Manuel Brug: "Wie lange wollen die Opernstars denn noch singen?"

  • Ein durchaus lesenswerter Artikel in der "Welt":


    "Die Opernbühne wird zum Altenheim: José Carreras hat kurz vor seinem 70. angekündigt, endlich aufhören zu wollen. Viele seiner älteren Kollegen denken gar nicht daran – besonders in Berlin.
    [...]
    Das wahre Altersheim noch aktiver Sänger scheint inzwischen die Berliner Staatsoper zu sein. Da versammelten sich nach der gerontologischen „Meistersinger“-Premiere 2016 Daniel Barenboim (74) und Jürgen Flimm (75) kürzlich bei der „Elektra“-Premiere erneut in den Nebenrollen Cheryl Studer (61), Roberta Alexander (77), Donald McIntyre (82) und Franz Mazura (92)."


    Er führt auch einen interessanten Erklärungsansatz an, warum die Alten gar nicht aufhören könnten: "Diese Monstrés sacrés von gestern haben meist nämlich monströse, von ihnen abhängige Familienclans."


    https://www.welt.de/kultur/art…ars-denn-noch-singen.html

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eigentlich eine Binsenweisheit, die da verzapft wird - Nichts desto weniger ist sie wahr (Das haben Binsenweishaiten gemeinhin so an sich)
    Aber letztlich ist die Frage "Wie lange noch singen?" einfach zu beantworten:
    So lange man die Säle füllen kann, das Publikum noch applaudiert und zu begeistern ist, und solange noch die Kasse klingelt - auch durch Tonaufnahmen. Es klingt ja sehr nobel, wenn man sagt, man selbst würde wissen wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Ist er dann aber da, dann wollen das nur wenige akzeptieren - und singen weiter. Das ist aber nichts Neues. Die berühmte Adelina Patti, einst der Inbegriff stimmlicher Perfektion wurde zu Schallplattenaufnahmen überredet, als sie ihren stimmlichen Zenith bereits überschritten hatte. Ich persönlich musste, äh durfte dabei sein, als der damals 67jährige Giuseppe di Stefano in der "Nacht in Venedig" die Rolle des Herzogs gröhlte. Die hier gezeigte Aufnahme muß an einem anderen Abend aufgenommen worden sein, denn sie ist vergleichsweise harmlos.


    ab 47:26


    Viel Vergnügen


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei den Politikern haben wir doch das gleiche Problem, da sieht eine Kabinettssitzung leicht wie der Speiseraum einer Altentagesstätte aus

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Wie in jedem Beruf soll auch der Sänger singen, solange er singen kann und seine Leistung vor sich selbst und anderen verantworten kann. Es gibt viele Beispiele hervorragender Alterskarrieren. Aktuell fallen mir Franz Grundheber als immer noch hervorragender Charakterbariton und der stimmlich unverwüstliche Eike Wilm Schulte ein. Erst kürzlich hörte ich ihn in den Meistersingern in München. Der stimmliche und darstellerische Befund war über jeden Zweifel erhaben. Ich bewundere in jedem Beruf Persönichkeiten, die sich ihr Können bewahrt haben und immer noch etwas leisten und vor allem geben können.


    Herzlichst
    Operus,


    der auch heute noch mit demnächst 82 Jahren einen Vertrieb mit Mitarbeiter- und Ergebnisverantwortet leitet (c. 50 Stunden im Monat), obwohl alle seine Mitarbeiter seine Enkel sein könnten. Bis jetzt klappt es hervorragend, wie durch Ergebnisse und Zahlen belegbar ist. Allerdings tue ich am meisten für mich selbst, denn diese schwierige Aufgabe ist eine enorme, positive Herausforderung für mich und sie macht mir Freude und Spaß! Daneben habe ich eine Reihe fordernder Ehrenämter.
    Also ein Verrückter. Ja, aber ein Glücklicher!

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich denke auch, dass man in Zeiten des Jugendwahns und der Geschichtsvergessenheit glücklich und dankbar sein sollte, dass einige Sängerlegenden immer noch singen, auch in einem Alter, wo man das normalerweise nicht mehr tut. JEDER, der Domingo im Mai dieses Jahres als Simon Boccanegra im Berliner Schiller-Theater erlebt hat, hat sich hinterher begeistert geäußert. Besser wissen es immer nur die, die nicht drin waren. Sie haben ihre vorgefertigten Meinungen und akzeptieren nichts, was nicht zu denen passt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. "Wie dort, so hier!"

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Besser wissen es immer nur die, die nicht drin waren. Sie haben ihre vorgefertigten Meinungen und akzeptieren nichts, was nicht zu denen passt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. "Wie dort, so hier!"


    Wie wahr, mein lieber Stimmenliebhaber, wie wahr!


    Herzlichst Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Das hängt doch vor allem davon ab, worum es geht!
    Meine Faustregel: Zuerst sollten die Tänzer aufhören, zuletzt die Dirigenten. Denn die Körperbeherrschung ist nicht so langlebig wie das musikalische Arsenal, über das ein Dirigent verfügen muss. Zwischen beiden Extremen sind die Sänger angesiedelt. Sie behalten ihre Stimme, je nach der Qualität ihrer Gesangstechnik, bis ins Alter von 40, 50, 60 oder 70. Auch die Stimmlage spielt dabei eine Rolle: tiefe Stimmen sind langlebiger als hohe, weil ihre Tessitura der Sprechstimme ähnlicher ist.
    Heutzutage über Sänger zu sprechen, ist aber schwierig. Denn immer mehr Menschen verstehen unter einem Sänger eine(n), der/die in der Lage ist, in ein Mikrofon zu säuseln, zu röcheln oder zu kreischen und dabei zu grimassieren und zu turnen. Eine Mischform zwischen diesen beiden sind Sänger, die eine (oder mehrere!) Abschiedstounee(n) absolvieren, um auszuloten, ob sie noch Aufmerksamkeit erregen. Ihnen empfiehlt sich aus dem Wege zu gehen, wenn man in Sachen Gesang einige Ansprüche stellt.


    Übrigens: Die Methode, im hohen Alter als abgesungener Tenor auf Bariton umzusatteln (was natürlich reine Behauptung bleibt), funktioniert nicht nur bei Weltstars, sondern auch bei nicht ganz so berühmten Liedersängern, wenn auch nur bei einem Fan-Publikum, das bekanntlich alles schluckt und jede Kritik niederknüppelt. Es verdichtet sich der Verdacht, dass sich einige Exemplare dieser Spezies auch in Opernforen eingeschlichen haben. Für sie hier ein Tipp in Rätselform:
    Ein prominenter Tenor, der vor Jahren bei dem kühnen Versuch, den Freischütz-Max auf CD zu bannen, am hohen A (!) gescheitert ist, debutierte inzwischen (erfolgreich - was sonst!) mit undefinierbarem Timbre als zwirnsfadendünner Elias im Dom zu Mainz.
    (So viel als Nachtrag zum Thema "Promis dürfen sich inzwischen alles erlauben - der Marktwert entscheidet".)


    In Erwartung übler Nachrede, aber auch manches verstehenden Schmunzelns, mehr oder weniger herzliche Grüße von Sixtus

  • Danke, lieber Erich!


    Wenn ich an einen Parallel-Thread denke, wie ich da geradezu als Blitzableiter für angestauten Hass missbraucht werde, da kommt mir dein kleines freundliches Veilchensträußchen vor wie Balsam auf offene Wunden. Einsam ist schlecht kämpfen!


    Aber ich fürchte, es wird für einen Blumenladen nicht ganz reichen... Es sind zu viele Leute hier, denen es offensichtlich weniger um die Oper geht als um die Pflege ihres Frusts oder ihrer Devotionalien. Da passt natürlich Klartext schlecht dazu.


    Herzliche Grüße vom noch einigermaßen lebendigen Sixtus