Der Sturm in klassischer Musik, Dichtung und Malerei

  • Hallo!


    Heute Abend hatte ich die Freude, in der Stuttgarter Liederhalle Philippe Herreweghe und das Orchestre des Champs-Elysées zu erleben. Wie ich im Thread "Apotheose des Tanzes" schon erwähnt habe, gab es nach der Pause die 7te. Eröffnet wurde das Konzert mit der Pastorale, der 6ten Sinfonie von Ludwig van Beethoven.


    In dem Zusammenhang kam mir der Gedanke zu diesem Thread. Bekanntlich zieht im 4ten Satz ein heftiges Gewitter auf, das das lustige Zusammensein der Landleute stört. Nicht nur ein Sturm, zu allem Verdruss ein Gewitter mit allem Drum und Dran.



    Mir kam die Idee zu der Frage: Welche klassischen Stücke (Orchestral, Lieder, Sonaten etc.) kennt Ihr, die Sturm und Unwetter in Töne zu fassen versuchen.

    Doch möchte ich diesmal den Versuch wagen, den Thread auf Gedichte und Gemälde, die zum Thema passen, zu erweitern. Der Schwerpunkt sollte natürlich auf der Musik liegen, da sonst der Thread nicht in dieser Rubrik rangieren dürfte (Alfred: Ich hoffe, Du bist mit diesem Regelverstoss einverstanden ☺)


    Hier auch das erste Gedicht zum Thema


    Der Sturm


    Der Sturm ging noch die ganze Nacht,
    ganz daß die Nacht dem Abend glich.
    Ich bin fortwährend aufgewacht:
    wie war der Abend schauerlich!
    Uns schnitt der Ton bis unters Herz;
    dann haben wir noch mehr gelacht -
    Du, dein Mann, und ich.


    Richard Dehmel

    Gruß und Gute N8
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Wieder einmal ein schönes Thema, lieber WoKa! Bevor es jemand anderes tut, nenne ich dann mal die wohl am eindrucksvollsten orchestrierte Sturmszene der klassischen Musik: "Gewitter und Sturm" aus Richard Strauss' "Alpensinfonie". Hier die Karajan-Aufnahme (aus nostalgischen Gründen, die Aufnahme gehörte zu den beiden allerersten CDs, die ich damals käuflich erwarb):


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.



  • In den Vier Jahreszeiten von Vivaldi stürmt es gewaltig.
    Der Frühlingssturm kommt mit Donner und Blitz,
    im Sommer zieht der Nordwind Boreas über das Land,
    der Herbststurm fegt die Blätter von den Bäumen,
    im Winter toben sich Boreas und Scirocco sogar gleichzeitig aus.

    mfG
    Michael

  • Hallo!


    Was Gemälde anbelangt, könnten wir den Thread überladen mit Werken von (Joseph Mallord) William Turner (1775-1851).
    Dieses Bild "Holländische Boote im Sturm" (Bridgewater Seestück) wurde 1801 erstmals ausgestellt. In dem Jahr bereiste Turner Schottland. Ich konnte allerdings nicht feststellen, wann das Gemälde konkret entstand. 1796 hatte er sein erstes Ölgemälde ausgestellt.


    Mich beeindruckt die unmittelbare Wucht, mit der Turner das gewaltsame Zusammenspiel von Wind und Meer darstellt. Hier sind die Konturen noch klar (wobei ich auch dem Spätwerk mit seinen stark aufgelösten Formen viel abgewinnen kann).



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Es gibt sicher schon was im Frühbarock, aber das älteste, was mir einfällt, ist der von den Hexen beschworene Sturm (recht harmlos) in Purcell's Dido und Aeneas. Entsprechend "königliche Jagd und Sturm" in Berlioz' Fassung der Geschichte.


    Vivaldi: mit La tempesta di mare werden zwei ganz verschiedene Konzerte bezeichnet. op.10/1 F-Dur für Flöte (RV 433), das in auch in einer älteren Fassung (RV 98) vorliegt und, aus der gleichen Sammlung wie die 4 Jahreszeiten op.8/5 Es-Dur RV 253 (Violinkonzert)


    Bach: Matthäuspassion: "Sind Blitze, sind Donner"


    Gluck: Iphigénie en Tauride, gleich am Anfang gibt es einen Sturm (der Orest und Pylades als Schiffbrüchige an den Strand spült)


    Einigermaßen rätselhaft ist die sog. "Sturmsonate" Beethovens. Der Komponist soll zu Schindler gesagt haben: Lesen Sie Shakespeares Sturm. Aber sowohl die Beziehung zu diesem Stück als auch zu einem Seesturm ist fragwürdig. Der Kopfsatz hat sicher "stürmische" Elemente, aber auch nicht mehr als etliche andere Beethovensonaten und vom "Naturalismus" des Gewitters in der 6. ist er weit entfernt. Das Finale erinnert, wenn überhaupt, eher an gleichmäßige Meereswogen als an Sturm.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hallo!


    Hier eine schöne Einspielung mit Jean Pierre Rampal des Vivaldi Konzertes:




    Schön auch das Eduard Mörike Gedicht "Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen" - hier gelesen von Oskar Werner



    beziehungsweise in der Vertonung von Hugo Wolf gesungen von Heinrich Schlusnus:



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • In Benjamin Brittens Oper "Peter Grimes" ist die rauhe Nordsee immer präsent. Die Orchesterzwischenspiele, von denen eines einen Sturm darstellt, werden als "Sea Interludes" auch oft separat aufgeführt:



    Das passende Turner-Gemälde wird gleich mitgeliefert :)

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Bei Tschaikowsky hat die "Unwetterdichtung" gleich ohne Umwege den direkten Namen:


    Der Sturm - Sinfonische Fantasie nach Shakespeare, op.18
    Eigentlich keine Frage und keine Wunder, dass eine der mitreissensten Aufnahmen von Swetlanow stammen:



    Melodiya, 1970, ADD


    Ich finde jetzt auf CD nur diese Melodiya-Ausgabe (mit Kopplungen, die bei mir CD-Doppelkäufe verursachen würden). Daher habe ich auch nur die entsprechende Doppel-LP, dort mit Hamlet, Francesca da Rimini und Capriccio Italien (Melodia/Eurodisc-2LP), die zu meinen zurückbehaltenen LP-Edelsteinen gehört.



    :thumbup: Eine fabelhafte Aufnahme auf CD, die auch klangtechnisch mit gewohntem Decca-Luxussound wunschlos glücklich macht, bietet Antal Dorati:
    Der Sturm (sowie Hamlet, Der Woyewode, Fatum, Romeo und Juliia, Franceca da Rimini) wird hier vom National SO Washington gespielt (:D um nicht zu sagen weggefetzt), Capriccio Italien und der Slawische Marsch vom Detroit SO.

    Decca, 1973-1978, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • beim Thema Sturm denke ich spontan an die Klaviersonate Nr 17 d-moll op 31-2 von Ludwig van Beethoven :


    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

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  • Hallo!


    Lied 18 aus der "Winterreise": Der stürmische Morgen


    [b]Der stürmische Morgen


    Wie hat der Sturm zerrissen
    Des Himmels graues Kleid !
    Die Wolkenfetzen flattern
    Umher im matten Streit.
    Und rote Feuerflammen
    Zieh'n zwischen ihnen hin;
    Das nenn' ich einen Morgen
    So recht nach meinem Sinn !
    Mein Herz sieht an dem Himmel
    Gemalt sein eig'nes Bild -
    Es ist nichts als der Winter,
    Der Winter kalt und wild !


    Wilhelm Müller



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Shakespeare´s The Tempest hat auch den Finnen Jean Sibelius veranlasst, zu dem Drama eine Bühnenmusik zu komponieren:



    Eine der wenigen verfügbaren Aufnahmen unter Jukka-Pekka Saraste mit dem Finnischen Radio Symphonie Orchester habe ich hier abgebildet. Live-Aufführungen sind -zumindest in Deutschland - sehr selten. Vor 2 Jahren haben die Düsseldorfer Symphoniker unter John Fiore das Werk in drei Aufführungen in der Tonhalle dargeboten.



    Liebe Grüße


    Portator

  • Von Zdenek Fibich gibt es die Oper Bouře , auf deutsch: Der Sturm. Natürlich nach Shakespeares Drama!


    In Bielefeld hat man sie 2007 sehen können. Es war tatsächlich die deutsche Erstaufführung! Ein sehr lohnendes Werk!
    Der WDR hat einen Mitschnitt gesendet, den ich mir aufgenommen habe!
    Man bekommt ihn aber auch komplett im Internet (aufgeteilt in mehrere Videos):



    Theater Bielefeld
    Aufzeichnung vom 31.3.2007


    Zdenek Fibich
    "Der Sturm", Oper in drei Akten nach "TheTempest" von Shakespeare in tschechischer Sprache
    Alonso - Sung-Kon Kim, Bariton
    Sebastiano - Lassi Partanen, Tenor
    Fernando - Luca Martin, Tenor
    Antonio - Vladimir Lortkipanidze, Tenor
    Gonzalo - Tae-Woon Jung, Bariton
    Adriano - Paata Tsivtsivadze, Bariton
    Prospero - Maik Schwalm, Bariton
    Miranda - Melanie Kreuter, Sopran
    Kaliban - Jacek Janiszewski, Bass
    Trinkulo - Simeon Esper, Tenor
    Stefano - Mark Coles, Bass
    Arien - Cornelie Isenbürger, Sopran
    Chor und Extra-Chor des Theaters Bielefeld
    Bielefelder Philharmoniker
    Leitung: Leo Siberski


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Mit der Naturgewalt des Sturms haben sich auch Maler beschäftigt, häufig im Zusammenhang mit Schiffen in Seenot oder aufgepeitschten Wellen.



    Max Beckmann malte 1936 das Bild "Landungskai im Sturm". Es gehört dem Frankfurter Städel.



    Liebe Grüße


    Portator

  • Zum Thema "Sturm" und zu anderen Themen empfehle ich die beiden erfrischenden und sehr erhellenden CDs von Stefan Mickisch mit dem Titel Tonarten und Sternzeichen. d-Moll ist da die "Sturm-Tonart" bzw. auch "Todes-Tonart" mit Beispielen aus Die Schöpfung, Die Walküre, Oberon, Mozarts Requiem, Bruckners Neunte.
    http://www.mickisch.de/index.php?id=9

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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  • Nein!
    Pfeift der Sturm?
    Keift ein Wurm?
    Heulen
    Eulen
    hoch vom Turm?



    Nein!


    Es ist des Galgenstrickes
    dickes
    Ende, welche ächzte,
    gleich als ob
    im Galopp
    eine müdgehetzte Mähre
    nach dem nächsten Brunnen lechtze
    (der vielleicht noch ferne wäre).


    Morgenstern

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Hallo!


    Noch ein Morgenstern:

    Der Sturm


    "Bis an die Knöchel
    steh ich
    im tiefen See.
    Den Horizont hinab,
    wo mir Gebirge
    die grauen Rachen -
    entgegensperren,
    greif' ich
    und ziehe
    aus ihren Schlünden
    die zähen Schleimschleier
    unendlicher Nebel.
    Und ich halte sie in die Sonne,
    die euch scheidet,
    mir noch im Mittag steht:
    Das glüht, das leuchtet!
    Das gefällt euch!
    Und ich schlag' das Gewölk
    wie Schaum
    mit der flachen Hand,
    und wirbl' es
    und ball' es
    und kraus' es
    und zaus' es -
    heissah halloh!
    Und ich pust' es
    auf eure Dörfer
    und hebe die Füße
    aus eurem tiefen See
    und laufe
    Mutter Sonne davon,
    heissah,
    unter die purpurnen Sterne!"


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo