Otar Taktakischwili: Symphonie Nr. 2 c-Moll


  • Der georgische Komponist Otar Taktakischwili (1924—1989) ist im Westen fast unbekannt. Tatsächlich zählt er zu den bedeutendsten Komponisten Georgiens zur Zeit der Sowjetunion, deren Untergang er nicht mehr erlebte. Sein Werkverzeichnis umfasst zwei Symphonien (1949, 1953), vier Klavierkonzerte (1950, 1973, 1974, 1983) und zahlreiche weitere Orchester-, Chor-, Vokal- und Klavierwerke. Zudem komponierte er 1946 die Staatshymne der Georgischen Sowjetrepublik. Er wurde hochdekoriert, erhielt 1951 den Stalinpreis und 1982 den Leninpreis, wurde 1974 Volkskünstler der UdSSR und dreimal (1951, 1952, 1967) mit dem Staatspreis der UdSSR ausgezeichnet. Außerdem machte er auch als Politiker Karriere und amtierte zwischen 1965 und 1983 als georgischer Kulturminister.


    Als sein bedeutendstes Werk gilt die Symphonie Nr. 2 c-Moll, welche im Jahre 1953 veröffentlicht wurde. Sie gliedert sich, ganz klassisch, in vier Sätze:


    I. Andante
    II. Vivo
    III. Adagio
    IV. Moderato



    Die wohl maßstäbliche Aufnahme spielte Jewgeni Swetlanow mit dem Staatlichen Symphonieorchester der Russischen Föderation im Jahre 1992 ein. Man sollte erwähnen, dass sich Swetlanow für die zweite Fassung des Finalsatzes von 1988 entschied. Diesen überarbeitete Taktakischwili kurz vor seinem Tode noch einmal.


    Bedeutungsschwer beginnt in düsterem, spätromantischen Tonfall und mit ordentlich Dramatik der Kopfsatz (14:28). Im weiteren Verlauf wird es kurzzeitig lyrischer, doch das Melancholische wird beibehalten. Bedrohliche Paukenschläge und schneidende Blechbläser treten hie und da wieder hervor. Wiederum schiebt sich eine poetische Passage von geradezu überirdischer Klangschönheit dazwischen, bevor das schicksalsschwere Motiv zurückkehrt. Der Satz klingt schließlich ruhig und versöhnlich aus. Der zweite Satz (7:33) ist deutlich lebhafter; ihm haftet etwas Volkstümliches an. Womöglich flossen hier georgische Melodien ein. Über der heiteren Grundstimmung liegt doch eine dunkle Gewitterwolke, die dann und wann grollt. Gegen Ende wird der Satz festlich und endet pompös. Der langsame dritte Satz (12:59) erinnert in seinem tragischen Gestus an den ersten, ist aber anfangs deutlich verinnerlichter und introvertierter ausgestaltet. Dies ändert sich im weiteren Verlauf, es wird regelrecht monumental. Das Swetlanow-Orchester kann einmal mehr seine Klasse unter Beweis stellen. Dennoch lässt der Komponist auch diesen Satz zuletzt ruhig ausklingen. Dafür rüttelt das Finale (9:23) sofort wieder auf. Sehr beeindruckende Blechbläserstellen durchziehen es. Nach dem eruptiven Auftakt kehrt etwas Ruhe ein. Diese — man konnte es ahnen — hält aber nicht lange an, da die Dramaturgie auf die Klimax zusteuert. Die Coda spitzt das Ganze dann zu. Paukendonner bricht herein, das Werk endet heroisch. Die Klangqualität ist übrigens vorzüglich und fängt die Symphonie sehr natürlich und räumlich ein.


    Fazit: Ein gutes Beispiel für die sowjetische Musik zur Hochphase des sozialistischen Realismus. Das Werk wurde noch zu Stalins Lebzeiten komponiert und in seinem Todesjahr veröffentlicht. Entsprechend tonal geht es hier zu. Die Tonsprache Taktakischwilis ist deutlich gemäßigter als jene von Prokofjew und Schostakowitsch. Gleichwohl würde ich diese Symphonie als äußerst hörenswert bezeichnen.


    Ich verlinke noch auf die auch bei YouTube verfügbare Aufnahme (hier auf zwei Videos verteilt):


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Vielen Dank für den interessanten Hinweis. Ich hatte vor 2 Jahren einmal auf das auch sehr hörenswerte Violinkonzert hingewiesen:


    Und noch ein Konzert, dass Eingang ins Repertoire verdient hätte, das 1955 komponierte Violinkonzert des georgischen Komponisten Otar Taktakischwili (1924-1989). Ein eher lyrisch geprägtes Werk, von der Modernität vielleicht vergleichbar mit dem 1. VC von Prokofieff. Allerdings klingt es überhaupt nicht nach diesem Komponisten und schon gar nicht nach Schostakowitsch, sondern Taktakischwili hat schon seine eigene Tonsprache entwickelt, die eher auf russische Komponisten des 19. Jahrhunderts zurückblickt. Das klangschöne und auch sehr virtuose Werk liegt mir in einer sehr guten Einspielung der georgischen Geigerin Liane Issakadse vor, sicher die bedeutendste sowjetische Geigerin vor Mullova. Begleitet wird sie vom Komponisten und dem Großen RSO der UdSSR. Die klanglich nicht mehr ganz frische Aufnahme ruft nach einer Neuaufnahme, das wäre doch eine schöne Aufgabe für Lisa Batiashvili.