Mozart: Symphonie Nr. 32 G-Dur KV 318 — Symphonie oder Ouvertüre?

  • Vorab: Mir ist durchaus klar, dass es die heute übliche Unterscheidung zwischen einer Symphonie bzw. Sinfonie (Sinfonia) und einer Ouvertüre zu Mozarts Lebzeiten so nicht gab. Die klare Trennung erfolgte erst später.


    Gleichwohl: Unter allen eindeutig Wolfgang Amadeus Mozart zugeschriebenen Symphonien ragt die Symphonie Nr. 32 G-Dur KV 318 ja schon irgendwie heraus. In der nagelneuen Gesamtaufnahme von Adam Fischer fehlt sie leider sogar komplett; offenbar, weil Fischer sie als Ouvertüre ansieht, die in einem Symphonien-Zyklus nichts verloren habe.


    Geht man auf die Form des Werkes ein, so fällt zunächst die Kürze auf: in aller Regel unter zehn Minuten. Drei ineinander übergehende Sätze (I. Allegro spiritoso — II. Andante — III. Primo tempo), angelehnt an eine italienische Ouvertüre, wobei selbst dem Laien auffällt, dass der Finalsatz den Kopfsatz wiederaufgreift.


    Auffällig die relativ große Besetzung mit vier statt zwei Hörnern und einige effektvolle Schmankerln wie Crescendo, Bläsereinwürfe, Tremolo und kurzfristige Wechsel zwischen forte und piano. Die komplette Besetzung lautet wie folgt: zwei Querflöten, zwei Oboen, zwei Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, zwei Violinen, zwei Violen, Cello und Kontrabass. Nachträglich wurden Pauken hinzugefügt (1782 oder 1783 in Wien neu orchestriert); diese fehlen in etlichen Aufnahmen. Zudem geht man davon aus, dass ein Cembalo als Continuo eingesetzt wurde.


    Es ist strittig, ob es sich ursprünglich gar um die Ouvertüre zu einer Oper handelte. Als Möglichkeiten werden von der Forschung "Zaide" KV 344 (so in Bernhard Klees Aufnahme auch umgesetzt) und "Thamos, König in Ägypten" KV 345 erwogen.


    Das Werk ist sehr genau datierbar, nämlich wurde sie am 26. April des Jahres 1779 vollendet, kurz nachdem Mozart aus Paris nach Salzburg zurückkehrte. Sie erklang definitiv mindestens noch einmal Anno 1785, als der Komponist sie als Einleitung für Francesco Bianchis "La villanella rapita" benutzte.


    An Aufnahmen besteht zwar kein Mangel, doch gehört KV 318 auch heute zu den eher vernachlässigten Symphonien Mozarts. Zuweilen erklingt sie noch am ehesten als "Quasi-Ouvertüre" zur Eröffnung eines Konzerts.


    Ich spreche mich nach einigem Vergleichshören dezidiert für die Einspielung des London Symphony Orchestra unter Peter Maag von 1959 für Decca als die maßstabsetzende Aufnahme aus (mit Pauken). Sowohl interpretatorisch als auch tontechnisch (sehr natürliches Klangbild) wurde hier eine Referenz geschaffen, die auch nach über einem halben Jahrhundert noch als Markstein erscheint. Maag behandelt KV 318 nicht als vernachlässigbares Nebenwerk, sondern verschafft ihm im Zusammenspiel mit dem kongenialen Londoner Orchester die gebührende Hochachtung. Zumindest beim großorchestralen Ansatz mit modernen Instrumenten dürfte die Einspielung kaum zu überbieten sein.




    Klaus Tennstedt scheint ein dezidierter Fan des kurzen Werkes gewesen zu sein, das er öfter im Konzert spielen ließ. Ansonsten erscheint KV 318 überwiegend im Zuge von Gesamtaufnahmen. Wie ihre Schwestern KV 319 (Nr. 33) und KV 338 (Nr. 34) wurde sie bei Einspielungen der "späteren Mozart-Symphonien", die meist erst mit KV 385 (Nr. 35 "Haffner") einsetzen, selten berücksichtigt. Überraschenderweise hat sie allerdings Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen. Bei den Einspielungen auf historischen Instrumenten erscheint mir jene von Trevor Pinnock sehr gelungen.





    Ob nun Symphonie oder Ouvertüre: Ich halte KV 318 für eines der besten Werke von Mozart. Idealer kann man als Anfänger bei diesem Komponisten kaum einsteigen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auch die Fachwelt ist sich offenbar nicht einig, ob KV 318 nun eine Symphonie oder doch eine Ouvertüre ist:


    "KV 318 wird manchmal 'Ouvertüre' genannt, jedoch wird sie im Titel der Partitur als 'Sinfonia' bezeichnet, wenngleich nicht von Mozarts eigener Hand. Was auch immer ihre Ursprünge sein mögen, erkannte Mozart ihre Eignung als Opern-Ouvertüre, als er sie 1785 als Einleitung für eine Wiener Produktion von Bianchis 'La villanella rapita' verwendete, für welche er auch zwei Vokalnummern komponierte."
    (Stanley Sadie, Mozart: The Early Years 1756—1781, Oxford 2006, S. 499; eigene Übersetzung.)


    "Wie zahlreiche andere weniger bekannte 'Symphonien' von Mozart handelt es sich tatsächlich um eine Ouvertüre. Der Unterschied zwischen diesen beiden Formen war im 18. Jahrhundert nicht derart groß, entwickelte sich die viersätzige Symphonie doch aus der dreiteiligen Ouvertüre."
    (Ethan Mordden, A Guide to Orchestral Music: The Handbook for Non-Musicians, New York 1980, S. 98; eigene Übersetzung.)


    In Werner-Jensens Musikführer erscheint KV 318 ebenfalls unentschieden als "Symphonie G-Dur (Ouvertüre)".
    (Arnold Werner-Jensen, Wolfgang Amadeus Mozart. Musikführer, Bd. 1: Instrumentalmusik, Mainz 2015.)


    Die Partitur von Breitkopf & Härtel umschifft das Problem elegant, indem sie das Werk folgendermaßen tituliert: "Symphonie Nr. 32: Ouvertüre im italienischen Stil G-Dur KV 318".

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões