Die heutige Premiere einer Neuproduktion von Janaceks Katja Kabanova verhieß schon in der Vorankündigung nichts Gutes. Hatte doch der Bühnenbildner Ben Baur bei seinem Regie-Debut vor ca. drei Jahren schon eine Lucia-Neuproduktion seiner Willkür geopfert, indem er die Story am Ende beginnen ließ. Im Klartext: Der Tenor musste sich mit seiner ausgedehnten schweren Schlussszene einsingen! Eine stärkeren Offenbarungseid kann ein Opernregisseur nicht leisten. Doch das Publikum hat es geschluckt, und es wurde von der lokalen Presse als Erfolg gefeiert.
Dieser Regisseur nahm sich jetzt Janaceks Katja an - und versetzte den Schauplatz von einem miefigen Dorf an der der Wolga - ins Wanderzirkus-Milieu! Begründung: Die Bewohner schleppen ihre Psychosen mit sich wie die Zirkusleute ihre Utensilien. Das genügte Herrn Baur, um das gaanze Stück umzukrempeln und seine Figuren mit den Kostümen und Gewohnheiten des fahrenden Volks auszustatten - und damit jeglichen Bezug zur dramaturgischen Logik des Ostrowskijschen Dramas zu zerstören. Nichts passte mehr zu nichts. Jegliche Emotion der Protagonisten war deplatziert, weil das Zirkusmilieu eine völlig andere Moral hat als das letzte Dorf an der Wolga. Ich gestehe, dass ich eine Viertelstunde lang im Zweifel war, ob ich womöglich eine Programmänderung übersehen hatte. Und auch im weiteren Verlauf erkannte ich nur mühsam, dass es sich um Janaceks Personal handelte. Denn es gelang der werkfremden Regie, die Aufmerksamkeit von der Musik auf das völlig unverständlich gewordene Geschehen auf der Bühne zu lenken. Ich konnte mich lange nicht damit abfinden, dass die alles ernst gemeint war.
Und das Publikum? Es folgte brav der pausenlosen (fast zweistündigen!) Aufführung und spendete matten, aber höflichen Applaus, der durch die übliche demokratisch korrekte Verteilung von roten Rosen künstlich verlängert wurde. Keine Buh-Salve für das Regieteam. Ich bin überzeugt, dass die örtliche Presse von einer erfolgreichen Premiere berichten wird.
Ich stehe jetzt auf folgendem Schlauch: Wie soll ich, wie gewohnt, eine ehrliche Rezension für den Merker schreiben, ohne mir eine Klage an den Hals zu ziehen? Es ist das erstemal seit sechs Jahren, dass ich keine nennenswerten positiven Gegengewichte ins Feld führen kann, die mich vor dem Vorwurf bloßer Miesmacherei schützen. Denn auch die Leistungen der Sänger waren alles andere als berauschend - und wie soll man dieses zum Pseudo-Drama deformierte Stück glaubwürdig spielen? Leider nichts Besseres kann euch ein fassungsloser Sixtus vermelden.