Caesar73: Unverzichtbare Klassikaufnahmen

  • Liebe Mitleser und Forianer,


    klassische Musik höre ich seit einiger Zeit ( so ungefähr seit meinem zehnten Lebensjahr) daneben spiele ich ein wenig Klavier und singe in verschiedenen Chören. Das musikalische Spektrum reicht bei mir von der Gregorianik bis in die Moderne.


    Besondere Schwerpunkte sind dabei Klaviermusik (vor allem Bach, Beethoven, Chopin, Schumann), geistliche Chormusik und die Symphonik des 19. Jahrhunderts.



    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Es gibt wenige Komponisten die so dezidiert für ein bestimmtes Instrument komponiert haben wie Frederic Chopin dies für das Klavier tat. Die Aufnahme die ich hier als erstes vorstellen möchte ist eine Einspielung der Préludes op. 28. Chopin hat hier 24 Miniaturen zu einem Zyklus gebündelt.


    Man hat die Préludes auch als "Aphorismen für zwei Hände" bezeichnet und damit das Wesen der einzelnen Stücke recht genau erfasst. Bei den Miniaturen handelt es sich eben nicht um Präludien, Vorspiele im engeren Sinn, wie es der Titel des Zyklus nahelegt. Jedes der Préludes steht für etwas anderes: Das Konzentrat einer Stimmung, einer kompositorischen Idee oder eines spieltechnischen Problems.


    Ivo Pogorelich gelingt es auf besondere Weise diesen aphoristischen Charakter der Préludes zu verdeutlichen. Jede der 24 Miniaturen erhält bei Pogorelich seinen unverwechselbare Kontur dazu tragen seine Neigung zu extremen Tempi ebenso bei wie sein außerordentlicher Sinn für Klangfarben und ein fein differenzierter Anschlag.


    Es gibt weitere bedeutende Einspielungen der Préludes (beispielsweise Martha Argerich) aber Pogorelichs Einspielung kann durchaus Referenzcharakter beanspruchen:




    [tip]5058233[/tip]

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Liebe Forianer,


    meine zweite Empfehlung betrifft wieder Chopin, heute die "Nocturnes". Chopin brachte die von John Field populär gemachte Gattung zu einer weiteren Blüte.


    Die Aufnahme die ich empfehlen möchte ist die Einspielung von Arthur Rubinstein, sicher einer der bedeutendsten Interpreten von Chopins Ouevre. Rubinstein hat die Nocturnes insgesamt drei Mal eingespielt, die vorgestellte Aufnahme ist die dritte, entstanden 1965.


    Für die große Rubinstein Collection wurde die Aufnahme neu abgemischt. Das Ergebnis ist frappierend. Der unvergleichliche "Ton" von Arthur Rubinstein kommt vollendet zur Geltung. Rubinstein setzt aber nicht nur auf schlackenlosen Schönklang, sondern auch die eher melancholisch-düsteren Zwischentöne kommen zur Geltung. Hinzu kommen eine atmende Phrasierung und intelligent eingesetzte feine Rubati, das alles getragen von der tiefen Musikalität Rubinsteins:




    [tip]5057535[/tip]

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  • Meine nächste Empfehlung: Solomons Interpretation der Hammerklaviersonate.


    Das Schicksal des Pianisten der als Künstler nie seinen Nachnamen "Cutner" verwendete sondern sich einfach Solomon nannte ist tragisch. Nach einer Serie von Schlaganfällen musste er seine Karriere im Alter von 54 Jahren beenden. Solomon starb 1988.


    Bekannt ist Solomon heute vor allem als Beethoven-Interpret, obwohl es ein Fehler wäre Solomon auf die Rolle des Beethoven-Spezialisten zu reduzieren.


    Seine Interpretation der Hammerklaviersonate, insbesondere des langsamen Satzes ist von einer monumentalen Ernsthaftigkeit gekennzeichnet- der Satz scheint in Zeitlupe vorrüber zu gleiten ohne aber deswegen in Mosaiksteinchen zu zerbrechen. Solomon gelingt das Kunststück den Spannungsbogen zu halten. Für mich eine der bedeutendsten Interpretationen von Opus 106- irgendwie wie ein Gruß aus einer fernen Vergangenheit.


    Die Klangqualität ist für eine Monoaufnahme hervorragend. Empfohlen würde ich eine der folgenden Aufnahmen:



    [tip]2468855[/tip]


    oder:



    [tip]6676081[/tip]


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    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Nun gehört Liszt´s h-moll Sonate sicher nicht zu den selten aufgenommenen Werken. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl von hochkarätigen Interpretationen. Welche für einen selbst"die" Interpretation ist hängt von den individuellen Vorlieben ab.


    Eine meiner Lieblinge ist die Einspielung von Francois-René Duchable. Schade dass dieser Künstler seinen Flügel im wahrsten Sinne des Wortes an den Nagel gehängt und in einem Bergsee versenkt hat.


    Duchables Technik ist über jeden Zweifel erhaben, dabei liegt ihm oberflächlicher Theaterdonner fern. Wenn man sein Spiel charakterisieren möchte könnte man den Begriff "Clarté" wählen. Duchables Spiel ist analytisch ohne dabei aber unterkühlt zu wirken:




    [ama]000025Y5Z[/ama]


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    Christian

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  • Meine nächste Vorstellung führt in den hohen Norden: Edvard Grieg´s "Lyrische Stücke". Die "Lyrischen Stücke" nehmen in Griegs Schaffen einen ähnlichen Stellenwert ein, wie die "Lieder ohne Worte" bei Felix Mendelssohn Bartholdy. Bei den 66 "Lyrischen Stücken" handelt es sich um Miniaturen. Grieg entwirft hier Stimmungs- und Charakterbilder, wenn man so will musikalische Tagebucheinträge. Ich weiß, der Vergleich hinkt ein wenig ist aber im Großen und Ganzen zutreffend.


    Emil Gilels hat eine Auswahl der "Lyrischen Stücke" aufgenommen, die in etwa chronologisch angeordnet sind. Der russische Pianist geht hier nicht mit der Pranke des Virtusoso assoluto zu Werke sondern nutzt seinen fantastischen Klangsinn um die Miniaturen zum Klingen zu bringen- wie mit dem Silberstift gezeichnet:



    [tip]7823109[/tip]


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    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Normalerweise verbindet man mit dem Begriff "Etüde" ein schlichtes Übungsstück. Chopin hat daraus mehr gemacht. Mit den zwei Zyklen opp. 10 und 25 hat Chopin die Etüde zu einem Klavierstück sui generis weiterentwickelt.


    Jede der 12 Nummern von op. 10 und op. 25 behandelt eine technische Spezialität- in extrem anspruchsvoller Form.


    Der junge Maurizio Pollini hat eine Einspielung der Etüden vorgelegt, die zu den besten der Stücke zählt, mit einem stählernen federnden Zugriff, einer stupenden Technik, die dennoch nie Selbstzweck ist, vielmehr ein Instrument um die Strukturen des Stückes bis in den letzten Winkel auszuleuchten:




    [tip]4949751[/tip]
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    Christian

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  • Sucht man eine Aufnahme der Goldberg-Variationen steht man zunächst vor einer Gretchenfrage der besonderen Art: Konzertflügel oder Cembalo? Diese Frage taucht zwar häufig bei der Interpretation von Musik der Barockzeit auf, doch ist sie bei den Goldberg-Variationen von besonderem Interesse, da Bach hier vorgeschrieben hat, auf welcher Art von Instrument er sein Werk gespielt haben wollte:


    "Clavier-Übung, bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraenderungen vors Clavicimbal mit zwei Manualen."


    Hat man die Gretchenfrage für sich beantwortet und für den Konzertflügel entschieden, wird die Qual der Wahl nicht unbedingt kleiner: Einige der wichtigsten Deutungen der Variationen wurden auf dem Flügel gemacht- nein ich werde jetzt nicht Glenn Gould empfehlen - András Schiff hat in den 80er Jahren eine Reihe von hochkarätigen Einspielungen der Werke Bachs vorgelegt, allerdings dabei auf die Goldberg-Variationen verzichtet.


    2003 schloss András Schiff diese Lücke anlässlich eines Konzerts in Basel, bei dem diese Aufnahme entstand. Neben Transparenz und Präzision zeichnet diese Aufnahme eine natürliche Musikalität aus: Die Musik Bachs strömt dahin, nicht in einem breiten verschlungenen Strom sondern in einem zielstrebigen Gleichmaß:



    [tip]9969867[/tip]
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    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Einem breiteren Publikum bekannt ist vor allem der dritte Satz der zweiten Sonate Chopins: Überschrieben ist er mit Marche funèbre. Vor allem wegen diesem Marsch ist die Sonate bekannt. Bei den Zeitgenossem wurde die Komposition mit Kopfschütteln aufgenommen. Von Robert Schumann ist das Bonmot überliefert: Chopin habe hier vier seiner tollsten Kinder zusammengespannt. Chopin komponierte die Sonate im Jahr 1839 auf Nohant. Allen vier Sätzen gemeinsam ist eine düstere Grundstimmung, die im abschließenden Presto in wilder Raserei endet, das "Sausen des Windes über den Gräbern". Sicher entspricht Chopins Komposition nicht dem klassischen Formideal und doch wirkt die Sonate trotz aller Leidenschaft von einem ehernen Formwillen beherrscht.


    Die Aufnahme die ich hier ausgewählt habe stammt von Grigori Sokolov. Bei den meisten Aufnahmen des Pianisten handelt es sich um Mitschnitte von Konzerten. Enstanden ist die vorliegende Aufnahme im Jahr 1992- für mich eine bezwingsten Deutungen des Stückes:




    [tip]8979973[/tip]
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    Christian

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  • Liebe Freunde in pianissimo


    heute einmal ein Ausflug in für mich eher unbekannte Gefilde: Die Musik von Francois Couperin- genauer, seine Kompositionen für das Clavecin. Couperin schrieb insgesamt 234 Stücke für das Instrument. Davon hat er 226 in Form von vier Büchern herausgegeben und 27 sogenannten Ordres zugeordnet, eine Form der Suite eng verwandt.


    Betrachtet man die Namen der Stücke, so fallen dem Betrachter die ungewöhnlichen Titel ins Auge, eine Tradition die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht Couperin hat Miniaturen von faszinierender Schönheit und Phantasie geschaffen, die eine Vielfalt der unterschiedlichsten Stimmungen einfangen.


    Hört man die Musik Couperins für das Clavecin steht man zunächst einmal wieder vor der Gretchenfrage: Flügel oder Cembalo? Nun ist das Cembalo das Instrument, für das Couperin ursprünglich komponiert hat- aber ich möchte die Diskussion an dieser Stelle nicht führen.


    Die kanadische Pianistin Angela Hewitt ist vor allem für ihre Bach-Interpretationen bekannt. Im Jahr 2002 hat sie damit begonnen Werke Couperins auf dem modernen Flügel einzuspielen. Inzwischen liegt die letzte der drei CD´s vor. Die Künstlerin hat dabei die Stücke ausgewählt, die ihr für das moderne Klavier am geeignetsten erschienen. Besondere Sorgfalt widmete sie dabei der Ausführung der Verzierungen, die für die Interpretation der Musik Couperins besonders wichtig ist- der Komponist legte selbst fest, wie er diese gespielt haben wollte.


    Hewitt spielt jederzeit stilsicher und ich möchte meinen auch Couperin hätte an ihr seine Freude gehabt. Hewitt fängt den Farbenreichtum dieses so faccettenreichen Werkes wie mit dem Brennglas ein. Lesenswert: Der einleitende Aufsatz über den Komponisten, den die Pianistin selbst verfasst hat; abgedruckt ist er in Volume I des Zyklus. Wenn Ihr Euch zum Kauf entscheidet, würde ich mit dieser ersten CD beginnen. Viel Vergnügen beim Hören!





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    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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  • Meine nächste Empfehlung gilt nicht einem Werk, sondern einem Komponisten, einem seiner Interpreten und einer Aufnahme:


    Frederic Chopin und Arturo Benedetti Michelangeli. ABM hat 1972 ein Recital mit Werken Chopins vorgelegt. Hätte ABM nur diese eine Platte aufgenommen- ein Platz im Elysium der Chopin-Interpreten wäre ihm sicher gewesen:


    Den ersten Teil des Albums bilden 10 Mazurken, von denen Chopin im Laufe seines Lebens eine ganze Reihe komponierte (einen Thread dazu gibt es hier). Wenn man einen Vergleich wählen möchte, so kommt den Mazurken im Schaffen Chopins eine ähnliche Funktion zu, wie den Liedern ohne Worte Mendelssohns oder den Lyrischen Stücken Edvard Griegs. Diie Mazurken sind die Essenz von Chopins Kunst, zu höchstem Ausdruck auf engstem Raum verdichtet.


    ABM zeigt sich als ein Meister des subtilen Rubatos und der feinfühligen Charakterisierung, wobei ihm sein unerhörter Klangsinn treffliche Dienste leistet. Allein wegen dieser zehn kleinen Kostbarkeiten würde sich die Anschaffung der CD lohnen.


    Daneben hat Michelangeli drei größere Stücke Chopins gestellt:


    Das Prelude in cis-moll, die Ballade in g-moll und das Scherzo in b-moll.


    Benedetti-Michelangeli Spiel ist feinsinnig und farbenreich, doch niemals süßlich und verzärtelt, vielmehr scheint er die Stücke mit einem feinen Meißel aus einem Marmorblock ans Licht zu heben:



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    Christian

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  • Schumann´s "Symphonische Etüden" schätze ich sehr. Im Konzert habe ich sie zweimal erlebt, einmal mit Ivo Pogorelich, beim zweiten Mal mit Mikhail Pletnev.


    Liest man den Titel "Symphonische Etüden" kann man schon ins Grübeln kommen. Wie kann eine Etüde, also ein Übungsstück für ein Solo-Instrument "symphonisch" sein? Schumann selbst hat lange mit dem Titel gerungen: "Variations patethiques", "Fantaisies et Finale", "Etudes Symphoniques" und "Etudes en forme des Variations".


    Durchgesetzt hat sich die Bezeichnung "Etudes Symphoniques", dabei kommt der letzte Titel dem Charakter der Etüden eigentlich am nächsten. Denn die Etüden sind kein Zyklus wie die Etüden Chopins, sondern streng genommen eigentlich Variationen über ein Thema, ein Thema das Schumann von einem adeligen Amateur bekam.


    Schumann überarbeitete die Etüden mehrfach, so dass sich jeder Interpret vor die Frage gestellt sieht, welche Fassung er spielt. (Vergleiche auch diesen Thread) Die von 1837 oder die von 1852?


    Ragna Schirmer hat bei ihrer Einspielung alle Etüden aufgenommen. Die Kombination mit den Beethoven-Etüden WoO 31 hat insofern Sinn, als sie Vorstudien zu den "Symphonischen Etüden" sind.


    Ragna Schirmer spielt technisch souverän, ohne dabei der Gefahr zu erliegen die Etüden zu Tode zu donnern, baut klug die Spannung auf, die letzte Variation ist ein regelrechtes Finale Furioso, dabei verkommt ihre Virtuosität keineswegs zur bloßen Schau. Die Pianistin interpretiert die Etüden als organisches Ganzes und schafft doch das Kunststück jeder Variation den ihr eigenen Charakter zu verleihen. Sie stellt eine gelungene Balance zwischen den beiden Polen her, die für Schumann so charakteristisch sind: Lyrische Passagen von hauchzarter Intimität, rauschhaftes Feuer auf der anderen Seite, oder um es mit Schumann zu sagen: Zwischen Eusebius und Florestan.



    [tip]9208049[/tip]




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    Christian

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  • Jetzt einmal ein Ausflug in andere Gefilde! Einer meiner persönlichen Sammelschwerpunkte sind Requiemvertonungen. Eine der monumentalsten Vertonungen der Totenliturgie ist das Requiem von Giuseppe Verdi. Die Aufnahme die ich hier empfehlen möchte ist die Einspielung von John Eliot Gardiner mit dem Monteverdi-Choir und dem Orchestre Révolutionaire et Romantique, der ersten Einspielung des Werks auf historischen Instrumenten. Im "Dies Irae" bekommt man eine regelrechte Gänsehaut, so eindrücklich beschwören Gardiner und Co. die Schrecken des jüngsten Gerichts:




    [tip]7318485[/tip]
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    Christian

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  • "Wenn alle Meisterwerke der Musik verlorengingen und nur das Wohltemperierte Klavier uns erhalten bliebe, so könnte man daraus die ganze Literatur wieder neu konstruieren."

    (Hans von Bülow)


    Von Hans von Bülow ist ebenfalls der Ausspruch überliefert, das Wohltemperierte Klavier sei das "Alte Testament der Klavierliteratur". Dieses Zitat spiegelt die Hochachtung und Wertschätzung wider, die den insgesamt 48 Präludien und Fugen entgegengebracht wird, ein ebenso deutliches Indiz ist die Zahl der hochkarätigen Einspielungen. Aus dieser Fülle eine Auswahl zu treffen fällt nicht ganz leicht.


    Ich möchte nur zwei Aufnahmen herausgreifen:


    Edwin Fischer



    Alfred Brendel äußerte einmal, diese Aufnahme seines Lehrers würde er mit auf die Insel nehmen. Ginge mir ebenso. Man darf sich vom Alter und damit von der Klangqualität dieser zwischen 1933 und 1936 entstandenen Produktion nicht schrecken lassen. Hat man sich an das Knacken und Rauschen gewöhnt, erlebt man eine tiefe, natürliche Musikalität. Man bekommt eine Ahnung davon worin die Faszination vund Zeitlosigkeit von Bach´s Musik begründet liegt.



    Andras Schiff


    [jpc]5007716.[/jpc][tip]5007716[/tip]



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    Christian

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  • In der älteren Literatur ist immer wieder zu lesen Chopin habe nicht instrumentieren können, sei nur ein Meister der "kleinen Form" gewesen, weil er so ausschließlich für das Klavier komponiert habe. Dieses Vorurteil ist- wie das Bild des Polen als effeminierter süßlich-verzärtelter Salonkomponist- inzwischen kalter Kaffee. Wer sich davon überzeugen möchte, der greife zu Krystian Zimermans Einspielung der Klavierkonzerte. Anlässlich von Chopins 150. Todestag gründete der Pianist sein Polish Festival Orchestra um mit diesem Orchester Chopins Klavierkonzerte auf einer weltweiten Tournee aufzuführen. Aus mehr als 350 Bewerbungen wählte Zimerman 50 junge polnische Musiker aus, er dirigierte selbst vom Pult aus, eine Praxis, die zu Mozarts Zeiten üblich und auch noch von Beethoven praktiziert wurde. Das Ergebnis dieses Projekts ist die vorliegende Aufnahme. Wer diese Einspielung hört dürfte ein für alle Male von dem Vorurteil kuriert sein, Chopin habe nicht instrumentieren können, jedes Detail des Orchestersatzes wird hörbar, das Zusammenspiel von Solist und Orchester ist perfekt. Hört man insbesondere die Mittelsätze bekommt man eine Ahnung davon, warum Chopin die Opern von Bellini und Donizetti so schätzte: Unter Zimermans Händen fängt der Steinway an zu singen.



    [tip]1528211[/tip]
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    Christian

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  • Barbara Bonney: Fairest Isle


    Wieder einmal ein Ausflug in andere Gefilde, vom 19. Jahrhundert in das elisabethanische England: Barbara Bonney singt auf dem Album "Fairest Isle" Songs von John Dowland, Thomas Campion, Thomas Morley, Wiliam Byrd- und dem Orpheus Britannicus Henry Purcell. Begleitet wird sie von der Academy of Ancient Music unter Christopher Hogwood. Für die Lautenlieder von Dowland und seinen Zeitgenossen habe ich eine besondere Schwäche, feinzisilisierte Miniaturen von zerbrechlicher Schönheit, selten völlig heiter, meist mit einem leisen Hauch Melancholie. (Einen Thread zu den Lautenliedern der Renaissance gibt es hier , einen zur Musik im elisabethanischen England dort - beide lohnen einen Blick) Nicht nur für die Musik der obengenannten Herren auch für die Interpretin habe ich eine Schwäche. Barbara Bonneys silbriger Sopran ist ein wundervolles Instrument für diese Musik, man fühlt sich wirklich auf die "Fairest Isle"- auf die schönste Insel versetzt. Zwei Stücke kann ich immer wieder hören: Wiliam Byrds "O lord, how vain are all our frail delights" und Purcells "Thy hand, Belinda .. When I am laid in earth".



    [tip]3381243[/tip]
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    Christian

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  • "Bomben unter Blumen"

    (Robert Schumann)


    Meine nächste CD-Empfehlung ist (dreimal dürft ihr raten :D ) Chopin gewidmet- und einem der Chopininterpreten. Frederic Chopin und Arthur Rubinstein- eine unschlagbare Kombination. Joachim Kaiser charakterisierte das Chopin-Spiel des Pianisten einmal so:


    "Rubinstein spielt einen stolzen Chopin, einen männlichen Chopin, nicht jenen freundlichen, sentimentalen Emigranten, der wehmütig den alten Weisen seiner Heimat nachlauscht."


    Einen guten Eindruck von Rubinsteins Chopin-Spiel bekommt man wenn man die Balladen in der Interpretation des Pianisten hört: Rubinsteins Fähigkeit auf dem Flügel zu singen, feinste Rubati, die nie gesucht wirken; der Farbenreichtum seines Tons, daneben die wilden fff-Ausbrüche (Man merkt schon- Rubinstein ist einer meiner Hausgötter) In den Balladen stehen sie nebeneinander.


    (Nein, diese Empfehlung gilt nicht den Balladen- ich muss mir auch noch ein As in der Hinterhand behalten...:D)


    Ein anderer Vorzug Rubinsteins kommt ihm bei den Mazurken zustatten, sein Rhythmusgefühl. "Sublimierte Volksmusik", so ist der entsprechende Thread im Klavierforum überschrieben. Chopin komponierte insgesamt 51 dieser Miniaturen, die erste mit 10 Jahren- die letzte im Jahr 1849. Sublimierte Volksmusik- das sind die Mazurken zweifelsohne. Aber auch weit mehr:


    Robert Schumann schrieb in der Neuen Zeitschrift für Musik:


    "Chopins Werke sind Bomben, unter Blumen versteckt"- (mit Bezug auf die Mazurken op. 30 und 33) und so spielt sie Arthur Rubinstein auch. Nicht als künstliche, geruchlose Papierblumen (um im Bild zu bleiben), Rubinstein spielt mit berückend schönem Ton, aber unter der Oberfläche lauert mehr- und das macht Rubinstein in jedem Augenblick deutlich: Tänze ja, aber keine harmlose Kaffee-Haus-Tanzmusik.


    Insgesamt hat Rubinstein die Mazurken dreimal aufgenommen: 1938/39, 1952 und 1965/66. Die Aufnahme von 1952 steht nicht nur zeitlich in der Mitte, sie vereint in gewisser Weise die beiden Vorzüge der beiden Schwestern: Die Frische und Unbekümmertheit der frühen Einspielung und der leuchtende Ton der späteren Stereoversion.


    Alle drei Interpretationen sind im Rahmen der Rubinstein-Collection erschienen und digital überarbeitet. Der Klang ist ein wenig trocken, mit wenig Hall. Mir persönlich gefällt die 52´ Version ein wenig besser als die Aufnahme von 1965/66- aber das ist Geschmacksache. Und im Idealfall hat man beide im Schrank



    [tip]4140928[/tip]


    In einem Interview sagte Rubinstein über seine Einspielung:


    "[...] Ich kann nur hoffen, daß ... die Hörer etwas von der Liebe fühlen werden, die ich bei diesen Aufnahmen empfunden habe. Ich weiß nicht, ob ich damit erfolgreich war, was ich zu tun versuchte, aber ich hoffe, daß meine Aufnahmen dieser Mazurken helfen werden, dem riesigen Publikum des Grammophons in aller Welt ein wenig davon zu vermitteln, was Chopins Musik für die Polen bedeutet.[...]"


    Also ich finde: Es ist ihm gelungen.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Eine kurze Bemerkung vorab:


    Ich bin sicher nicht das was man einen fanatischen Gould-Verehrer nennen kann. Aber es gibt einige Aufnahmen des kanadischen Pianisten die würde ich ohne einen Augenblick zu zögern mit auf die sprichwörtliche Insel nehmen. Eine dieser Platten ist das Brahms-Album von Gould mit den zehn Intermezzi aus opp. 76, 116 - 119 (aufgenommen 1960) den vier Balladen op. 10 und den beiden Rhapsodien op. 79 (aufgenommen 1982):



    [tip]6622220[/tip]


    Die späten Klavierkompositionen von Brahms tragen einen dunkel-melancholischen Grundzug in sich. Und diese sanfte Melancholie fängt Glenn Gould ein wie kaum ein anderer. Zustatten kommen ihm dabei seine Fähigkeit zum polyphonen Spiel als auch sein feiner Anschlag- dazu passt der trockene Klang.
    Wie Gould Brahms´ herbe Süße im Intermezzo op. 117/1 zum Klingen bringt, oder in op. 118/2 neben der Melodie die Anfangstakte von "Ich will Euch trösten" aus dem Deutschen Requiem durchscheinen lässt, das ist große Kunst. Von irgendwelchen mutwilligen Übertreibungen, wie man sie Gould bei Mozart vorwerfen kann- hier findet sich davon keine Spur. Unter Goulds Händen sind die späten Klavierstücke von Brahms fragile, zerbrechliche Gespinste- man hält beim Hören manchmal den Atem an. Eine herbstliche Stimmung liegt über der ganzen Aufnahme.


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    Christian

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  • Und nocheinmal Brahms und nocheinmal die späten Klavierstücke.


    Im Unterschied zu Glenn Gould hat Elisabeth Leonskaja nicht nur eine Auswahl der Intermezzi aufgenommen, sondern sämtliche Stücke von opp. 116 - 119. Eingespielt hat Leonskaja die Stücke auf einem Steinway D von 1901, dessen voller, satter Klang von den Toningenieuren von Dabringhaus-Grimm in der fürstlichen Reithalle von Bad Arolsen wunderbar eingefangen wurde. Alleine schon deswegen ist die Aufnahme hörenswert.


    Leonskaja spielt einen anderen Brahms als Gould. Auch bei ihr kommen die melancholischen Züge des späten Brahms zum Tragen. Aber Leonskajas Zugriff ist im Ganzen optimistischer, farbenfroher. Der Brahms Leonskajas ist weniger fragil weniger herb. Exemplarisch: Die Rhapsodie op. 119/ 4 interpretiert die Pianistin kraftvoll und leidenschaftlich. Gould und Leonskaja: Zwei Arten Brahms zu spielen, beide auf ihre Weise reizvoll.


    Erinnert mich Gould an einen verhangenen, nebeligen Novembertag, denke ich bei Leonskaja an einen sonnigen Herbsttag im späten September: Man blickt vom Philosophenweg auf das Heidelberger Schloss, rot leuchtet der Sandstein in der Abendsonne umrahmt von den herbstlich bunten Wäldern.



    [tip]5943311[/tip]
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    Christian

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  • So, Zeit für meine erste "symphonische" Empfehlung!


    Bruckner gehört zu den Komponisten mit denen ich sozusagen musikalisch groß geworden bin. Meine erste "Bruckner-Offenbarung" hatte ich in Gestalt einer Low-Budget Ausgabe der 8. Symphonie mit Eugen Jochum am Pult, irgendwann so 1989/90 herum. Dieses Erweckungserlebnis hatte seine Folgen: Die Symphonien Bruckners ebenso wie seine geistliche Chormusik schlugen und schlagen mich immer wieder in ihren Bann. Es gibt Zeiten, da höre ich wenig oder gar keinen Bruckner, aber immer zieht es mich zu ihm zurück.


    Im Konzertsaal oder auf der Platte begegnet man bestimmten Symphonien des Komponisten öfters als anderen. Zu ersteren gehört die Trias der letzten drei Symphonien, zu den letzteren die sechste Symphonie in A-Dur. Hört man sie, fragt man sich unwillkürlich, warum ist das so? Der einschlägige Thread heißt passender Weise auch: Bruckners Sinfonie Nr. 6 in A-Dur ein Stiefkind?


    Bruckner begann mit der Komposition 1879 und schloss sie 1881 ab. Aufgeführt zu Lebzeiten des Komponisten wurden nur die beiden Mittelsätze. Die erste Gesamtaufführung erfolge erst nach dem Tod des Komponisten im Jahr 1899 durch Gustav Mahler.


    Aufnahmen der Sechsten gibt es deutlich weniger als solche der anderen "großen" Symphonien. Die Einspielung, die ich hier empfehlen möchte ist die Aufnahme Kent Naganos mit dem DSO:



    [tip]9845991[/tip]



    Zitat

    Nagano wählt ähnliche Tempi wie Klemperer, nimmt den ersten Satz allerdings geringfügig rascher, Klemperer akzentuiert hier die Monumentalität dieses "Majestoso" ein wenig stärker. Bei Nagano hat dieser Satz etwas teleologisches, etwas Vorwärtsdrängendes- ein Element was wiederum bei Klemperer ein wenig in den Hintergrund tritt. Böse Zungen könnten jetzt behaupten Klemperer dirigiere die sechste Symphonie aus dem Geist der Achten .... Nagano baut klug Spannungsbögen auf, die Partitur zerbröselt ihm nicht unter den Händen, alles wirkt organisch, im Ganzen weniger wuchtig als Klemperer- dafür für mein Empfinden noch subtiler, gelegentlich sogar schwelgerisch- ohne einen pastosen Brei abzuliefern.


    Dynamik ist für mich das Schlüsselwort: Nagano entfaltet im Ganzen einen unwiderstehlichen Zug- und hat die Ruhe, auch die ruhigen Passagen auszumusizieren.


    Herzliche Grüße, :hello::hello:


    Christian

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  • Die Berühmtheit von Anton Bruckner gründet sich in erster Linie auf seine Symphonien. Das er eine Fülle von geistlicher Chormusik komponierte gerät dabei gelegentlich in den Hintergrund. Dabei stehen die Motetten Bruckners ebenso wie die Messen und besonders das Te Deum IMO den Symphonien an Qualität und Ausdruck um keinen Deut nach.


    Empfehlen möchte ich eine Platte von Philipp Herreweghe. Herreweghe hat mit seinen Chören "La Chapelle und Royale" und dem "Collegium Vocale" eine Reihe von Motetten und die Messe in e-moll für achtstimmigen Chor und Bläser aufgenommen:



    [tip]5061167[/tip]


    Herreweghes Ensemble ist die ideale Besetzung für Bruckner: Transparenz, saubere Intonation und ein hohes Maß an Sensibilität bringen die vielen verborgenen Feinheiten dieser Musik zum Klingen. "Christus factus est" gehört zu den Stücken, bei denen ich immer wieder auf die Repeat-Taste drücken möchte, ebenso wie beim "Os justi".


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

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  • Vladimir Horowitz- der größte aller Blender? So ist der Thread über den Pianisten überschrieben. Ein Blender? Also eine auf Hochglanz polierte Oberfläche, doch dahinter gähnende Leere?


    Horowitz´Scarlatti Platte ist geeigtnet dieses Vorurteil definitiv zu widerlegen. Man könnte ja meinen, dass sich Scarlattis Sonaten trefflich für die virtuosen Zirkusnummern eines Virtuoso assoluto eigenen würden. Hört man Horowitz Scarlatti spielen dann ist man zunächst überrascht. Hier ist nicht der Tastenlöwe mit der großen Pranke am Werk- im Gegenteil:


    Horowitz nähert sich Domenico Scarlatti mit tiefer Ernsthaftigkeit, er stellt seine manuellen Fähigkeiten zur Gänze in den Dienst von Scarlattis Musik und tut damit genau das Gegenteil von dem was man von einem "reinen" Virtuosen gemeinhin erwartet. Horowitz nutzt seinen phänomenalen Klangsinn um den Farbenreichtum von Scarlattis Miniaturen zum Klingen zu bringen (K 474), Horowitz spielt faktisch ohne Pedal, sein unnachahmliches Ryhtmusgefühl läßt die ryhtmische Vielfalt der Sonaten plastisch deutlich werden (K 39 oder K 201).


    Horowitz hat sich bei seiner Einspielung (1964) von der damaligen Autorität in Sachen Scarlatti, dem Musikwissenschaftler und Cembalisten Ralph Kirkpatrick beraten lassen und diese intensive Auseinandersetzung mit der Klangwelt Scarlattis hört man Horowitz Platte in jeder Sekunde an- dabei ist Horowitz Scarlatti alles andere als ein akademisch-trockenes Kompendium. Davor bewahrt alleine schon die Spielfreude des Pianisten den Hörer.


    Natürlich gibt es inzwischen eine ganze Reihe weiterer Annäherungen an Scarlatti auf dem Konzertflügel, doch hat Horowitz Aufnahme absolut gar nichts von ihrem Reiz eingebüßt- und hat zudem noch den Vorzug, dass sie ausgesprochen preisgüngstig zu haben ist. Wer Horowitz als sensiblen, werktreuen Klangmagier und Scarlatti auf dem Konzertflügel erleben möchte, für den ist diese CD ein "Must have"


    Erhältlich ist Horowitz in zwei (inhaltsgleichen) Ausgaben:




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    Christian

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  • Ehe ich zu meiner zweiten Empfehlung in Sachen Scarlatti komme, einige biographische Informationen zu Domenico Scarlatti. D. Scarlatti wurde 1685 in Neapel geboren und starb 1757 in Madrid. Von seinen 72 Lebensjahren verbrachte er 28 in Spanien. Während dieser Zeit entstand der Löwenanteil der 555 Sonaten, die Scarlatti als Musiklehrer und Cembalist der Prinzessin Maria Barbara- der Enkelin von Kaiser Leopold I. komponierte:



    Hört man den Begriff Klaviersonate denkt man üblicherweise an Stücke wie Beethovens Pathetique. Im Unterschied zu diesen dreisätzigen Sonaten handelt es sich bei den Kompositionen Scarlattis um einsätzige Stücke, drei bis acht Minuten lang.


    (Durchgesetzt hat sich heute zur Nummerierung der Sonaten Scarlattis Kirkpatricks System, daher die Abkürzung "K" vor der jeweiligen Nummer der Sonate)


    Dabei ließ sich der Komponist von seiner neuen Heimat Spanien inspirieren, und sog die vielfältigen lokalen musikalischen Traditionen in sich auf, die sich auf der iberischen Halbinsel länger als im übrigen Europa erhalten hatten. Warum das so war ist ein Thema für sich- ich will ja keine historische Vorlesung halten :D


    Neben den Klangfarben spiegelt sich dieser Einfluß vor allem in den Rythmen seiner Sonaten wieder. Hier griff Scarlatti auf die Rythmen spanischer Volkstänze, wie dem Fandango zurück.


    Christian Zacharias hat für Dabringhaus und Grimm im Jahr 2002 vierzehn dieser poetischen Gemälde auf einem Steinway von 1905 aufgenommen. Zacharias bringt den Farbenreichtum der dieser Musik innewohnt zum Klingen und nutzt dazu die Möglichkeiten des Flügels voll aus.



    Das Spiel von Zacharias lässt sich mit drei Begriffen umschreiben: Einfachheit, Eleganz und Natürlichkeit und damit wird er dem intimen Charakter von Scarlattis Musik vollauf gerecht. Zacharias spielt Scarlattis anders als Horowitz. Um ein Bild aus der Malerei zu verwenden: Horowitz arbeitet mit dem Zeichenstift, Zacharias mit dem feinen Aquarellpinsel. Horowitz stellt das motorische Moment, die rythmische Vielfalt Scarlattis stärker in den Mittelpunkt (er spielt gewissermaßen Cembalo auf dem Flügel), Zacharias betont mehr den unerschöpflichen Farbenreichtum von Scarlattis Musik.


    Beide Aufnahmen lohnen sich, denn beide Pianisten haben unterschiedliche Stücke ausgewählt, so dass es keine Überschneidungen gibt. Aber eine Lanze möchte ich besonders für Christian Zacharias brechen, der für mein Empfinden immer noch zu sehr unterschätzt wird, weil er so gar nicht dem Bild entspricht was man sich von einem Virtuosen macht. Ein Künstler für die leisen Töne, mit einem ausgeprägten Sinn für subtile Klangnuancen und dem nötigen Schuss Virtuosität für Scarlatti.


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    Christian

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  • Einer meiner Lieblingspianisten ist der Russe Mikhail Pletnev- und deswegen gilt ihm die folgende Empfehlung. Was zeichnet Pletnevs Spiel aus? Zunächst eine stupende Technik: Erlebt man Pletnev im Konzert hat man eigentlich nie das Gefühl, die jeweilige Komposition, auch wenn es sich um Schumanns Symphonische Etüden oder Brahms´Händelvaritationen handelt, bereite ihm Probleme. Es gibt Pianisten, bei denen spürbar ist, was für ein schwerer Beruf das ist, dem sie da gerade nachgehen. Dieser Eindruck stellt sich bei Pletnev nie ein- im Gegenteil er scheint über unendliche Reserven zu verfügen.


    Nun könnte man einwenden: Bloße technische Brillianz genüge noch nicht um aus einem Virtuosen auch einen Musiker zu machen. Dies mag dann zutreffen wenn ein Pianist Oktavgänge aus dem Handgelenk schüttelt nur um zu zeigen wie schnell und fehlerlos er spielen kann. Bei Mikhail Pletnev ist dies nicht der Fall. Bei ihm steht die Technik immer im Dienst der musikalischen Aussage. Die Gefahr droht bei Pletnev von anderer Seite: Aufgrund seiner technischen Souveränität wirkt er im Konzert bisweilen unbeteiligt, kühl. Ein Eindruck der sich auch auf seinen Platten einstellt. Sein Feuer brennt, wenn man so möchte mit kalter Flamme. Andererseits macht Pletnevs Technik ihn auch zu dem herausragenden Interpreten der er ist.


    Nun verfolgt Pletnev neben seiner Berufung als Pianist noch eine zweite Karriere als Dirigent. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gründete Pletnev das Russische Nationalorchester und leitete dieses Ensemble auch über mehrere Jahre. Inzwischen ist das Kind großgeworden- wie eine Reihe von Aufnahmen mit Pletnev am Pult zeigen. Interessant ist weniger die Tatsache, dass ein Pianist auch als Dirigent tätig wird (Da kommen mir spontan noch Ashkenazy oder Barenboim in den Sinn) sondern das Phänomen, dass Pletnevs Spiel unter seiner Doppeltätigkeit keineswegs gelitten hat. Im Gegenteil: Der Pianist Pletnev hat IMO an Qualität noch gewonnen.


    Ein Dokument dafür ist das Konzert des Pianisten in der Carnegie Hall, entstanden im November 2000:



    Pletnev beginnt mit der Chaconne Bachs in der Bearbeitung Busonis, versenkt sich dann in die Mysterien von Beethovens letzter Klaviersonate op. 111 und stemmt dann auch noch die vier Scherzi Chopins. Pletnevs Deutung der Scherzi erinnert mich ein wenig an Pogorelichs Deutung. Auch dem Kroaten ist der Hang zu "extremen", Interpretationen eigen. Aber vielleicht wird man den Scherzi auch nur so gerecht?


    An sich schon ein abendfüllendes Programm, möchte man meinen :D


    Obendrauf packt Pletnev noch fünf Zugaben: Rachmaninov, Scriabin, Scarlatti, Moszkowski und als Krönung Balakirevs Islamey.


    (Der entsprechende Thread hier im Forum trägt den Untertitel "schwerste Komposition" ;) )



    Es fällt schwer, aus diesem Programm ein Stück herauszuszuheben, aber Höhepunkt dieses Konzert sind IMO die Scherzi Chopins.


    Man kann sicher über die Interpretationen Pletnevs streiten- aber langweilig sind sie nie.


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    Christian

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  • Eigentlich war ich ja bisher der Meinung, orthodoxe Kirchenmusik sollte von einem russichen Chor gesungen werden, der Sprache und des Ausdrucks wegen. Inzwischen habe ich meine Meinung revidiert, und zwar auf Grund folgender Aufnahme:




    Sergei Rachmaninovs Vesper, op. 37 gesungen von dem SWR-Vokalensemble unter der Leitung von Markus Creed. Zunächst einmal etwas zum Titel: Der deutsche Titel "Vesper" für Rachmaninovs Komposition führt ein wenig in die Irre. Im Stundengebet der katholischen Kirche ist die Vesper das Abendgebet.


    Rachmaninovs "Ganznächstliche Vigil" wurzelt in der gleichen Tradition, meint jedoch etwas anderes: Die "Ganznächtliche Vigil" wird in der russissch-orthodoxen Kirche jeweils am Vorabend von Sonn- und Feiertagen zelebriert. In ihr sind die drei Stundengebete Vesper, Matutin und Prim miteinander verschmolze, die Vigil besteht aus einer festgelegten Folge von Psalmen und Hymnen.


    Die "Ganznächtliche Vigil" ist Rachmaninovs zweite große Komposition für die Kirche, nach der "Liturgie des heilgen Johannes Chrysostomus und wurde 1915 vom Moskauer Synodalchor uraufgeführt. Im Unterschied zur westlichen Tradition, hat sich in der orthodoxen Kirche das Verbot von Instrumenten im Gottesdienst gehalten, weswegen Rachmaninov seine "Ganznächtliche Vigil" ausschließlich für die menschliche Stimme komponiert, dabei verwendet er im wesentlichen die archaischen Gesangsweisen der russisch-orthodoxen Kirche, lange auschwingende melodische Bögen: Schlicht und schön


    Das SWR-Vokalensembke ist ein großartiger Chor: Ein schlanker, homogener Ensembleklang, der mühelos Rachmaninvos ständig wechselnden dynamischen Vorgaben folgt, die häufig von einem Takt zum nächsten wechseln; Vom dreifachen Pianissimo zum zweifachen Forte. Die teilweise endlos scheinenden Haltetöne "schafft" der Chor problemlos. Für mich einer der Höhepunkte der CD ist der "Lobpresi des Simeons", ("Nun lässest Du Herr, Deinen Diener in Frieden scheiden" ) ein von tiefer Innerlichkeit getragenes Gebet, das sich der Komponist auch für sein eigenes Begräbnis wünschte: Über die wie Glocken hin und herschwingende Begleitung des Chors schwingt sich die Stimme des Solisten; die tiefen Stimmen antworten, der ganze Chor setzt ein, das Gebet steigert sich zu einem ersten Höhepunkt, einem Wechselgesang zwischen Chor uind Solist, wie ein Wiegenlied, das nach einer letzten Steigerung im Nichts verdämmert.


    Im Ganzen kommt mir die "Ganznächtliche Vigil" wie eine einzige, große Meditation vor- und so wird sie auch vom SWR-Vokalensemble auch gesungen.



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    Christian

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  • Zu Beethovens "Stum-Sonate" habe ich eine besondere Beziehung: Sie gehört zu den ersten Stücken die ich während einer Rundfunkübertragung aufgenommen habe . An den Namen der Pianistin erinnere ich mich nicht mehr, es war jedenfalls eine Sendung des Hessischen Rundfunks. Mit bedeutungsschwangerer Stimme zitierte der Sprecher Beethovens berühmten Ausspruch: "Lesen Sie Shakespeares Sturm!" So soll Beethoven geantwortet haben, als ihn Zeitgenossen nach dem"Programm" der Sonate op.31/2 fragten. Und ob passend oder nicht, der Name ist haften geblieben.


    Klar ist mir der Bezug zwischen Shakespeares Stück und Beethovens Komposition bis heute nicht: Beide scheinen so ganz und gar nichts miteinander gemein zu haben: Bei Shakespeare spielt der Sturm nur sehr eingeschränkt eine Rolle? Aber vielleicht ist es auch sinnlos hier nachirgendwelchen tiefschürfenden Wahrheiten zu suchen.


    Jedenfalls gehört die Sonate op.31/2 zu meinen Lieblingssonaten, sie fasziniert mich weitaus mehr als so manche andere bekanntere Sonate Beethovens. Manchmal habe ich das Gefühl, sie sei eine vorweggenomme Appassionata: Die Ecksätze sind wuchtig und schroff,der Mittelsatz wirkt dagegen wie eine Oase zum Atemholen vor dem Finale Furioso. Aufnahmen gibt es,wie von den meisten "bekannten" Sonaten etliche-und welche jetzt einem zusagt, ist eine Frage der persönlichen Vorlieben.


    Die Aufnahme, die ich empfehlen möchte stammt von Maurizio Pollini. Neben der "Sturm-Sonate" spielt der Pianist noch die Waldsteinsonate, die vergleichsweise unbekannte G-Dur-Sonate op.79 und "Les Adieux"


    Op.31/2 beginnt mit einer getragenen Largo-Introduktion, darauf folgt das düstere Hauptthema. Pollini stellt den Kontrast zwischen beiden Teilen scharf heraus. Noch besser als gefällt mir der Mittelsatz. Hier brilliert Pollini durch unzählige subitile Anschlagsnuancen. Das abschließende Allegretto zaubert Pollini wirklich als Sturm auf die Klaviatur.


    Im Ganzen liefert Pollini keine "extremen" Interpretationen, sondern fein ausdifferenzierte Deutungen.


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    Christian

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  • Zu meinen "Lieblingsepochen" gehört die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. In solchen Übergangsepochen "tut" sich meist eine ganze Menge, und neben einer Fülle von politischen, sozialen und ökonomischen Umwälzungen ist diese Zeit auch musikalisch sehr spannend. Das Konzil von Triest befasste sich explizit mit der Kirchenmusik. Das Ende ist bekannt: Palestrina komponierte seine Missa Papae Marcelli und damit hatte die merhstimmige Kirchenmusik in der Liturgie weiterhin ihren Platz.


    Den vierhundertsten Todestag von Palestrina, am 2. Februar 1994, wählten die Tallis Scholars mit ihrem musikalischen Leiter Peter Philipps für eine Hommage an Palestrina. Das Konzert fand in Santa Maria Maggiore in Rom statt, einer der vier römischen Hauptkirchen in denen Palaestrina wirkte. Wer schon einmal in der ewigen Stadt war kennt die prunkvollen Mosaiken aus der Spätantike die den Krichenraum schmücken, also ein passender Ort für ein Jubiläum.




    Auf dem Programm standen Kompositionen Palaestrinas:


    Surge, illuminare
    Missa Papae MArcelli
    Stabat Mater
    Alma Redemptoris MAter
    Magificat primi toni
    Nunc dimittis


    ergänzt um das Misere von Allegri, weil, so Peter Philipps "wir uns die einmalige Chance nicht entgehen lassen konnten, den Rahmen dieses herrlichen Kirchenraumes für eine von Fernsehkameras dokumentierte Aufführung dieses einzigartigen Werkes zu nutzen."


    Zwar haben die Tallis Scholars die meisten Stücke des Programms auch auf CD aufgenommen, doch dieses Livekonzert atmet den Reiz des Besonderen. Palestrinas Musik umrahmt von den dunkel goldenen Mosaiken, ein stimmungsvoller Rahmen. Die Tallis Scholars sind in Hochform. Hört man den glockenreinen Sopran von Deborah Rogers im Misere wähnt man sich wirklich im Himmel.


    Wenn man Palestrina schätzt,sollte man sich diese DVD nicht entgehen lassen.


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    Christian

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  • Die ersten drei Klaviersonaten Beethovens Opus 2:


    Die späten Klaviersonaten (also op. 101 - 111) haben auf mich schon früh einen besonderen Reiz ausgeübt, zu einem guten Teil lag das sicher an dem Hauch von Mystizismus der diese letzten Klaviersonaten umwebt. Dagegen interessierten mich die ersten Gehversuche Beethovens in diesem Genre kaum. So richtig geändert hat sich das erst in jüngerer Zeit. Der Grund? Mit András Schiff, Gerhard Oppitz, Michael Korstick und Angela Hewitt haben gleich vier renommierte Pianisten mit einer Gesamtaufnahme von Beethovens Klaviersonaten begonnen. Man kann also gut vergleichen.


    Michael Korstick und Andras Schiff gehen bei ihren Aufnahmen chronologisch vor, beide haben inzwischen die drei ersten Sonaten Beethovens aufgenommen. Beide Pianisten stehen in dem Ruf es mit den Vorschriften des Komponistern sehr genau zu nehmen.


    Auf den ersten Blick auffällig:


    Korstick wählt im Vergleich mit Schiff grundsätzlich die rascheren Tempi, mit einer Ausnahme: Die langsamen Sätze: Für nimmt sich Korstick bedeutend mehr Zeit als Schiff, ohne dabei das Tempo zu verschleppen: Der zweite Satz von op. 2/1 gewinnt bei Korstick deutlich an Intensität und Spannung. Im Ganzen kommen bei Korstick die Kontraste zwischen den einzelnen Sätzen deutlicher zum Ausdruck. Korsticks Zugriff ist energischer und dynamischer, zupackender, voll elementarer Energie,was dem "frühen" Beethoven gut bekommt. Dagegen ist Schiff eine Spur introvertierter und beschaulicher und nimmt sich für mein Empfinden zu sehr zurück.


    Bei Korstick wird deutlich:


    Die ersten drei Sonaten Beethovens sind nicht die tastenden Versuche eines jungen Künstlers der erst noch seinen Weg finden muss. Vielmehr setzt Beethoven mit dieser Trias ein deutliches Ausrufezeichen. Die Vorbilder Haydn (mehr) und Mozart (weniger) scheinen durch, aber dennoch hat Beethoven schon seine ganz eigene Sprache gefunden.



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    Christian

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  • „[…] Ich kenne die Appassionata in- und auswendig, und am liebsten würde ich sie jeden Tag hören wollen. Es ist wundervolle, ätherische Musik. Höre ich sie, denke ich voll Stolz - vielleicht auch ein wenig naiv: Schau an! Menschen können so staunenswerte Dinge erschaffen! […]“

    (Wladimir Iljitsch Lenin)


    Die Appassionata. Wohl ohne jeden Zweifel eine, wenn nicht die bekannteste Klaviersonate Beethovens. Der Beiname stammt- wie in den meisten anderen Fällen – nicht von Beethoven selbst, sondern von einem Hamburger Verleger, der ihr dieses Etikett 1838 verpasste. Es blieb hängen.


    Die Vortragsbezeichnung „appassionato“ bedeutet so viel wie „leidenschaftlich“. Höre ich die Sonate drängen sich mir andere Assoziationen eher auf: Wut, Trauer, Zorn- und einen Hauch Resignation: Stetig wechselnde Vortragbezeichnungen, schroffe Kontraste, der im Nichts verlöschende fahle ppp-Schluss des ersten Satzes.


    Beethoven komponierte die Sonate zwischen 1804 und 1806, vollendet war sie wohl im Mai desselben Jahres. Widmungsträger der Sonate ist der Graf Franz von Brunswick- ein Freund und Gönner Beethovens. Man kann die „Appassionata“ als Gegenstück zur Waldstein-Sonate begreifen: Yin und Yang, Licht und Schatten, wenn man die Metaphysik bemühen möchte.


    Die Anlage der Appassionata ist -wie die Mehrzahl der Sonaten aus Beethovens mittlerer Schaffensperiode- dreisätzig: Auf ein stürmisches Allegro im 12/8 Takt folgt ein besinnliches Andante con moto in D-Dur, dann ein regelrechtes Finale Furioso mit einer Presto-Coda zum Abschluss: Von Arthur Rubinstein ist folgende Anekdote überliefert: Der Pianist befand sich mitten im Finalsatz der Sonate, als der Klavierhocker unter ihm zusammenbrach. Rubinstein behielt die Fassung und spielte die Coda trotzdem ohne Unterbrechung zu Ende.


    Aufnahmen der Sonate gibt es in Fülle. Eine der neuesten Deutungen stammt von Angela Hewitt. Ihren Ruf verdankt die kanadische Pianistin vor allem ihren Bach-Interpretationen. Und jetzt Beethoven? Es spricht für das Selbstbewusstsein der Künstlerin, dass sie für die erste Folge ihrer Beethoven-Gesamtaufnahme die Appassionata ausgewählt hat. Damit befindet sie sich in illustrer Gesellschaft: Backhaus, Brendel, Gilels, Kempff, Rubinstein etc. etc.


    So mancher Kenner wird jetzt sagen: Ich habe schon meinen Backhaus und meinen Brendel im Schrank, was hat mir dann Angela Hewitt noch zu sagen? Beantworten muss die Frage letztendlich jeder Hörer für sich selbst, aber lohnenswert ist die Aufnahme allemal, sowohl für den Connaisseur wie für den Einsteiger.


    Was mich beim Hören zuallererst überrascht hat, war das Temperament mit dem Angela Hewitt zu Werke geht, besonders im Finalsatz. Da gibt es kein Zögern und Zaudern bis zum bitteren Ende, Spannung vom ersten bis zum letzten Takt. Hewitts Ton ist leuchtend und klar. Die Pianistin wählt rasche Tempi, ohne dabei zu hetzen. Was die Interpretation im Ganzen auszeichnet ist ihre Klarheit und Transparenz: Kein Detail fällt unter den Tisch. Ein Beispiel: Die pochenden Begleitfiguren in der linken Hand im ersten Satz. Das Thema des Andante con moto habe ich selten so cantabel gehört, das hat selbst Rubinstein nicht schöner gekonnt. Ebenfalls zu den Höhepunkten der Aufnahme gehört für mich das Finale: Sicher, es gibt noch rasantere Interpretationen, aber Hewitt riskiert ein rasches Tempo ohne dabei in unkontrollierte Raserei zu verfallen: Jeder Ton, jeder Akkord ist gestochen scharf, selbst in der fulminanten Presto-Coda zum Schluss der Sonate, wo Beethoven einen Sforzato-Akzent am anderen fordert.


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    Christian

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  • Eigentlich ist mir ja zum Jahresausklang eher nach "Missa solemnis" zumute als nach Requiem, aber da Pius schon meine Lieblingsaufnahme der Missa Solemnis bei seinen Unverzichtbaren genannt hat, verschiebe ich das auf ein anderes Mal :D


    Zu meinen Hörschwerpunkten gehören Requiemvertonungen. Zu "meinen" liebsten Requien gehört Gabriel Faures Totenmesse. Vergleicht man Verdis zeitnahe Missa da Requiem mit Faures Entwurf offenbart sich eine andere Welt: Wer eine grandios düster-dramatische Vision des jüngsten Gerichts sucht, wird sie bei Faure nicht finden. Faures Vorstellung des Jenseits sieht anders aus: Elegisch, licht und heiter- besinnlich.


    Faure selbst schrieb dazu:


    "[...] ich empfinde den Tod als etwas Beglückendes, als eine Befreiung, als die Aussicht auf die jenseitige Seligkeit und nicht so sher als ein schmerzvolles Hinscheiden ... Vielleicht hatte ich auch das Bedürfnis, die Konvention zu durchbrechen nach all den Jahren meiner Organistentätigkeit bei Begräbnisgottesdiensten. die habe ich gründlich satt. Ich hatte den Wunsch, etwas anderes zu machen. [...]"


    Im Oktober 1887 begann Faure mit der Komposition, eine erste Fassung war im Januar 1888 vollendet und erlebte am 16. Januar ihre Erstaufführung. In den folgenden Jahren arbeitete Faure das Requiem noch mehrfach um, so zuletzt 1901 als Faure das Requiem für großes Orchester setzte.


    Der 1962 in Sofia geborene Pianist Èmile Naoumoff hat das Requiem Faures für Klavier transkribiert. Man könnte jetzt einwenden: Mir fehlen bei einer Transkription für Klavier die Farben des Orchesters- und was bei einer Messe eben dazu gehört- der Text. Hört man Naoumoff spielen vergisst man das fehlende Orchester sehr schnell, so farbenreich ist der Anschlag des bulgarischen Pianisten. Naoumoff fängt die meditative Grundstimmung die über Faures Werk bereits mit den ersten absteigenden Akkorden des Introitus gekonnt ein. Naoumoffs Transkription ist keine einfache Reduktion der ursprünglicihen Komposition, sondern wenn man so will eine Übersetzung in eine andere- ebenso reiche- Sprache. Und eine Meditiation.





    Neben dem Requiem hat Naoumoff auf der CD noch vier Nocturnes und drei Liedtranskripitionen des Komponisten aufgenommen. Für mich war das eine Neuentdeckung, da mir das Klavierschaffen Faures noch relativ unbekannt war- und ist. Alles in allem: Wer Faures Klavierwerk oder auch das Requiem von einer anderen Seite kennenlernen möchte, für den ist diese CD sicher ein gelungener Einstieg.


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    Christian

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