Pierre Rode und seine Violinkonzerte

  • Eigentlich wollte ich nur eine kurze Notiz unter dem vermeintlich vorhandenen Rode-Thread posten, aber es gibt gar keinen... Too bad.


    Jacques Pierre Joseph Rode (* 16. Februar 1774 in Bordeaux; † 25. November 1830 im Château de Bourbon bei Damazan, Département Lot-et-Garonne) war ein französischer Violinist. Ersten Violinunterricht erhielt als 6-Jähriger. Bereits als 12-Jähriger gab er Konzerte in seiner Heimatstadt. 1787 ging er nach Paris und wurde Meisterschüler von Giovanni Battista Viotti. Mit Viottis 13. Violinkonzert debütierte er 1790 in Paris. Fünf Jahre später erhielt er eine Professur am neugegründeten Pariser Konservatoriums und entwickelte dort mit Pierre Baillot und Rodolphe Kreutzer die im Jahre 1802 veröffentlichte offizielle Violinmethode des Conservatoire. Er unternahm ausgedehnte Tourneen durch Europa und hatte von 1804-08 eine Anstellung am Zarenhof in St. Petersburg. Beethoven, der ihn schätze, schrieb sein op. 96 für ihn, das er auch uraufführte.


    Rodes bekanntester Schüler war Joseph Böhm, der sein Wissen u.a. an Joseph Joachim weitergab.


    Das erste Violinkonzert (von insgesamt dreizehn) entstand 1894/85. Ein erstaunlicher Erstling, der stilistisch zwischen einem hypothetischen späten Violinkonzert von Mozart und dem von Beethoven steht. Da ich die Viottikonzerte nicht gut kenne, kann ich es in Bezug auf diese nicht einordnen. Aber klar ist, dass sowohl Beethoven als auch Mendelssohn von dieser Art Violinkonzert deutlich beeinflusst wurden. Nun - wie erwähnt - schätzte Beethoven Rode und bei der Familie Mendelssohn ging er einige Jahre in Berlin ein und aus. Wenn ich das 30-minütige Werk mit dem 1. Konzert eines späteren Virtuosen - Nicolo Paganini - vergleichen soll, fällt meine Wahl eindeutig zugunsten Rode's aus, dass mir musikalisch substanzvoller erscheint.


    Das Werk ist in den Kadenzen durchaus virtuos, und der mir bisher nicht bekannte Friedemann Eichhorn macht seine Sache gut. Erfreulich auch, dass das Orchester aus Jena nicht HIP-mäßig daherkommt, was für diese Art von Musik m.E. auch nicht angemessen wäre (aber darüber lässt sich natürlich streiten).

  • Nachdem ich die beiden etwas kürzeren Werke op. 7 und op. 17 gehört habe, kann ich nur sagen, dass das hier voll und ganz "mein Ding" ist. Für mich füllen diese Konzerte weitgehend die Lücke, die dadurch entstanden ist, dass weder Haydn noch Mozart im reifen Alter Violinkonzerte geschrieben haben. Sie sind quasi das Gegenstück zu Mozarts Klavierkonzerten. Da stellt sich für mich auch nicht mehr die Frage, ob mir drei davon reichen. Die möchte ich alle kennenlernen.

  • Lieber Lutz,


    der universelle Musikwissenschaftler und Geigenvirtuose Prof. Dr. Friedemann Eichorn hat sich um das Violinwerk von Pierre Rode große Verdienste erworben. Ich bin mit ihm befreundet. Nicht zuletzt deshalb gehört er zu den bevorzugten Solisten des Heilbronner Sinfonie Orchesters. In der letzten Spielzeit hatte er bei uns mit seinr Frau Alexia mit dem Doppelkonzert für Violine, Viola und Orchester und der Schottischen Fantasie für Violine und Orchester beide von Max Bruch einen viel beachteten Erfolg.
    Prof. Eichhorn lehrt an der Musihochschule Weimar und ist Vorsitzender de Louis Spohr Wettbewerbes.
    Übrigens man sollte öfters die Programm des HSO lesen, dann könnte man bei so selten gespielten Stücken dabei sein.


    Herzlichst
    Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Angeregt durch diesen Thread habe ich in meiner Sammlung noch ungehörter Aufnahmen gestöbert und die hier abgebildete CD noch originalverpackt gefunden. - so wusste ich wenigstens was heute auf meinem Programm Stehen soll.
    Das Abhören der Aufnahme war in jeder Hinsicht eine erfreuliche Überraschung, die dazu führen wird, daß ich mir auch die restlichen Konzerte, - soweit bereits vorhanden - zulegen werde. Wenn ich es richtig überblickt habe, fehlen noch die Konzerte Nr 11 und 12. Ursprünglich war geplant fürs erste lediglich das Konzert Nr 3 zu hören, aber letztlich konnte ich mich nicht loseisen und hörte die gesamte Aufnahme. Traut man dem Beiheft, so war die "Entwicklung" bei Rode eine eher moderate, soll heissen die stilistischen Unterschiede zwischen dem Konzert Nr 1, er schrieb es etwa 1794/95, und dem Klavierkonzert Nr 13, kurz vor seinem Tod komponiert sind nicht signifikant.
    Persönlich würde ich Rode nicht unbedingt mit Mozart vergleichen, wenngleich sein Lehrer ja Viotti war, der ja lediglich ein paar Monate älter als Mozart war, allerdings hat er diesen um ein drittel Jahrhundert überlebt. Ich höre bei Rode schon Anklänge an Paganini, wenngleich sehr gebremst, Rode opferte niemals die Substanz zugunsten des Effekts.
    Das waren mal erste Eindrücke, es wird in mittlerer Zukunft einiger Hörsitzungen bedürfen um diese zu festigen , zu korrigieren oder zu verwerfen.
    BTW: Ich empfand den Solisten übrigens wunderbar.
    An Naxos und Herrn Heymann kann ich nur die Anregung geben, mit dem vorliegenden Ensemble auch die Konzerte Viottis neu aufzunehmen


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    wir haben den aus Deiner und auch meiner Sicht wunderbaren Solisten Friedemann Eichhorn beim Heilbronner Sinfonie Orchester schon in ganz jungen Jahren durch Auftrittsgelegenheiten gefördert. Wir arbeiten mit ihm und seiner ebenfalls wunderbaren, charmanten Gattin Alexia auch nach meiner Zeit als 1. Vorsitzender des HSO eng zusammen. Die Karriere von Friedemann Eichorn wurde ganz klug und konsequent aufgebaut. Nach geigerischer Ausbildung und musikwissenschaftlichem Studium mit Dissertation baute er sich parallel sowohl eine solistische als auch wissenschafliche Karriere auf. Heute ist er Professor in Weimar, spielt vermehrt mit bedeutenden Orchestern, gastiert auf Festivals, ist Vorsitzender des Louis Spohr-Wettbewerbs, ibei der Kronberg-Academie-Masters - die Einrichtung zur Förderung junger hochbegabter Streicher - seit 2012 Direktor und war Festspielleiter der Schlossfestspiele in Zwingenberg. Zuletzt erlangte er große Beachtung mit seinen Arbeiten und Einspielungen von Pierre Rode. Eichhorn ist ein Multischaffender unter den Violinisten. Dass wir und die Familie Eichhorn befreundet sind, ist die persönlich erfreuliche Note dieses Berichtes.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Hier nun ein kurzer HöreindrucK zu Rodes Violinkonzert Nr 1, welches er mit etwa 20 Jahren schrieb: Der orchestrale Einstieg des 1- Satze ist ein wenig lärmend und polternd, etwas, das man oft bei Kompositionen dieser Zeit antrifft. Nach einiger Zeit wird das abgemildert, schimmert aber auch im weiteren Verlauf des Satzes immer wieder durch. Der Solopart indes ist ansprechend und brilliant gestaltet ohne dass er mir irgendwie besonders aufgefallen wäre, aber ein Hauch des vielgeschmähten Paganini ist schon vorhanden- Im zweiten Satz kommen dann die Vorzüge der Komposition zu Geltung. Mit viel Schmelz und sehr behutsam kommt er daher, nichts ist vom plakativen Auftrumpfen des Konzertbeginns mehr zu hören, eher sanfte Melancholie.
    Übermütig und tänzelnd begrüßt uns der dritte Satz. die Blance zwischen Solostellen und Orchester ist hier (fast) optimal - vielleicht trumpft das Orchester gelegentlich ein wenig zu stark auf - aber das ist sicher eine Geschmackssache. Alles in allem ein hörenswertes Konzert eines IMO "gemobbten" Komponisten, der zu Lebzeiten, vor allem vis ca 1808 sehr angesehen und erfolgreich war, heute aber von den angeblich "führenden" Konzertführern systematisch totgeschwiegen wird. Über dieses Phänomen werde ich noch heute oder morgen in einem anderen Thread schreiben.


    Warum wurden manche Komponisten "vergessen" ?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Möchte hier nur ergänzen, dass ich Pierre Rodes Violinkonzerten vor einigen Monaten auch spontan erlag. Ich konnte nicht eher ruhen, bevor nicht alle via NAXOS verfügbaren CD's den Weg zu mir gefunden hatten. Diese Werke haben mir Freude bereitet.


    Grüße
    Garaguly