Klassischer Gesang

  • Liebe Freunde der Oper und des Kunstlieds!


    Immer wieder fällt mir auf, dass in Berichten über Opernaufführungen an den Stellen Unsicherheit auftritt, wo es um die Einschätzung von Stimmen und die Beurteilung von Sängern geht. Die Berichte sind im Ganzen informativ und spannend, aber wenn es ums Singen geht, reduzieren sie sich auf Gefallen / Nichtgefallen - mit dem Hinweis, man sei hier Laie. Das kann man nicht von heute auf morgen ändern. Doch in einigen Punkten kann man sich doch etwas mehr Klarheit verschaffen und im Urteil zu mehr Sicherheit gelangen.


    Häufig habe ich bei Freunden der Vokalmusik den Eindruck, sie halten Opern-, Lied- und Oratoriengesang für weitgehend voneinander unabhängige Arten des Singens. Dem kann ich, mit guten Gründen, ein ganz entschiedenes JEIN! entgegensetzen. Um das zu konkretisieren, muss ich etwas ausholen:


    An anderer Stelle habe ich nicht verschwiegen, dass ich selbst eine Art Initialzündung erlebt habe, was das Singen betrifft. Das war vor zwei Generationen, mit 15 Jahren.
    Der Sänger des König Philpp im Zittauer Stadttheater, also ein Bassist, der mich tief beeindruckt hatte, gab kurz darauf einen Liederabend mit Schuberts Winterreise. Beides zusammen löste in mir (der ich immer schon gern und nicht schlecht gesungen hatte), den Entschluss aus, Sänger zu werden. Und das bedeutet ja in aller Regel: Opern- und Konzertsänger. Meine bald folgende Gesangsausbildung lehrte mich dann peu à peu, dass ein begrenztes stimmliches Material nicht beliebig vergrößert bzw. verbessert werden kann. Ich gab (nach knapp bestandener Opernprüfung) das Vorhaben auf - und sang weiterhin, bis heute, im stillen Kämmerlein Opern- und Konzertarien - und Lieder. Dass es dabei Unterschiede zu beachten gibt, lernte ich erst allmählich.


    (Jetzt muss ich erst mal eine halbe Stunde unterbrechen, sonst gibt es Ärger mit der Küche. Also bis gleich...)

  • Es gilt festzuhalten:
    Zwischen Opern- und Konzert- bzw. Liedgesang gibt es in der Stimmbildung keine grundsätzlichen stimmtechnischen Unterschiede. In allen diesen Bereichen wird die Stimme mehr oder weniger veredelt. Der Ton wird von einer Luftsäule erzeugt, die, vom Zwerchfell gestützt, beim Ausatmen den offenen Kehlkopf passiert und dabei die Stimmbänder zum Schwingen bringt und auf dem Rest des Weges zum Mund noch die Resonanzräume des Kopfes ausnützt.
    Das Ziel des Tones ist in jedem Fall, über das Orchester hinweg den Theater- oder Konzertsaal zu durchqueren und die Aufmerksamkeit des Auditoriums zu erringen.


    So viel zum NEIN. Doch das JEIN enthält ja auch ein Quäntchen JA, also die Unterschiede:
    Wenn die Stimme den richtigen Sitz erworben hat, wenn man also, wie beschrieben, auf dem Atem singt, dann singt man nicht einfach drauf los. Man befragt vielmehr das Notenblatt, was da zur Debatte steht: eine Bach-Kantate, ein Schubert-Lied, die Registerarie - oder Wotans Abschied. Wenn diese Optionen vor dem geistigen Auge (und Ohr!) stehen, kann die mentale, also die stilistische Weiche auf das passende Gleis eingestellt werden: bei Bach das barocke Gleichmaß in Tempo und Dynamik, bei Schubert die romantisch eingefärbte Emotionalität, bei Mozart die virtuose Verspieltheit, bei Wagner die raumfüllende Autorität.


    Ob die Stimme das alles zulässt, ist, mit Hilfe eines erfahrenen Lehrers, bald herausgefunden. Es hängt ab vom individuellen Klang des Stimmtimbres, vom Stimmumfang und vom Stimmvolumen. Die wenigsten Sänger können dies alles, schon gar nicht von Anfang an. Aber bevor wir die Stimme wachsen lassen, sollten wir erst mal etwas Raum lassen für Fragen, Einwände, Ergänzungen. Dann kann´s weiter gehen.


    Bis dahin herzliche Grüße von Sixtus

  • Grundsätzlich interessant, inhaltlich.


    Aber warum muss der Thread tituliert sein "K L A S S I S C H E R G E S A N G"? Geht es auch etwas weniger pompös, oder soll dies "raumfüllende Autorität" sein?

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Grundsätzlich interessant, inhaltlich.


    Aber warum muss der Thread tituliert sein "K L A S S I S C H E R G E S A N G"? Geht es auch etwas weniger pompös, oder soll dies "raumfüllende Autorität" sein?


    Das trifft aber doch das Thema, da es nicht um DSDS "Gesang" geht. Ich verstehe nicht, was daran zu bemängeln ist.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

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  • Es ging, denke ich, darum, dass da 17 durch Leerzeichen getrennte Großbuchstaben standen, wo eigentlich zwei Wörter hätten sein sollen. Aber inzwischen hat eine gnädige Seele das ja korrigiert. (Nachtrag: Im Internet gilt das Schreiben in Versalien – obwohl es das hier wegen der Leerzeichen ja streng genommen gar nicht war – als lautes Schreien.)

  • Zitat

    Es ging, denke ich, darum, dass da 17 durch Leerzeichen getrennte Großbuchstaben standen, wo eigentlich zwei Wörter hätten sein sollen.


    Falls nicht bemerkt: Es geht hier um das Thema "Klassischer Gesang"!

    W.S.

  • Seltsam! Es gibt hier, wo es doch oft schnell hin und her geht und das Korrekturlesen nicht so wichtig genommen wird, dann doch wieder übergenaue Leser. Mir ist der Fehler erst aufgefallen, als der erste Beitrag im Kasten war - eine Minute zu spät. Und was wird da alles hinein interpretiert! Da könnte einem schon mal die Lust vergehen! Aber noch ist es nicht ganz so weit - ich mache einfach weiter, in der Zuversicht, dass sich die Großzügigkeit gegenüber Lappalien durchsetzt...


    Ob sich eine Stimme für den Schwerpunkt Oratorium/Lied oder Oper eignet, entscheiden vor allem zwei Merkmale: das Timbre und das Volumen.
    Um bei der tiefen Männerstimme zu bleiben (weil die mir am vertrautesten ist): Ein schwarzer Bass ist nicht unbedingt prädestiniert für Bach-Kantaten, die eher leichte, bewegliche Stimmen erfordern (auch ein Bariton kann da reussieren). Ähnlich ist es bei Mozart, obwohl ein breiteres Stimmspektrum und mehr Farben erforderlich sind, um so unterschiedliche Charaktere wie Figaro, Bartolo und Almaviva zu veranschaulichen. Bei Verdi und Wagner kommt dann noch das größere Orchester dazu, das nur von großen, voluminösen Stimmen übersungen werden kann.


    Ob eine Stimme im Laufe der Zeit wächst und dramatischer wird, hängt wesentlich davon ab, wie forciert oder geduldig neue Partien erworben werden. Als Faustregel kann gelten: Nicht zu schnell zu dramatischen Partien verleiten lassen! Ehrgeiz und Ungeduld haben schon manche Karriere vorzeitig beendet, weil forciertes Singen die Stimme schnell ruiniert.


    Um nochmals auf den Liedgesang zu kommen: Lieder sind Miniaturen, oft kleine Dramen, die neben guter Stimmtechnik vor allem Einfühlungsvermögen und Intelligenz erfordern. Deshalb geben viele ältere Sänger gern Liederabende, weil sie ihre Musikalität und ihre Berufs- und Lebenserfahrung einbringen können. Da nimmt man auch inkauf, dass die Stimme nicht mehr ganz taufrisch ist. Andere Sänger spezialisieren sich von Beginn an auf Lieder, weil sie über begrenztes Volumen verfügen. Das führt aber oft zu einem Singen zwischen p und pp, das die dynamische Spannweite vieler Lieder nicht ausschöpft und dadurch einschläfernd wirkt.


    Falls ich mal wieder irgendwo danebengetippt habe, zur Beruhigung: Ich kenne meine Muttersprache. Aber wer unter euch ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein! Den halte ich dann gern aus...

  • Nochmals zur Verdeutlichung: Die Formulierung des Themas soll veranschaulichen, dass es keine grundsätzlichen stimmtechnischen Unterschiede gibt zwischen Opern- und Liedgesang. Sie basieren beide auf den gleichen Fundamenten von Singen auf der Atemsäule und optimaler Rundung des Tons. Die Unterschiede liegen im Bereich von Volumen, Timbre und Flexibilität. Der Liedgesang kommt mit weniger Volumen aus, auch kann ein zu persönliches Timbre der Interpretation im Wege stehen. Das schließt aber nicht aus, dass große, gut fokussierte Stimmen auch zu guten Liedinterpretationen fähig sind (wie Jessye Norman, Christa Ludwig und Hans Hotter zeigen).


    Wenn ich den Zeitraum von zwei Generationen überblicke, in dem ich mich mit Gesang befasse, dann fällt mir auf, dass es bei den historischen (Mono-) Aufnahmen noch keine so deutliche Trennung zwischen diesen Bereichen gegeben hat. Ich habe noch Liederabende aus der Generation von Schlusnus, Rosvaenge und Böhme gehört, bei denen selbst stilistische Unterschiede kaum zu hören waren. Das gilt heute mit Recht als Defizit. Aber das übertriebene Sortieren ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.


    Die entscheidende Wende kam mit dem jungen Fischer-Dieskau, dessen Anfänge zum Inbegriff des modernen Liedgesangs wurden. Die Differenzierung im Dynamischen und die Verdeutlichung des Textes galten bald als Maßstab des Liedgesangs. Als sich der Sänger dann auch der Oper zuwandte, wurde bald offenbar, dass die Stimme zwar einen vergeistigten Wolfram singen konnte, aber der Sänger bei Partien wie Jochanaan, Mandryka, Holländer und Sachs (und bei Verdi!) häufig ins Deklamieren flüchten musste, um mangelndes Volumen zu kaschieren - besonders im Spätstadium seiner Karriere.


    Aber ich glaube, hier ist eine Zäsur nötig, weil sich womöglich eine Handvoll Sprengstoff angesammelt hat. Sofern er nicht vergiftet ist, ist Sixtus ganz Auge und Ohr.

  • Immer wieder fällt mir auf, dass in Berichten über Opernaufführungen an den Stellen Unsicherheit auftritt, wo es um die Einschätzung von Stimmen und die Beurteilung von Sängern geht. Die Berichte sind im Ganzen informativ und spannend, aber wenn es ums Singen geht, reduzieren sie sich auf Gefallen / Nichtgefallen - mit dem Hinweis, man sei hier Laie.


    Lieber Sixtus,
    hast Du nicht auch diese Unsicherheit?
    Vielleicht ziehst Du Dich gerade deshalb immer wieder auf die Meta-Themen zurück?
    Zu konkreten Sängern, ihren Stimmen, ihrer Gesangstechnik und ihrer Gesangskunst jedenfalls habe ich von Dir bisher eher wenig gelesen - und wenn, dann ging es um allgemein bekannte Größen, über die irgendwie alles schon gesagt ist.


    Aber ich will gerne eingestehen, dass ich auch diese von Dir diagnostizierte Unsicherheit bei der Einschätzung und Beurteilung von Stimmen habe. Es ist wirklich nicht einfach, die Eigenheiten einer Stimme wahrzunehmen und auch mit Worten zu beschreiben. Oft suche ich lange, ehe ich das ausdrücken kann, was ich gehört habe. Da ist unsere Diagnose-Vokabular doch arg begrenzt. Und dann kommt die Unsicherheit: ist dieses oder jenes Adjektiv wirklich treffend und angemessen? Weckt es nicht die ganz falschen Assoziationen?
    Leichter ist es schon, zu beschrieben und zu beurteilen, die der Sänger mit seiner Stimme umgeht. Dafür gibt es Kriterien und ein Vokabular, auf das man zurückgreifen kann. Trotzdem bin ich oft wirklich unsicher, ob ich das, was ich gehört habe, richtig erkannt und bestimmt habe. Da hilft auch ein intensives Studium und eine jahrzehntelange Hörpraxis nicht.
    Mit der Unsicherheit müssen wir einfach leben.

    Und dann kommt natürlich erst die Frage, wie ich diese oder jene Eigenheit beurteile. Um ein Beíspiel zu nennen: die beurteile ich die sehr spezielle Koloraturtechnik von Cecilia Bartoli. Ich kann sie einigermaßen anschaulich beschreiben, vielleicht auch noch charakterisieren, aber wie beurteile ich sie? Ein anderes: Wie soll ich jedwedes Vermeiden von Reibelauten im Gesang von Joan Sutherland beurteilen? Die Sammlung von Beispielen ließe sich beliebig fortsetzen.
    Unsicherheit - Unsicherheit - Unsicherheit


    Eine wirklich wertvolle Hilfe in diesem Dschugel von Unsicherheiten ist mir inzwischen das Lexikonder Gesangsstimme auf das ich ja schon in einem anderen Thread nachdrücklich hingewiesen habe.



    Beurteilung von Sängern – Eine Frage das Geschmacks oder objektiver Kriterien?


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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  • Lieber Caruso,
    wie recht du hast! Wer sind wir denn, dass wir uns anmaßen dürften, in den Stimmapparat anderer Menschen schauen zu können?!


    Ich muss beschämt eingestehen, dass ich es immer noch nicht geschafft habe, mit meinem Computer sachgerecht umzugehen. Immerhin habe ich mich inzwischen entschlossen, den alten Krüppel durch einen neuen zu ersetzen, damit mir nicht auch noch die Altersschwäche der Maschine zusätzlichen Stress macht.


    Es besteht also Hoffnung, dass ich in absehbarer Zeit doch noch lerne, wie man You Tube bedient und CDs einstellt. Ich habe überhaupt erst durch dieses Forum Kontakt mit dem Internet bekommen. Davor war der Computer für mich eine bequeme Schreibmaschine - und mit Ach und Krach für Mails. Deshalb waren die Meta-Themen für mich ein vorläufiger Ausweg. Aber auch sie sind nicht ganz überflüssig!


    Danke für die Buch-Empfehlung! Ich werde dafür noch ein Plätzchen in meinem Opernregal freischaufeln.


    Falls dir das Warten auf meine Erfolgsmeldung zu lange dauert, empfehle ich dir die Lektüre meines Leitartikels im aktuellen Merker 1/2017: Tutto nel mondo è burla!


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Aber warum muss der Thread tituliert sein "K L A S S I S C H E R G E S A N G"? Geht es auch etwas weniger pompös, oder soll dies "raumfüllende Autorität" sein?


    Es gibt hier, wo es doch oft schnell hin und her geht und das Korrekturlesen nicht so wichtig genommen wird, dann doch wieder übergenaue Leser. Mir ist der Fehler erst aufgefallen, als der erste Beitrag im Kasten war - eine Minute zu spät. Und was wird da alles hinein interpretiert! […] Aber wer unter euch ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein!


    Dann antworte ich mal für hasiewicz, denn auch ich hatte den gleichen Gedanken: Mit Übergenauigkeit hat das natürlich gar nichts zu tun. Aber Tippfehler oder orthografische Besonderheiten fallen nun mal im Titel mehr ins Auge als irgendwo im Beitragstext, und wenn dann noch dazu alles groß geschrieben ist, lässt sich das einfach nicht mehr übersehen. Dass die Großschreibung – »pompös« – ein Versehen war, hast Du ja inzwischen klargestellt. Man kommt leicht mal unbeabsichtigt auf die Feststelltaste. Freilich bleiben mir dabei die ganzen Leerzeichen – »raumfüllende Autorität« – doch ein Rätsel, zumal dann zwischen dem R und dem G eigentlich ein doppeltes Leerzeichen hätte stehen müssen.
    Und was das Hineininterpretieren angeht, so finde ich die Formulierungen von hasiewicz doch nicht böse gemeint, sondern eher witzig-ironisch. Und meine Anmerkung, dass Versalschreibung in Foren allgemein als Schreien aufgefasst wird, war nur als Information gedacht. Es wäre töricht, jemandem mit den von Dir beschriebenen Computerkenntnissen so eine Absicht zu unterstellen.

  • Das "Problem" bei der Beurteilung von Stimmen ist doch immer der Geschmack des Beurteilenden. Sicher lassen sich manche Faktoren, was die Atemtechnik, die Tonbildung, usw. angeht einigermassen objektiv beurteilen, wenn man sich "naturwissenschaftlich technischer" Kriterien bedient. Trotzdem fasziniert mcih zB ein Corelli trotz seiner Unarten und "Mängel" als Sänger des Manrico ungleich mehr als manch technisch makelloser singender Kollege, trotzdem höre ich selbst der Callas selbst jenseits ihrer besten Tage mit mehr Faszination zu als mancher anderen Primadonna. Ich glaube nicht daran, dass sich ab einer bestimmten "Liga" die Qualität eines Sängers nicht mehr objektiv beurteilen lässt.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Lieber Misha,


    ich spüre bei deinen Beiträgen immer wieder, dass du, wenn es um Gesang geht, einen sehr emotionalen Zugang hast. Eine Haltung, die mir sehr liegt. Sie lässt sich nicht auf die Feststellung reduzieren, dass Stimmen eben Geschmackssache sind. Es ist mehr:


    Wie ich es in einem anderen Thread genannt habe, ist die menschliche Stimme so etwas wie ein Fingerabdruck der Seele, was sich besonders im persönlichen Timbre niederschlägt. Wenn mich eine Stimme anspricht, ist weniger die Gesangstechnik dafür verantwortlich (die man erlernen kann) als diese persönliche Färbung. Wenn dann noch vitale Eigenschaften hinzukommen wie ein großes Volumen oder ein enormer Umfang, sind einer Stimme kaum Grenzen gesetzt - sie versetzt in Staunen und trifft die Zuhörer ins Herz. Das kann ein großes künstlerisches Potential freisetzen, wie an den nachhaltigen Hinterlassenschaften von Maria Callas, Alexander Kipnis, Leonard Warren oder Jussi Björling zu erleben ist. Das schafft weder eine geläufige Gurgel noch, bei allem Respekt vor seiner Leistung, ein bloßer Belcantist.


    Die unerlässlichen Fundamente des klassischen Singens bilden zwar die Basis, sind aber nicht das Endziel des Sängerberufs. Die ganz großen Erlebnisse werden von den Stimmen ausgelöst, die sich durch Farbe und Profil einprägen.
    Ich habe eine Reihe von Liederabenden erlebt, darunter einige von Fischer-Dieskau. Aber die nachhaltigsten Eindrücke für mich waren Liederabende von George London und Martti Talvela. Auch große Opernstimmen können Lieder singen. Und das piano einer gebändigten großen Stimme kann eindrucksvoller sein als ein zur Perfektion gezüchtetes einer sanften Stimme.


    Herzliche Grüße von Sixtus

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  • Ich muss beschämt eingestehen, dass ich es immer noch nicht geschafft habe, mit meinem Computer sachgerecht umzugehen. ....... Es besteht also Hoffnung, dass ich in absehbarer Zeit doch noch lerne, wie man YouTube bedient und CDs einstellt. Ich habe überhaupt erst durch dieses Forum Kontakt mit dem Internet bekommen.


    Lieber Sixtus,


    da wirst Du ja hier ganz anders auftrupfen können!


    Aber ich frage mich, warum Du keine Youtube-Videos anhören kannst, die andere Taminos eingestellt haben.
    Dazu braucht es ja gar nichts weiter an Technik und know how, sie zu beherrschen. Du mußt doch nur den weißen Pfeil in dem roten Rechteck auf der Mitte des kleinen Bildes anklicken und schon geht es los!
    Und wenn Du die Videos, die Dich interessieren und zu denen Du was sagen willst, gehört hast, schriebst Du einfach Deine Höreindrücke als Antwort auf. Ganz einfach!


    Also nur Mut!
    Wie heißt es doch bei Schiller so schön "Mut hat auch der Mameluck".


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Zit. Sixtus: "Die ganz großen Erlebnisse werden von den Stimmen ausgelöst, die sich durch Farbe und Profil einprägen."


    Ist das wirklich so? Entschuldigung, wenn ich mich hier einmische, aber diese Aussage scheint mir so nicht haltbar zu sein, - sie ist eine subjektive, die sich sprachlich in den Gestus einer Objektivität beanspruchenden Feststellung begibt. Es fehlt ein wichtiger sprachlicher Zusatz: Es müsste eigentlich heißen "...werden für mich von den Stimmen ausgelöst..."
    Was heißt denn "Farbe und Profil"? Damit sind doch wohl gleichsam klangliche Eigenschaften einer Stimme, also sinnliche Merkmale derselben angesprochen. Oder verstehe ich diese Begriffe falsch?
    Wenn dem aber so sein sollte, dann werden für mich, als den hier Schreibenden, dadurch in gar keiner Weise "große Erlebnisse" ausgelöst. Sie ereignen sich durch die Art und Weise, wie ein Sänger oder eine Sängerin mit dem Instrument der Stimme die jeweilige musikalische Aussage realisiert, wie die Stimme also zum Zwecke der Interpretation von Musik eingesetzt wird.


    Ein Beispiel:
    Als ich zum ersten Mal die Traviata-Arie "Addio, del passato" von der Callas vorgetragen gehört habe, war ich - der es mit Opernmusik eigentlich nicht sonderlich hat - regelrecht hingerissen. Ich kannte diese Arie natürlich, und zwar in verschiedenen anderen gesanglichen Interpretationen, aber ich meinte in diesem Augenblick tatsächlich, sie zum ersten Mal zu hören, wie Verdi sie auf der textlichen Grundlage in ihrer musikalischen Aussage komponiert hat.
    Die Stimme der Callas beeindruckte mich in ihrer "Farbe" (also in der Art, wie sie klingt) und ihrem "Profil" (also ihrem speziellen und darin singulären Timbre) in gar keiner Weise. Im Unterschied etwa zu Netrebko (die diese Arie ja auch singt, aber - für mich! - an das Niveau der Callas interpretatorisch auch nicht annähernd heranreicht) hatte sie keine "schöne" Stimme.
    Aber sie vermochte damit interpretatorisch geradezu abgrundtief in die jeweilige Opern-Rolle einzutauchen und sie in all ihren musikalischen und theatralischen Dimensionen auszuleuchten und zu -loten.
    Das ist es, was bei mir(!) "große Erlebnisse" auszulösen vermag. Und ich vermute mal, dass ich darin nicht alleine bin.


    (Anmerkung: Mich "nervt" ein wenig die Ausklammerung des Aspekts "Interpretation" bei diesen Threads über "Gesang" und deren Arretierung und Fixierung auf der Ebene "sinnliche Klanglichkeit von Stimme". Sie wird zum Beispiel sichtbar, wenn Sixtus von Liedinterpretationen durch "große Opernstimmen" schwärmt und meint, "das Piano einer gebändigten großen Stimme" könne "eindrucksvoller sein als ein zur Perfektion gezüchtetes einer sanften Stimme". )

  • Ist das wirklich so? Entschuldigung, wenn ich mich hier einmische, aber.....


    Lieber Helmut Hoffmann,
    Du darfst dich doch immer gerne einmischen. Deine Beiträge zu Themen der Gesangskunst sind stets gut durchdacht und ausgesprochen anregend. Ich würde mir direkt wünschen, Du würdest Dich öfter eimischen.
    Leider dümpeln ja die Threads, die mit Stimmen und Gesangskunst zu tun haben seit längerer Zeit ziemlich vor sich hin. Da hättest Du sicher Einiges beizutragen.


    Nimm es als freundliche Ermutigung!
    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Mir ist klar, dass meine Formulierungen Missverständnisse auslösen können.
    Mir ist auch klar, dass die Stimme der Callas nicht das war, was man eine schöne Stimme nennt. Aber die Stimme hatte imponierende Reserven, die ihr fast das gesamte Opernrepertoire zugänglich machten, von der Konstanze bis zur Isolde. Sie konnte ebenso zarte wie hochdramatische Farben aufrufen, was auch ihre Traviata so faszinierend macht. Aber der Farbenreichtum ihrer Interpretation basierte auf einem schier unerschöpflichen dynamischen Reichtum, den sie in allen Ausdrucksnuancen einsetzen konnte. Wäre sie der deutschen Sprache mächtig gewesen, wäre sie mit Sicherheit auch eine große Liedinterpretin gewesen.


    Übrigens: Muss man bei jeder Beurteilung einer künstlerischen Interpretation immer betonen, dass dies die eigene subjektive Meinung sei? Wessen Meinung denn sonst? Irgendwann versteht sich das auch mal von selbst - und macht solche Bescheidenheits-Schnörkel überflüssig - meint, in aller Bescheidenheit, Sixtus