Die Geschichte der Bayreuther Festspiele in zwei dicken Bänden


  • Pünktlich zu den Bayreuther Festspielen 2016 ist im Deutschen Kunstverlag eine sehr umfassende Darstellung deren Gesichte in zwei Bänden erschienen. Nach allem, was ich bisher gelesen und betrachtet habe, scheue ich mich nicht, von einem Standartwerk zu sprechen. Es geht weit über das hinaus, was ich an ähnlicher Literatur kenne. Der Autor Oswald Georg Bauer war selbst über Jahre in Bayreuth tätig und hatte noch von Wolfgang Wagner das Plazet für sein Unternhemen. Ihm standen auch die Archive offen, wovon heftig Gebrauch gemacht wurde. Gewiss, vieles ist oft beschrieben und aus vielen anderen Quellen mitgeteilt worden, in der kompakten Zusammenfügung der Fakten und Dokumente in eine große Ordnung entsteht aber ein ganz neues Bild, wie ich finde. Die Fülle an Fotos ist überwältigend. Alle Inszenierungen von 1876 bis zum Ende der Wolfgang-Wagner-Ära sind ausführlich dokumentiert, einschließlich Pressecho und Szenenfotos. Das Festival wird in den entsprechenden Zeitraum deutscher Geschichte eingeordnet, wodurch dem Eindruck entgegengewirkt wird, Kunst, Theater und Musik stünden über den historischen Dingen und seien am Ende gar unpolitisch. Interessant finde ich, dass sich heute bei vielen großen Kulturbauten (Elbphilharmonie, Berliner Staatsoper etc.) noch immer genau das wiederholt, was sich schon in den Gründerjahren des Festivals vollzog, nämlich eine Explosion der Kosten und eine Unterschätzung der technischen Probeme bei der Bauausführung.


    Ein Nachteil ist das Gewicht des großformatigen Werkes. Mal eben darin blättern oder es auf eine Reise mitnehmen, ist nicht. Es braucht schon eine feste Unterlage. Das Foto auf dem ersten Band ist eine Szene aus der dritten Auzfzug der "Walküre" in den brühmten Bühnenbildern von Emil Preetorius.


    Alles ist sehr übersichtlich gestaltet und gut lesbar. Respekt! Die Ausgabe lohnt sich. Mit der Lektüre veranstalte ich mir in diesen Tagen mein eigenes kleines Bayreuth bei Tee und englischem Kuchen (aus eigener Herstellung!) auf dem Balkon. :)


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rüdiger,


    danke für diesen interessanten Tipp mit Vorstellungskommentar. Umfang, Fülle und Gewicht fördern leider den Lesewiderstand und die Kaufzurückhaltung. Vielleicht liegt es dennoch unter dem Weihnachtsbaum.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Rheingold!
    Die Ankündigung macht mich neugierig.
    Ich werde mal sehen, ob ich das Werk erst mal in der Bibliothek der Musikhochschule einsehen kann.
    Nur Tee und Kuchen wirf man mir dazu wohl nicht reichen.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Vielen Dank für den Hinweis!


    Mich hat es übrigens sehr gefreut, dass auf der Titelseite das Bühnenbild von Emil Preetorius zu sehen ist. Als ich es mal wagte, hier im Forum seine Bühnenbilder zu loben, wurde ich von einem Moderator ganz fies gemaßregelt. Boah, war ich da sauer! Preetorius hat schlichtweg geniale Entwürfe gemacht und auch die Umsetzung war großartig. Nicht nur Wagner, auch seine anderen Bühnenbilder zeugen von sehr gutem Werk-, Raum- und Regieverständnis.

  • Lieber Rheingold
    Auch von mir Dank für den Hinweis, bis Weihnachten ist es zwar noch ein bisschen, aber ich muss auch erst einmal das Buch über die Symphonie zwischen Beethoven und Brahms durcharbeiten.
    Gruß
    lutgra

  • Lieber Rheingold,
    Natürlich auch von mir Dank für diese Mitteilung. Bei Rheingolds muss ja Geld ohne Ende vorhanden sein; 128.- Euro für die Bücher und dann noch Sultaninen, Korinthen, Zitronat, Orangeat, Kirschen, Rum und Mehl gekauft ...


    Preetorius hat schlichtweg geniale Entwürfe gemacht


    Hätte ich die Bücher vorliegen, würde ich zuallererst nachschauen, ob der Autor darauf hinweist, dass eigentlich Preetorius »Neubayreuth« geschaffen hat - zumindest sehe ich das stilistisch so ...

  • Hallo Rheingold,


    es ist schon eine Laune der Geschichte, daß Richard Wagner in einer kleinen Beamtenstadt sein Festspielhaus bauen mußte.


    Er ist dort weder geboren worden, sein künstlerisches Hauptschaffen liegt an anderen Orten, gestorben ist er - wegen des schlechten fränkischen Wetters während des Winters - in Italien.


    Zu verdanken haben es die Oberfranken in erster Linie der Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, Wilhelmine, die das Opernhaus in Bayreuth errichten ließ, welches Wagner sich interessiert anschaute und so die Stadt kennenlernte sowie den damaligen Bayreuther Stadtvätern, die die einmalige Chance erkannten und den von der Münchner Ministerialbürokratie politisch Verdächtigten mit offenen Armen aufnahmen.


    Für die Nachwelt: Bayreuth = Wagnerfestspiele.

  • Zitat

    Zitat Hart:
    Hätte ich die Bücher vorliegen, würde ich zuallererst nachschauen, ob der Autor darauf hinweist, dass eigentlich Preetorius »Neubayreuth« geschaffen hat - zumindest sehe ich das stilistisch so ...

    Nachdem ich in diesem Jahr meinen ersten Bayreuth-Besuch genossen habe, bin ich einem wahren Wagner- und Bayreuth-Rausch verfallen und habe mir einige Literatur dazu zugelegt, allerdings nicht der von Rheingold vorgestellte Band. In Bezug auf Dein Zitat, lieber Hart, dürfen wir auch den Regiesseur Heinz Tietjen nicht vergessen, der neben Winifred Wagner als Leiterin der Festspiele, mindestens genauso an der Schaffung von "Neubayreuth" wichtig beteildigt war. Dazu kann ich auch folgendes Buch empfehlen, welches die Ära Winifred bis 1945 sowie auch Teile von Wieland und Wolfgang Wagners Wirkungszeit absolut packend und offenbar bestens recherchiert darstellt. Neubayreuth wird dementsprechend großflächig (und deutlich preiswerter - ab 89ct bei amazon- als der Doppelband) dargestellt.


    LG
    Christian

  • dürfen wir auch den Regiesseur Heinz Tietjen nicht vergessen


    Wie könnte ich den auch vergessen, lieber Christian, gerade kürzlich stand ich nachdenklich vor seinem Grab in Baden-Baden und habe das in meinem Beitrag (»Der Musiker Gräber« Nr. 352) verarbeitet ...

  • Dazu kann ich auch folgendes Buch empfehlen, welches die Ära Winifred bis 1945 sowie auch Teile von Wieland und Wolfgang Wagners Wirkungszeit absolut packend und offenbar bestens recherchiert darstellt.

    Lieber Christian, das, was Du hier empfiehlst, hielt ich auch lange für eine gelunge Darstellung, bis mir der in Sachen Wagner (aber nicht nur bei diesem Komponisten, das wir uns recht verstehen!) versierte Rheingold1876 a.a.O. diese Sichtweise völlig zerstört hat. Er bemängelte viele Fehler in diesem Buch. Leider weiß ich nicht mehr, wo sich dieser Beitrag von Rheingold befindet...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Hätte ich die Bücher vorliegen, würde ich zuallererst nachschauen, ob der Autor darauf hinweist, dass eigentlich Preetorius »Neubayreuth« geschaffen hat - zumindest sehe ich das stilistisch so ...


    Lieber hart, erst jetzt, da ich mehr weiß, kann ich auf Deine Anmerkung kurz eingehen. Zitiert wird Preetorius, als er die alten Dekorationen in Augenschein nahm, mit den Worten: Sie müssten „… Luft haben, die Bühne muss freigestellt werden. Also weg mit allem, damit die Größe dieser Bühne wirklich zur Geltung kommt". Alles Nebenbei sollte weggelassen werden. Wagner sei für ihn, Preetorius, prinzipiell eine "Sache des Lichts", das der "wandelfähigste und wandelschaffendste Faktor in der ganzen Szenerie" sei. Das sind sehr interessante Ausführungen. Wenn man diese Worte auf "Neubayreuth", also den szenischen Beginn nach dem Zweiten Weltkrieg, anwedet, wird deutlich, woher Impulse und ästhetische Anregungen kamen. Entsprechende Schlüssen können also getrost gezogen werden. So deutlich, wie Du es erwartest, werden die Aussagen allerdings nicht getroffen.


    Grüße von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Christian, das, was Du hier empfiehlst, hielt ich auch lange für eine gelunge Darstellung, bis mir der in Sachen Wagner (aber nicht nur bei diesem Komponisten, das wir uns recht verstehen!) versierte Rheingold1876 a.a.O. diese Sichtweise völlig zerstört hat. Er bemängelte viele Fehler in diesem Buch. Leider weiß ich nicht mehr, wo sich dieser Beitrag von Rheingold befindet...


    Bitte nicht übertreiben zu wollen, lieber musikwanderer. Ich bin doch nicht versiert. Allenfalls habe ich mir dies und das gemerkt beim Lesen. :hello:


    Kritisch wurde das Buch der Haman, das ich selbst nach wie vor sehr bemerkenswert finde, von PianoForte29 behandelt, der sich sich dabei auch auf Beurteilungen durch Dritte berief. Ich kam gerade ganz zufällig darauf, als ich das Forum nach Emil Preetorius durchsuchte. Den Beitrag findest Du hier wieder:


    Leben und Sterben lassen - Die tägliche Gedenkminute


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent