Eva-Maria Bundschuh - strahlende Höhen und Emotion pur

  • Heute feiert die deutsche Opernsängerin Eva-Maria Bundschuh ihren 75. Geburtstag - allerhöchste Zeit, dieser bedeutenden Sängerin, die in den 1980er und 1990er Jahren Berliner Operngeschichte mitgeschrieben hat und darüber hinaus auch auf zahlreiche internationale Gastspiele zurückblicken kann, einen eigenen Thread zu widmen.



    Am 16. Oktober 1941 wurde Eva-Maria Bundschuh als Eva-Maria Arnold in Braunschweig geboren, sie wuchs allerdings in Chemnitz bzw. "Karl-Marx-Stadt" auf und wurde somit automatisch DDR-Bürgerin.


    Sie begann ihre Gesangslaufbahn in den 1960er Jahren als Altistin, debütierte 1967 als Hänsel in Bernburg und gehörte dann für mehrere Jahre dem Ensemble des Opernhauses ihrer Heimatstadt "Karl-Marx-Stadt" an. Bei einem nationalen Gesangswettbewerb der Nachwuchssänger kam sie in die letzte Runde und durfte bei einer Operngala in den heiligen Hallen der Deutschen Staatsoper Berlin die Klage des Fischweibs aus der Oper "Die Verurteilung des Lukullus" von Paul Dessau singen.
    In Karl-Marx-Stadt kam ihre Karriere allerdings nicht so richtig voran, in vielmehr als mit der 3. Dame wurde sie nicht besetzt. Sie sang daneben allerdings ein breites Konzertrepertoire - das ist auch die Ursache, warum sie noch Ende der 1970er Jahre bei einer Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium an der Deutschen Staatsoper Berlin die Alt-Partie und nicht etwa die Sopran-Partie sang, während sie auf der Bühne den Fachwechsel längst vollzogen hatte.
    Um im Repertoire weiterzukommen ging sie ins Festengagement ans Hans-Otto-Theater Portsdam und eroberte sich dort in den 1970er Jahren eine Hauptrolle nach der anderen, beginnend noch mit Mezzopartien wie Cherubino, Dorabella, Carmen und Eboli, bis zur Santuzza vorstoßend, die sie wegen Schwangerschaften von Ensemblekolleginnen übernehmen musste. Noch als Mezzosopran gastierte Eva-Maria Arnold bereits als Puck an der Deutschen Staatsoper Berlin. Kurz danach, 1976, kam das erste Kind und die damit verbundene Schwangerschaftspause. In dieser Zeit vollzog sie den Fachwechsel zum Sopran und nahm auch den Nachnamen ihres Ehemannes, des Zahnarztes Dr. Bundschuh, an.
    Als Sopran brillierte die Bundschuh in Potsdam neben zahlreichen Operettenpartien vor allem als Violetta, in den vier Frauenrollen von "Hoffmanns Erzählungen", als (Ur-) Leonore und als Cleopatra in Händels "Julius Cäsar" - letztere Rolle wurde ihr "Türöffner" an der Deutschen Staatsoper Berlin, denn das wichtigste Opernhaus der DDR sollte im Frühjahr 1980 zum zweiten Mal (nach 1977) in Japan gastieren und dabei u.a. ihre (deutschsprachige) Inszenierung von Händels "Julius Cäsar" zeigen - dieser war damals an der Staatsoper mit Casapietra, Burmeister, Adam, Büchner, Vogel und Leib nur jeweils einfach besetzt und fiel jemand aus, gab es eine Spielplanänderung, doch das konnte man sich beim Japan-Gastspiel nicht leisten, daher brauchte man eine zweite Besetzung für alle Rollen: Waldemar Wild alternierte mit Theo Adam als Cäsar, die Trekel-Burckhardt versuchte sich neben der Burmeister mal an der Cornelia, Horst Gebhardt alternierte mit Büchner als Sextus, Heinz Reeh mit Siegfried Vogel als Ptolemäus und Siegfried Lorenz mit Günther Leib als Achillas - nur eine Sopranistin, die mit Frau Casapietra als Cleopatra alternieren könnte, hatte man nicht im Ensemble und suchte einen Gast. Dabei kam man auf Frau Bundschuh, welche diese Rolle in Potsdam sang, allerdings mit teilweise anderen Arien. Am 1. Februar 1979 gab Eva-Maria Bundschuh ihr Debüt als Cleopatra an der Staatsoper Berlin (erstmals unter diesem Nachnamen und als Sopranistin an diesem Haus auftretend) und fuhr dann im März 1980 auch mit nach Japan. Zur Belohnung gab es für sie im September 1979 noch die Freia im "Rheingold" von Ruth Berghaus, aufgrund der Inszenierung allerdings schon nach drei Vorstellungen abgesetzt.
    Das Potsdamer Theater wurde für die Bundschuh zu klein, sie musste in die Hauptstadt, doch während die Staatsoper bezüglich einer Festanstellung noch zögerte, griff der Intendant der Komischen Oper Berlin, Joachim Herz, 1980 zu und engagierte sie ins Ensemble seines Hauses - das dummerweise nicht mehr lange sein Haus bleiben sollte, denn eine seiner vielen Rücktrittsdrohungen nahm das Kulturministerium irgendwann an und Herz ging zum Januar 1981. Nun hatte die Bundschuh einen Vertrag, unterschrieben von jemandem, der nicht mehr da war, aber der neue Intendant Werner Rackwitz sagte ihr, dass der Vertrag selbstverständlich gültig sei.
    Nun begann freilich eine neue Ära am Haus mit Harry Kupfer als Chefregisseur und Rolf Reuter als Chefdirigent - und anderen Stückplänen als die, die Herz hatte - der Spielplan war also auf die Bundschuh nicht zugeschnitten und fröhliches Alternieren in laufenden Inszenierungen war eher verpönt. In die legendären "Meistersinger" von Reuter und Kupfer stieg sie erst später ein (als es stimmlich bei Jana Smitkova enger wurde), sie war aber Kupfers Premierenbesetzung als Musette und sollte nach dem Willen des Intendanten auch Kupfers Konstanze werden. Sie hatte diese Rolle viel probiert und dabei nach eigener Aussage unglaublich viel Höhe gewonnen, gab die Rolle dann aber doch zurück, weil es einfach nicht ihr Fach war. Nach dem Willen des Intendanten sollte sie nun als Kompensation dafür die Boulotte in der Wiederaufnahme der Felsenstein-Inszenierung von Offenbachs "Ritter Blaubart" übernehmen, doch das lehnte sie ab, weil die Rolle nicht ihrem Naturell und ihrer neuen Stimmlage entgegen kam, worauf sie in Ungnade fiel und erst einmal nicht mehr besetzt wurde.
    Sie sang in dieser Zeit viele Konzerte, u.a. 1982 das Gretchen in Schumanns "Faust-Szenen" unter Rolf Reuter, der sie sehr förderte, und eine "Neunte" nach der nächsten, darunter auch bei den wichtigsten Anlässen vor der Partei- und Staatsführung.



    Im Wagner-Jahr 1983 sang sie im zentralen Gedenkkonzert im neuen Leipziger Gewandhaus unter Kurt Masur die Wesendonck-Lieder und die Senta-Ballade (die weiteren Solisten dieses Gala-Konzerts waren Theo Adam und Klaus König).
    An der Komischen Oper folgten dann so unterschiedliche Rollen wie Despina in "Così fan tutte", Regan in "Lear" von Aribert Reimann, Hanna Glawari in Kupfers "Lustiger Witwe" (wie schon beim Berghaus-"Rheingold" wurde eine Inszenierung mit ihrer Beteiligung vorzeitig abgesetzt, nach nur 6 oder 7 Auffühungen - Pech für Frau Bundschuh) und 1987 Donna Anna in "Don Giovanni". Ihre wichtigste Rolle, mit der sie wirklich Berliner Operngeschichte schrieb war die Titelpartie in der Uraufführung der Oper "Judith" von Siegfried Matthus - ein Sensationserfolg, wie er für eine zeitgenössische Oper gar nicht eingeplant war. Die beeindruckende Inszenierung wurde auch aufgezeichnet und im Fernsehen gesendet - sie zeigt die Bundschuh im absoluten Zenit ihrer Möglichkeiten stehend.
    Der Kontakt zur Berliner Staatsoper war (trotz erneuter Schwangerschaft der Sängerin) nie ganz abgerissen: 1984 wurde die Bundschuh die Premierenbesetzung als Rosalinde in einer Neuinszenierung der "Fledermaus" durch Horst Bonnet, 1986 holte Chefregisseur Erhard Fischer sie als seine Jenufa zurück. Ab 1987 übernahm sie Unter den Linden auch die Titelpartie in Kupfers Inszenierung der "Salome". Inzwischen sang sie auch regelmäßig große Rollen in Leipzig (u.a. Donna Anna, Senta) und Dresden (ebenfalls Senta).
    1988 brachte Harry Kupfer die Bundschuh für seinen "Ring" als Gutrune mit nach Bayreuth - ihr internationaler Durchbruch. Sofort gab es eine Reihe von internationalen Gastspielangeboten, die jedoch schwer mit dem Spielbetrieb an der Komischen Oper zu vereinbaren waren, zumal die Staatsoper wieder rief und Erhard Fischer sie im Dezember 1988 in seiner "Tristan"-Neuproduktion als Isolde besetzte. Das führte zu dem Kuriosum, dass sie abwechselnd Isolde und Donna Anna singen musste, was natürlich nicht einfach ist - eine mehrmonatige Stimmkrise war die Folge, aus der sie 1990 jedoch gestärkt zurückkam - den Wechsel ins hochdramatische Fach hatte sie nun endgültig vollzogen. Da die Komische Oper ihr bereits einige Probelme bei Gastspielen (Salome in den USA) gemacht hatte, kündigte sie und wechselte 1990 ins Ensemble der Deutschen Staatsoper Berlin, wo sie nun auch Leonore und Senta sang, natürlich auch weiterhin Isolde, Jenufa und Salome. Die Salome sang sie übrigens auch an der Wiener Staatsoper.
    Eine besonderes wichtige regelmäßige Gastspielstation für sie wurde Amsterdam, wo Hartmut Haenchen, der die Bundschuh spätestens seit dem gemeinsamen "Lear" an der Komischen Oper gut kannte, musikalischer Leiter war und sie immer wieder holte, u.a. als Salome, Elektra, Lady Macbeth von Mzensk (Katerina Ismailowa), Rosalinde und Gutrune. Vor ihrem Rollendebüt als Elektra hatte sie auch einige Jahre lang als Chrysothemis gastiert, u.a. in Großbritannien und noch 1996 in Brasilien (Rio).
    Dann kam Anfang der 1990er Jahre der große Umbruch an der Staatsoper Berlin und der neue Intendant Georg Quander nichtverlängerte den Vertrag der Bundschuh (ebenso wie den von Siegfried Lorenz und vielen anderen) zum Sommer 1992. Bundschuh und Lorenz klagten gemeinsam und erhielten jeweils einen dreijährigen Gastvertrag. Bis 1995 sang die Bundschuh also weiter am Haus, neben Leonore, Senta, Isolde und Jenufa auch Venus im "Tannhäuser" und Marta in "Tiefland" - dann wurde sie nicht mehr engagiert, obgleich noch absolut leistungsfähig, wie viele Gastspiele (u.a. Venus 1997 in Sevilla) belegen. Sie sang u.a. noch die Isolde aktweise konzertant in Genf (wie schon 1990 für RAI in Mailand), Salome in Oslo usw. Nach Potsdam kehrte sie konzertant 1997 als Sieglinde im 1. Akt "Walküre" und 1998 als Salome zurück, an der Semperoper Dresden vollzog sie den Fachwechsel ins Charakterfach und übernahm in der aufsehenerregenden Neuinszenierung von Reimanns "Lear" durch Willi Decker nun die Goneril, mit der sie Anfang des 21. Jahrhunderts dann auch ihren Bühnenabschied gab. Eine von ihr so sehr gewünschte Küsterin kam leider nie zustande.


    Eva-Maria Bundschuh hat über mehr als drei Jahrzehnte lang eigentlich alles gesungen, was überhaupt nur denkbar ist, von der 3. Dame bis zur Elektra, von Bach und Händel bis Matthus und Reimann, war neben ihrer Bühnenlaufbahn eine gefragte Konzertsängerin und hat mehrere offizielle Aufnahmen gemacht, neben der Gutrune-Aufzeichnung in Bayreuth auch die Studioeinspielung der "Götterdämmerung" unter Haitink, neben der Judith-Aufzeichnung auch die Tove in den Gurre-Liedern unter Herbert Kegel und einiges andere mehr.



    Ich habe sie regelmäßig vor allem als Isolde (12x), aber auch als Leonore (8x), Senta (5x), Venus (4x), Sieglinde (1. Akt), Jenufa (6x), Salome und "Tiefland"-Martha (2x) sowie als Goneril erlebt und eigentlich immer sehr genossen. Sie war eine grandiose Darstellerin, ein Vulkan auf der Bühne, aber auch eine ganz tolle Sängerin mit einem unglaublichen Höhenstrahl, die Stimme wurde von einem wunderbaren Vibrato getragen und ging gerade in der Höhe ungemein auf, wie ich das sonst bei kaum einer anderen Sopranistin live so erlebt habe. Die Mittellage war dann nicht mehr ganz so üppig und die Tiefe zunehmend dünn und brüchig, das konnte sie mit ihrer großen Energie aber gut kaschieren, zumal sie auch mit einer exzellenten Textverständlichkeit begeistern konnte, wie sie gerade bei Sopranistinnen nur ganz selten anzutreffen ist.
    Ich habe ihr viele unvergessliche Opernsternstunden zu verdanken und bedanke mich heute, an ihren 75. Geburtstag, mit diesem Thread dafür. :yes:


    Herzlichen Glückwunsch, liebe Frau Bundschuh! :jubel: :jubel: :jubel:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hier kann man eine Cleopatra-Arie aus Händels "Julius Cäsar" von ihr hören:



    Hier kann man ihre Gluck-Iphigenie (in Aulis) in der Fassung von Richard Wagner hören:



    Hier singt sie die Beethovensche Konzertarie "Ah! perfido":



    Hier kann man ihre komplette "Fidelio"-Leonore 1994 unter Günther Herbig (und neben Ben Heppner als Florestan) in Toronto hören:



    Und hier noch ein 2. Akt aus Berlin (1992), interessant nicht zuletzt wegen René Pape als (jungem) Minister:



    Hier ihre Königin der Erdgeister in Marschners "Hans Heiling", 1980 konzertant in Leipzig:




    Hier noch ein Mendelssohn:



    Und hier noch ein Verdi, die Schlafwandelszene der Lady Macbeth (hat sie nie auf der Bühne gesungen):


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zuerst zwei Ausschnitte von ihrer Senta, die Ballade und eine Szene aus dem Finale des 2. Aktes:




    Dann ihre Hallen-Arie und ihre Venus im "Tannhäuser":




    Ihre Freia im "Rheingold":



    Ihre Sieglinde im 1. Akt der "Walküre":



    Und ihre Bayreuther Gutrune in der "Götterdämmerung":




    Ihre Wesendoncklieder unter Masur von 1983:



    Und nun noch 3x ihre Isolde, davon einmal mit Bild und Ton von Japan-Gastspiel 1990, die anderen beiden aus Berlin nur zum hören:








    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Und nun ihre Jenufa neben Ute Trekel-Burckhardt als Küsterin (letzte Serie 1995, mehr als acht Jahre nach der Premiere):



    Ihre "Tiefland"-Marta, zugleich ihr Berliner Bühnenabschied (29. Juni 1995):



    2x ihre Salome (1991 in Berlin und 1998 in Potsdam):




    Ihre Amsterdamer Elektra (1996):



    Und ihre Judith in Bild und Ton, die Komplettaufzeichnung und zuvor noch eine kleine Einführung:




    Zum Abschluss noch ihre Tove in Schönbergs "Gurre-Liedern":


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Auch ich möchte mich hier den besten Wünschen zum 75. Geburtstag anschließen, liebe Eva Maria Bundschuh.


    Willi :jubel:


    P. S. Habe selbstverständlich mim Geburtstagsthread einen Link zu sidesm neuen Thread gesetzt. ;)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Dadurch, dass ihre beiden Nachnamen (zuerst Arnold, dann Bundschuh) beide so früh im Alphabet stehen, gehört die hier gewürdigte Sopranistin zu den ganz wenigen Sängerinnen und Sängern, deren Auftritte an der Deutschen Staatsoper Berlin in meinem Besetzungsarchiv in den noch so fragmentarischen Sänger-Registern am Ende der jeweiligen Spielzeiten erfasst sind.


    http://tamino-klassikforum.at/…hp?page=Board&boardID=169


    Nur ihre letzte Spielzeit an diesem Haus, die Spielzeit 1994/95 ist nicht mehr veröffentlicht, weil die Besetzungszettel dieser Spielzeit weder in der Deutschen Staatsbibliothek noch im Berliner Landesarchiv vorhanden sind.


    Hier ihre Auftritte in der Spielzeit 1994/95
    3x Jenufa (27.1./1.2./4.2.)
    5x Isolde (5.3./12.3./19.3./14.5./21.5.)
    3x Marta (9.6./27.6./29.6.)


    Die jeweils letzte Vorstellung in diesen Rollen wurde in den Beiträgen zuvor akustisch dokumentiert.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Eva Maria Bundschuh hatte nach dem Ende der DDR wohl auch öfter Gelegenheit, in den westlichen Metropolen zu singen.
    Im Oktober 1991 sang sie in London in einer konzertanten Aufführung des 1.Aktes der Walküre neben Kollo und Tomlinson die Sieglinde.


    Der Mitschnitt dieses Konzertes verdient besonderes Interesse, weil Klaus Tennstedt dirigiert. Das war einer der wenigen Ausflüge in die Welt der Oper, die sich der späte Tennstedt noch gestattet hat. Alle drei Solisten sind über den Höhepunkt der Karriere hinaus. Das hört man. aber sie sind in der Lage, die Geschichte packend zu erzählen. Unter der ungemein intelligenten Stabführung von Tennstedt gelingt ihnen eine klug disponierte, den Farbenreichtum der Partitur prächtig entfaltende und wirklich spannende Aufführung!



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Alle drei Solisten sind über den Höhepunkt der Karriere hinaus. Das hört man.

    Kollo war 1991 sicherlich schon über den Höhepunkt seiner Karriere hinaus, bei den anderen beiden finde ich diese These etwas kühn. Gewiss, Frau Bundschuhs Karriere währte zu diesem Zeitpunkt auch schon 23 Jahre, dennoch war dies eigentlich ihre Zenit-Zeit im hochdramatischen Fach, ich habe damals und auch noch einige Jahre danach einige wirklich Klasse-Isolden erlebt, auch die Elektra 1996 in Amsterdam muss ihr erstmal heute jemand nachmachen! Dass ihre Gesangsleistung auf der Tennstedt-Aufnahme nicht durchgängig beglückend ist, räume ich gerne ein, sehe aber andere Ursachen als die Zenit-Frage:
    - sie hatte diese Rolle zum damaligen Zeitpunkt noch nie auf der Bühne gesungen, die hatte sie nicht 100%ig im Körper, in der Stimme
    - sie war ein Bühnentier, konnte sich dort in Verbindung mit Kostüm und Maske und szenischer Aktion in einen wahren Rausch steigern, im Konzertsaal war sie gehemmter
    - Herbst 1991, das war gerade die Nichtverlängerung durch die neue Leitung der Berliner Staatsoper ausgesprochen worden, sie war also plötzlich mit existenziellen Ängsten konfrontiert, die sie vorher so noch nie hatte, nie haben musste, diese psychische Belastung sollte man nicht unterschätzen!
    - Wie viele Sängerinnen, die den Fachwechsel vom Mezzosopran zum Sopran wagen und vollziehen, bekam auch die Bundschuh Probleme in der Tiefe. Das hört man hier. Sie hat die tiefen Töne zwar, aber sie klingen nicht so gut wie Mittellage und Höhe, sondern anders, stumpfer - aber auch das hatte weniger mit der Zenit-Frage zu tun, sondern eben mit dem Fachwechsel, den sie Mitte/Ende der 1970er Jahre vollzogen hatte. Auf die Bühne konnte sie in vielgesungenen Rollen dennoch weit mehr reüssieren als hier in diesem mitgeschnittenen Konzert.


    Auch Tomlinson hatte 1991 zwar schon einige Karrierejahre auf dem Buckel, aber auch noch sehr viele vor sich, das Bayreuth-Debüt als Wotan lag erst drei Jahre zurück, noch viele kamen, der ganze Kupfer-Zyklus an der Staatsoper kam noch, 1992 bei Gurnemanz in Berlin war er eigentlich gerade im Zenit. Ich bin kein großer Tomlinson-Fan, aber in dieser Aufnahme hat er mich positiv überrascht.


    Auch Kollo hätte ich mir weit schlimmer vorgestellt, frage mich sogar, warum er Siegmund damals nicht öfter gesungen hat. Sicher, bei den lang zu haltenen Tönen fängt die Stimme etwas an zu schlackern, und dennoch wirkt sich auf mich nach etwa 25 Karrierejahren immer noch unglaublich frisch und intakt.


    Darauf, dass alle drei Sänger etwas zu erzählen haben und ihre Botschaft eindrucksvoll an den Mann bringen können, hast du ja schon hingewiesen, das ist ja auch keine Selbstverständlichkeit!


    Und, um zum Thread-Thema zurückzukommen: "So bleibe hier, nicht bringst du Unheil dahin, wo Unheil im Hause wohnt" - das habe ich vielleicht noch nie so gut gehört wie hier von der Bundschuh, schon allein diese Stelle hat an Anhören dieser Aufnahme für mich mehr als gelohnt! :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"