Opernforum: Ein Käfig voller Narren?

  • Seit sieben Monaten mache ich hier mit, teilweise erstaunt bis irritiert, aber überwiegend belustigt bis begeistert. Ich bin sicher nicht der Einzige, der sich gelegentlich missverstanden fühlt und darauf kopfschüttelnd bis empört reagiert. Aber ich freue mich auch, wenn ich an Stellen, wo ich gar nicht damit rechne, Zustimmung und Bestätigung erfahre. Mit alledem bin ich sicher nicht allein.


    Bevor ich gänzlich betriebsblind werde, will ich mich mal ganz frech aus dem Fenster lehnen, auf die Gefahr hin, mich neuen Missverständnissen auszusetzen, weitere Ohrfeigen zu kassieren - vielleicht aber auch erleichterte Zustimmung bei Gleichgesinnten einzufahren, nach der Devise: Endlich spricht es mal einer aus!


    Meine provokante These: Haben wir sie eigentlich noch alle? Was machen wir denn hier überhaupt? Sind wir nicht ein Käfig voller Narren, die sich allen Ernstes einbilden, es gäbe nichts Wichtigeres, als möglichst viele Opernvorstellungen zu besuchen, um sie dann öffentlich zu zerpflücken - am liebsten in der gegenseitiger Bestätigung, aber notfalls auch mit Gift und Galle, nach der Devise: Wenn ich schon einstecke, will ich auch ordentlich austeilen!


    Kurzum: Sind wir noch zu retten? Überschätzen wir nicht maßlos die Bedeutung des Gegenstands, dem wir hier unsere Zeit und Energie widmen? Wer sich solche und ähnliche Fragen auch schon manchmal gestellt hat, den lade ich ein, darüber miteinander in einen (Meta-)Disput einzutreten - mit dem Ziel, dass wir uns nicht wie in einem Hamsterrad um uns selber drehen, sondern vielleicht mit mildem Lächeln den Bierernst abzustreifen und zu der Erkenntnis vorzudringen, alles sei doch nur, wie Falstaffs Ehre, ein Hirngespinst, una parola. Und falls wir zu entgegengesetzten Resultaten kommen, etwa dass es nichts Wichtigeres gibt, ja, dann sind wir eben wirklich nicht mehr zu retten...


    Ein herzliches Willkommen zur fröhlichen Nabelschau, die hoffentlich nicht in Selbstzerfleischung endet - von Sixtus

  • Sind wir nicht ein Käfig voller Narren, die sich allen Ernstes einbilden, es gäbe nichts Wichtigeres, als möglichst viele Opernvorstellungen zu besuchen,


    Nein!



    um sie dann öffentlich zu zerpflücken -


    Ja!


    Die etwas ausführlichere Antwort: Was kann daran falsch sein, sich leidenschaftlich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das allen Beteiligten offenbar sehr am Herzen liegt? Wer die Oper liebt, der wird auch darüber diskutieren und notfalls darüber streiten, wie man sie am besten aufführen sollte. Dass dieser Streit dann oft ausartet, ist eine unschöne Begleiterscheinung.


    Den zweiten Teil der Frage habe ich mit "ja" beantwortet, weil ich es tatsächlich für etwas närrisch halte, sich geradezu auf die Suche nach "verunstalteten" Opernaufführungen zu begeben, um sich dann darüber ereifern zu können. Gerade wieder an einem Beispiel zu bewundern, wo eine des "Regietheaters" gänzlich unverdächtige Inszenierung ausgegraben wurde, um aufs Neue den Untergang des Abendlandes in Form von nicht 100% buchstabengetreu umgesetzten Aufführungen ausrufen zu können.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich muss sagen, dass ich die Bereiche, die im Klassikforum über Regietheater gehen, gar nicht mehr lese und auf andere, friedlichere Themen gehe, was bedeutet, dass man sich von Helmut den Mahler erklären lässt, von Gombert die Polyphonie und einige von mir vielleicht Anregungen zu Janacek bekommen. Ich sag es mal so: die Opernwerkstatt hier ist wie der dreckige, staubige oder schlammige Aschenplatz, auf dem einige halt gerne noch spielen, weil sie es mögen, mit kaputten Knien sich zu Hause trösten zu lassen. Aber hier ist der Kunstrasen oder der normale Rasen doch die Regel, und die Fouls sind anders als bei den Opernthemen doch sehr überschaubar.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ganz so negativ wie bei Dr.Pingel würde meine Zwischenbilanz nicht ausfallen. Meine Grundhaltung ist, sagen wir, gemäßigt konservativ, am Willen des Autors orientiert. Doch nicht jedes Regiekonzept, das neue Aspekte erschließt, ist deshalb zu verwerfen. Vor allem warne ich vor einem vorschnellen Reflex gegen alles Moderne ebenso wie vor dem Gegenteil, also der bedingungslosen Anbetung alles Neuen, nur weil es neu ist. Beides bringt uns nicht weiter. Es führt nur dazu, dass sich beide Parteien in ihren Schützengräben verschanzen und einen endlosen Stellungskrieg führen.


    Als Folge dieser beiden Haltungen entsteht ein verhärteter Schlagabtausch, der zu nichts führt und der, bei etwas distanzierter Betrachtung, etwas unfreiwillig Komisches hat. Es entsteht der Eindruck, die Kombattanten sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr und messen sich selber eine zu große Bedeutung bei, plustern sich auf. Dabei geht es um nicht weniger, aber auch nicht mehr als eine Kunstgattung.


    Und, Bertarido, da sind wir ganz nahe beieinander: Auch ich liebe die Oper und habe das auch hier immer wieder zu erkennen gegeben. Aber ich bin mir darüber klar, dass die Oper nicht die Welt ist, sondern das hoch subventionierte Spielzeug einer verschwindenden (und weiter schrumpfenden) Minderheit. Die erdrückende Mehrheit nimmt sie entweder gar nicht zur Kenntnis oder belächelt sie als teures Aushängeschild eines schrumpfenden Bildungsbürgertums, als eine Gattung ohne Zukunft. Wir müssen uns solche Haltungen nicht zu eigen machen, müssen sie aber zur Kenntnis nehmen.


    Die Konsequenz ist meiner Meinung nach, dass wir als Vertreter dieser Minderheit nicht allzu selbstherrlich auftreten dürfen, wenn wir nicht als Narren wahrgenommen werden wollen - lieber sich selbstironisch mit dem status quo arrangieren, als sich als Kämpfer gegen Windmühlen präsentieren. Die großen Zeiten der Oper sind vorbei. Wir sollten froh sein, dass sie immerhin noch die gegenwärtige Wertschätzung genießt.


    Die Grabenkämpfe auf ein realistischeres Maß zu stutzen, dazu rät, mit herzlichen Grüßen, Sixtus

  • Die großen Zeiten der Oper sind vorbei. Wir sollten froh sein, dass sie immerhin noch die gegenwärtige Wertschätzung genießt.

    Völlig richtig! Und es ist wirklich närrisch, das nicht zu realisieren. Man sollte das zarte Pflänzchen gießen, statt immer nur die wildwachsenden Triebe abzuschneiden, bis gar keine treibenden Kräfte mehr da sind und dann keine Gießkannen mehr gebraucht werden. Es wäre wirklich schade um diese faszinierende Kunstform, die es nun wirklich zu hegen und pflegen gilt. Oper macht immer noch große Freude, sollte der Tenor sein.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Nachdem ich nun endlich wieder zu dieser "faszinierenden Kunstform", wie Holger so schön sagt, zurückgefunden habe, werde ich die drei Termine, die ich in diesem Jahr noch habe, ganz unvoreingenommen wahrnehmen.


    Zur ersten Aufführung werde ich am kommenden Montag für drei Tage zu den Münchener Opernfestspielen fahren und dort hoffentlich die erste meiner drei Lieblingsopern genießen können, falls "Gehalt und Gestalt", also Werk und Regie, mindestens im weitesten Sinne zusammenpassen, wobei sich beim Regisseur dieser Inszenierung nicht alle "Experten" einig sind, ein Umstand, der bei seinem Vater nicht die geringste Rolle spielte. Viel wichtiger als die Regie wird aber für mich sein, dass ich den ersten Teil des aktiven Abschieds von meinem Lieblingsbassisten genießen möchte, den ich dann zum ersten Mal in meinem Leben live sehen werde.


    Im Oktober werde ich zur Staatsoper Berlin fahren, wo ich mit noch mehr Aussichten die zweite meiner Lieblingsopern genießen möchte und gleichzeitig den zweiten Teil meines aktiven Abschieds von meinem Liblingsbassisten erleben möchte, den ich dann zum zweiten Mal in meinm Leben live erleben werde. Die "mehr Aussichten" beruhen auf dem Umstand, dass der Regisseur der Inszenierung den Namen eines "Halbedelmetalles" trägt. Außerdem werde ich dann zum ersten Mal einen meiner Lieblingsdirigenten und Lieblingspianisten im Orchestergraben live erleben.


    Und schließlich werde ich zum 3. Termin am Tag vor Silvester wieder in die Staatsoper fahren, um meine dritte Lieblingsoper zu genießen. Diesmal wird aus traditioneller Sicht an der Regie nicht der geringste Zweifel bestehen, zumal der Regisseur in der Stadt aus dem Ruhrgebiet geboren wurde, in der ich mein Lehrer-Refendariat ableistete, und der in der Stadt von 1953 bis 1973 als Regieassistent, dann als Regisseur und Intendant und dann wieder als Intendant von 1977 bis 1993 wirkte, in die ich Montag fahren werde, nachdem er zwischendurch vier Jahre in Hamburg als Intendant wirkte. Sein letzter Titel lautete: Staatsintendant. Seinen grandiosen Regieleistungen verdanke ich etliche sehr erfüllende Opernübertragungen im Fernsehen, und natürlich habe ich auch eine DVD seiner Inszenierung der letzten Aufführung in Berlin, wo er m. E. nie gewirkt hat, in meiner Sammlung.


    In dieser letzten Aufführung am 30. 12. wirkt übrigens mein Lieblingsbassist nicht mehr mit, obwohl er die Hauptrolle in der Oper natürlich auch oft gesungen hat und ich ihn in dieser Hauptrolle auch auf DVD in meiner Sammlung habe.


    Wer jetzt noch weiß, in welche drei Opern ich gehen werde, der ist wirklich gut.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zur ersten Aufführung werde ich am kommenden Montag für drei Tage zu den Münchener Opernfestspielen fahren und dort hoffentlich die erste meiner drei Lieblingsopern genießen können, falls "Gehalt und Gestalt", also Werk und Regie, mindestens im weitesten Sinne zusammenpassen, wobei sich beim Regisseur dieser Inszenierung nicht alle "Experten" einig sind, ein Umstand, der bei seinem Vater nicht die geringste Rolle spielte. Viel wichtiger als die Regie wird aber für mich sein, dass ich den ersten Teil des aktiven Abschieds von meinem Lieblingsbassisten genießen möchte, den ich dann zum ersten Mal in meinem Leben live sehen werde.


    Lieber Willi,


    den Konwitschny-Holländer in München habe ich zweimal gesehen, einmal davon zum Glück auch mit dem großen Matti Salminen. Und obwohl ich sicher nicht zur Regietheater-fraktion gehöre, hat mich die Inszenierung ünerzeugt.



    Im Oktober werde ich zur Staatsoper Berlin fahren, wo ich mit noch mehr Aussichten die zweite meiner Lieblingsopern genießen möchte und gleichzeitig den zweiten Teil meines aktiven Abschieds von meinem Liblingsbassisten erleben möchte, den ich dann zum zweiten Mal in meinm Leben live erleben werde. Die "mehr Aussichten" beruhen auf dem Umstand, dass der Regisseur der Inszenierung den Namen eines "Halbedelmetalles" trägt. Außerdem werde ich dann zum ersten Mal einen meiner Lieblingsdirigenten und Lieblingspianisten im Orchestergraben live erleben.


    Zur Kupfer-Inszenierung des Fidelio kann ich nichts beisteuern, Barenboim ist sicher klasse, Salminen und Struckmann sowieso....



    Und schließlich werde ich zum 3. Termin am Tag vor Silvester wieder in die Staatsoper fahren, um meine dritte Lieblingsoper zu genießen. Diesmal wird aus traditioneller Sicht an der Regie nicht der geringste Zweifel bestehen, zumal der Regisseur in der Stadt aus dem Ruhrgebiet geboren


    Dass Everdings Zauberflöteninszenierung auch in Berlin gespielt wird, wusste ich gar nicht....


    Viel Freude mit den Vorstellungen - über die ersten beiden kannst Du ja vielleicht in Ölbronn berichten!


    LG, Elisabeth

  • Manchmal hab ich das Gefühl, das wenn ich schreibe, das mir eine etwas modernere Inszenierung gut gefallen hat, das ich hier wegen Hochverrat angeklagt werde. Warm kann man im Forum nicht jemanden nur einfach einen schönen Openabend gönnen ? Findet man eine moderne Inszenierung gut, kommt sofort die Gegenseite und gibt kontra. Und warum muß man sich überhaupt für ein Seite entscheiden ? Wenn ich in eine Premiere gehe , ist auch die Überraschung ein wichtiger Aspekt, ob im positiven oder negativen Sinne. Und wenn ich mir heute morgen die Nachrichten vom Anschlag aus Nizza anschaue, gibt es wirklich schlimmeres .ich bereite mich immer so gut auf eine Aufführung vor, das die Inszenierung deshalb für mich nebensächlich ist.

  • Dass Everdings Zauberflöteninszenierung auch in Berlin gespielt wird, wusste ich gar nicht....

    Everding hat die "Zauberflöte" mehrfach inszeniert, zuletzt wohl 1994 in Berlin - in einem Bühnenbild nach Entwürfen von Karl-Friedrich Schinkel. Diese Inszenierung sieht also ganz anders aus als seine Münchner.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Danke, Holger, für deine uneingeschränkte Zustimmung zu meinen Thesen, mit denen ich vor allem zu einer Entkrampfung der allgegenwärtigen Regiediskussion beitragen will. Dass grade von dir diese Zustimmung kommt, freut mich besonders, weil ich deine Beiträge bisher eher als kämpferisch pro moderne Regie empfunden habe. Wieder etwas dazu gelernt! (Vielleicht ist es dir umgekehrt ähnlich gegangen - das wäre ja ein Fortschritt im Sinne einer Verständigung.)


    Auch dein Beitrag, Rodolfo, geht in dieselbe Richtung: Wir sollten offen bleiben und den jeweils eigenen Standpunkt nicht über Gebühr zementieren. Einen Standpunkt zu haben ist wichtig; ihn zu verabsolutieren ist kontraproduktiv. Vielleicht gelingt es uns, mit dieser Offenheit einen Schritt weiter zu kommen.


    Genug der Harmoniepflege und weiter im Kampf:
    Worum es mir hier geht, ist vor allem, die Nabelschau (die jedes Einzelnen und die der Gruppe!) zu überführen in eine Diskussion, die auf einer realistischen Einschätzung der Situation basiert. Das spart erheblich Munition und treibt den Nebel vom Horizont - man sieht weiter, wenn man der eigenen Egozentrik ein wenig Frischluft zuführt und mehr Empathie walten lässt. Das meinte ich mit dem distanzierten Blick von außen, der die Proportionen zurechtrücken kann.


    Überrascht bin ich auch von deinem Lebenszeichen, Willi, bei diesem Thread. Ich würde mich freuen, wenn du nicht nur versehentlich hier gelandet wärst. Denn bei den meisten Themen sind wir, nach meiner Einschätzung, gar nicht so weit voneinander entfernt.


    Herzliche Grüße von Sixtus

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  • Lieber Sixtus,


    in Bezug auf deinen Narrenkäfig bin ich nicht ganz einverstanden. Sind denn alle Narren, die unhaltbare Zustände beanstanden? Wenn wir - leider nur eine kleine Anzahl von denen, denen diese Entstellungen der Meisterwerke nicht mehr gefallen, die Mehrzahl davon wendet sich lediglich schweigend von der Oper ab - nicht immer wieder diesen Unsinn aufzeigen und öffentlich anprangern, wird dieser im Laufe der Zeit - wie wir das immer mehr erleben - noch weitere unsinnigere Blüten treiben.
    Es geht hier nicht darum, denjenigen alles zu nehmen, die unbedingt eine eigenwillige, dem einsamen Gehirn des Regisseurs entspringende Deutung verlangen und glauben, dass das dumme Publikum von heute nicht ohne diese auskommen könne. Es geht hier darum, für den normalen Opernfreund, der selbst in der Lage ist, zu denken, und der das echte (vom Komponisten und Librettisten so gestaltete) Werk erleben möchte, die entsprechende Anzahl von Inszenierungen zu fordern, an denen dieser sich erfreuen kann und nicht mit Abscheu das Theater verlässt.

    Zitat

    Zitat von Rodolfo: Findet man eine moderne Inszenierung gut, kommt sofort die Gegenseite und gibt kontra. Und warum muß man sich überhaupt für ein Seite entscheiden ? Wenn ich in eine Premiere gehe , ist auch die Überraschung ein wichtiger Aspekt, ob im positiven oder negativen Sinne. Und wenn ich mir heute morgen die Nachrichten vom Anschlag aus Nizza anschaue, gibt es wirklich schlimmeres .ich bereite mich immer so gut auf eine Aufführung vor, das die Inszenierung deshalb für mich nebensächlich ist.

    Lieber Rodolfo,


    es geht hier nicht um moderne Inszenierungen, sondern um Inszenierungen, die die Handlung des Originals verfälschen und entstellen, sich mit dem Titel eines Werkes schmücken, das überhaupt nicht dieses Werk ist (deshalb bleiben sie für mich "Verunstaltungstheater") Dass eine moderne Inszenierung die Handlung nicht verunstalten muss, zeigt die kürzlich im Fernsehen übertragene "Manon Lescaut". Außerdem wüsste ich natürlich gerne, worin der besondere Sinn zu sehen ist, wenn der Regisseur die ganze Handlung oder Handlungsteile verdreht, worin der Mehrwert für den Zuschauer besteht, was daran zum besseren Verständnis führt. Es genügt mir also nicht, wenn man sagt, dass die Inszenierung gefallen hat, sondern auch im Einzelnen erläutert, was die Abweichungen bedeuten sollen und was damit herausgearbeitet wird. Es genügt nicht, dabei das Programmheft zu zitieren, es muss auch ohne Programmheft verständlich werden, was dem Zuschauer, der sich mit dem Werk beschäftigt hat, heute meist nicht mehr eingeht. Warum will man dem Zuschauer eine Meinung (nämlich die des Regisseurs) aufzwingen?
    Mir und vielen anderen ist die Inszenierung - anders als dir - eben nicht nebensächlich. Wenn alle so denken würden wie du, könnten wir uns die Inszenierungen - und damit die teuer bezahlten Regisseure - gänzlich sparen. Ein Regisseur, der keine Idee hat, wie er die Handlung unverfälscht, aber dennoch lebendig auf die Bühne bringen kann, hat für mich sein Handwerk verfehlt. Und ich sehe nicht ein, warum ich mein Geld, das mir nicht sehr locker sitzt, für so etwas "zum Fenster hinaus werfen" sollte. Ich würde mich aber gerne mal wieder in eine Live-Vorstellung wagen können.
    Der Vergleich mit Nizza hinkt in meinen Augen erheblich. So etwas ist grausig. Aber muss alles Grausige und nur noch dieses unbedingt auch auf die Bühne? Dann sollte man auch ein neues Stück erfinden und nicht schon vorhandene missbrauchen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Dass grade von dir diese Zustimmung kommt, freut mich besonders, weil ich deine Beiträge bisher eher als kämpferisch pro moderne Regie empfunden habe.

    Lieber Sixtus,


    ich finde, Marcel Reich-Ranicki hatte die richtige Einstellung: Wie es gutes und schlechtes Theater gibt, gibt es auch gutes und schlechtes Regie-Theater. Also wenn wir uns auf der Basis dieser Position des großen alten Kritikers darauf verständigen könnten, über das zu reden, was an einer konkreten Inszenierung gut oder schlecht ist und die Grundsatzfragen pro oder contra RT einfach beiseiten lassen, dann wäre das doch eine gute Basis! ;) Es ist natürlich genauso evident falsch zu sagen, alt=schlecht und modern=gut wie umgekehrt alt=gut und modern=schlecht! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Gerhard - und alle, die ich mit meinen Zweifeln irritiert habe!


    Ich will ganz sicher nicht jeden, der sich für eine gute Sache einsetzt, als Narren bezeichnen. Wir sind uns auch inhaltlich in den meisten Belangen einig. Das hält mich aber nicht davon ab, gelegentlich eine Atempause einzulegen und mich zu vergewissern, ob wir (mich selbst eingeschlossen) mit unseren Tiraden nicht vor allem den Sack schlagen statt den Fuchs - und ob wir uns nicht im Kreise drehen, ohne von der Stelle zu kommen. Dann lege ich mir die Frage vor: Was machen wir eigentlich?


    Als Antwort fällt mir dann oft ein: Wir dreschen das Stroh nioch immer, auch wenn es längst leer ist. Neue, weiterführende Argumente kommen kaum noch vor. Unsere Diskussionen erscheinen mir dann als Schlagabtausch von Gewohnheitsspielern, die längst das Ziel aus dem Auge verloren haben. Wäre es da nicht sinnvoller, ein paar Schritte zurückzutreten (aus dem Käfig heraus!), um einen besseren Überblick zu bekommen. Was aber stattdessen geschieht, scheint mir wie eine Endlosschleife von Leuten, die vor allem sich selber wichtig nehmen. Wir sind aber nicht der Nabel der Welt. Diesen Realitätsverlust nenne ich närrisch, sonst nichts.


    Auch damit meine ich beide Seiten und schließe mich selbst mit ein, weil ich auch diesem Sog erliege. Aber manchmal werde ich mir dessen bewusst und habe das Bedürfnis, die anderen zu fragen, ob sie das Gefühl auch kennen. Und falls ja, was sie dagegen zu tun gedenken. Anderenfalls habe ich den Verdacht der Betriebsblindheit, der man oft erliegt, wenn man ständig in einer Tretmühle steckt. Deshalb mein Vorschlag: Ab und zu ein wenig zurücktreten, damit wir die bloßen Reflexe als solche erkennen und vielleicht durch neue Gedanken ersetzen, die Keulen beiseite legen und aufeinander zugehen. Nicht alles, was andere sagen, ist falsch -


    meint, mit herzlichen Grüßen, Sixtus

  • Anhänger der Oper wurden oft "Opernnarren" genannt. Wirklichen Opernfreunden haftet in der Tat ein leichter Hang zum Fanatismus an. Gebuht, geschrien, intrigiert, mit faulen Eiern geworfen, das wurde im Opernbetrieb schon immer - niemals von Anhängern der Kammermusik oder jenen von Klaviersonaten. Bei Orchesterwerken konnte man schon eher auf ein aggressives Publikum treffen - wenn auch nicht annähernd so oft und so heftig, wie bei Opernaufführungen, bzw Inszenierungen oder "Bewertungen" einzelner Sänger. Das gehört eben zur Kunstform "Oper" Man könnte Statt "Narren" auch das Wort "Spinner" verwenden - und wer sonst hat andauerend die Welt verändert, wenn nicht Spinner.? Ich mag Spinner, bin selber einer, wer sonst als ein Spinner würde je auf die Idee kommen ein Forum über klassische Musik im Internet zu betreiben ?


    In Bezug auf "Regietheatherthemen" Sie sind offenbar das was die Leute (auch Mitleser) am meisten interessiert - denn da gehen die Wogen stets heftig hoch. Es ist vermutlich nicht möglich hier "sachlich" zu bleiben, denn hier geht es um essentielle Fragen.
    Prinzipiell ist mir ein "streitbares" Forum lieber als ein langweiliges.
    Hier die Balance zu wahren ist allerdings eine Sache die der Quadratur des Kreises ähnelt.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    PS: Oper sehe ich mir nur mehr vom Video an, da gibt es hin und wieder noch "klassische" Inszenierungen....

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: PS: Oper sehe ich mir nur mehr vom Video an, da gibt es hin und wieder noch "klassische" Inszenierungen....

    Lieber Alfred,


    das ist bei mir und vielen, die ich kenne - auch Mitgliedern im Forum - schon lange der Fall. Und da gibt es doch noch recht viele, wenn auch oft ältere Aufnahmen.
    Eine Ausnahme mache ich noch beim Fernsehen. Da kann ich ja abschalten, ohne einen größeren Verlust (höchstens einen kleinen zeitlichen) zu haben. Ich habe mir da auch manchmal - oft mit sehr viel Geduld und Widerwillen - schon mal eine solche Übertragung vollständig angeschaut, um mir ein Bild zu machen und mitreden zu können. Aber auch das lohnt sich, wie ich hier erlebt habe, nicht, denn die Befürworter solcher Veranstaltungen und die reinen Theoretiker haben sie dann in der Regel nicht gesehen und drücken sich um konkrete Einzelerläuterungen, was nun dabei die Verbesseungen gegenüber dem Original sind.
    Ins Opernhaus gehen kann man als Freund der Originalwerke ja nur noch, wenn man absolut sicher ist, dass auch das vorgegebene Werk gespielt wird. D.h., dass eine Premiere ohnehin nicht in Frage kommt und weitere Veranstaltungen nur noch, wenn man genaueste Informationen hat. Hier ist das ohnehin nicht möglich, weil die Aufführungen für eine einzige Vorstellung eingekauft werden und die Vorabinformationen nur sehr dürftig sind. Und große Reisen zu Stätten, in denen es ausnahmsweise einmal eine dem Originalwerk entsprechende Inszenierung gibt, kann ich mir aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht leisten. Daher bleibt einzig noch die DVD. Bei dir in Wien gibt es aber doch hin und wieder noch mal eine passende Inszenierung.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich finde Sixtus hat die Überschrift schon ganz gut gewählt. In dem Film bzw. Musical ein Käfig voller Narren ( ich weiß allerdings nicht ob er sich bei beim letzten Teil der Überschrift darauf bezogen hat ) geht es ja darum, das man anders denkende oder handelne respektieren und sich selbst nicht so wichtig nehmen sollte. Wichtig ist doch, das uns der Opernbesuch Freude bereiten sollte.

  • Zitat

    Zitat von Rodolfo: Wichtig ist doch, das uns der Opernbesuch Freude bereiten sollte.

    Und die bereitet er uns eben in der Form nicht mehr. Daher streben wir durch unsere Kritik an, dass er uns künftig vielleicht wieder Freude bereiten möge. Mit Wichtigtuerei hat das wohl nichts zu tun.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Meine provokante These: Haben wir sie eigentlich noch alle? Was machen wir denn hier überhaupt? Sind wir nicht ein Käfig voller Narren, die sich allen Ernstes einbilden, es gäbe nichts Wichtigeres, als möglichst viele Opernvorstellungen zu besuchen, um sie dann öffentlich zu zerpflücken - am liebsten in der gegenseitiger Bestätigung, aber notfalls auch mit Gift und Galle, nach der Devise: Wenn ich schon einstecke, will ich auch ordentlich austeilen!


    Kurzum: Sind wir noch zu retten?


    Wohl kaum.


    Es ist schön, dass diese elementare Einsicht aus dem Kreis eines der kämpfenden Brüder ( Wortwahl angelehnt an Parsifal...) selbst kommt.
    Ich habe das in der Vergangenheit durch einige etwas humorige Postings versucht etwas indirekter zu sagen, jedoch - wie erwartet- immer vollkommen erfolglos.
    Einen Forenbetreiber mag es freuen, wenn wenigstens einige Threads laufen, selbst wenn sie zum großen Teil dadurch befeuert werden, dass Rechthabereien und Uneinsichtigkeiten über die eigene Unfähigkeit/Unwilligkeit, eine Diskussion zu entschärfen, bis in die tiefsten Gründe hinein ausgelebt werden, was ja ein "spaßiger" , wenn nicht süchtigmachender Zeitvertreib für Einige sein mag. Am Ende kommt dann irgendwann die unvermeidliche Threadschließung, dann ist Pause, und dann fängt irgendeiner wieder an. Tja, so ist es eben.


    Mir sagt das nicht so wirklich zu, weshalb ich mich auch schnell wieder von diesem Minenfeld verabschiede.... :pfeif:


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • In der Hoffnung, dass Glockenton das noch vor seinem Rückzug mitbekommt: Danke für die Bestätigung, dass diese Runde hin und wieder durch etwas provokante Thesen aufgemischt werden darf, um sich nicht in einer Endlosschleife um sich selbst zu drehen. Genau das versuche ich, nicht mit dem Ziel der Destruktion, sondern im Gegenteil, um aus den Grabenkämpfen wieder ans Tageslicht zu kommen - mit Alfreds Hilfe, wie ich erfreut bemerke.


    Ich meine aber mit den Narren noch etwas anderes als die Spinner: Ich meine, dass wir nicht vergessen sollten, ab und zu aus dem Teufelskreis zurückzutreten an die frische Luft, damit wir unsere Bemühungen nicht mit jenem Bierernst betreiben, der am Ende in die Lächerlichkeit führt. Die Frage ist: Wollen wir riskieren, dass sich ein Außenstehender kopfschüttelnd fragt, ob wir keine anderen Sorgen haben.


    Ich finde, allen vergangenen Kontroversen zum Trotz: Holgers Reich-Ranicki-Satz, dass am Ende nur zählt, ob etwas gut oder schlecht gemacht ist, wäre ein guter Ansatz für einen Ausweg aus dem unfruchtbaren perpetuum mobile. Ich erinnere mich an ein Literarisches Quartett, wo ein Autor von seinen Kollegen verrissen wurde - und er dagegenhielt: Jaja, aber er kann schrrreiben! Und, noch deutlicher: Gefragt, wie er Wagners Antisemitismus mit seiner Wagner-Verehrung zusammenbringe, antwortete er lapidar: Aber er hat den Trrristan und die Meistersinger geschrrieben! Da kann ich nur sagen: Chapeau - ein souveräner Geist. Etwas von dieser Großzügigkeit, finde ich, täte uns gut.


    Neulich erlebte ich in Straßburg eine Don-Carlo-Premiere, die mich mit einer modernen Regie weitgehend überzeugt hat. Robert Carsen machte alles das, was mich meistens stört, aber er machte es so gut, dass ich heftig zustimmen konnte. Sogar das heute obligate Einheitsbühnenbild war effektvoll eingesetzt. (Nachzulesen im Merker Heft 6/2016.)


    Und wie sagte Verdi auf die Frage eines Manrico-Sängers, ob er in der Stretta ein C einlegen dürfe: Ja, aber gut muss es sein!


    In diesem Sinne an alle, denen es ernst ist mit der Suche nach einem Ausweg aus dem Regie-Dilemma -
    herzliche Grüße von Sixtus

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  • O wie traurig sind doch diejenigen, die sich Oper nur noch aus Konserven einflößen! Sie begnügen sich mit Päckchensuppe, während auf der Bühne und im Orchestergraben die opulenten Menüs geschaffen werden. Ich für meinen Teil fühle mich für die Schnabeltasse noch nicht alt (und senil) genug.
    Sixtus' Frage nach den Narren im Käfig war wohl überlegt; möge sich jeder selbst über seine Zugehörigkeit klar werden.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Danke, Siegfried, für deine einfühlende Analyse!
    Ich selbst bin auch nicht frei davon, mich von musikdramatischen Konserven zu ernähren, allerdings als Notlösung - und hoffentlich nicht bis ans kühle Grab. Aber angesichts dessen, was man landauf, landab geboten bekommt, bleibt einem manchmal nicht viel anderes übrig.


    Einen echten Vorzug der Konserve bitte ich aber nicht zu vergessen: die Wiederholbarkeit auf Abruf. Diese Möglichkeit nützen wir doch alle, besonders wenn es um Aufnahmen mit Sängern aus der Vergangenheit geht, die aus biologischen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen
    Und für den aktuellen Opernbetrieb müssen wir uns eben als kämpfende Brüder einsetzen, und so kämpfen wir weiter gegen die Windmühlen des Theaters. Mit welchem Erfolg, hängt auch von uns selbst ab: von unserer Zähigkeit, aber auch von unserer Strategie. Letzteres ist ja jetzt unser Thema, also - schaun wir mal!


    Herzlichen Gruß von Sixtus

  • Nachdem ich nun endlich wieder zu dieser "faszinierenden Kunstform", wie Holger so schön sagt, zurückgefunden habe, werde ich die drei Termine, die ich in diesem Jahr noch habe, ganz unvoreingenommen wahrnehmen.


    Lieber Willi,


    Deine Ausführungen sind ein Schlag in die Magengrube. Ich hoffte so sehr, Dich beim diesjährigen Künstlertreffen der Gottlob-Frick-Gesellschaft und unserem zumindest in der Progammauswahl wunderschönen Konzert "Zauber der italienischen Oper" am 15./16. Oktober wieder dabei zu haben. Hoffentlich habe ich da etwas falsch verstanden?


    Herzlichst
    Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Man sehe sich doch nur die Begeisterung der Sportfreunde und hier vor allem der Fußballnarren an. Dagegen sind wir doch in unseren Gefühlsausbrüchen und Aktivitäten laue, lahme Enten. Hoffentlich gibt es nicht nur einen Käfig voll Zeitgenossen die nach Oper närrisch und süchtig sind und solche, die eine lebenslange Sehnsucht, Liebe und unstillbaren Hunger nach und für die Oper entwickelt haben. Hoffentlich ist ein Teil dieser Opernnarren auch hier in unserem Forum, die die Forderung erfüllen: "In Dir muss brennen, was Du im Anderen entzünden willst. Also lasst uns kognitiv oder emotional gesteuert und motiviert noch lange und aktiv für unsere Oper glühen. Willkommen im Käfig der Opernnarren.


    Herzlichst
    Operus, O selig, O selig, ein Opernnarr zu sein. :!: :!: :!:

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zuerst eine kleine Korrektur zu Beitrag 20:
    Beim Hinweis auf meinen Merker-Bericht von der Straßburger Don-Carlo-Premiere ist mir ein Fehler unterlaufen:
    Die Premiere war am 17.6., der Bericht steht demzufolge nicht im Heft 6, sondern kommt im Heft 7, das dieser Tage erscheint.


    Was die Debatte über den hermetischen Narrenkreis betrifft:
    Es dürfte inzwischen geklärt sein, wie das Närrische hier zu verstehen ist. Ich glaube, wir müssen unterscheiden zwischen einem unerlässlichen Idealismus, ohne den keine Kunst zu haben ist und der manchmal für Außenstehende närrische Formen annimmt - und einem bierernsten Schmoren im eigenen Saft und einem Beharren auf den eigenen Prinzipien.


    Das eine ist auch in einem solchen Forum das obligate Salz in der Suppe, da sind wir uns wohl einig. Das andere aber verträgt meiner Meinung nach gelegentlich das, was man heute mit dem inflationären Begriff "Hinterfragen" benennt, also ein nachdenkliches Innehalten und Rückversichern, ob man noch genügend Bodenhaftung hat oder schon in die Stratosphäre entschwebt ist - oder sich nur noch im Kreise dreht, ohne es zu merken.


    Ich denke, von dieser Position aus können wir beruhigt in die nächste Runde gehen -
    meint, mit einladenden Grüßen, Sixtus

  • Zitat

    Zitat von Siegfried: O wie traurig sind doch diejenigen, die sich Oper nur noch aus Konserven einflößen!

    Lieber Siegfried,


    Natürlich sind wir traurig, dass man sich kaum mehr in ein Opernhaus wagen kann. Ich würde auch lieber wieder Opern live erleben, aber wenn ich für Schwachsinn nicht nur teures Geld, das mir wirklich nicht so locker sitzt, bezahlen und kostbare Zeit, die ich besser verwenden kann, verschwenden soll, um hinterher enttäuscht und verärgert nach Hause zu gehen, dann bleibt mir nicht anderes übrig, als diese Einschränkung in Kau zu nehmen.
    Andererseits bringt mir aber auch die Konserve viele Vorteile. Das Repertoire der Opernhäuser wird doch immer beschränkter, während ich als vielseitig interessierter Opernfreund in der Konserve noch vieles finde, was mir kein Opernhaus mehr bietet. Meine DVD-Sammlung umfasst inzwischen eine große Menge nicht mehr gespielter und teilweise weniger bekannter Werke und der Wert der Wiederholbarkeit ist auch nicht von der Hand zu weisen, vor allem, wenn es ein Werk ist, das ich bisher noch nicht kannte, kann ich mich durch erneutes Schauen intensiver damit befassen.
    Das als senil anzusehen und mit der Schnabeltasse zu vergleichen, finde ich doch recht übertrieben. Gerade die Konserve bietet mir die Möglichkeit, nicht beim Bekannten stehen zu bleiben, sondern auch im Alter noch immer Neues zu erfahren und zu verarbeiten, ohne mich von Schwachsinn einlullen zu lassen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Das Repertoire der Opernhäuser wird doch immer beschränkter,

    Das wäre zu beweisen! - Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Gerade, wenn ich mir die Spielpläne kleinerer Häuser anschauen, ist da doch zu manche Wiederentdeckung zu finden (ob es das dann Wert ist, steht auf einem anderen Blatt). Auch kann man spaßeshalber die Besprechungen der gängigen Operngazetten durchgehen und findet, dass viele auch unbekanntere Werke gespielt werden. Auch sollte man sich überlegen, vor welchem Hintergrund dies geschieht, denn schließlich muss ein Opernhaus viele verschiedene Geschmäcker bedienen, es gibt unzählige Werke, um die es sich lohnt und eine Saison hat nur endlich viele Spieltage. Tatsächlich sehe ich es eher so, dass die diversen jetzt wieder anstehenden Festivals dazu neigen, lieber bewärtes, als neues bzw. unbekanntes auf die Bühne zu bringen. Das sind dann auch die Sachen, die auch mal ins TV kommen und das Bild vielleicht fälschen!? Ein weiterer Grund, in die Häuser zu gehen, statt von außen Beurteilungen abzugeben, die ich so nicht nachvollziehen kann. Und dabei geht es wohlgemerkt in keinster Weise um die leidige Frage Regietheater - Ja oder Nein?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Andererseits bringt mir aber auch die Konserve viele Vorteile. Das Repertoire der Opernhäuser wird doch immer beschränkter, während ich als vielseitig interessierter Opernfreund in der Konserve noch vieles finde, was mir kein Opernhaus mehr bietet.

    Lieber Gerhard,


    es fällt schwer, einer Persönlichkeit zu widersprechen, mit der man zumindest in den Grundpositionen weitgehend übereinstimmt und für die man große Sympahtie, ja freundschaftliche Gefühle hegt. Bei der Aussage, dass das Repertoire der Opernhäuser immer mehr eingeschränkt würde meine ich, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Man blättere nur die letzte Ausgabe der "Opernwelt" durch und es ist erstaunlich, was da alles ausgegraben oder von längst vergessenen Opern wieder aufgeführt wird. Es werden Opern präsentiert, wie in Basel "Melancholia" von Nübel, in Bern "Hanjo" von Hosokawa, in Bonn "Holofernes" von Resnicek, in Brauschweig"The Crucible" von Ward, in Oldenburg"Cristina, regina di Sevezia" , in Salzburg"Strormy Interlude" von Brand, in Würzburg "Der Steppenwolf" von Aslund. Hätte ich im Heft intensiv weiter gesucht, wären mir sicherlich weitere ausgefallene Raritäten ins Auge gestochen. Bei der Berichterstattung war das klassische Opernrepertoire in der Minderzahl. Mir tun nur die armen, meist jungen Sänger leid, die solche Eintagsfliegen studieren und singen müssen. Vielleicht ist es auch Strategie einer taktisch denkenden Opernleitung. Man nehme ein Stück, das keiner kennt, darin kann der Regisseur schalten und walten wie er will. Vergewaltigt er allerdings einen "Freischütz", so wie z. B. in Hannover, empört sich ein großer Teil des Publikums auf's Heftigste. Diese Konflikte werden vermieden, wenn auf Unbekanntes ausgewichen wird und modern gibt man sich auch noch. In zwei Punkten hast Du m. E. recht: Die deutsche Spieloper wird sträflich vernachlässigt und es werden viel zu wenig wirklich bühnentaugliche Werke komponiert, die ins häufig gespielte Repertoire übergehen. Lieber Gerhard, die Spielpläne werden nicht immer beschränkter, sie werden mit zu viel Unbekanntem und zu Recht Vergessenem überfrachtet.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zitat

    operus: Lieber Willi,


    Deine Ausführungen sind ein Schlag in die Magengrube. Ich hoffte so sehr, Dich beim diesjährigen Künstlertreffen der Gottlob-Frick-Gesellschaft und unserem zumindest in der Progammauswahl wunderschönen Konzert "Zauber der italienischen Oper" am 15./16. Oktober wieder dabei zu haben. Hoffentlich habe ich da etwas falsch verstanden?


    Lieber Hans,


    da hast du in der Tat etwas falsch verstanden, es handelt sich bei den drei von mir genannten Terminen ausschließlich um Opernbesuche, dazu kommen in diesem Jahr noch ein Besuch beim Schleswig-Hosltein-Musikfestival und in der neuen Saison ab September 11 Besuche in der Kölner Philharmonie alleine bis Weihnachten.
    Keiner hätte jedoch den Besuch des diesjährigen Künstlertreffens tangiert. Dennoch macht ein anderer, schon lange feststehender Termin meinen diesjährigen Besuch unmöglich. Am 15. Oktober starte ich mit meinem Stammchor die Rückfahrt von einer einwöchigen Chorreise von St. Malo an der französischen Atlantikküste, wobei wir noch eine Zwischenübernachtung an der belgischen Grenze machen werden.
    Es wird mir also leider unmöglich sein, dieses Jahr am Künstlertreffen teilzunehmen. Um so mehr freue ich mich schon auf 2017.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Hans,


    danke für deine Antwort und die Aufklärung. Du hast Recht. Vielleicht war mein Eindruck tatsächlich zu einseitig. Ich habe leider nur den Einblick in die nähere Umgebung, die für mich erreichbar ist, und ins Fernsehen. Was da kommt, sind fast nur ständige Wiederholungen des gängigen Repertoires (leider meist in verfälschenden Inszenierungen).
    Hier bei uns wurden sowieso nur jedes Jahr einige (dazu in den letzten Jahren verfälschte) Opern des gängigen Repertoires geboten, die sich nach spätestens drei Jahren (manchmal schon nach einem Jahr) mit einer anderen Tourneebühne wiederholten.
    Aber gerade das Fernsehen hätte statt der vielen unsinnigen Angebote in einer so großen Vielfalt von öffentlichen Sendern die Möglichkeit, uns zur Abwechslung mit dem unbekannteren Repertoire bekannt zu machen. Doch da können sie wohl keine Quote machen. Aber ist die Quote bei den öffentlichen Sendern - zumindest außerhalb der Zeit, in der sie Werbungen senden dürfen - wirklich so wichtig?
    Auch konnte ich im Fernsehen überwiegend nur (mehrfach wiederholte - was ja nicht zu verurteilen ist, damit Leute, die keine Aufzeichnungsmöglichkeit haben, sie zu einem für sie geeigneten anderen Zeitpunkt sehen können) feststellen, dass - wie Michael Schenk schon richtig feststellte, von den Festspielen nur bewährtes Repertoire gezeigt wird, was das Bild natürlich auch verfälscht. Und - wie du weiterhin feststellst - wird die deutsche Spieloper sträflich vernachlässigt, was ebenfalls zu dem Bild beiträgt, das sich bei mir festgesetzt hat. Ich kann also (unverfälschtes) Unbekanntes wirklich nur noch aus der Konserve beziehen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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