernensembles. Nicht dass es keinen Nachwuchs an Sängern gäbe! Aber die Wenigsten von ihnen landen dort, wo sie ihrer Qualifikation nach hingehören. In den Operntheatern herrscht weithin desolate Ratlosigkeit in Sachen Besetzung, weil die dafür zuständigen kundigen Fachleute fehlen. Und Sachbearbeiter genügen nicht, wenn es um künstlerische Qualität geht. Gefragt sind Durch- und Überblick - und vor allem Urteilsvermögen.
Doch gesetzt den Fall, diese Missstände wären behoben: Was geschieht in den leitenden Etagen der Theater, bei der Dramaturgie und in der Öffentlichkeitsarbeit? Die Impulse, die von den zuständigen Stellen ausgehen, sind entweder von rührender Hilflosigkeit geprägt oder nach politischen Vorgaben geleitet:
Dramaturgen geben routinemäßig vor der Vorstellung Einführungen, die sich vor allem bemühen, die Verfremdung des Stückes durch die Regie zu rechtfertigen (obwohl das im Programmheft noch einmal in ausführlichen Interviews geschieht).
Und, um jetzt wieder auf die Jugend zu kommen: Man verfährt nach der bequemen Devise: Man muss sie dort abholen, wo sie stehen! das klingt einleuchtend, ist aber in Wahrheit eine Ausrede, weil einem nichts einfällt, was direkt in medias res führt: zur Musik und zum Drama - und damit zum Musikdrama. Das Ergebnis solcher Abholung sieht dann so aus: Auf der Bühne werden Bilder und Situationen vorgeführt, die zwar mit dem Stück wenig zu tun haben,die aber die Jugendlichen von der Straße her kennen und deshalb cool finden. Das schafft am Schluss johlende Zustimmung. Das Ganze spricht sich herum, die folgenden Vorstellungen sind mit Kids gut gefüllt, und alle finden es geil.
Das nennt man dann Verjüngung des Publikums. Mit Recht - nur mit Oper hat das nur am Rande zu tun.
Über Alternativen, die mehr mit Oper zu tun haben, können wir uns ab sofort austauschen.
Herzliche Grüße von Sixtus