Alexander Glasunow: Symphonie Nr. 8 Es-Dur Op. 83

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    Alexander Glasunow (1908)


    Glasunows letzte vollendete Symphonie entstand in den Jahren 1905/06 und wurde im Dezember 1906 durch den Komponisten selbst in St. Petersburg uraufgeführt. Sie drückt noch einmal das aus, wofür die Symphonien dieses Komponisten vor allem stehen: Optimismus. Jewgeni Swetlanow bezeichnete sie als "die perfekteste" unter Glasunows Symphonien. Sie steht im Kontext mit der letztlich gescheiterten Revolution von 1905, in deren Folge sich Zar Nikolaus II. lediglich zu partiellen Reformen durchringen konnte und eine faktisch von ihm abhängige Duma (Parlament) zuließ. Gleichwohl schrieb Glasunow in seine Partitur: "Vollendet am 18. Oktober 1905, dem Tage, an dem das russische Volk seine Freiheit erhielt, oder besser gesagt: die Freiheit friedlich gewann." Damit überschätzte der Komponist fraglos die Tragweite der zudem ganz und gar nicht unblutigen Revolution, in der sich die Autokratie noch einmal durchsetzen konnte.


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    Zar Nikolaus II. bei der Eröffnung der russischen Staatsduma (1906)


    Das Werk gliedert sich ganz traditionell in vier Sätze:


    I. Allegro moderato
    II. Mesto
    III. Scherzo. Allegro
    IV. Finale. Moderato sostenuto - Allegro



    Als Aufnahme diente einmal mehr die Einspielung des Staatlichen Symphonieorchesters der Sowjetunion unter seinem Chefdirigenten Jewgeni Swetlanow (Melodiya, 1989).


    Der Kopfsatz (10:40) vermittelt eine größtenteils positive Stimmung, als beschwöre er noch einmal die große Vergangenheit; lediglich am Ende vernimmt man ein leichtes Grummeln am Horizont. Diese negative Entwicklung setzt sich im langsamen zweiten Satz (14:13) fort, der (gerade für Glasunows Verhältnisse) überaus bedrohlich daherkommt und an einen Trauermarsch erinnert. Im Allgemeinen wird dieser Satz als die dunkelste Musik charakterisiert, die Glasunow überhaupt schrieb. Das Scherzo (6:33) bildet in seiner Beschwingtheit (man möchte fast sagen: wie üblich) den Kontrast hierzu. Dieser dritte Satz kommt ohne Trio aus und erinnert mehr an ein Rondo. Dem Finalsatz (13:42) wird eine Nähe zu Wagners "Meistersingern" bescheinigt. In jedem Fall beginnt er mit einem feierlichen Choral, der sich allmählich prächtig und triumphal entwickelt. In der abschließenden Coda bietet Glasunow noch einmal alles auf und bringt das Werk pompös mit Paukenschlägen zum Ausklang.


    Nach der Beendigung der Achten verfiel Alexander Glasunow noch mehr als zuvor dem Alkoholismus. Er komponierte danach nur mehr wenige Werke; seine neunte Symphonie blieb Fragment. Es ist wohl kein Zufall, dass seine Kreativität zur selben Zeit zu erlöschen begann, als auch die Romanow-Dynastie ihrem tragischen Ende entgegensteuerte. Die achte Symphonie ist insofern eine Art letzter Abgesang auf das zaristische Russland, auch wenn dieses noch ein gutes Jahrzehnt weiter bestehen sollte.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • In der abschließenden Coda bietet Glasunow noch einmal alles auf und bringt das Werk pompös mit Paukenschlägen zum Ausklang.


    Lieber Josef,


    nimmt man Deine dankenswerten Höreindrücke und Beschreibungen der Glasunow-Sinfonien-Thread´s von Dir zusammen, dann stelle ich fest, dass es bei allen Sinfonien eine "feurige Coda" gibt. Man könnte deine Sätze aus den Sinfonien-Threads hierhin kopieren und es ergäbe sich eine deutliche Ähnlichkeit.
    :D Vielleicht hätte ich bei einigen Sinfonien bei den Hördurchgängen bis zum Schluss durchhalten sollen ... denn nicht alle Sinfonien habe ich bis zum Schluss durchhören wollen (mir wurde es einfach zu langatmig). :untertauch:


    Jedenfalls braucht man sicher keine andere GA als die mit Swetlanow, der es schafft die Werke noch einigermaßen mit Spannung aufzuladen, sodass sich ein gewisser Hörspass ergibt ... besonders die Naxos-Aufnahmen mit Anissimow habe ich als "kalter Kaffee" in Erinnerung und erst nach langem "Wiedereinstellen" absetzen können ...


    Nur die Naxos - CD mit den Klavierkonzerten Nr.1 und 2 habe ich aus der Glasunow-Naxos-Serie behalten (hier mit dem Yablonsky-Ehepaar), da es kaum Aufnahmen davon gibt.
    Unter "vom Hocker hauen" verstehe ich aber auch dort als was Anderes:



    NAXOS, 2000, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tamino Joseph II. hat Einzelheiten zu Glasunovs letzter vollendeter Sinfonie im Einführungsbeitrag mitgeteilt und auch Wichtiges zu Zeit und Umwelt erwähnt. Ich kann mir deshalb schenken, dazu etwas zu schreiben.


    Zur Musik aber schon.


    Und da fällt mir schon im ersten Satz die ruhige Grundstimmung auf, die sich auch im weiteren Verlauf nicht vertreiben lässt, trotz leichten „Grummelns“ (Joseph) in bestimmten Phasen der thematischen Entwicklung im Orchester.


    Den Kontrast bietet der Komponist im „Mesto“ (traurig/betrübt) überschrieben zweiten Satz, denn genau das ist die richtige Beschreibung des musikalischen Inhalts. Daran vermögen auch die wenigen Zwischenphasen mit Holzbläserklängen nichts zu ändern. An eine Art Trauermarsch erinnert mich - im Gegensatz zu Joseph - dieser Satz nicht. Scherzhaft könnte man einwenden, dass das Instrumentarium oft stolpert und die Marschierenden „ohne Tritt“ gehen müssten. Aber „Trauergesang“ würde ich sofort unterschreiben.


    Das Scherzo wird seiner eigentlichen Bedeutung nach - so jedenfalls mein Hörgefühl - nicht unbedingt gerecht, weil immer wieder die traurige Stimmung aus dem zweiten Satz anklingt.


    Der letzte Satz - zweigeteilt: Moderato sostenuto und Allegro moderato - beginnt choralartig und lässt im weiteren Verlauf tatsächlich immer wieder Anklänge an die „Meistersinger“ hören. Durchaus möglich also, dass Glazunov Wagners Lustspiel mochte und das mit den Einflechtungen in den Finalsatz seiner Achten zum Ausdruck bringen wollte. Aber beschwören würde ich diesen Gedanken nicht wollen.


    Ich habe mich nun durch Glazunovs sinfonisches Werk gehört und - positiv - einen neuen Sinfoniker für mich entdeckt. Das gilt momentan aber nur für sechs der acht Sinfonien. Die Dritte und die hier besprochene Achte fallen nach meinem Eindruck gegenüber den übrigen ab. Aber ich weiß natürlich, dass in Sachen Musik nichts festgefügt ist...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich fand die Threads zu den einzelnen Sinfonien auch ausgesprochen Anregend und habe den Sinfoniker Glasunov jetzt auf dem Schirm - vielen Dank dafür! Ich denke, ich werde mir auch die Fedosseyev-GA zulegen und dann genüsslich Thread für Thread beim Hören nachvollziehen.:)

    Herzliche Grüße
    Uranus